Sesshoumarus Braut von XdramaX ================================================================================ Kapitel 1: der Fluch der schwarzen Braut ---------------------------------------- Es waren Jahrhunderte vergangen, seit er diese Wälder das letzte Mal betreten hatte. Während all der Zeit hatte Sesshoumaru die Gegend gemieden, doch nun war er bereit. Es war soweit, er würde seinem letzten Feind gegenübertreten, ehe er den Thron der westlichen Dämonen besteigen konnte. All seine Kämpfe, die er in den vergangenen achthundert Jahren seit seinem Verschwinden bestritt, dienten nur dem einen Zweck: Er musste stärker werden, um sich der Gefahr zu stellen, die ihn in der Festung seines Vaters erwartete. „Mein Herr, mein Herr!“, zeterte Jaken hinter ihm und kam aus den Büschen gestolpert. Wenig interessiert und dennoch aufmerksam wandte er seinen Blick zu dem kleinen Dämonen um. Doch was auch immer er wollte, er wurde von InuYasha unterbrochen, der ihm auf dem Fuße folgte. „Erkläre es mir noch einmal, was genau ist passiert?“ „Aber das ist doch klar!“, meckerte Jaken von unten herauf und schwang seinen Stab. „Der alte Fürst war nicht stark genug, um diesen...“ Weiter kam er nicht. Sesshoumaru hatte genug von dem vorlauten Gerede gegen seinen ehrwürdigen Vater und stieg einfach über Jakens Kopf hinweg den Gebirgspfad weiter hinauf. So brachte er ihn zum schweigen. „Ein Dämon besetzt die Festung unseres Vaters, InuYasha.“, erklärte er gelangweilt. „Was muss das für ein Wesen sein, wenn selbst euer Vater ihn nicht bezwingen konnte?“, fachsimpelte Miroku und beobachtete die Wipfel der Bäume um sie herum. InuYasha gab ein abwertendes Geräusch von sich. „Ich begreife nicht, wie du der Meinung sein kannst, dass ausgerechnet du diesen Dämonen besiegen kannst.“, verkündete er großschnäuzig. „Immerhin konnte nicht einmal unser Vater ihn besiegen.“ Sesshoumaru schwieg zu dieser versteckten Anschuldigung und schritt weiter den Weg entlang. „InuYasha, du solltest so nicht reden.“, tadelte Kagome in einem liebevollen Ton. „Sesshoumaru ist ein ungeheuer starker Dämon. Stärker als euer Vater, laut Totosai.“ Der Halbdämon schnaubte beleidigt und drehte den Kopf weg. „Du bist es doch gewesen, InuYasha, der ihm seine Hilfe angeboten hat!“, erinnerte Sango. „Ja, aber doch nur, um das Erbe unseres Alten zu retten! Ich verstehe nicht, wie man so dumm sein und sich eine ganze Festung vor der Nase wegschnappen lassen kann. Es ist immerhin der Sitz des Dämonenfürsten über den Westen.“ „Daher muss es sich um einen überaus mächtigen Dämonen handeln.“, verkündete Miroku andächtig. „Vielleicht noch mächtiger als Naraku?“, überlegte Sango. „Und bestimmt noch gruseliger!“, jammere Shippou und sprang in die Arme Kagomes. Sesshoumaru überhörte einfach all das Gerede. Er wollte sie nicht berichtigen, in dem er ihnen sagte, dass sein Vater einfach nur schwach gewesen war. Der Sieg seines Gegners hatte nichts mit können zu tun. So konzentrierte er sich voll und ganz auf die Aufgabe, die nun vor ihm lag. Erst wenn er sie gemeistert hatte, wäre er am Ziel seiner Reise angekommen. Dass sein Halbbruder und dessen Freunde hier waren um ihm zur Seite zu stehen, das hatte er auf ihrem Weg hierher zu tolerieren gelernt. Um ehrlich zu sein war er auch erfreut darüber, dass dieser Mischlingsbastard – für den er seinen Bruder nun mal hielt – tatsächlich zu seinem Fleisch und Blut stand und um die Ehre der Familie kämpfen wollte. Er erreichte die Spitze des Berges und sah hinab in das tiefe Tal und zu den vielen Hängen rings herum, die es umschlossen. Hinter ihm schlossen seine Begleiter auf. Sango schüttelte sich. „Eisig...“, hauchte sie und rieb sich die Oberarme unter der Rüstung der Dämonenjäger. Nein, es war keine Kälte, die ihnen entgegen strömte, doch dafür schienen nur der Mönch und die Priesterin empfänglich zu sein. Mirokus Stab klimperte, als er sich neben den Bruder seines Freundes stellt und in die weite Landschaft blickte. „Welch eine Kraft...“, flüsterte er andächtig. „Hunderte Dämonen leben in diesem Tal.“, verkündete Sesshoumaru und reckte stolz das Kinn. „Und einen davon wollen wir töten.“, InuYasha zog sein Schwert Tessaiga und legte es lässig über die Schulter. „Also dann, lasst uns gehen! Dem zeigen wir es!“ Doch Sesshoumaru rührte sich nicht von der Stelle. Er sog tief die Luft ein. Kagome, Sango und sein Bruder schlossen zu ihnen beiden auf und folgten dem starren Blick des Älteren. Ein Flackern war in der Luft um den kleineren Berg im Zentrum auszumachen. „Ein Kraftfeld?“, fragte Sango irritiert. „Ein Bann.“, erkannte Kagome dagegen korrekt. „Nicht als Schutz, er soll etwas einsperren.“ „Einsperren?“, fragte Shippou unschuldig. „Vater war nicht in der Lage dieses Monster zu töten, daher versiegelte er das Tor der Festung und schloss es in seinem Inneren ein.“, verkündete Sesshoumaru, dessen Augen noch immer stur und verbissen auf diese eine Stelle in der Unebenheit der Luftspiegelung fixiert waren. „Sesshoumaru, gestatte mir die Frage: Was genau erwartet uns dort unten?“, verlangte Miroku nun doch zu wissen. Die Atmosphäre, die dieser Berg ausstrahlte, war ihm nicht geheuer und das Gefühl wurde nicht gerade dadurch verbessert, dass der älteste Dämon in ihrer Gesellschaft zu dieser Frage schwieg. Doch dann endlich eine Reaktion: „Meine Braut.“, verkündete er auch zu Jakens Entsetzen und schlug den Trampelpfad in das Tal ein. Entgeistert sahen ihm die anderen hinterher. Schweigend schritt der festliche Zug durch die Kälte der Schneelandschaft. Es war soweit, heute würde der Fluch der Dörfer ein neues Opfer fordern. Keiner der Bewohner dieser Region konnte sich daran erinnern, ob und wann sie einmal in Freiheit gelebt hatten. Sie waren sich sogar sicher, dass nicht einmal ihre Urahnen ein friedliches Jahr ohne Menschenopfer an die verfluchte Dämonenbraut erlebten. Ihr Anführer hob fröstelnd die Finger und hauchte die frierende Haut an. Wehleidig sah er dabei zurück zu der Sänfte, in der seine geliebte Tochter saß. Wie nur konnte das Schicksal so grausam sein und ausgerechnet seine kleine Blume fordern? Sie war doch noch so jung und im besten, heiratsfähigen Alter. Sie hätte ihm und seiner Frau viele Enkelkinder schenken können. Doch so sollte es nicht. In diesem Jahr wurde sie von dem Monster gefordert, das sie alle unterjochte. Dreizehn Dörfer lagen um den Vulkan herum, auf dessen Kratersee ein Schrein errichtet worden war. Er sollte dazu dienen die Götter zu besänftigen, damit diese die Siedlungen mit Ausbrüchen der gefährlichen Berge verschonten. Leider jedoch, so hieß es in der Legende, suchten Dämonen Zuflucht in dieser heiligen Stätte und entweihten sie. Sie nahmen das Land und seine Bewohner in Besitz und verlangten Tribute. Ein reicher und mächtiger Dorfvorsteher wollte sich dieses Verhalten der Bestien nicht gefallen lassen und zog so ihren Zorn auf sich. Als seine älteste Tochter den Sohn eines anderen Clans heiraten sollte, attackierten sie die Trauung und löschten jedes Leben aus, das sich ihnen entgegen stellte. Jedes, nur das der Braut wurde verschont. Der Mann schluckte schwer, als er an diese Legende dachte und zog die Decke um seine Schultern fester, doch es half nichts. Die klirrende Kälte des strengen Winters kroch durch jede Naht, die sie finden konnte. An diesem Tag – so schien es ihm – sogar noch mehr als sonst. Sie erreichten den Gipfel des Vulkans und der Geistliche an seiner Seite stimmte ein Gebet an, um den anwesenden Dämonen zu zeigen, dass sie in tiefer Ehrerbietung und Demut vor sie traten. Grausam, dass ein Mann dies tat, der eigentlich dazu dagewesen wäre, sie alle zu schützen... Doch auch die Braut der Legende hatte keinen Schutz erfahren. Nachdem all ihre Gäste, ihre Familie und auch ihr Bräutigam geschlachtet worden waren, wurde sie hierher verschleppt. Man sagte, dass sie fürchterliche Qualen durchlitt und die Schreie ihrer Schmerzen durch die Misshandlungen noch Tage lang über der Region hingen. Die reine Seele der Jungfrau zerbrach und verband sich mit den Dämonen, die sie schändeten. Seit her hing ein unbezwingbarer Fluch über dem See und den umliegenden Dörfer. Einmal im Jahr forderte die dämonische Braut seit her ein grausames Opfer der dreizehn Dörfer. Jedes Jahr wurde eine Tochter unter allen erwählt, um dem Fluch dargeboten zu werden. Jung musste sie sein und unberührt. Sie näherten sich dem Kratersee und mit ihm der sanft und friedlich schaukelnde Fähre, die schon so viele unglückliche Töchter in ihren Tod geführt hatte. Nur einmal im Jahr erschien sie für einen einzigen Tag und wenn bei ihrer Rückkehr zum Schrein keine Braut auf den Planken saß, dann würden Horden von Dämonen über die armen Bewohner der Region hereinbrechen. Frau und Kind hätten sie getötet und Männer dazu verleitet den verfluchten See aufzusuchen, um sich dort mit der schwarzen Braut zu vereinen. Voller Furcht – er wusste nicht, ob um seine Tochter, weil er sie opferte, oder um sich selbst, wenn er es nicht tat – betrachtete der Mann den See. Wasserdampf stieg aus ihm empor. Tief unten am Grund stieg die Hitze der unterirdischen Lava auf und erhitzte die Flüssigkeit, die ihren Ausgang bedeckte. So wirkte der See wie eine anormale Abnormität in der sonst reinen, weißen Winterlandschaft. Vorsichtig ließen die Träger der Sänfte das Gefährt hinab und entfernten sich. Dann öffnete sie sich zaghaft. Ihm blieb fast das Herz stehen, als seine Tochter in dem weißen Brautgewand auf den verschneiten Strand trat. Wie gern hätte er ein letztes Mal in ihr Gesicht gesehen, doch er wagte es nicht ihren Blick zu heben, als er die rot bemalten Lippen in ihrem bleichen Gesicht sah. Der Blickdichte, schwere Schleier, der ihre schwarzen Haare bedeckte, war tief in die Augen gezogen, als sie näher trat. Selbst ihre feine Nase konnte er aufgrund des gesenkten Kopfes nicht erkennen. Nein, er war sich sicher, dass sein gebrochenes Herz den Anblick ihrer großen, braunen Augen nicht ertragen hätte. Wie konnte die Welt nur so grausam sein und ihm seine Tochter rauben? „Nozomi...“, allein bei ihrem Namen versagte ihm die Stimme den Dienst, als er ihr eine Hand entgegen hielt, um ihr beim Einsteigen in das Boot zu helfen. Augenblicklich wünschte er sich, dass er es nicht getan hätte. Ihr Kopf hob sich leicht, sodass er die feinen Sommersprossen ihrer Wangen sehen konnte und den überrascht geöffneten Mund. Zweifellos hatte sie gehofft, er würde ihr diesen grausamen Tod doch noch ersparen, doch er tat es nicht, wie die junge Frau nun verstand. Er wollte sie in die Arme nehmen, als sie den Kopf wieder senkte und angestrengt die Kiefer zusammen drückte. Kein Ton kam über ihre Lippen, als ihre schlanken Finger nach seinen Rauen griffen und sie mit einem Schritt in die schaukelnde Fähre stieg. Er zog seine Hand schuldbewusst zurück und legte sie in seine Zweite. Es war wie eine Anklage, dass er noch immer die Berührung spürte, obwohl sie schon lange unterbrochen war. Und er war sich sicher, dass er dieses Gefühl nicht so schnell wieder loswerden würde. Zwei Männer des Dorfes hielten die Barke fest, bis Nozomi das prachtvolle Gewand gerichtet und sich auf die Planke gesetzt hatte. „Es tut mir so leid, Nozomi.“, flüsterte er seiner Tochter zu, doch außer einem schwachen Nicken konnte er keine Reaktion des Mädchens erwarten. Sie hatte Angst, was verständlich war. Sie war wie ein Lamm, das offen zum Schlachter gezerrt wurde und sie hatte keine Chance dem zu entgehen, zumindest nicht, wenn sie nicht ihre Familie gefährden wollte. Doch Nozomi war wie ihr Vater ein Kind der Ehre. Niemals wäre sie geflüchtet, wenn sie gewusst hätte, dass damit so viele Menschenleben beendet gewesen wären. Der Priester trat heran und sprach ein letztes Gebet dafür, dass der böse Geist, der sie erwartete, mit seinem Opfer zufrieden war und sie ein weiteres Jahr verschonte. Nozomis Vater wünschte sich, er hätte auch ein paar Worte für die Seele seiner Tochter gefunden, doch er wusste, dass sie bereits verloren war. In dem Moment, da man sie auserwählt hatte, war ihr Geist nicht mehr zu retten gewesen. Die Männer ließen das Boot los. Nur noch wenige Augenblicke konnte er auf den Schleier seiner Tochter hinabblicken, dann schaukelte das Holz unter ihr zaghaft. Er sah ihre Fingerknöchel, die unter der Anstrengung ihres Griffes weiß hervortraten, als sie ihre Hand auf ihrem Schoß fester packte, dann setzte sich das Gefährt in Bewegung. Er schluckte schwer. „Nozomi“, flüsterte er voller Trauer und folgte der Bewegung mit wenigen Schritten, bis er in den sanften Wellen des Sees zustehen kam. Weiter wagte er sich nicht hinein. „Deine Tochter ist ein tapferes Kind. Möge sie Frieden finden.“, sprach der Priester und legte ihm aufmunternd eine Hand auf die Schulter. Unfähig sahen die Männer dabei zu, wie sie weiter davon glitt. Langsam breitete sich der weiße Nebeldunst um die Barke herum aus, legte sich wie ein unheilvoller Schleier um die reine Braut und verschlang sie schließlich, ohne Aussicht auf Rückkehr. Zittrig stieß ihr Vater die Luft aus. In seinem Kopf hallte ihr Name wie ein unerfülltes Gebet. Der Druck ihrer kalten, ängstlichen Finger verstärkte sich in seiner Hand. Nozomi... Was hatte er nur getan? Er wäre zusammengebrochen, wenn da nicht der Priester gewesen wäre. „Komm“, sprach er ihn leise an. „Wir sollten gehen. Wir dürfen nicht verweilen, wenn die schwarze Braut sich zeigt.“ Der Vater schluckte schwer, warf noch einen letzten Blick auf die Stelle, wo seine Tochter im Nichts verschwunden war, und wandte sich schließlich zum Gehen. Nozomi spürte den Dunst des Wassers um sie herum, der die Kälte des Winters zu vertreiben schien. Es waren gerade erst wenige Augenblicke vergangen, seit ihr Vater sie verabschiedete, das war ihr klar, doch es kam ihr vor wie Stunden. War sie vielleicht schon tot? Sie zwang sich dazu ihre vor Anstrengung steifen Hände zu öffnen und hob sie an das Tuch über ihrem Kopf. Sie schloss die Augen. Was würde sie sehen, wenn sie es hob? Es gab nur eine Möglichkeit es herauszufinden. Gedanklich zählte sie langsam bis drei, dann hob sie Schleier und Blick. Nichts. Nur undurchdringlicher, weißer Nebel waberte um sie herum. Sie legte den Stoff zurück, hinter die zwei kunstvoll gearbeiteten Lilien, die an Spangen ihre elegant frisierten Haare zierten, und sah sich zögerlich um. Nicht einmal Bug und Heck des Bootes konnte sie erkennen, nur das Wasser, das rechts und links an ihr vorbeiglitt. Hektisch sah sie sich um. Wo war sie? Plötzlich fuhr ein Ruck durch das Boot. Erschrocken erstarrte sie zu Eis und hielt die Luft an. So wartete sie und lauschte in die unendliche Stille hinein. War dort jemand? Was würde nun geschehen? Sie schlucke schwer und spürte die Trägheit ihres Nackens, als sie es endlich schaffte sich erneut voller Furcht umzusehen. Doch es war niemand bei ihr. Das Boot drehte sich langsam und stieß schließlich ein zweites Mal seitlich gegen eine Stufe, die zu einer Plattform hinauf führte. Nozomi schlug das Herz bis zum Hals. Das musste der Schrein sein, in dem die schwarze Braut lebte. Es war, als würde der heiße Wasserdampf des Sees dem Schrein nicht näher kommen können. Stattdessen verfinsterte sich die Umgebung wie bei Nacht. Doch es war lediglich schwarzer Dunst, der die Strahlen der Wintersonne abschirmte. Sämtliches Blut schien sich aus Nozomis Körper zu verflüchtigen und ihr wurde Kalt. Sie wäre am Liebsten einfach zurückgefahren, doch ohne Ruder und Segel war dies nicht möglich. Leicht zitternd vor Angst und Nervosität sah sie sich um. Nirgendwo war etwas zu entdecken, das sich bewegte. Sie begann gerade ihr Herz zu beruhigen, als sie ein leises, blubberndes Geräusch vernahm. Erschrocken fuhr sie herum und sah zurück in den weißen Nebel, doch die Gefahr kam nicht von dort. Ein Wassertropfen spritzte in ihr Gesicht. Fahrig wischte sie darüber und als sie den Kopf senkte, erkannte sie endlich, dass es das Wasser unter der Barke war, das zu brodeln begann. Immer mehr und immer größer wurden die Blasen die an die Oberfläche traten und die Planken unter ihr vibrieren ließen. Eine kleine Welle schwappte in das Boot. Von dem plötzlichen Nass an ihren Füßen und Beinen aufgescheucht, sprang Nozomi hektisch auf die Stufe der Plattform und stolperte in Sichere Entfernung zum Wasser, während sie dabei zusah, wie das Boot Millimeter um Millimeter in dem Wasser versank. Nun war sie gefangen. Ihre letzte Fluchtmöglichkeit wurde von dem See verschlungen. Als sie sich endlich beruhigt hatte, erhob sie sich auf zitternde Knie. Der Dunst um sie herum schien schwerer zu sein, als der Nebel des Sees und erfüllt ihr Herz mit tiefer Verzweiflung. Sie hatte das Gefühl seit Jahrhunderten an diesem Ort gefangen zu sein und Unmengen an unaussprechlichen Qualen durchlebt zu haben. Der Schrein selbst lag noch immer verlassen und trügerisch Still von ihr. Sie atmete tief durch und gab dem Drang nach, der sie tiefer in das Gebäude locken wollte. Leise knarrten die Planken bei jedem Schritt unter ihren Füßen. Sie folgte dem Steg, der die Plattform mit einem kleineren Gebäudekomplex verband und fand sich gleich darauf in dessen Zentrum wieder. Ein Altar war auf einem kleinen Podest errichtet worden, auf dem noch immer Opfergaben an die Götter lagen, welchen der Schrein einst gewidmet war. Es war erstaunlich. All das Obst und Getreide hätte schon lange verrottet sein müssen, doch der Zahn der Zeit hatte keine Spuren an ihnen hinterlassen. Es knarzte. Erschrocken wirbelte Nozomi herum und beobachtete ihre Umgebung genau. Ein weiteres Knacken der Holzdielen, doch sie konnte niemanden entdecken. Mit klopfendem Herzen entfernte sie sich vom Altar und schlang ihren Schleier um sich, sodass er Kopf und Schultern bedeckte, als könnte der einfache Stoff sie vor allem Unheil beschützen, der in diesen Mauern auf sie wartete. Doch da lag sie natürlich falsch. Ein letztes Knarren, dann atmete jemand in ihrer Nähe schwer und zittrig ein. Nozomi fuhr herum und erstarrte. Eine schwarz gewandete Braut, um die sich der finstere Nebel zu verdichten schien, stand mit gesenktem Kopf hinter ihr. Jede feine Bewegung ihres Körpers war erfüllt von Trauer und Verzweiflung. Ein heiseres Wispern erfüllte die Luft und schließlich hob sich das verhüllte Gesicht des Geistes. Schockiert stolperte Nozomi rückwärts davon. „Wir sind da.“, geräuschlos landeten zwei Dämonen auf der Plattform, von der aus auch Nozomi den Schrein betrat. „Das hier hat dein Vater gemeint.“ Erhaben hob der Angesprochene den Kopf und sah sich in dem schwarzen Nebel um, der sie umgab. „Ein mieses Gefühl hier zu sein, findest du nicht, Sesshoumaru?“ „Du musst lernen dich zu beherrschen, Gorou.“ „Ja, ja, ich weiß, Gefühle dürfen wir uns im Angesicht eines Kampfes nicht leisten.“, er atmete schwer aus und ebnete alle Gesichtszüge. Dann versteinerte sein Blick ebenso wie der des Prinzen an seiner Seite. Sesshoumaru sah seinen Freund herrschaftlich von oben herab an. Der ihm unterstellte Dämon wechselte nun wieder in einen standesgemäßen Umgangston: „Dies, mein Herr, ist der Schrein, den Euer verehrter Herr Vater uns nannte.“ Sesshoumaru nickte einmal zufrieden und ließ den Blick erneut schweifen. „Der Wandermönch, der den Meister aufsuchte, sprach von dreizehn Dörfer in unmittelbarer Umgebung, die unter dem hiesigen Fluch leiden. Eine Braut soll am Tag ihrer Hochzeit von Dämonen entführt und hier festgehalten worden sein. In ihrem Tod verband sie sich mit ihren Peinigern zu einem einzigen Dämon, doch zeitgleich wurde sie durch ihre zerbrechende, menschliche Seele verflucht. Seither bedroht sie die Bewohner dieser Region und verlangt lebendige Menschenopfer. Einmal im Jahr wird eine junge Frau aus einem der Dörfer geschickt, um den Fluch zu besänftigen.“ „Das Leid der Menschen interessiert mich nicht.“, verkündete Sesshoumaru, doch Gorou überraschte dieser Ton nicht. Der Junge Prinz war eben anders, als sein fürstlicher Vater. „Der Mönch brachte dem Meister ein Tribut dar, mein Herr. Es ist nun unsere Aufgabe dem Fluch ein Ende zu bereiten.“ Reine Zeitverschwendung in Sesshoumarus Augen. Wenn sein Vater es ihm nicht befohlen hätte, wäre er gar nicht erst gekommen. Mit dieser Gewissheit tat er seinen ersten Schritt auf den Steg zum Zentrum des Schreins. Gorou folgte seinem Herrn. Er wunderte sich inzwischen nicht mehr darüber, dass der Prinz, mit dem er aufgewachsen war, so gefühlskalt in diese zermürbende Umgebung trat. Beneiden tat er ihn um diesen Charakterzug nicht, da er wusste, dass Sesshoumaru selbst am Hof des Fürsten nur selten eine Miene verzog. Doch er musste zugeben, dass eine solche Selbstbeherrschung, wie sie der Dämonen an seiner Seite hatte, in diesem Schrein von Vorteil gewesen wäre. All diese Emotionen, die in der schweren Luft hingen, wollten ihn in die Knie zwingen. Zu gerne hätte er sich in sein Bett zurückgezogen, von dem er dachte, dass er darin sicher wäre. Er wollte sich vor der ganzen Welt verstecken. Dabei war er doch ein Dämon, so wie der Prinz vor ihm. Nachdenklich betrachtete er die schneeweißen Haare am Hinterkopf seines Freundes. Wie konnte er nur so ruhig bleiben? Gorou hätte am liebsten geheult vor Frustration und Schmerz, obwohl er nicht einmal wusste, woher diese Gefühle überhaupt kamen. Plötzlich blieb Sesshoumaru stehen. Unvermittelt aus seinen Gedanken gerissen, hielt sein Begleiter an und folgte dem Blick des jungen Meisters. In dem dichten, finsteren Nebeldunst hatte sich eine Gestalt gefestigt. Eine schwarze Braut hockte auf dem Boden vor einem reich gedeckten Altar und beugte sich über eine Anhäufung aus Nebel, der unter ihrer Kleidung hervor zu wabern schien. Gorou rutscht das Herz in die Hose, als er diese jämmerliche, verzweifelte Person sah. Der Urinstinkt jedes Hundedämonen schlug gegen die Pforte seines Herzens; Er wollte sie beschützen. Er schluckte. Jede Faser seines Körpers verlangte danach diese verlorene Braut vom Boden aufzulesen und in seinen Armen zu wiegen. Ein leises, geisterhaftes Schluchzen hing in der Luft. Schmerz und Verzweiflung benebelte seine Sinne und raubte ihm die Kontrolle über seinen eigenen Körper. Schwerfällig setzte sich einer seiner Füße vor den anderen und gemeinsam trugen ihn seine Beine an dem Prinzen vorbei. Doch es war Sesshoumaru, der ihn wieder in die Realität zurückzog. Erschrocken fuhr Gorou zusammen, als er die Berührung des anderen Mannes an seinem Arm spürte, und sah sich zu ihm um, doch der versteinerte Blick Sesshoumarus war noch immer auf die Erscheinung vor ihnen gerichtet. „Sie verschlingt ihr Opfer.“, verkündete er und mit nun wieder klarer Sicht sah Gorou zurück. Tatsächlich. Die schwarze Braut streichelte nicht einfach eine wahllose Ansammlung von Nebel, sondern das leblose Gesicht eines Mädchens. Lediglich ihr Kopf, ihre schier endlosen, schwarzen Haare und ein Arm in einem blütenweißen Ärmel waren noch zu sehen. Entsetzt sah Gorou dabei zu, wie der dämonische Fluch die Menschenfrau in sich aufzunehmen begann. „Das ist unsere Chance.“, erkannte Sesshoumaru und im nächsten Moment preschte er vor. „Herr, wartet!“, brüllte Gorou ihm nach und weckt so das Interesse der schwarzen Braut. Gerade noch so, ehe Sesshoumarus Klauen in ihr einschlagen konnten, wich sie aus und richtete sich etwas abseits zu ihrer vollen Größe auf. Der Prinz fuhr herum und zog dabei die Hand aus der zerstörten Planke nahe dem Körper des reglosen Mädchens. Es war ihm egal gewesen, ob er sie gemeinsam mit dem fremden Dämon vernichtete. Sie war nichts, als ein wertloser Mensch. Doch nun sah er wieder die schwarze Braut an. Erneut fuhr ein trauriges, flehendes Wimmern durch die Luft, weshalb Gorou die Augen schließen musste. Er musste sich zwingen die Beherrschung zu wahren, um dieser Braut nicht zu Hilfe zu eilen und sich gegen seinen Freund zu stellen. Sesshoumaru dagegen ließ das alles kalt. „Mich kannst du damit nicht beeindrucken.“, verkündete er stolz und erhob sich. Ein grünliches Glühen breite sich um seine rechte Hand aus. Dieses Wesen erforderte eine stärkere Attacke; Seine Giftklauen. Die Geräusche, die in der Luft lagen verstummten und stattdessen breitete sich ein greller Schrei aus. Das Gesicht der schwarzen Braut verzog sich grausam und anstelle der Augen und des aufgerissenen Mundes blähten sich klaffende, finstere Löcher auf. Nun war auch endlich Gorou von dem Zauber der unheimlichen Frau befreit. Sesshoumaru startete einen erneuten Angriff gegen die Dämonin. Diese Chance nutzte Gorou, um seine Beine in die Hand zu nehmen und hinüber zu der Menschenfrau zu eilen, die neben dem Altar auf dem Boden lag. Der Dunst, der sie bedeckte, verzog sich allmählich. Sie war ein junges Ding, vielleicht gerade erst fünfzehn Jahre alt, gehüllt in ein vergleichsweise edles Brautgewand – zumindest für die Tochter eines einfachen Bauern. Ihre Augen und ihr Mund waren leicht geöffnet und eine nasse Spur von Tränen schob sich über ihre Wangen. Gorou schob eine Hand unter ihren Nacken und beugte sich hinab, um ein Ohr an ihre Brust zu legen. Ihr Herz war nur schwach zu hören, doch es schlug noch. „Halt durch!“, flüsterte er ihr zu und sah auf, als der Steg zur Plattform krachend zu Bruch ging. Sesshoumaru war noch nie ein vorsichtiger oder gar leiser Kämpfer gewesen. Doch egal, was von dem Schrein am Ende noch übrig war, er war sich sicher, dass der Prinz als Sieger aus dem Kampf hervor ging. Er sah wieder hinab auf die junge Frau in seinem Arm und richtete sie halb auf. Sie war kalt und blass. Der Tod griff bereits nach ihr. Sie brauchte dringend Hilfe. Er war so versunken in der Sorge um das schwindende Leben der Frau, dass er nicht bemerkte, wie sich Nebel vor ihm verfestigte. Der Laut eines zittrigen Atems drang an sein Ohr und im ersten Moment hatte er Hoffnung, dass das Mädchen wieder zu sich kam, doch sie regte sich noch immer nicht. Wind zog auf und brachte das Wispern zurück, mit welchem der Geist sie schon einmal verzaubern wollte. Er spürte erneut die aufkeimende Angst in sich und begriff, dass etwas nicht stimmte. Erschrocken hob er den Blick und sah in das verzweifelte Gesicht der Dämonin. Wo war sein Prinz? Hektisch sah er sich um. Was sollte er nun tun? Er konnte doch das Mädchen nicht einfach liegen lassen. Die Gestalt näherte sich ihm. Sie glitt langsam durch die Luft. Er hörte ihre flehenden Worte, die ihn darum baten, sie niemals allein zu lassen. Sie war einsam und hilflos, ängstlich und verzweifelt. Sein Herz brachte es erneut zum schmelzen. Er öffnete den Mund um irgendeinen dummen Schwur zu faseln, dass er immer für sie Sorgen würde, doch da brach der Zauber schon wieder ab. Ihr wunderschönes Gesicht entstellt zu einer stumm schreienden, grausamen Fratze. Durch ihre Brust bohrte sich mit grünem Leuchten eine starke, große Hand. „Sesshoumaru“, brachte Gorou erleichtert hervor, als sein Freund seine Klauen zurückzog und der Gestalt der Braut dabei zusah, wie sie in sich zusammensackte. Der schwarze Nebel um sie herum wirbelte aufgescheucht im aufziehenden Wind und schien schließlich nach oben gesaugt zu werden. Wie zu Fetzen zerrissen folgte die Gestalt der Dämonin und löste sich quälend langsam mit dem finsteren Dunst auf. Gorou sah den Überresten nach, wie sie sich verflüchtigten, und senkte dann den Blick zu der Stelle, an der die Braut nur wenige Sekunden zuvor noch gestanden hatte. Er war entsetzt über seine eigene Schwäche und die Emotionen, die er hatte in sich eindringen lassen. Solch mächtige Gefühle hatte er noch nie wahrgenommen. „Wir sind hier fertig.“, verkündete Sesshoumaru schließlich, als der Nebel des Sees sich nun auch in dem Schrein auszubreiten begann. Gorou nickte und sah auf das bewusstlose Mädchen in seinen Armen hinab. „Warte, Sesshoumaru, was ist mit der Kleinen?“ „Sie ist nur ein Mensch. Lass sie liegen. Wir kehren heim.“ „Was?“, flüsterte Gorou und sah in das verweinte, kraftlose Gesicht. „Das können wir nicht machen. Sie lebt noch.“ „Nicht mehr lange.“ „Eben drum! Sie stirbt, wenn wir sie hier zurücklassen.“ „Dann soll es so sein.“ Gorou biss die Zähne zusammen. Er mochte seinen Prinzen und respektierte ihn auch, doch nach dem, was er gerade erlebt und gespürt hatte, konnte er die junge Frau nicht so einfach zurück lassen. Außerdem verstieß das doch gegen ihre Ehre als Krieger. Oder sogar noch schlimmer: „Was meinst du, wie dein Vater darauf reagieren wird, wenn er erfährt, dass wir eine Frau zum Sterben zurückließen, obwohl wir sie vielleicht hätten retten können?“ Sesshoumaru hielt inne. Er wollte gerade gehen, da für ihn das Gespräch beendet und die Entscheidung getroffen war, doch nun sah er zurück. Sein Vater, an den hatte er gar nicht gedacht. Für den großen Inu no Taishou hatten menschliche Wesen einen anderen Stellenwert, als für seine Fürstin und seinen Sohn. Während seine Mutter ihm sagen würde, dass er alles richtig gemacht hatte, würde sein Vater ihn dafür bestrafen lassen, dass er dieses Kind zurückließ. „Wir müssen sie mitnehmen, Sesshoumaru.“, erklärte auch Gorou und richtete die Schwarzhaarige auf, um sie sich gegen Brust und Schulter zu legen. Der Prinz überlegte gerade, ob er sie einfach töten sollte – verwarf den Gedanken aber wieder, da die Strafe seines Vaters anschließend noch größer ausfallen würde – als sein Gefährte seinen zweiten Arm unter die Beine der Braut schob. Vorsichtig richtete er sich so mit ihr auf und hielt sie fest. „Sie ist so kalt...“, flüsterte Gorou und schlang seine dämonische Rute um sie beide, damit er das Mädchen wärmen konnte. Sesshoumaru betrachtete das Schauspiel missbilligend – was ihm aber nach außen hin nicht anzusehen war. „Hör auf zu reden. Wir gehen.“, brachte er nur noch einmal hervor und hob in diesem Moment bereits ab. Nach Gorou und der halbtoten Menschenfrau sah er sich nicht noch einmal um. Kapitel 2: gute und böse Dämonen -------------------------------- Aufmerksam sah sich Sango um. Ein unbeschreiblich schlechtes Gefühl kroch in ihren Körper und wenn sie ihre Freunde betrachtete, die sich vor ihr den überwucherten Weg hinauf zwangen, schien es ihnen nicht besser zu gehen. Keiner wagte es etwas zu sagen, seit Sesshoumaru ihnen offenbart hatte, dass der bevorstehende Kampf gegen seine Verlobte zu führen war. Das InuYasha zu dieser Information den Mund hielt grenzte an ein Wunder. Dennoch, je näher sie der Festung kamen, desto stärker schien das Unbehagen auf ihnen allen zu lasten, auch auf dem Dämonen, der sie führte. Selbst der Wald, der sich den Berg zurückeroberte, schien sie in ihrem Fortkommen hindern zu wollen. „War der Weg zu der Festung schon immer so heruntergekommen?“, wollte InuYasha entnervt wissen, doch Sesshoumaru reagiert nicht auf ihn. „Das denke ich nicht.“, antwortete Miroku stattdessen, der trotz der neugewonnenen Wildnis ein Muster in der Umgebung zu erkennen glaubte. „Ich denke, dass dies hier einmal eine Straße war. Achthundert Jahre ist eine lange Zeit, in der sich die Natur selbst die größten Bauten wieder zurückholen kann.“ Kagome nickte bestätigend. „Seht mal, da vorne scheint eine Lichtung zu sein.“, rief Shippou aufgeregt. Er war froh endlich aus dem Wald zu kommen. Obwohl es früher Morgen war, drang kein Licht durch die hohen, dichten Wipfel. Er wollte gerade von Kagomes Armen hinunter springen und die letzten Meter ins Licht überwinden, als er bemerkte, dass Sesshoumaru stockte. Jaken sah angestrengt zu seinem Meister hinauf. „Sesshoumaru?“, sprach Kagome ihn an, doch sie musste ihre Frage nicht stellen, damit er wusste, was sie wollte. Er hob eine Hand und streckte sie vor sich aus. Es knisterte leise, dann stoben Funken aus dem Nichts um seine Finger. Ein kleiner, blauer Blitz zuckte und er zog die Hand wieder weg. „Ein Bannkreis.“, bemerkte Miroku überflüssiger Weise. „Er umgibt die Festung. Wir sind fast da.“, bestätigte Sesshoumaru. „Wer hat den hier gezogen?“, verlangte Sango zu wissen, die zwar durchaus mitbekommen hatte, dass Sesshoumaru sie bereits darauf hinwies, dass in diesem Tal viele Dämonen lebten, doch bei einer solchen Ansammlung erwartete sie nur niedere Wesen, die nicht die Kraft für solch einen Ballkreis aufbrachten. „Das ist doch ganz egal!“, stattdessen trat InuYasha voller Tatendrang vor und stellte sich mit Tessaiga der unsichtbaren Barriere entgegen. „Ich werde sie weg pusten. Aus dem Weg, Sesshoumaru.“ Sein Bruder sah wenig beeindruckt zurück, tat ihm dann aber den Gefallen und ließ InuYasha den Vortritt. Warum auch nicht? Im Ernstfall würde er anschließend als Erster in eine mögliche Falle tappen. So sah er dabei zu, wie der Halbdämon mit dem Schwert ausholte und sich auf sein Ziel konzentrierte, diese Wand zu zerschlagen. Er machte einen Satz auf die Energiebarriere zu und schwang die gigantische Klinge wie ein Kinderspielzeug durch die Luft. Es zischte und knisterte ungehalten, doch schließlich durchbrach Tessaiga sein Hindernis. „Das ist unglaublich. Dieser Bannkreis ist gigantisch. Nur ein sehr mächtiger Dämon kann ihn errichtet haben.“, verkündete Miroku, als durch die Erschütterung das gesamte Ausmaß sichtbar wurde. „Mir gefällt das irgendwie nicht...“, murmelte Sango und hob den Mundschutz an, um ihn sich vorsichtshalber vor das Gesicht zu binden. Lichtspiegelungen brachen sich in dem zerfallenden Schild und der eben noch durch eine Lichtung erhellte Wald verfinsterte sich von Neuem. Entsetzt griff Miroku seinen Stab fester, als vor ihnen aus dem Nichts ein gigantisches Tor erschien. Ein leichter Dunst lag in der Luft, der das Sonnenlicht zu verschlucken schien. Bei Nacht musste dieser Ort vollkommen finster sein. Sesshoumaru dagegen schien wenig überrascht. Ihn erinnerte das Ganze daran, wie er schon einmal durch solch einen Nebel gewandert war. Er atmete kaum merklich tief ein und übertrat die Stelle, an der eben noch die Barriere stand. In einer riesigen Feuerschale war Öl entzündet worden und verbrannte nun in einem imposanten Feuer, direkt vor dem Eingang der Festung. Die Sieben traten näher und während Sesshoumaru mit den Augen bereits das Tor untersuchte, sondierten die anderen noch ihre Umgebung. „Dort hinten sind noch mehr Feuer.“, bemerkte Kagome. „Da auch.“, stellte Miroku fest und beide wiesen rechts und links an der Mauer entlang. „Du musst ja einen ganz schönen Besen als Verlobte haben.“, stachelte InuYasha. „Eher einen Drachen!“, konterte Shippou unüberlegter Weise. „InuYasha, Sitz!“, befahl Kagome und ihr Mann ging krachend zu Boden. „Was sollte das denn?“, jammerte er mit Dreck im Mund. „Du solltest nicht so vorlaut sein!“, tadelte sie ihn und beobachtete Sesshoumarus Rücken. Zum Glück schien er sich nicht auf das Niveau seines Bruders herabzulassen. Sie wollte nicht riskieren, dass die Beiden womöglich aneinander gerieten, denn sie wusste, wer den Kürzeren zog. InuYasha war nicht schwach, konnte aber einem Dämonen wie Sesshoumaru nicht das Wasser reichen. Außerdem waren sie doch eine Familie, auch wenn sie sich bis heute wenig verstanden. Sie fühlte sich dazu berufen, den gerade erst entstandenen Frieden zu wahren. „Mein Meister, mein Meister“, rief Jaken plötzlich erschrocken. Er hatte etwas entdeckt. „Es ist, wie ihr sagtet. Ein Schwert ist zwischen den Flügeln des Tores eingeklemmt.“ „Ein Schwert? Hat einer versucht dort einzudringen?“, fragte Miroku und trat mit seiner Frau näher an Sesshoumaru heran. „Seit der Schließung des Tores hat keiner mehr versucht in die Festung zu gelangen.“, bemerkte dieser unberührt, wagte jedoch noch immer keinen Schritt näher an das massive Holz heran. „Warum wollen wir dann dort hinein?“, fragte Shippou spitz. Dem kleinen Fuchs klapperten bereits sichtlich die Zähne. „Wenn du so viel Angst hast, warum bist du dann überhaupt mitgekommen?“, wollte Sango mit mütterlichem Ton wissen, doch das brachte den Kleinen nur dazu von Kagomes Armen zu springen und die Brust aufzuplustern. Mit zitternden Knien und bebender Stimme erklärte er: „Ich bin ein Dämon. Ich habe keine Angst! Außerdem braucht ihr mich doch! Ich muss euch beschützen.“ Wenig begeistert griff InuYasha nach dem flauschigen Fuchsschwanz des Jungen und hob ihn daran hoch. Mit zweifelndem Blick beobachtete er Shippou dabei, wie er mit rudernden Armen zeternd nach Freiheit verlangte. Was ein Haufen. Und so etwas sollte Sesshoumaru unterstützen? Er gab es nicht gerne zu, doch dieser kümmerliche, kleine Dämon und sein Halbbruder waren zu nichts zu gebrauchen. Selbst die drei Menschen in seiner Begleitung waren hilfreicher als diese Kindsköpfe. Er wandte sich von dem Schauspiel ab und zwang sich dazu, auf das Tor zu zutreten. Dieser Schritt fiel ihm aus so vielen Gründen schwer und sie alle hingen mit seiner Vergangenheit zusammen, in der er noch hinter diesen Mauern lebte. „Halt! Wer da?“, ertönte eine Stimme und der Dämon hielt inne. Fünf weitere Hundedämonen landeten vor ihm auf den Füßen. Einer von ihnen reckte eine Fackel in die Höhe, die anderen Vier streckten ihm Schwerter entgegen. Er erkannte sie alle. Es waren Soldaten seines Vaters, die damals – wie scheinbar auch heute – die Festung bewachten. Einer von ihnen – der Fackelträger in der Mitte – war Gorou. Sein alter Gefährte kniff die Augen zusammen und trat einen Schritt vor. „Sesshoumaru?!“, sprach er ihn an und seine vier Begleiter verloren etwas an Körperspannung, als auch sie ihn erkannten. Sie sahen einander mit unergründbarer Miene an, dann gab einer ein verstecktes Signal, welches Sesshoumaru dennoch nicht entging. „Verdammt“, vernahm er InuYashas Stimme und schielte zur Seite, ohne den Kopf zu bewegen. Weitere Wachen waren aus allen Richtungen auf sie zu getreten und bedrohten die fünf Freunde und Jaken mit ihren Waffen. Natürlich konnte sich der Kappa kein Wort verkneifen. „Ihr wagt es?!“, zeterte er und schwang seinen Stab. „Was fällt euch ein, euch dem großen Meister Sesshoumaru-sama entgegen zu stellen?“ Die Augen des Gemeinten wanderten wieder zurück zu Gorou, der den kleinen Wicht allerdings geflissentlich ignorierte. „Es ist lange her, mein Freund.“, das Letzte spukte ihm sein alter Begleiter beinahe voller Verachtung entgegen. „Du hast noch immer nicht gelernt deine Gefühl zu verbergen.“, stellte sein Prinz trocken fest. „Bei dir fällt uns das auch schwer.“, verkündete Gorou. „Und nun nimm diese Gestalten dort und verschwinde von diesem Ort!“ Sesshoumaru sah ihm unbeirrt in die Augen. „Ich bin hier, um den Fluch zu beenden.“, verkündete er hart, doch Gorou schnaubte nur verächtlich. Er wandte den Blick ab, als einer der Männer hinter ihm das Schwert runter nahm. „Gorou?“, der Dämon sah über die Schulter zurück, um ihm zu signalisieren, dass er ihm zuhörte. „Er ist hier, oder nicht? Geben wir ihm eine Chance seine Worte unter Beweis zu stellen.“ Gorou rümpfte wenig begeistert die Nase und sah wieder zurück zu seinem Prinzen. Wollte er dieses Risiko eingehen? Sesshoumaru hatte sie schon einmal im Stich gelassen. Ihr Glück war es, dass der große Inu no Taishou zu der Zeit noch lebte und den Dämon im Innern der Festung einsperrte. Doch ihr letzter Fürst des Westens lebte seit zweihundert Jahren nicht mehr und wenn Sesshoumaru das Siegel auf der Pforte löste, um anschließend erneut das Weite zu suchen, dann säßen sie alle in der Falle. Wer wusste schon, ob es einen Krieger unter ihnen gab, der eine solch mentale Kraft aufwies, dass er nicht von dem Fluch übermannt werden würde. Denn nur so hatte man eventuell eine Chance den Dämonen zu besiegen. „Unerhörtes Pack!“, zeterte eine Stimme los und Gorou wandte den Blick dem Kappa zu, der etwas abseits der Menschen, des jungen Fuchsdämonen und des Halbdämonen stand. Schon eine seltsame Begleitung für Sesshoumaru, wie er gestehen musste. „Wisst ihr denn nicht, wen ihr da vor euch habt? Das ist der große Sesshoumaru-sama, der Herr des Westens! Das hier ist sein...“, erschrocken schrie Jaken auf und sprang zur Seite. Auf einen Wink Gorous hin, schoss eine der umstehenden Wachen einen Pfeil nach dem Wicht, der direkt vor ihm in die Erde schlug. „Das war nur ein Warnschuss, falls du deine große Klappe noch einmal öffnest.“, warf Gorou ihm an den Kopf und die umstehenden Männer lachten amüsiert, als sie sahen, wie Jaken sich kleinlaut zu InuYasha und dessen Freunden zurück zog. Gorou wandte sich wieder Sesshoumaru zu und erschrak beinahe. Lächelte er etwa? Doch genauso schnell, wie er den Eindruck gewonnen hatte, verschwand es wieder und erneut hatte er diese kalte Eissäule vor sich, die der Prinz schon immer war. Prüfend beobachtete er jede Nuance in Sesshoumarus Gesicht, doch es war schwer in ihm zu lesen. „Du wirst es beenden?“, fragte er ihn daher noch einmal, um sicherzugehen. Erneut zog ein anderer Gorous Aufmerksamkeit auf sich. Mit einem abwertenden Laut und hochtrabendem Blick schwang der Halbdämon in der Gruppe sein Schwert über die Schulter. Gorous Augen vergrößerten sich sichtlich. Er kannte diese Waffe! „Wenn Sesshoumaru Mist baut, dann werde ich es eben beenden.“, verkündete der Mann mit den Hundeohren. Gorou nahm kaum wahr, was er sagte, betrachtete nur weiter dieses monströse Schwert. „Ist das Tessaiga?“, fragt er Sesshoumaru, der über seine Schulter zurück sah. „Ha, und ob das Tessaiga ist!“, brüllte InuYasha stolz rüber. „Du solltest dich wirklich in Bescheidenheit üben.“, stellte Sango fest und die anderen vier nickten bestätigend. „Wer ist der Kerl?“, wollte Gorou von Sesshoumaru erfahren. „InuYasha, mein kleiner Bruder.“ Nun verstanden sie. Sie wussten alle von die letzte Geliebten des Fürsten und auch um den Umstand seines tragischen Todes. Gorou sah in die Augen Sesshoumarus. Nie hätte er gedacht, dass er sich einmal auf die Reise mit einem Halbdämonen machen würde, auch dann nicht, wenn es sich dabei um seinen Halbbruder handelte. Doch nun stand er nicht nur mit ihm vor diesem Tor, sondern auch mit drei Menschen – einer Priesterin, einem Mönch und einer Dämonenjägerin – einem kleinen Kitsune, sowie diesem vorlauten Kappa. Vielleicht konnten sie dem Prinzen doch vertrauen. „Also gut.“, verkündete Gorou und gab ein Zeichen, dass die Soldaten ihre Waffen herunternehmen sollten. Dann sprach er etwas lauter weiter, damit jeder es verstehen konnte: „Wir geben dem Herrn die Chance, den Fluch unserer Heimat zu zerschlagen. Bevor wir das Siegel öffnen, kehrt ihr zurück zu den Signalfeuern. Der Rest folgt Sesshoumaru-sama als Unterstützung in die Festung. Ab dem Moment, da das Tor offen steht, wird sich niemand allein von seiner Gruppe entfernen. Verweilt niemals zu lange an einem Ort und hört auf keinen Fall auf die Stimme des Geistes. Verbannt alle Gefühle aus euren Herzen und haltet euch vor Augen, dass alle Emotionen, die ihr vielleicht zu spüren glaubt, nicht die Euren sind, sondern die der schwarzen Braut.“ Die Soldaten bestätigten die Befehle lautstark und machten sich dann eilig zu ihren Posten auf. Gorou nickte InuYasha und seinen Freunden zu, als sie näher traten, und sah dann noch einmal jedem seiner eigenen Leute, die mit ihnen die Festung betreten sollten, eindringlich ins Gesicht. „Denkt an meine Worte.“, versuchte er ihnen ein letztes Mal ins Gewissen zu reden und wandte sich zuletzt an die Begleiter seines Prinzen. „Auch ihr: Seid vorsichtig. Achtet besonders auf die Frauen. Der Fluch versucht zwar auch Männer zu locken, doch mit etwas Willensstärke kann man sich aus dem Einfluss der schwarzen Braut retten. Mit Frauen geht der Fluch allerdings weniger … rücksichtsvoll um.“ Sango und Kagome sahen einander an, doch dann nickten sie mit verbissenem Gesichtsausdruck und fassten ihre Waffen fester. Gorou war zufrieden und blickte wieder zu Sesshoumaru. „Wir sind soweit.“, verkündete er und trat beiseite. Ohne sich ein letztes Mal nach seinen Begleitern oder den Soldaten umzusehen, schritt Sesshoumaru die verbliebenen Meter auf das Tor zu und griff nach dem Schwert, welches die Pforte versiegelte. Er atmete einmal tief durch, dann riss er daran. Mit einem schleifenden Geräusch löste sich die Waffe aus seiner Halterung und ein schweres Knarren erfüllte die Luft, als sich das Holz in Bewegung setzte. Wie ein lautloser Feind wirbelte der schwarze Nebel hinter den Mauern auf. Hier war er noch dichter konzentriert, als vor den Toren, doch nun waberte der unheimliche Dunst auch durch den Eingang und über die Mauern hinweg, um sich im Wald zu verteilen. Es lag an den Wachposten bei den Feuern außerhalb der Mauer, dass die Braut die Festung nicht unentdeckt verließ. Und es war an Sesshoumaru, den Fluch ein für allemal zu beseitigen. Er hob stolz den Blick und schritt voran in die finstere Atmosphäre der Festung. Es schien mitten am Tag zu sein, als Nozomi das erste Mal seit einer gefühlten Unendlichkeit spürte, wie Leben in ihren Körper zurückkehrte. Eine kühle Brise strich durch das helle Zimmer, in dem sie lag, und durch die geöffnete Tür vernahm sie das fröhliche Zwitschern kleiner Vögel, die über die Terrasse hüpften. Wohltuender Frieden erfüllte sie. Sie war sich sicher, dass all die Schrecken, die sie durchlebt hatte, nichts als Träume gewesen waren. Ihre Fantasie hatte ihr einen Streich gespielt, das war alles. Vermutlich würde gleich ihr kleiner Bruder herein kommen und sie aus dem Bett schmeißen wollen, oder ihre heranwachsende Schwester jammerte, dass sie ihr die langen Haare bürste müsste. Sie atmete tief durch und spürte ein seltsam rasselndes Gefühl in der Herzgegend. Doch auch bei dem zweiten Mal verschwand es nicht. Während sie versuchte die Augen zu öffnen, wollte sie dieses merkwürdige Gefühl ergründen, doch eine Erklärung schien es nicht zu geben. Sie entspannte die Lider wieder Irgendetwas fehlte in ihrem Leben. Irgendetwas Entscheidendes war nicht so, wie es sein sollte, doch sie kam nicht dahinter, was es war und als sie erneut einen tiefen Atemzug wagte war dieses leere Gefühl in ihrem Herzen verschwunden. Dafür nahm sie nun etwas Neues wahr. Etwas, dass nicht sein konnte... Leise, besorgte Stimmen lagen in der Luft. „... Sie wird wieder.“, versprach ein Mann ihren Eltern. „Macht Euch keine Gedanken. Ich bin mir sicher, dass ihr Erwachen bereits bevorsteht.“ Es klang fachmännisch, aber auch tröstlich. Sicher war es ein Arzt, der dort sprach, doch wieso? War sie denn krank? „Ich hoffe, dass du Recht behältst, Akira.“, entgegnete eine tiefe, ruhige Stimme. Nein, das war nicht ihr Vater! Nozomi versuchte erneut die Auen zu öffnen, doch ihre Lider waren noch immer zu schwer. Sie spürte nur das verschlafene Zucken der dünnen Haut. „Meister, bitte verzeiht, doch wenn ihr bleiben möchtet, so wäre es sicher angemessen, wenn ihr die Tür schließen würdet. Der Körper unseres jungen Gastes ist noch recht schwach. Ich möchte ungern riskieren, dass sie unterkühlt wird.“ Sie spürte die Decke auf sich, die sich leicht bewegte, als der Arzt sie richtete und somit jede mögliche Kältebrücke versiegelte. „Ja, natürlich, entschuldige.“, die Stimme des Höherrangigen klang amüsiert, da schabte auch schon die Tür über den Boden. Doch gegangen war er nicht. Die Dielen knarrten leise, als er näher kam und sich seufzend neben dem Arzt an ihrer Seite nieder ließ. „Wie geht es dem Kind denn heute?“ „Nun, Herr, wie ich schon sagte, ich denke nicht, dass sie noch lange im Koma liegen wird. Seit diesem fürchterlichen Schrei vor zwei Nächten hat sie sich viel bewegt. Es sieht eher aus wie ein unruhiger Schlaf – vielleicht sogar als wäre sie besessen, doch ein Dämon hat sich ihrer nicht bemächtigt.“ „Das ist gut. Ich kann es nicht leiden, wenn ein unschuldiger Mensch auf diese Weise gequält wird.“ Akira lacht leise. „Ja, Meister, das wissen und schätzen wir so an Euch.“ Wer waren diese Leute nur? Ein frustriertes, schwachen Keuchen vor Anstrengung drang über Nozomis Lippen, als sie wieder die Augenlider öffnen wollte. „Meister“, hauchte Akira überrascht und das Mädchen spürte, wie sich jemand über sie beugte. Eine sanfte Hand strich über ihr Gesicht... Und... Waren das Fingernägel, oder gar Klauen? „Sachi, bring mir ein Schälchen Wasser.“ Irgendwo im Raum brach plötzlich Hektik aus, als die gemeinte Frau auf die Füße sprang und davon eilte. „Mein Fürst, Ihr erlaubt?“, Akira veränderte seine Position, wodurch er scheinbar auch den Platz des Meisters beanspruchte, und schob einen Arm unter Nacken und Schultern von Nozomi. „Danke, Liebes.“, kurz nach diesen Worten setzte er eine glatt gearbeitete Schale an ihren bleichen Mund an. Als er sie kippte strömte eine kalte, wohltuende Flüssigkeit ihren Mund und die Kehle hinab. Sie wusste nicht ob aus Reflex, oder weil sie es wollte, aber sie schluckte. „Braves Kind.“, lobte er sie großzügig und gab ihr etwas mehr zu trinken. Gemeinsam mit dem Wasser schien auch neue Kraft in ihren Körper zu fließen. Blinzelnd hoben sich ihre Augenlider und sie versuchte mit getrübtem Blick ihre Umgebung zu erkunden. „Sehr gut, mein Kind. Überanstrenge dich nicht.“, sprach er väterlich und bettete sie zurück auf die Kissen und deckte sie zu. Als er sich herumdrehte, um seinem Herrn etwas mitzuteilen, erkannte Nozomi langes, weißes Haar, was im ersten Moment seltsam erschien, da seine Stimme nicht die eines alten Greises war. Doch als er sich wieder herum drehte, wurden die Konturen schärfer und sie erkannte ein wunderschönes, jugendliches Gesicht. Sofort war ihr klar, wen oder was sie dort vor sich hatte: Einen Dämonen. Akira schien die aufkeimende Angst zu entdecken, wenn sie auch nicht die nötige Kontrolle über ihren Körper besaß, um ihr noch auf andere Art und Weise Ausdruck zu verleihen. Leicht verengten sich ihre Pupillen, als ihre Augen wieder zuklappten und ihr Kopf zur Seite von ihm weg fiel. „Nicht doch, nicht...“, sprach er sanft und legte eine Hand unter ihre Wange, um ihren Blick wieder zu heben. Das Holz unter ihrer Schlafstätte bewegte sich und der Zweite Mann – der Meister – setzte sich neben sie. „Sie hat Angst, Akira.“, erkannte er überrascht. Was war daran so verwunderlich? Sie war eine menschliche Frau in der Gesellschaft von zwei männlichen Dämonen. Bilder von ungeheuerlichen Qualen durchfluteten ihre Seele, waren jedoch wieder verschwunden, ehe sie danach greifen konnte, und versehen konnte, weshalb sie der Gedanke in noch größere Panik versetzte, als normal. „Nicht, mein Kind, seht mich an.“, bat der Arzt voller Fürsorge und rieb mit beiden Daumen über ihre Wangenknochen. Sie wusste nicht warum, doch diese Berührung brachte sie tatsächlich dazu das zu tun, was er von ihr verlangte. Sanft lächelten diese goldenen Augen sie an, als sie es schaffte ihm ins Gesicht zu sehen. „So ist gut. Ihr müsst keine Angst haben, Kind. Wir werden Euch nichts tun.“ Doch die Furcht ihrer braunen Augen verschwand nicht vollkommen. „Möchtest du dich hinsetzen?“, fragte er sanft und Nozomi nickte aus einem Reflex heraus, ohne wirklich darüber nachzudenken. „Sehr gut. Stütze dich nur auf mich.“, Akira legte ihr erneut den Arm um und schob sie so in die Senkrechte. Von dem Schwung wurde ihr leicht schwindlig, aber sie hatte sich schnell daran gewöhnt und der Arzt ließ sie auch nicht los, ehe er sich nicht sicher war, dass das junge Menschlein allein sitzen konnte. „Ich bin beeindruckt, Akira, und erleichtert. Sie scheint in guten Händen bei dir zu sein.“ Nozomis Kopf drehte sich in die Richtung des zweiten Mannes, den der Erste mit „Meister“ angesprochen hatte. Er musste tatsächlich so etwas wie ein Fürst sein, denn nur solch mächtige Monster trugen Zeichen im Gesicht, die sie einer Herrschaftsfamilie zuwiesen. Sie wusste, dass es sich nicht gehörte, doch sie musste ihn anstarren. Sie schaffe es nicht den Blick von ihm abzuwenden, doch den Meister schien das nicht zu stören. Unerschütterlicher Frieden sprach aus seinen sanften Augen und sein Lächeln schien sie in Watte packen zu wollen, sodass sie sich auf ewig beschützt und behütet fühlte. „Willkommen zurück unter den Lebenden, Kind.“, sprach er und senkte den Kopf in einer knappen Geste, doch sie hatte dennoch das Gefühl, dass tiefe Ehrerbietung daraus sprach. Nur weswegen? Was waren das für seltsame Dämonen, die sie so freundlich behandelten. Der zweite Mann an ihrer Seite begann leise zu lachen und setzte sich etwas bequemer hin. „Bitte verzeih unser Benehmen, Kind. Wo bleiben nur meine Manieren?“, er sah zu seinem Meister. „Das, liebes Mädchen, ist einer der vier mächtigsten Dämonen dieser Welt, der Inu no Taishou, Herr über die westlichen Dämonen. Und ich bin Akira, Arzt am Hof des Meisters.“ Eine sanft Gestalt – eine junge Frau, doch augenscheinlich ebenfalls eine Dämonin – hockte sich neben ihn und goss sanft eine weitere Schale Wasser ein. „Und dieses gute Kind ist Sachi, meine Dienerin.“ Sie hob den Blick von ihren Fingern und lächelte Nozomi ebenso fürsorglich an, wie die beiden Männer. „Bitte schön, trink das, dann geht es dir besser.“, doch Nozomi zögerte, weshalb sie amüsiert hinzufügte: „Keine Sorge, das ist nur Wasser.“ Wasser. Die Fünfzehnjährige horchte in sich hinein und musste gestehen, dass sie fürchterlichen Durst hatte. Ihre Zunge verlangte beinahe schreiend nach einem Schluck der klaren Flüssigkeit. Sie streckte die schwachen Finger aus und zufrieden betrachteten die Drei sie dabei, wie ihr kleiner Schützling in tiefen Zügen das Gefäß leerte. „Möchtest du uns deinen Namen nennen?“, fragte der Inu no Taishou anschließend und diese großen, klaren Augen richteten sich auf ihn. Die Frau rang sichtlich um ihre Stimme, doch dann sprach sie endlich: „Nozomi“ Er nickte zufrieden und mit viel Trost in jeder Geste, dann sprach sein Arzt weiter: „An was kannst du dich noch erinnern?“ Nozomi betrachtete ihn. Was meinte er wohl damit? Zuletzt hatte sie sich schlafen gelegt. Was sie allerdings träumte war alles andere als schön gewesen. „Du weißt nichts mehr?“, hakte Akira nach und so beschloss sie traurig den Kopf zu schütteln. Der Fürst machte ein ratloses Geräusch und sah sie mitfühlend an. „Mein Sohn und sein Begleiter fanden dich im Schrein auf einem Vulkansee. Wie bist du dorthin gekommen?“ Nozomi erschrak sichtlich. Sollte sie doch nicht geträumt haben? „Der See bei meinem Dorf?“ „Dachte ich es doch...“, Akira seufzte mit viel Schmerz in der Stimme. Auch sein Fürst senkte den Blick und schloss die Augen. Sie sah beide an. Was sollte das? Wie konnte das sein? Gerade eben noch ging sie zu Bett und nun wachte sie in der Gesellschaft dreier Dämonen auf, von denen ihr einer erzählte, dass zwei weitere Dämonen sie in dem verfluchten Schrein fanden? Aber warum? Was hatte das alles für einen Sinn? „Wurdest du vielleicht geopfert?“, fragte der Inu no Taishou vorsichtig weiter. „Du hast ein Brautkleid getragen und der Fluch hatte bereits damit begonnen, dich zu verschlingen, sagten sie mir.“ Nozomi sah in an. Ihr Blick verzweifelte, als sie die Augen senkte und verwirrt auf ihre Hände hinab blickt, die die Schale noch immer hielten. Hektisch sprangen ihre Pupillen hin und her, unwissend was sie nun betrachten sollten. War das alles doch kein Traum gewesen? Die Prozession zum See, ihre Überfahrt in diesen geisterhaften Nebel hinein und danach der schwarze Dunst im Schrein, aus dem diese schreckliche Braut trat, mit den schwarzen Löchern anstelle der Augen und des Mundes. Erneut spürte sie die grausame Tiefe der Finsternis, die sie verschlang, je näher ihr das Monster kam. „Nozomi?“, fragte Akira, doch sie war in Gedanken schon nicht mehr bei ihnen. Sie konnte es sich nicht vorstellen, dass ihre Eltern sie wirklich geopfert hatten, und sie wollte es auch nicht. Doch andererseits war sie sich sicher, dass sie in diesem Moment wach war und eine andere Erklärung als das gab es nicht dafür, dass sie sich nun in der Gesellschaft von Dämonen wiederfand, die sie über den Umstand ihres Auffindens ausfragten. Ihre Hände begannen zu zittern. Leise seufzte der Arzt und griff nach ihnen, um ihr die Schale zu entziehen und sie Sachi wiederzugeben. „Komm, Liebes, leg dich wieder hin. Du hast eine harte Zeit hinter dir.“ „Nozomi, aus welchem der Dörfer kommst du? Wer ist dein Vater? Ich werde dafür sorgen, dass er benachrichtigt wird und du sicher nach Hause zurückkehren kannst, sobald es dir besser geht.“, versprach der Inu no Taishou väterlich, als Akira ihr schon wieder dabei half sich hinzulegen. Zu ihrer beider Überraschung jedoch schüttelte das Mädchen den Kopf und sah ihn bittend an. „Hat er mich wirklich in diesen Schrein geschickt?“ Sie war sich im Klaren darüber, dass sie diese Aufgabe voller Pflichtgefühl angegangen wäre, doch mit purem Schrecken dem Tod nur gerade so entkommen zu sein, veränderte vieles. „Ich fürchte, mein Liebes, dass dem so ist.“ Enttäuschung kroch in ihr hoch. Einsamkeit. Sie fühlte sich so schrecklich verlassen und verloren. Aber da war noch etwas. Schmerzen. Wut... Wo kam das alles nur her? Verloren drehte sich Nozomi auf die Seite mit Gesicht zum Inu no Taishou, der forschend versuchte ihn ihren vor Schreck erstarrten Augen zu lesen. Er spürte, dass sich etwas Dunkles in dem Mädchen ausbreitete, doch wie sollte es auch anders sein? Ein Vater war dazu da, seine kleine Prinzessin zu schützen und nicht einem nach Mord hungernden Dämonen zu opfern. „Nozomi?“, fragte er vorsichtig und legte eine Hand auf ihr pechschwarzes Haar. „Ich will dort nicht wieder hin.“ Er strich ihr über den Scheitel. „Ich verstehe. Fühle dich in meiner Festung wie zu Hause. Du bist solange willkommen, bis du dich dazu entscheidest, dass du uns verlassen möchtest. Nun ruhe dich aus, mein Kind.“ Sie nickte zaghaft, zog die Bettdecke bis zu ihrer Nase und schloss verzweifelt die Augen. „Das und das und das...“, zählte Suzume – eine Hundedämonin – auf und legte dabei immer mehr Stoffe und Decken in den großen Korb, den Nozomi trug. „So, ich glaube wir haben alles.“ Bald eine Woche lebte Nozomi bereits in der Festung des Inu no Taishou, als sie den Fürsten um Arbeit bat. Zwar war sie sein Gast, doch sie fühlte sich unwohl dabei, seine Gastfreundschaft einfach auszunutzen. Um ihr daher diesen Wunsch zu erfüllen, bat er eine Dienerin seines Sohnes darum, Nozomi unter ihre Obhut zu nehmen und sie in die Arbeit in den Privatgemächern der Fürstenfamilie, sowie der beiden Harems – seinen und den seines Sohnes – einzuweisen. Da Suzumes Aufgaben vorwiegend darin bestanden die Wäsche zu Waschen, neu bereit zu legen und eventuell kaputte Stellen auszubessern, würde das von nun an wohl auch Nozomis Alltag bedeuten. Doch keine der beiden Frauen empfand diesen Umstand als unangenehm. Im Gegenteil, sie verstanden sich sogar sehr gut. „Kannst du den noch tragen?“, fragte Suzume und hob ihren Korb an. Für sie als Dämonin war die Last kaum nennenswert, doch Nozomi merkte bereits, dass die schweren Stoffe der herrschaftlichen Kleider einiges wog und fragte sich durchaus, ob sie all das bis zu dem Fluss tragen konnte, der durch die Anlage floss. „Ich versuche es einfach so lange, bis es nicht mehr geht.“, schlug sie dennoch vor. „Du kannst doch nicht meine Arbeit übernehmen.“ Suzume lachte leise und ließ sie vor sich hinaus in den Flur treten, ehe sie die Tür zuschob. Eine Weile folgten sie dem Gang schweigend an offenen Türen vorbei, wo weitere Dienerinnen paarweise die Wäsche der Haremsdamen zusammensammelten. „Wie kommst du hier bisher zurecht? Sind alle nett zu dir?“, fragte die Ältere schließlich, als sie das kleine Schloss inmitten der Mauern verließen und über den Trampelpfad des verschneiten Privatgarten zurück zum Hof liefen. „Die Meisten, würde ich sagen. Es gibt einige, die scheinen mir aus dem Weg zu gehen, aber im Großen und Ganzen fühle ich mich erstaunlich wohl.“ „Erstaunlich?“, fragte Suzume gespielt empört, lachte dann aber. „Ja, ich verstehe was du meinst. Es gibt nun einmal auch an diesem Hof einige Dämonen, die nicht begeistert von Menschen sind.“ Nozomi nickt verstehend. „Aber keine Sorge. Du stehst unter dem Schutz des Fürsten. Keiner wird sich wagen, dir etwas anzutun.“ „Da bin ich zufrieden...“, erklärte Nozomi und lächelte matt. Sie meinte diese Worte durchaus ernst, doch obwohl sie überwiegend gut an dem Hof voller Dämonen zurecht kam, hatte sie dennoch das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Manchmal lag sie nachts wach und hatte plötzlich Angst, wenn sie auch nicht wusste weshalb. Dann wieder gab es Momente, die sie mit Suzume verbrachte und sich doch vollkommen alleingelassen fühlte. Lag es vielleicht einfach nur daran, dass sie ein Mensch unter Dämonen war? Sie verstand es nicht. „Oh, Nozomi, komm hierher.“ Erschrocken sah die Angesprochene auf und blickte ihrer Begleiterin nach, die närrischer Weise den Pfad im Schnee verließ und bis zu den Knien in der weißen Pulvermasse verschwand. Was hatte das zu bedeuten? Sie schüttelte den Kopf über dieses Verhalten und wollte gerade lachend weitergehen, als sie aufblicke und sie sah. Eine große Frau in feinsten, majestätischen Gewändern schritt auf sie zu. Der weiche Pelz der dämonischen Rute, die alle Bewohner des Schlosses trugen, umschlang sie wie ein warmer Mantel und ihr weißes, elegantes Haar wehte im Wind. Wer war sie nur? Sie schien wichtig zu sein, sonst wäre Suzume nur neben den Weg getreten, ohne solch einen respektvollen Abstand zwischen sich und der Lady zu bringen. Doch Nozomi kam nicht in die Gelegenheit groß darüber nachzudenken; Hinter ihr erschien ein Mann. Im ersten Moment dachte sie an den Inu no Taishou und wollte ihn bereits begrüßen, doch dann erkannte sie, dass es sich bei dem Besitzer dieses eiskalten Blickes nur um den Sohn des Fürsten handeln konnte. Nur er hatte die Befugnis diesen Garten zu betreten – neben dem Inu no Taishou natürlich. „Nozomi!“, zischelte Suzume und weckte das Mädchen so aus ihren Überlegungen. Erschrocken sprang sie hinter ihr her durch den Schnee und kam erst dicht bei ihr wieder zum Stehen. „Verbeuge dich!“, flüsterte sie und tat es ihr vor. Hektisch folgte Nozomi und wäre beinahe wegen des Gewichts des Korbes vornüber gefallen. Doch sie zwang sich mit zusammengebissenen Zähnen Haltung zu bewahren und den Behälter nicht in den tiefen Schnee fallen zu lassen. War dieses Verhalten nun auf den Prinzen zurückzuführen, oder auf die Dame in seiner Begleitung? Nozomi hätte es nicht sagen können, beide hatte sie bis heute nicht gesehen, was vermutlich vorwiegend daran lag, dass Akira sie erst am Vortag aus seinen Gemächern gelassen hatte, nachdem er sich versicherte, dass es ihr wieder gut ging. Sie versuchte sich gerade noch einmal das Bild der beiden in den Kopf zu rufen, um vielleicht einen Anhaltspunkt zu finden, wer sie war, als bereits die erhabene, herrische Stimme der Dämonin durch den Garten wehte. „Ist das dieser Mensch, den ihr mitgebracht habt, mein Sohn?“ Damit war alles klar. Suzume hatte ihr bereits angekündigt, dass sie der Fürstin – der ehrenwerten Inu no Kami – in diesem Teil der Festung früher oder später begegnen würde. Auch hatte sie sie vorgewarnt, dass sie von dieser eiskalten Frau nicht viel erwarten durfte. Nozomi hielt den Atem an und wartete auf eine Antwort des Prinzen, doch stattdessen vernahm sie nach einigen Sekunden des Schweigens erneut die Stimme der Herrin. „Komm her!“, rief sie hart hinüber und sofort kassierte die Schwarzhaarige einen Stoß von Suzume mit dem Ellenbogen in die Seite. „Beeil dich!“, zischelte sie ihr zu und Nozomi richtete sich wieder auf. Erhaben, jedoch ohne eine echte Gefühlsregung im Gesicht, sahen ihr Mutter und Sohn entgegen. „Ich sagte komm her, Mädchen, oder bist du taub?“, im Gegensatz zu diesem Ton hätte man die Fürstin vorher durchaus als liebevoll bezeichnen können. Mit ihrem Mann schien diese Frau in keiner Weise etwas gemeinsam zu haben. Nicht nur, dass Nozomis Füße und Beine in der Schneewehe langsam erkalteten, auch verflüchtigte sich jedes Blut aus ihrem Gesicht und sie wurde so farblos, wie ihre Umgebung. Sie schafft es nicht ihren Füßen den entsprechenden Befehl zur Bewegung zu erteilen. Die Fürstin schien darüber hinaus die Geduld mit dem Mädchen verloren zu haben. Hochtrabend blickte sie zu ihrem Sohn hinauf, der ebenso stolz zurück starrte. „Menschen, mein Junge. Dieses Exemplar ist das beste Beispiel dafür.“ Er sagte nichts und bewege sich auch nicht, während Nozomi plötzlich der Drang zur Flucht ergriff. „Suzume, bring diesen Menschen zu mir!“, befahl die Fürstin weiterhin barsch. „Komm, Nozomi“, die dämonische Dienerin klemmte sich ihren Korb unter einen Arm und schob dann mit der anderen Hand auf Nozomis Rücken die Jüngere weiter und auf die Inu no Kami zu. Sie wollte nicht! Auf keinen Fall wollte sie noch einen Schritt dichter an diese zwei Gestalten herantreten. Blanke Panik kroch in ihren Bauch und je dichter sie zu ihnen kam, desto größer schien der Abgrund vor ihr zu werden, in den sie hineinzufallen drohte. Sie wollte weg! … Doch da stand sie bereits vor der Fürstin auf dem schmalen Weg und sah sie entgeistert an. Die Furcht, die aus jeder ihrer Poren zu krabbeln schien, gefiel der Herrin wiederum. Es war ein finsteres Lächeln, dass ihre Lippen umspielte, als sie all ihre Macht und ihren Einfluss auf die Schwarzhaarige ausnutze, und auf sie zutrat. Mit jedem Millimeter, den sie näher kam, verkrampfte sich das Kind weiter und dann ging die Fürstin an ihr vorbei. Nozomi wollte sich unter ihrer Bettdecke verkriechen, als sie die dunkle Präsens in ihrem Nacken spürte und jeden Augenblick damit rechnete, dass die Frau sie von hinten angreifen und ermorden würde. „Das ist sie also.“, bemerkte die Fürstin wenig beeindruckt und trat auf der anderen Seite wieder auf sie zu. Sie musterte sie abschätzig und man sah ihr an, dass sie wohl mehr von dem Menschenkind erwartet hatte, dass ihr Sohn so großzügig rettete und ihr Mann so warmherzig behielt – wie ein kleines Haustier, das ihm zugelaufen war. Nozomi hoffte, dass die Frau endlich stehen bleiben würde, damit sie sich auf einen einzelnen Punkt an ihr konzentrieren konnte und sich so zur Ruhe rufen, doch zu ihrem Entsetzen lief die Fürstin weiter, noch eine zweite Runde um sie herum. Sie spürte selbst den flehenden Blick, den sie zu dem Prinzen hob, doch diese Kälte in seinen Augen – die dem warmen Gold seines Vaters glichen – verriet ihr, dass sie keine Hilfe zu erwarten brauchte. „Ich bin ehrlich mit dir, Mädchen.“, sprach Inu no Kami, als würde sie ihr damit den größten Dienst erweisen, den man seinem Freund nur tun konnte. „Ich habe keine Ahnung, warum mein Gemahl dich hier noch duldet. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann wärst du bereits in dem Schrein verstorben, in dem mein Sohn dich auflas.“ Ein Schauer lief über Nozomis Rücken und ihre Augen wanderte kurz hilfesuchend zu Suzume. Leider war aber auch ihre Freundin ratlos. Sie stand nur da, den Blick voller Mitgefühl und Angst, während Inu no Kami mit spitzen Fingern eine Strähne des langen Haares ihrer unliebsamen Dienerin anhob. „Nein, ich verstehe es tatsächlich nicht ansatzweise, was er an dir findet.“ Die Augen des Mädchens schossen wieder zurück zu denen des Mannes bei ihnen, doch er reckte das Kinn erhaben und sah von ihr zu seiner Mutter. Eine Spur von Desinteresse und Langeweile schwang in seinem Blick mit. „Nun gut, ich will mal nicht so sein.“, Inu no Kami schubste eine Strähne ihrer „Widersacherin“ über deren Schulter zurück und griff dann nach dem Kragen ihrer Kleidung, um sie auf korrekten Sitz zu überprüfen, ehe sie sich das Gesicht noch einmal genauer besah. „Sommersprossen“, bemerkte sie abfällig – immerhin gebot das Schönheitsideal der hohen Herren einen ebenmäßigen Taint – ehe sie endlich von ihr abließ: „Suzume, du achtest darauf, dass dieses Kind sich benimmt. So lange sie tut, was man ihr sagt, werde ich sie großzügiger Weise dulden. Merk dir aber meine Worte, Mädchen“ - sie wandte sich wieder an Nozomi - „Solltest du in den Harem meines Fürsten ziehen, dann werde ich nicht mehr so gnädig mit dir und deinem … Leben sein.“, sie konnte sich gerade so das Wort „jämmerlich“ verkneifen. „Gegen seine dämonischen Partnerinnen kann ich nichts unternehmen, doch sollte ich dich eines Tages in seinem Bett finden, wird dich niemand mehr retten können.“ Sie erwartete keine Antwort – Nozomi hätte es sich auch nicht getraut – und ging an ihr vorbei den Pfad weiter hinab. Der Prinz folgte ihr ohne ein weiteres Wort. Erst als sie bei den Familiengemächern waren, schaffte Nozomi einen Atemzug. Mit ihm jedoch ließ die plötzlich den Korb fallen – der rote Abdrücke in ihre kalten Finger gepresst hatte – und rannte davon. „Nozomi!“, rief Suzume, ließ ihre Wäsche auf die ihrer Begleiterin fallen und folgte eilig mit beiden Körben auf den Armen. Die Schwarzhaarige hatte inzwischen das Gartentor erreicht und stieß in ihrer Flucht mit der Pforte zusammen. „Hey!“, erschrocken machte Gorou einen Satz zurück, als er beinahe die Holztür abbekam und im nächsten Moment bereits das Mädchen in seinen Armen lag, das er vor wenigen Tagen erst halb tot an sich presste. „Nozomi!“, erkannte er erschrocken und hielt sie an den Schultern fest, damit sie nicht auf die Knie zusammen sackte. Erschrocken sah er auf zu der Dämonin, die ihr gefolgt war. „Die Fürstin und Sesshoumaru“, klärte sie ihn leise auf. Mehr brauchte er auch gar nicht zu wissen. Kapitel 3: unheilvolle Veränderungen ------------------------------------ Staunend sahen sich die Dämonen und InuYashas Freunde auf dem Hof der Festung um. Nach all den Jahrhunderten hatten sie damit gerechnet, die Mauern und Gebäude in einem schlechten Zustand vorzufinden, doch der Zahn der Zeit schien an dem Gestein und den Holzbalken ohne eine Spur zu hinterlassen vorbeigegangen zu sein. „Das ist atemberaubend.“, flüsterte Kagome anerkennend. „Wie kann es sein, dass diese Gebäude aussehen, als wären sie gerade erst erbaut worden?“ „Ich bin mir nicht sicher, doch meistens sind Banne die Ursache dafür, wenn die Zeit stillzustehen scheint.“, erklärte Miroku und lenkte so die Aufmerksamkeit der Dämonen auf sich. Gorou nickte. „Spürt irgendjemand von euch etwas? Ein unangenehmes Gefühl? Trauer oder Schmerz vielleicht? Oder hört ihr eine Stimme?“, doch alle Anwesenden schüttelten den Kopf. „Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als nach ihr zu suchen. Schwärmt in Gruppen aus und durchsucht alles.“ „Vielleicht ist der Dämon ja schon tot?“, überlegte InuYasha. „Achthundert Jahre ohne Essen und Trinken ist eine lange Zeit...“, er zuckt die Schultern, als hätte sich damit jedes Problem erledigt. „Der Fluch stirbt nicht so einfach.“, entgegnete Sesshoumaru kühl und ging auf das Hauptgebäude dem offenen Tor gegenüber zu. Gorou sah ihm nach und blickte dann zurück zu InuYasha. „Wenn der Dämon verstorben wäre, an den dieser Fluch hängt, dann wäre das Schloss nicht von diesem schwarzen Dunst erfüllt. Die schwarze Braut lebt in diesem Nebel. Man kann sogar den Eindruck gewinnen, dass sie aus ihm besteht.“ Irritiert sahen ihn Sango und Kagome an. „Sie besteht daraus?“, jammerte Shippou und zog den Kopf ein. Gorou lächelte bei diesen Worten und schüttelte den Kopf, ehe er Sesshoumaru folgte. „Abgesehen davon“, begann Miroku und ging ihm nach, sodass die anderen folgen mussten. „fällt ein gebannter Dämon ins Koma und erwacht erst in dem Moment, wo sein Siegel gebrochen wird.“ Sie stiegen die Stufen hinter den beiden Dämonen empor und erreichten die große Flügeltür, hinter der der Thronsaal des Inu no Taishou lag. Sie stand weit offen. „Vielleicht sollten wir dann dort nach ihr suchen, wo sie sich befand, als sich der Bann über der Festung ausbreitete.“, überlegte Sango. „In dem Moment, da der Fürst das Schwert in die Tür rammte, befand ich die Braut auf dem Hof. Sie wollte uns hinaus folgen.“, erklärte Gorou. „So viel also zu dieser Theorie.“, seufzte Kagome enttäuscht und hob den Blick zu den kunstvollen Schnitzereien der Säulen neben der Pforte. „Nicht ganz.“, überlegte Miroku. „Wenn wir davon ausgehen, dass das Schwert sie nicht direkt berührt hat, dann könnte sie noch einige Schritte gegangen sein, ehe sie ins Koma fiel. Die Frage ist nur: Wohin ging sie?“ Sesshoumaru sah stumm zu seinen Begleitern zurück und wandte sich dann wieder dem Thronsaal zu. Der Raum, der sich hinter der offenen Tür erstreckte, war finster. Kein Licht drang hinein und der Nebel in ihm schien wie ein schwarzes Loch, das sie alle verschlingen wollte. Genau so hatte er sich damals diesen Thronsaal vorgestellt, kurz bevor er ging. Doch nun durfte er nicht einmal daran denken. Er war hier, um den Fluch zu beenden und die Festung seines Vaters zurückzuerobern. Sein Vater war vielleicht zu schwach gewesen, um Sesshoumarus Braut zu töten, doch ihm würde es nicht so ergehen. Er würde sich ein für alle mal befreien. „Willst du reingehen?“, fragte Gorou neben ihm und hob die Fackel höher. Sesshoumaru sah ihn aus dem Augenwinkel heraus an und ging schließlich ohne eine Antwort voraus. Der Soldat mit der Lichtquelle folge und nach ihm InuYasha und dessen Freunde. Vorsichtig erleuchtete Gorou die Umgebung. Vor ihnen – zumindest so weit sie sehen konnten – erstreckte sich ein einsamer Saal. Langsam traten sie tiefer in den Raum und sahen sich um. Eine Diele knarrte. Erschrocken zog Sango ihr Schwert. Den riesigen Knochenbumerang würde sie innerhalb des Hauses lieber nicht einsetzen. Auch InuYasha griff Tessaiga fester und Kagome zog einen Pfeil aus ihrem Köcher. „Ich spüre noch immer nichts.“, bemerkte Gorou nach einigen Sekunden und horchte tief in sich hinein. Er dachte an das letzte Mal, da er dieser schwarzen Braut gegenüber stand. Die Gefühle, die sie aussandte, hatten beinahe jeden Dämonen zugesetzt, doch dieses Mal nahm er nichts wahr, das ihn zur Flucht zwingen wollte. Ob InuYasha doch recht gehabt hatte und Sesshoumarus Verlobte verstorben war? Doch wie hätte das möglich sein sollen? Und wie war dann der Dunst zu erklären, der in diesem Raum eindeutig dichter war, als draußen im Hof? „Vielleicht schläft sie ja einfach weiter?“, überlegte Shippou naiv und versuchte sich bereits mit dem Gedanken anzufreunden, dann es würde bedeuten, dass sie nicht in Gefahr schwebten. „Vielleicht ist sie auch noch etwas benommen. Sie wurde gerade erst geweckt.“, überlegte Miroku. „Oder es ist ein Hinterhalt.“, gab InuYasha verbissen zu bedenken und Shippou jammerte gequält auf. „Gorou“, alle sahen zu Sesshoumaru auf, als dieser endlich ein Wort herausbrachte. „Entzünde die Lampen.“ Gorou nickte und trat schon beiseite. In einer nahegelegenen Ecke stand die erste Feuerschale auf einer schlanken Säule. „Wie sollen wir hier bitte Licht machen, wenn das Öl schon lang...“, weiter kam InuYasha nicht. Die Flamme flackerte auf und erhellte den Bereich neben der Tür. „Hast du nicht zugehört? Durch den Bann blieb die Zeit stehen. Das Öl lag achthundert Jahre an der gleichen Stelle.“, bemerkte Miroku trocken, erleichtert darüber, dass es etwas heller wurde im Raum. Während sich Gorou zur nächsten Feuerschale aufmachte, sahen sich Sesshoumaru und seine Begleiter um. „Sie müssen überstürzt aufgebrochen sein.“, bemerkte Sango, die die unordentlichen, staubigen Kissen rechts und Links an der Wand begutachtete. Sesshoumaru schritt tiefer in den Raum, als bereits das dritte Licht entbrannte. Direkt vor ihm glänzte der Boden auffällig, als sei er gerade frisch poliert worden, darauf die einzigen zwei Kissen im Raum, welche nicht dreckig wirkten. Ihre Farben strahlten, als wollten sie Freude und Zuversicht spenden. InuYasha machte ein ratloses Geräusch und hockte sich neben ihm hin, um diese so anders wirkende Stelle genauer zu betrachten. „Hier lag sie.“, verkündete der Halbdämon nun plötzlich Ernst und sah zu seinem Bruder hinauf. „Da sie weg ist, wird sie noch leben.“ Die drei Menschen sahen sich in dem inzwischen hellen Saal um, doch außer ihnen war niemand zu erkennen. „Die Kissen sind alle auf diese zwei dort in der Mitte ausgerichtet, sehr ihr das?“, fragte Sango plötzlich. Auch InuYasha sah sich nachdenklich um, als er sich wieder erhob. „Hier wurde eine Hochzeitszeremonie abgehalten.“, stellte Kagome überrascht fest, doch Gorou schüttelte den Kopf. „Nein, zur Hochzeit kam es nicht. Aber du hast recht, in dem Moment, da der Inu no Taishou die Braut gebannt hat, sollte sie eigentlich ihrem Bräutigam übergeben werden.“ Alle sahen zu Sesshoumaru, doch der ging auf diese Worte nicht weiter ein. Er hatte eine offene Tür neben dem Podest entdeckt, auf dem seine Eltern früher thronten. Sie stand für gewöhnlich niemals offen und wurde daher sicherlich nicht während der Zeremonie so stehen gelassen. Allein das Fürstenpaar verließ und betrat den Saal durch sie. Gorou folgte seinem Blick. Ihm schossen die gleichen Gedanken durch den Kopf, wie dem Prinzen: Die Braut musste den Raum durch diesen Ausgang verlassen haben, als sie herein kamen. Die Frage war nur, warum griff sie sie nicht an? Als sie damals Nozomi aus dem Schrein befreiten, waren sie umgeben von den bedrückenden Gefühlen des Fluches und den Stimmen, die von dem Leid des tragenden Dämonen sprachen. In dieser Festung allerdings war es vollkommen ruhig. Als sich Sesshoumaru plötzlich bewegte, schnellten alle Blicke zu ihm herum, doch er überwand lediglich die Distanz zu dieser offenen Tür und schob sie weiter auf, um in die Dunkelheit dahinter zu blicken. Die Gänge, die an ihm vorbei führten, waren leer. Nirgendwo war ein Lebenszeichen zu erkennen. Vorsichtig trat er hinaus. Ein Luftzug wehte ihm kaum merklich durch das Haar, als die anderen folgten und ebenfalls die Umgebung sondierten. „Da, hört ihr das?“, flüsterte Shippou und sie alle hielten die Luft an. Ein sanftes Wispern ging durch das Gebäude. „Das ist bestimmt nur der Wind.“, entschied Miroku. In dem Moment schepperte es lautstark. Erschrocken fuhren sie herum. Selbst Sesshoumaru fixierte die nahegelegene Tür zu einem kleinen Vorbereitungsraum mit einem Anflug von Entsetzen, doch er fing sich wieder, ehe jemand diese Schwäche bemerken konnte. Er war sich sicher gewesen, dass dieser Raum einen kleinen Spalt geöffnet war, als er auf den Flur trat, doch nun war er fest verschlossen. Dort drin musste sie auf ihn warten. Bereitwillig ging Sango einen Schritt zur Seite, als er auf sie zukam und nach dem Griff der Tür tastete, um sie aufzuschieben. Still und leer lag das Zimmer vor ihm. Er spähte hinein, so gut es ging, dann trat er über die Schwelle. Gorou hinter ihm hob die Fackel etwas an und erleuchtete so die Kammer. Die Erleichterung darüber das Zusammentreffen mit dem gesuchten Dämonen noch etwas hinauszögern zu können, löste den Knoten der Anspannung in den beiden Frauen. Je tiefer sie kamen, desto weniger wollten sie hier sein. „Dort liegt etwas auf dem Boden.“, bemerkte Gorou und nickte zu dem Aufsteller einer großen Robe, der in einer Ecke stand. Sesshoumaru fixierte den bunten, fröhlichen Stoff. Er kam ihm bekannt vor. „Am Tag der Hochzeit, was war da in diesem Zimmer?“, fragte er an Gorou gewandt. „Sie wurde hier vorbereitet. Auf dem Aufsteller war ihr Brautgewand angerichtet.“ Sesshoumaru sah wieder zurück auf den bunten Haufen, ließ die Distanz hinter sich und ging dann in die Knie. Beinahe vorsichtig griff er nach dem seidigen Stoff und zog ihn auseinander. „Was ist das, Sesshoumaru?“, fragte Kagome alarmiert. Er stand wieder auf, ohne jedoch das Gewand loszulassen. „Das ist Nozomis Kimono.“, stellte Gorou wenig überrascht fest. In dem Moment spürten sie es alle. Verzweiflung und Trauer. Hass. Einsamkeit und Sehnsucht. Sesshoumaru schloss die Augen. „Sieh es mal so: Alles ist besser, als der Fürstin zu dienen. Zumindest in deiner Lage.“, gab Suzume zu bedenken und nahm saubere, zusammengelegte Wäsche von Nozomi entgegen, die auf dem Boden neben ihrem Korb hockte. „Mir wäre es lieber, wenn ich nur dem Fürsten dienen müsste.“, erkläre sie ehrlich und ihre Freundin nickte versehend. „Es gibt aber nur zwei Paläste in dem privaten Garten der Familie. Zum einen diesen hier, in dem der Prinz und sein Harem wohnt, und zum anderen den des Meisters, aber dort lebt auch die Inu no Kami. Selbst wenn der Meister dir befehlen würde, dich ausschließlich mit seinem Gemach zu befassen, würde dich die Fürstin nicht aus den Augen lassen – oder vielleicht auch gerade dann, würde sie es nicht tun.“ „Warum hat er denn nicht sagen können, dass ich etwas anderes machen soll? Ich könnte doch in der Küche arbeiten oder in den Ställen.“ „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht hat er ja den Eindruck, dass die anderen Aufgaben nichts für eine junge Menschenfrau sind. In der Küche würdest du dabei zusehen, wenn der Koch ein Tier schlachtet und in den Ställen hättest du es mit Drachen zu tun, die mit unter selbst für uns Dämonen nicht allzu leicht zu bändigen sind.“ Nozomi seufzte leise und strich einen Stapel Seidentücher glatt, ehe sie sie an Suzume weiterreichte. „Nun komm, nimm es nicht so schwer.“, bat sie liebevoll. „Sesshoumaru-sama ist wirklich nicht so schlimm, wie du glaubst.“ „Diese Augen...“, flüsterte sie leise verzweifelt. „Ja, er wirkt hart, aber bei ihm ist es leichter diese Art zu ertragen, als bei seiner Mutter.“, Suzume hockte sich vor Nozomi auf den Boden und legte beide Hände auf ihre. „Halt dich einfach an mich, in Ordnung? Und wenn ich mal nicht dabei bin, dann hast du noch Rini und Moe. Passt in jedem Fall auf, dass du niemals in die gleiche Richtung gehst, in die auch er geht – es sei denn er fordert dich dazu auf. Wenn er kommt verschwindest du am besten schnell in einem der Zimmer oder irgendwo im Garten. Wenn du aber doch in seiner Gegenwart sein musst, dann verneige dich und warte einfach ein paar Sekunden. So lange du ihm keinen Grund gibst auf dich aufmerksam zu werden, wird er so tun, als seist du Luft. Das verspreche ich dir.“ Nozomi nicke schwach und zwang sich zu einem Lächeln. Nach dem Zusammentreffen mit dem Prinzen und der Fürstin gefiel ihr diese Aussicht, trotz der gut gemeinten Ratschläge, überhaupt nicht. „Geht es dir jetzt besser?“ Sie stieß wenig begeistert die Luft aus, bestätigt es dann aber. „Ja, doch, ein wenig.“, erklärte sie und Suzume erhob sich wieder mit einem Lächeln im Gesicht, um den letzten Wäschehaufen einzusortieren. „Ich bin fertig.“, erklärte sie anschließend und stellte ihren noch vollen Korb in den Leeren von Nozomi, um so beide gleichzeitig hochzuheben. „Jetzt bringen wir noch die Wäsche des Prinzen in seine Gemächer und dann sind wir fertig. Aber keine Sorge. Um diese Zeit isst er für gewöhnlich mit seinen Frauen – oder einer von ihnen – zu Abend. Das heißt seine Räumlichkeiten sollten leer sein.“ Nozomi stieß wenig freudig die Luft aus, nickte dann aber ergeben und folgte ihrer Begleiterin aus dem Zimmer. Die Information, dass die Frauen des Prinzen wohl gerade mit ihm speisten, erklärte zumindest,warum am Morgen dieses Haus noch voller Leben war, doch sich nun keine der Bewohnerinnen zeigte. Selbst die Gänge waren leer und außer den Stimmen der Dienerinnen, die putzten und die Wäsche zurück brachten, war nichts zu hören. Die beiden Frauen passierten gerade das Gemach der Favoritin direkt neben dem Zimmer des jungen Prinzen, als Moe ihren Kopf heraus streckte und nach Suzumes Ärmel griff. „Kannst du mir schnell helfen?“, raunte sie ihr verlegen zu. Irritiert sah Suzume sie an, sah an ihr vorbei in das Zimmer und seufzte dann aber geräuschvoll. Die Stoffe auf dem Bett waren zerwühlt, als hätte gerade jemand in dem Bett geschlafen, und die Tür des versteckten Schrankes stand auch offen. Die Kleidung in dem Wäschebehälter von Moe war noch nicht einmal Ansatzweise einsortiert „In Ordnung.“, sie ergab sich und drückte dem Menschen an ihrer Seite die Körbe in die Hand. „Nozomi, geh durch diese große Tür dort. Auf der linken Seite befindet sich eine kleine Kammer, in der die Kleidung unseres Herrn aufbewahrt wird. Fang schon einmal mit dem Sortieren an, ich bin gleich bei dir.“ „Ist gut.“, das Mädchen sah ihrer Freundin nach, wie sie mit Moe in dem Schlafzimmer der Favoritin des Prinzen verschwand und wandte sich dann der größten Tür in diesem Gebäude am Ende des Ganges zu. Um ehrlich zu sein fühlte sie sich in diesem Haus furchtbar unwohl. Besonders in diesem Moment, da sie allein auf dem verlassenen Flur stand und sich dazu überreden musste, auf den Eingang der Gemächer des Prinzen zuzugehen. Sie hatte zwar inzwischen bemerkt, dass sich Sesshoumaru die meiste Zeit außerhalb des Gartens aufhielt, doch mulmig wurde ihr dennoch bei dem Gedanken, dass sie sein privaten Räumlichkeiten betreten sollte. Darüber hinaus rechnete sie hinter jeder Ecke mit diesem angsteinflößenden Mann und dieses Gefühl behagte ihr gar nicht. Seine Augen waren es, die ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagten. Sie waren zwar denen seines Vaters so gleich, doch sie befürchtete, dass er eher nach seiner Mutter kam, der Inu no Kami. Sie war der zweite Grund, warum sie sich in den Gärten der Fürstenfamilie nicht wohl fühlte. Auch der Fürstin konnte sie überall begegnen, wenn sie auch vermutlich niemals den Harem ihres Sohnes betreten würde. Als sie die Tür zu den Zimmern des Prinzen öffnete, erkannte sie zum wiederholten Male – wie bereits die Tage zuvor – dass beide keine angenehmen Zeitgenossen waren. Sie beglückwünschte sich sogar regelmäßig für jeden Schritt, den sie machen konnte, ohne einem von ihnen über den Weg zu laufen. Nozomi sah sich in dem großen, Zimmer des Fürsten um. Ein Tisch stand in der Mitte, darum vier Sitzkissen. Die Feuerschalen in der Ecke erleuchteten die hellen Wände, wodurch der Raum noch größer wirkte. Schnell schlüpfte Nozomi aus ihren Schuhen und tappte auf bloßen Füßen über die Matten auf dem Boden zu der Tür zu ihrer Linken. Wie Suzume prophezeit hatte betrat sie eine längliche Kammer, deren Wände voller Regale waren. In der Mitte der gegenüberliegenden Seite war eine tiefere Einbuchtung, in der sich Aufsteller mit herrschaftlicher Kleidung für diverse Anlässe befand, sowie eine starke Rüstung Vorsichtig, als hätte sie Angst einen Laut von sich zu geben, stellte das Mädchen den Korb beiseite und griff nach der kleinen Öllampe auf einem der Regale direkt neben der Tür, um sie an einer der großen Schalen im ersten Zimmer zu entfachen. So trat sie mit etwas mehr Licht zurück in das Zimmer und begann die frisch gewaschene Wäsche einzusortieren. Angestrengt suchte sie für jedes Stück Stoff nach dem richtigen Platz und dachte dabei zwangsläufig über ihren momentanen Aufenthaltsort nach und die Möglichkeit, ob es vielleicht ein Fehler gewesen war den Inu no Taishou um Arbeit zu bitten. Sie war sein Gast, wie er gesagt hatte, doch sie hatte das Gefühl gehabt diese Freundlichkeit auszunutzen, wenn sie ohne eine Gegenleistung zu bieten geblieben wäre. Ihre Alternative sah also vor, dass sie ging. Nur wohin? Sie legte gerade einen Stapel Laken in eine Ecke, als ihr Blick auf ihre Finger fiel. Vielleicht sollte die Frage nicht lauten „Wohin“, sondern eher: Warum sollte sie hier weg? Nozomi war die Tochter eines einfachen Mannes gewesen, der zwar viel Einfluss in seinem Dorf genoss, jedoch kein Reichtum besaß. Seit ihrer frühen Kindheit war sie es gewohnt zu arbeiten und ein Bad hatte es kaum gegeben, um sich den täglichen Dreck und Schweiß vom Körper zu schrubben. Hier dagegen gab es eine Fürstin, die sie zwar nicht leiden konnte, doch trotzdem peinlich genau darauf achtete, dass ihre Dienerinnen vorzeigbar waren. So gab es jeden Tag Wasser, mit dem man sich waschen konnte – vermutlich hätten sonst die feinen Nasen der Hundedämonen rebelliert – täglich manikürten sie und Suzume sich gegenseitig und die Kleidung, die sie trug, war vermutlich mehr wert, als alles, was Nozomi jemals besessen hatte. Mit Ausnahme vielleicht von ihrem Brautgewand, immerhin hatte bei diesem ihr Vater keine Kosten gescheut. Was eine Verschwendung es doch war, wenn man bedachte, dass sie es nur zu ihrer Opferzeremonie trug und vermutlich nie wieder. Sie seufzte frustriert und schloss die Augen. Vorsichtig hielt sie sich an dem Regalbrett fest, das sie eben gefüllt hatte. Dunkle Gedanken über das Alleinsein machten sich in ihr breit und sie spürte die Kälte des Winters um ihre Knöchel ziehen, obwohl sie mitten im Innern des Harems vom Prinzen stand, sämtliche Ausgänge des Hauses versperrt waren und durch die vielen Feuer um sie herum so manch eine Dienerin beim Putzen sichtlich schwitzte. War es tatsächlich die Jahreszeit, die sie frösteln ließ? Noch einmal blickt sie auf ihre bleiche Hand hinab, als würde sie mit einer Veränderung rechnen, doch als sie die Fingerspitzen aneinander legte, fühlte sie nur die Kälte, die sich in ihnen auszubreiten begann. Ein leichtes Zittern ging durch ihren Körper und sie schlang die Hände um ihre Oberarme. Sie beschloss, dass es reichte. Sie musste wieder auf andere Gedanken kommen. So griff sie sich einen neuen Stapel und sah sich um. Weitere Stücke dieser Art, wie die Kleidung auf ihrem Arm, befanden sich am anderen Ende der länglichen Kammer. Sie machte gerade einen Schritt darauf zu, als sie bemerkte, dass dieser Wandschrank zwei Eingänge besaß und dieser Zweite stand auch noch eine Hand breit offen. Sie wollte diese Tür gerade vorsichtig und leise zuschieben, wie es sich gehörte, als eine tiefe Männerstimme ertönte. Dem Menschenmädchen lief es eiskalt den Rücken hinunter. Das Gehörte zusammen mit dem hellen Kichern, mit dem es sich nun mischte, konnte nur eines bedeuten: Der Prinz war hier. Sie glaubte zu spüren, wie das Blut aus ihrem Gesicht heraus floss und ihr schwindlig wurde. Sie wusste nicht, warum sie so stark auf ihn reagierte – oder nur auf das Wissen, dass er in der Nähe war – aber es gefiel ihr nicht. Ihre Hände zitterten leicht, als eine Frau vor Freude quiekte, doch das Geräusch verebbte, als würde sie geknebelt werden. Das Mädchen hielt inne und zwang sich dazu durchzuatmen. Sie ahnte, was sich hinter dieser zweiten Tür befand: Das Schlafzimmer Sesshoumarus. Und den Geräuschen nach zu urteilen war nicht nur er darin, sondern auch mehrere seiner Frauen. Nozomi spürt, dass sie den Stoff unter ihren Fingern fester packte und überlegte, wie sie den Stapel auf das Regal brachte, ohne dass die Herrschaften sie bemerken würden. Es wäre wohl einfacher gewesen alles liegen zu lassen und zu gehen, um Suzume davon zu berichten. Doch nun, da sie wusste, dass mehrere Dämonen im Nebenzimmer waren, scheute sie sich davor zu gehen. Sie hatte Angst, sie könnte ein Geräusch verursachen und damit die Aufmerksamkeit dieser Kreaturen auf sich lenken. Besonders wenn der Prinz herausfand, dass sie hier war, würde sie nicht wissen wollen, wie er reagierte. Sie beschloss daher die Luft anzuhalten und zu warten, dass Suzume zu ihr kam. Schwerer Fehler. Sie schloss gerade die Augen und sang in Gedanken ein Kinderlied um sich zu beruhigen, als sie die Stimme einer Haremsdame hörte: „Mein Prinz“, sie klang irritiert. „brennt schon die ganze Zeit in der Kleiderkammer ein Licht?“ Erschrocken riss Nozomi die Augen auf und sah sich um. Natürlich, wie hatte sie nur diese Öllampe vergessen können? Vorher war es in dem Raum stockfinster gewesen, doch nun flackerte eine kleine Flamme. Der spitze Schrei einer weiteren Frau folgte: „Da ist jemand! Ein Spanner!“ Erschrocken ließ Nozomi die Kleidung fallen. Ihr Schatten flimmerte im Schein des Feuers über die Regale gegenüber der offenen Tür. Es war still in dem Zimmer nebenan, doch Nozomi hatte das Gefühl zu spüren, wie sich Sesshoumaru von seinem Bett erhob und auf den Wandschrank zukam - und leider hatte sie damit recht. Eine mit Klauen besetzte, große Hand griff durch den Spalt in das Innere der Kammer. Noch ehe sie sich um die Tür legte und diese weiter öffnen konnte, stolperte Nozomi über den Wäschekorb hinweg, fand gerade so ihre Balance zurück und flüchtete. Vielleicht hätte sie ihm einfach entgegen treten sollen und ihm erklären, dass sie von Suzume geschickt wurde, um seine Wäsche zurückzubringen. Keine von beiden hatte gewusst, dass er da war und sie hatte ihn auch nicht beobachtet, doch auf diese Idee der Wahrheit kam sie nicht. Sie wusste nur eines: Sie hatte Angst und wollte so schnell es ging von dort verschwinden. Wer konnte ahnen, was er mit ihr tun würde, wenn er sie in seinen Gemächern vorfand, während er sich mit seinen Frauen vergnügen wollte? Sie umschiffte gerade noch so das niedrige Tischchen im Vorzimmer und jubelte bereits innerlich, dass sie den Ausgang erreichte, ohne vom Prinzen erwischt worden zu sein, als eine große Gestalt sich ihr entgegen stellt. Es presste ihr die Luft aus den Lungen, als sie mit Sesshoumaru zusammenstieß. Die Frage jedoch, wie er es so schnell geschafft hatte sich ihr in den Weg zu stellen, kam ihr gar nicht erst – da er ein Dämon war erübrigte es sich wohl auch, sich darüber zu wundern. Sie keuchte leicht benommen von dem Zusammenprall mit der plötzlichen Barriere. Als sie die Augen öffnete starrte sie seinen perfekten Brustkorb an, ihre Finger drückten sich in die makellose Haut. Erst verstand sie nicht recht, doch dann sah sie auf. Goldene Augen hatten sich finster auf sie gerichtet. Sie schluckte. War das nun das Ende? „Ich...“, stammelte sie los, doch kam nicht weiter. Eine Hand schlang sich um ihren Hals und schraubte sich unbarmherzig zu. Sie gurgelte gefährlich und legte den Kopf so weit in den Nacken, wie es nur ging, in der Hoffnung so mehr Luft zu bekommen, doch der Griff war gnadenlos. „Nozomi!“, schrie Suzume, die von dem Tumult angelockt wurde und nun entgeistert zusehen musste, wie sich der Arm hob, mit dem Sesshoumaru sein Opfer hielt, und ihre Freundin so den Boden unter den Füßen nahm. Sie zitterte leicht und ihre Hände schlugen panisch nach dem Arm des Prinzen. „Herr, bitte!“, als Moe neben sie trat und fassungslos einen Schritt zurück machte, fühlt sich Suzume dazu berufen einzugreifen. „Meister, bitte, ich bin es gewesen, die Nozomi sagte, dass sie in Euer Gemach gehen soll. Sie brachte Eure Wäsche. Ich wusste nicht, dass Ihr dort seid.“ Die Augen des Prinzen wanderten zu ihr hinüber. „Bitte“, hauchte sie noch einmal verzweifelt. „Es geht nicht darum, dass sie in meinem Zimmer war.“, erklärte er trocken und sah wieder zurück zu Nozomi. „Sie hat mich und meine Frauen beobachtet.“ Eine Träne voller Todesqualen rann über die Wange des Mädchens in seinem Griff und tropfte auf seine Hand hinab. Ihr Gesicht lief bereits blau an, das Strampeln ihrer Füße wirkte unkoordiniert, das Schlagen ihrer Finger war bei Weitem nicht mehr so kräftig wie zuvor. „Bitte...“, krächzte sie in dem Versuch um ihr Leben zu betteln. „Herr, mein Meister, ich flehe Euch an!“, jammerte auch Suzumo noch einmal. „Nozomi hat es sicherlich nicht mit Absicht getan. Sie wollte doch nur die Wäsche zu Euch bringen. Nie hätte sie Euch beobachtet. Sie hat doch solch eine Angst vor Euch, dass sie den Fürsten sogar darum bat, nicht mehr in den Gärten zu arbeiten.“ Das war vermutlich der einzige Weg, wie man Sesshoumaru beruhigen konnte. Das Wissen darum, dass das Menschenmädchen Angst hatte, schmälerte den Verdacht, dass sie ihm und seinen Frauen im Liebesspiel zusah. Immerhin – das musste er zugeben – hatte Nozomi die Tür zum Schlafzimmer nicht allein geöffnet. Sie stand bereits offen, als seine Haremsdamen zu ihm kamen, um ihn zu verwöhnen. Als Mensch ist es ihr wohl auch nicht aufgefallen, dass er da war, als sie dieses Zimmer betrat. Und dennoch: Ein niederes Wesen wie sie in seinen Gemächern? Er wusste von der Entscheidung seines Vaters, dass sie den Dienerinnen in seinem Harem zur Hand gehen sollte, und wie hoch die fürstliche Meinung über dieses Kind war, da sie sich freiwillig als Dienstmagd anbot, obwohl er ihr von Anfang an zu verstehen gab, dass er sie als seinen Gast ansah, doch Sesshoumaru hielt nichts von dieser Brut. Er hatte sie schon nicht ausstehen können, als Gorou ihn dazu überredet hatte, das Mädchen aus dem Schrein mit sich zu nehmen. Er war versucht es hier und jetzt zu beenden. Immerhin hätte dieses Weib bereits sterben sollen, als er den Fluch vernichtete und sie damit – versehentlich – rettete. Unter seiner Hand spürte er, wie das Leben den Körper des Mädchens verließ und ihre Finger an seinem Handgelenk erschlafften. Wenn sie jetzt starb, dann waren seine Mutter und er ihren Anblick los, doch sein Vater... Er schloss kurz die Augen. Er teilte nicht die Zuneigung seines Vaters zu Menschen, doch er verehrte diesen starken Mann. Und leider war der Wunsch dem Fürsten gerecht zu werden und ihm zu gefallen größer, als die Verachtung für Sterbliche, die ihm seine Mutter beigebracht hatte. Er unterdrückte das Knurren, drehte sich mit verächtlichem Blick halb herum und warf das Mädchen in dem Moment seitlich von sich weg in den Gang hinaus, da sie das Bewusstsein verlor. Sie keuchte erstickt, als sie auf den harten Dielen aufschlug. Die Erschütterung weckte sie wieder auf und als sie vor Suzumes Füßen zum Liegen kam, hustete sie lautstark gurgelnd. „Bringt sie raus. Ich will sie nie wieder in meinen Gemächern finden.“, verlange er und sah ein letztes Mal auf die Fünfzehnjährige hinab. Ihre wässrigen, braunen Augen blickten ihn verzweifelt an, doch er wandte sich ab, ehe er Gefahr lief eine ähnliche Schwäche wie sein Vater zu entwickeln. Nicht, dass er es für möglich hielt, doch sicher war sicher. „Nozomi“, flüsterte Suzume besorgt, als Sesshoumaru aus ihrem Blickfeld verschwunden war, und hockte sich neben sie. Eilig versuchte sie ihr aufzuhelfen und sah zu Rini bei den anderen Dienerinnen, als sie sie hoch zog. „Hilf mir mal.“ Sofort kam die Dämonin und schlang sich den zweiten Arm von Nozomi um die Schultern. „Oh, Mädchen, guck dir den Hals an...“, heulte Moe und hob ihr Kinn an. „Wir bringen sie zu Akira. Kümmere du dich um die Wäsche des Prinzen.“, raunte Suzume ihr zu und gemeinsam mit Rini trug sie Nozomi eher hinaus, als dass sie selbst lief. Im Nachhinein empfand es das Menschenmädchen als großes Glück, dass sie bei ihrem Weg durch den Garten nicht in die Arme der Inu no Kami liefen. Die Blicke der Diener und Soldaten auf dem Hof waren ausreichend, um ihr zu zeigen, was für ein schlechtes Bild sie abgab. Doch einen klaren Gedanken zu fassen, war ihr in diesem Moment nicht möglich. Sie glaubte ein Wispern in ihrem Kopf zu hören, gleichsam einem leisen Schluchzen, und spürte tiefe Verzweiflung in ihrem Herzen, wenn sie sich auch nicht sicher war, was genau der Grund dafür war. Mehrere Male wurde Nozomi schwarz vor Augen und jedes Mal hatte sie erneut dieses Gefühl wie damals, als sie in dem Schrein lag und die schwarze Braut sie zu verschlingen versuchte. Dieses Mal jedoch war es anders. Dieses Mal versuchte der Schmerz sie nicht zu bedecken, sondern kam direkt aus ihrem Inneren. Wenn sie die Augen in einem kurzen Moment des Bewusstseins öffnete, hatte sie das Gefühl dichten, schwarzen Dunst um sich herum zu sehen. Jeder, der ihr entgegen kam – und auch die beiden Frauen, die sie stützten – waren nichts als dunkle Schatten, von denen sie wusste, dass sie sie allein ließen. Doch sie wollte nicht allein sein. Sie hatte Angst vor der Einsamkeit. „Hilf mir...“, hauchte ihre eigene, verzweifelte Stimme in ihrem Kopf, doch dann war sie mit einem Schlag hellwach. „So ist gut, Nozomi, trink alles aus.“, man hörte das Seufzen der Erleichterung in Akiras Stimme und dann sah sie bereits seine freundlichen Augen, als er ihr den Krug wieder abnahm, den sie ohne es zu bemerken an ihre Lippen gesetzt hatte. „Geht es dir besser, mein Liebes?“ Sie nickte. „Ein wenig... Was ist passiert?“ Akira legte eine Hand unter das Kinn seiner Patientin und zwang sie so, ihm ihre Kehle zu zeigen. „Der Prinz war wohl nicht begeistert davon, dass du nun in seinen Diensten stehst.“, verkündete er und betastete vorsichtig die geschwollenen Stellen ihres Halses. „Ist es sehr schlimm?“, fragte Sachi an seiner Seite und auch Rini und Suzume beugten sich über seine Schulter, um die Quetschung genauer zu besehen. „Es wird wohl eine Weile brauchen, bis das abgeheilt ist, aber sie wird es schon überleben.“, beruhigte er die Frauen im väterlichen Ton und goss sich und seiner menschlichen Patientin noch etwas Wasser in zwei Schälchen. „Die Gemächer des Prinzen solltest du dennoch meiden.“, beschloss er. „Das war schrecklich, was er getan hat! Selbst für ihn.“, bemerkte Rini und Suzume nickte: „Wir müssen dem Fürsten davon berichten.“ Doch Akira winkte ab. „Er wird es sicher in diesem Moment erfahren. Draußen ist die Hölle los, wegen dem Anblick, den ihr geboten habt.“, erklärte Akira und sah zu Sachi. „Setz doch schon einmal Wasser für Tee auf. Ich bin mir sicher, dass der Inu no Taishou jeden Augenblick hier sein wird.“ Sie nickte und sprang voller Tatendrang auf die Füße. Nozomi sah ihr nach. Seit dem Angriff Sesshoumarus war da eine leere in ihrem Herzen, die sie nicht begreifen konnte. Selbst als Suzume sich neben sie setzte, ihr einen Arm umlegte und begann über ihre Haare zu streicheln, war sie sich sicher, dass sie alleine war. Wie konnte das sein? Wo kam dieses Gefühl her? Immerhin bemühten sich doch so viele Leute um sie... „Ich bin dafür, dass Nozomi von jetzt an nur noch mit uns zusammen die Wäsche wäscht und zum Trocknen aufhängt.“, erklärte Suzume. „Ich nehme sie nicht mehr mit in den Garten und das werde ich auch...“ Akira verzog irritiert das Gesicht und die Dienerin hielt inne. „Was?“ Er stand auf und kam zusammen mit Rini um Nozomi herum. Überrascht sah sie zu ihnen zurück, als sie sich hinter sie knieten, doch Akira legte beide Hände an ihre Schläfen, zwang sie wieder nach vorn zu sehen und drückt sanft ihr Kinn zur Brust. „Nur ganz kurz, Nozomi.“, murmelte er und begann ihr Haar zu durchwühlen. In dem Moment wurde die Tür aufgeschoben und als das Mädchen hoch schielte, erkannte sie den Inu no Taishou, der die Szenerie verwirrt musterte. „Sagt mir nicht, dass sie eine Kopfwunde wegen meinem Jungen hat.“ „Nein, Meister.“, Nozomi spürte, wie Akira eine Strähne ihres langen Haares griff und sie durch seine Finger gleiten ließ. Seine Stimme sprach von tiefer Besorgnis: „Ihr Haar wird weiß.“ Sesshoumarus Vater saß auf seinem Kissen im Thronsaal und strich sich gedankenverloren über das Kinn. Es war Nozomi, die in seinen Gedanken herumspukte. Dieses Mädchen bereitete ihm große Sorgen. Er mochte sie. Sie war lieb und ebenso zuverlässig, wie gehorsam. Eine Perle der Weiblichkeit, wie Akira sie beschrieb. Sie mag für die meisten seines Volkes nichts als ein kleiner Mensch sein, doch für ihn war jedes Leben, gleich welcher Abstammung, ein Geschenk. Er konnte nicht verhehlen, wie stolz er auf seinen Sohn gewesen war, als er als Triumphator über den Fluch, der die Menschen heimsuchte, zurückkehrte und Gorou seinem Arzt das junge Leben in die Arme legte, mit den Worten, dass Sesshoumaru sie gerettet hätte. Sein großzügiges Herz überschlug sich vor Stolz und er konnte es nicht abwarten Nozomi kennenzulernen, um zu erfahren, was sein Sohn an ihr sah, um seinen Hass gegen Sterbliche zu vergessen. Doch so begeistert er auch von seinem neuen Gast war, musste er schlussendlich feststellen, dass sein Sohn entgegen seiner Hoffnung nichts bei diesem Auftrag gelernt hatte. Er hatte die Menschen gerettet und er hatte ein junges Mädchen vor dem Tod bewahrt, doch er hatte es nicht getan, weil er ihr Dasein achtete, sondern weil er wusste, dass sein Vater vor Wut getobt hätte, wenn er von ihr erfuhr. Es war schade, dass sein Sohn, sein einziges Kind, solche Missachtung für andere Lebewesen in seinem Herzen trug. Er hatte sich wirklich etwas Besseres für ihn gewünscht und tat auch nach so langer Zeit noch immer alles, um den Hundertjährigen auf den richtigen Weg zu lenken, doch er ahnte, dass ihm dies nicht gelingen würde, dank der Frau, die seine Fürstin war. Es war kein Geheimnis, dass die Ehe des Inu no Taishou und der Inu no Kami seit geraumer Zeit nicht mehr auf Liebe beruhte. Er hatte sie zu seiner Fürstin gemacht und sie hatte ihm den lang ersehnten Thronerben geboren, doch mit dem Erreichen dieses Ziels zeigte seine Gemahlin ihr wahres Gesicht. Nach allem, was er in den vergangenen einhundert Jahren in den privaten Gärten erlebte, würde er sich nicht einmal mehr wundern, wenn irgendwann herauskam, dass all seine anderen Haremsdamen ihm keine Kinder gebären konnten, weil sie es verhinderte. Dabei wünschte er sich doch so sehr ein sanftes Töchterchen, neben seinem harten Sohn. Er schloss die Augen, um sich wieder zur Besinnung zu rufen. Für solche Gedanken hatte er keine Zeit und momentan auch nicht die Kraft. Er saß wegen Nozomi in diesem Saal, dem Mädchen, das vermutlich einer Tochter am nächsten kam. „So geht es nicht weiter, mit diesem Menschen.“, erklärte einer seiner Berater hart. „Sie bringt das Leben in diesen Mauern durcheinander.“ Er sah das alles vollkommen anders. Nozomi hatte niemanden bedroht und sich bemüht sich in ihren Alltag zu integrieren. Es war seine Frau gewesen, die sie offen angefeindet hatte und nun kam sein Sohn mit einer haarsträubenden Geschichte. „Ich bitte Euch, Prinz, schildert uns noch einmal, was gestern Abend geschah.“ „Ich fand sie in meinem Kleiderschrank vor.“, verkündete er und sah mit starren Augen zu seiner Mutter hinüber, die selbstgefällig lächelte und ihm stolz zunickte. „Ich habe bereits mit den Dienerinnen gesprochen.“, erklärte der Fürst hart. „Nozomi wurde von Suzume in die Gemächer meines Sohnes geschickt. Keine von beiden wusste, dass er sich bereits mit seinen Frauen zurückgezogen hatte. Die Tür zum Schlafzimmer stand offen, doch sie sah nicht hinein, als sie es bemerkte und am Ende warst du es, mein Sohn, der sie – verzeih die Offenheit – grundlos angriff. Sesshoumaru schwieg darauf. Für ihn klang es wie eine Rüge durch seinen verehrten Vater – er hätte ihm auch genauso gut eine Ohrfeige verpassen können. Doch obwohl etwas in ihm sagte, dass er den Kopf respektvoll senken sollte, ihm zustimmen und sich entschuldigen, wog die strenge Erziehung seiner Mutter und der durch sie gefestigte Stolz mehr, sodass er ihm weiterhin ausdruckslos in die Augen starrte, ohne seinen Fehler einzugestehen. „Ich verstehe nicht, wie Ihr sie weiterhin in Schutz nehmen könnt, mein geliebter Gemahl.“, verkündete die Fürstin in diesem Moment mit liebevollem Ton. „Dieses Kind ist nicht in der Lage Befehlen zu folgen, bringt nicht den nötigen Respekt gegenüber der Bewohnerinnen der beiden Harems auf und spioniert sogar Eurem Sohn hinterher. Ich erachte dieses Verhalten als untragbar.“ Der Inu no Taishou sah wenig begeistert von ihr zu seinem zweiten Berater. „Hast du auch etwas gegen Nozomi, nur weil sie ein Mensch ist, Fukita?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, Meister, selbstverständlich nicht. Ich denke ebenso wie Ihr, dass sie ein gutes Kind ist. Doch ihr müsst zugeben, dass die jüngsten Ereignisse Grund zu Besorgnis liefern. Ganz ungeachtete dessen, ob sie Eurem Sohn nachstellte oder nicht, frage ich mich, welcher Grund für ihre körperliche Veränderung vorliegt.“ „Verändert sie sich denn wirklich?“, verlangte ein weiterer Berater zu erfahren und Akira nickte. „Ja, das muss ich wohl bestätigen. In der vergangenen Nacht haben Sachi und Suzume mehrmals versucht das Haar von Nozomi zu waschen. Leider verschwand die weiße Strähne nicht und heute Morgen entdeckten sie weitere Haare, die sich vom Ansatz an bis in die Spitzen zu verfärben beginnen.“ „Solch eine Veränderung kann nichts gutes Bedeuten und bringt in den meisten Fällen noch mehr Probleme mit sich.“, erklärte einer der Männer und sie alle nickten, was dem Inu no Taishou nicht gefiel. „Wir müssen in erster Linie an das Leben unserer Leute denken.“, erklärte der erste Berater weiter. „Daher sage ich, dass wir diesen Menschen dorthin zurückschicken sollten, wo sie herkommt. Das ist das Beste für uns alle.“ „Das sehe ich anders.“, der Fürst beugte sich leicht vor. „Wie ihr bereits korrekt bemerkt habt, könnte diese Veränderung des Kindes gefährlicher Natur sein. Um ihr eigenes Leben zu schützen und im Ernstfall auch das vieler Unschuldiger, sollten wir sie hier behalten und herausfinden, was es mit diesem weißen Haar auf sich hat. Akira?“ Der Arzt nickte sofort. „Natürlich, Meister, dem stimme ich voll und ganz zu. Ich werde mich umgehend daran setzen herauszufinden, was...“ „Das ist doch lächerlich.“, verkündete die Inu no Kami. „Wie Ichiro bereits sagte, müssen wir uns vor allem um das Leben unserer Leute kümmern.“ „Das tun wir, indem wir jede Gefahr eindämmen und sie hier unter Beobachtung stellen.“ Für Sesshoumaru schien die Lösung klar auf der Hand zu liegen: Nozomi musste sterben. Doch er würde sich hüten diese Worte auszusprechen. Seinem Vater würden sie nicht gefallen. „Mein Fürst“, die Stimme Ichiros klang nun schneidender. „Ich möchte Euch vorab für meine Offenheit um Verzeihung bitten, doch darf ich Euch daran erinnern, dass dies ein Dämonenhort ist und kein Gnadenhof für Sterbliche?“ Es war still im Thronsaal. Keiner konnte fassen, was dieser Mann gerade gesagt hatte, auch die nicht, die ihm gedanklich zustimmten – Sesshoumaru und seine Mutter. Die Wut über diese Worte stieg dem Fürsten sichtlich ins Gesicht, doch er beherrschte sich, um nicht auszurasten und sah zu Akira. „Geh und versuche herauszufinden, warum sich die Haarfarbe von Nozomi so plötzlich verändert.“, befahl er. „Ich werde das Mädchen nicht gehen lassen, ehe ich nicht weiß, was mit ihr geschieht.“ Er verneigte sich erleichtert – nicht nur, weil der Fürst diesen Entschluss fasste, sondern auch, weil er dieser geladenen Atmosphäre so entfliehen konnte. Schnell sprang er auf und verließ eilig den Thronsaal. Erst als er auf dem Hof stand atmete er tief durch und bemerkte dabei beinahe nicht, wie sich eine schwarzhaarige Gestalt an ihm vorbei drückte. Überrascht sah er ihr nach. Wieso hatte er das Mädchen nicht bemerkt? Sie war nur ein Mensch ohne die Möglichkeit ihre Präsens vor Dämonen zu verbergen, doch er hatte nicht wahrgenommen, wie sie aus einem der Seiteneingänge herausgekommen war und es wäre ihm beinahe entgangen, wie sie an ihm vorüber glitt. „Nozomi?“, rief er ihr nach, doch da hatte sie bereits die Tür zu dem Haus erreicht, in dem sie mit Suzume wohnte. Als sie ihm einen letzten Blick schenkte, hatte Akira das Gefühl, dass ihm das Herz zerrissen würde. So viel Trauer auf einmal hatte er noch nie gefühlt. Er dachte nicht einmal, das dies möglich gewesen wäre. Selbst als Nozomi bereits in dem Gebäude verschwunden war, hatte er noch immer diese leere in seinem Herzen, die ihn von innen zu verschlingen drohte. Er griff nach einer Säule und faste sich verwirrt an den Kopf. Was war das nur? Warum hatte er das Bedürfnis zu schreien und zu heulen? Wie konnte ein Blick auf Nozomi solch ein Gefühlschaos in ihm auslösen? Er war ein alter Dämon und stolz darauf seine Emotionen beherrschen zu können. Doch dieser Moment jagte ihm einen Schauer über den Rücken und blanke Angst brachte seine Nackenhaare zum stehen. Er musste unbedingt herausfinden, was mit ihr geschehen war. Er schluckte die Verwirrung in seinem Innern herunter und eilte davon zu seinem Haus. Dabei verpasste er die junge Braut, die nur Minuten später – verfolgt von einer verzweifelte Suzume – zum Tor schritt und die Festung verließ. Kapitel 4: eine zweite Opfergabe -------------------------------- Entschlossen stieß Sesshoumaru die nächste Tür auf dem Flur auf, doch auch dieses Zimmer war leer. Wo war sie nur? Hier irgendwo musste seine Verlobte doch sein! Als er wieder hinaus auf den Gang trat, wandte er sich der Treppe zu, um in die erste Etage zu kommen, doch Gorou hielt ihn auf. „Sesshoumaru, wir sollten hier raus.“, erklärte er, doch der Angesprochene wollte nicht einmal daran denken. Er sprang auf die erste Stufe und griff nach dem Geländer. Sie war hier, da war er sich absolut sicher. Er war an seinem Ziel! Wenn er sie nun tötete, dann würde er den Fluch damit brechen und sie konnten zurück in die Festung seines Vaters ziehen. „Sesshoumaru!“ „Geht raus, wenn ihr es nicht aushaltet!“, befahl er barsch und sah zurück. In dem Moment brach Kagome unter der Last der Emotionen der schwarzen Braut zusammen. Sie keuchte schwer und hielt sich an InuYashas Kleidung fest. Auch Miroku legte beide Arme um Sango, die vornüber zu fallen drohte. „Komm mit uns raus!“, bat Gorou eindringlich und sah überrascht zu seinen Füßen hinab. Jaken kam ins Straucheln und wankte wie ein Betrunkener durch den Flur. So stark konnte die Kraft seiner Braut doch gar nicht sein. Er griff das Geländer fester und sah sich in dem finsteren Nebel um. Tatsächlich spürte auch er all den Frust, der sie umgab und es war nicht zu leugnen, dass auch ihm das Herz schwer wurde. Doch er war sich darüber im Klaren, dass nicht er diese Gefühle verspürte, sondern sie. Er war sich sicher, dass seine Braut in der Nähe war. Dies war seine Chance. Wenn er sie fand und zu fassen bekam, dann konnte er alle dem endlich ein Ende bereiten und seinen Platz auf dem Thron einnehmen. „Tu doch was du willst.“, beschloss InuYasha in diesem Moment und nahm seine Frau auf die Arme. „Aber ich bring Kagome hier raus.“ Sollte er doch tun, was er wollte. Sesshoumaru würde seinen Bruder nicht brauchen, um seine Verlobte zu besiegen. Sein Vater war vielleicht zu schwach, doch im würden nicht die gleichen Fehler unterlaufen. „So einsam habe ich mich nicht einmal gefühlt, als mein Vater, mein Bruder und unsere Freunde starben.“, bemerkte Sango schwach und Miroku nahm sie fester in seine Arme. Gorou schüttelte den Kopf. „Wir gehen raus und dann überlegen wir uns, wie wir die Frauen hier weg bekommen.“, verkündete er und wandte sich gerade von Sesshoumaru ab, als er stockte. Er gefror in seiner Position zu Eis und starrte den Flur hinunter, aus dem sie gekommen waren. „InuYasha, hinter dir...“, hauchte Kagome und der Halbdämon wirbelte überrascht herum. Auch Sesshoumaru sah auf. Ein Wispern erfüllte das Haus. Die Stimme der schwarzen Braut hallte mit tausenden Echos von den Wände wider. Sie hörten ihr Schluchzen, ihre verzweifelten Schreie und ihre anklagenden Worte gegen ihren Verlobten. Am Ende des Ganges, gegenüber der Tür des Raumes, in dem sie damals für ihre Hochzeit vorbereitet wurde, türmte sich der undurchdringliche Dunst zu einer Gestalt empor. Da war sie. In einem schwarzen Brautgewand, das Gesicht durch den ebenso dunklen Schleier halb verdeckt, erschien Nozomi direkt vor ihnen. Umgeben vom Nebel verfestigte sie sich. Ihre Schultern und Arme hingen kraftlos hinunter. Ihre ganze Erscheinung wirkte verloren. Fest fixierte Sesshoumaru sie. „Hört nicht auf das was sie sagt. Und gebt acht, dass die Frauen nicht mit dem Nebel in Berührung kommen, der ihren Körper formt!“, rief Gorou, da machte Nozomi bereits ihren ersten Schritt. Schockiert wichen InuYasha und Miroku mit Kagome und Sango in den Armen zurück, doch die unheimliche Gestalt kam unbeeindruckt näher. Das war es! Das war das Finale! Sesshoumaru kam die Stufen hinunter und zog Bakusaiga aus der Scheide. Die Braut hielt inne. Dieses Zögern nutzte nun auch InuYasha, um Kagome wieder auf den Boden zurück zu lassen und hinter sich zu schieben. Nun endlich mit freien Armen richtet auch er seine Waffe gegen die schwarze Braut. Erschrocken, fast schon verängstigt, blickte der verfluchte Dämon von Sesshoumaru zu dessen Halbbruder und wich zurück. „Halt dich daraus, InuYasha.“, befahl Sesshoumaru und schritt an ihn vorüber. Dieses Mal war er es, der die geisterhafte Gestalt zum Rückzug zwang. Kagome und Miroku waren die ersten, die die Veränderung in der Umgebung wahrnahmen. Schuldgefühle und Selbsthass. Doch noch ehe einer von beiden etwas sagen konnte, schmolz der Geist in sich zusammen und der Flur lag ebenso verlassen vor ihnen, wie sie ihn vorgefunden hatten. Zittrig atmete Sango ein und sah hinüber zu Kagome, die sich an den Schultern InuYashas hinauf zog. Die erdrückenden Gefühle, die sie zum ersten Mal in dem Vorbereitungsraum spürten, verebbten. Endlich konnten sie wieder befreit Luft holen. „Wo ist sie hin?“, wollte Gorou wissen. „Sie ist geflohen!“, lachte Jaken euphorisch. „Sie hat meinen Meister gesehen und wusste was gut für sie ist!“ Ja, vermutlich, doch das war nicht sein Ziel gewesen. Sesshoumaru sah auf die Stelle, an der sie eben noch gestanden hatte und verfluchte sich dafür, dass er nicht sofort ausgeholt hatte. War er so schwach geworden, dass er Rücksicht auf diese anderen Personen im Flur genommen hatte? Wollte er einfach verhindern, dass sie ebenso starben wie Nozomi, oder war es etwas anderes, das ihn aufgehalten hatte, sofort den vernichtenden Schlag zu führen? Er hätte doch einfach ausholen können und dann wäre es vorbei gewesen, egal wen er dabei traf. Nein, so wie sein erstes Wiedersehen mit ihr zu Ende ging, war es für ihn unbefriedigend. Bereits jetzt hätten sie frei sein können. Doch nun begann die Suche von Neuem. Er bezweifelte, dass sie sich noch immer in der Nähe aufhielt. Er wandte sich ab, stieg über Jakens Kopf hinweg – was den in seinen Lobeshymnen endlich zum Schweigen brachte – und durch die Tür in den Thronsaal zurück. Doch wo sollte er als nächstes nach ihr suchen? Wo konnte sie hingegangen sein? Und noch wichtiger: Würde sie sich zeigen, wo sie doch nun wusste, dass er hier war, um sie zu töten? Er musste es einfach schaffen. Er musste sich endlich von dieser Last befreien, die schon so lange auf seinen Schultern ruhte. „Sesshoumaru, warte doch!“, riefen die anderen ihm nach, doch er hörte nicht darauf. Er trat die Stufen des Gebäudes zum Vorplatz hinab, blieb jedoch augenblicklich erneut stehen. Neben der großen Feuerschale vor der Treppe des Gebäudes erwartete ihn ein alter Bekannter. „Mein Herr, ich freue mich Euch wiederzusehen.“, Akira verneigte sich tief und richtete sich erst auf, als hinter seinem Prinzen Gorou, Jaken und die fünf Freunde aufschlossen. „Ihr habt Frauen hergebracht. Kein kluger Zug.“, stellte er fest. „Was willst du hier, Akira?“ „Wer ist der Kerl?“, raunte InuYasha Gorou zu, doch ehe der Soldat reagieren konnte lachte der Fremde väterlich auf. „Mein Name ist Akira. Ich bin Arzt und Vertrauter des letzten Fürsten des Westens. Deinem Vater, InuYasha.“ Das war dem Halbdämonen nicht geheuer. „Woher weißt du, wer ich bin?“ Akira lächelte jedoch nur gutmütig auf diese Frage hin und hielt eine Hand an die entgegengesetzte Schulter. „Myouga!“, bemerkte Kagome überrascht und ließ reflexartig die Arme ihres Mannes los, an denen sie sich abstützte, als der kleine Flohgeist mit einem einzigen großen Satz von dem Dämonen zu ihr hinüber sprang. Bereitwillig bot sie ihm beide Handflächen an, auf denen er landen konnte. „Dass wir ausgerechnet dich Feigling hier treffen, hätte ich nicht vermutet.“, erklärte InuYasha wenig begeistert. „Dies ist ein denkwürdiger Tag in der Geschichte der Dämonen des Westens. Natürlich bin ich hier.“, gab er beleidigt zurück. „Der große Inu no Taishou wollte benachrichtigt werden, wenn sein Sohn zur Festung zurückkehrt, um sich seiner Pflicht zu stellen.“ Was sollte dieses Theater? Sesshoumaru sah wenig begeistert auf diesen nervigen kleinen Mann hinab. Er konnte ihn noch nie besonders gut leiden. „Als Euer verehrter Vater erkannte, dass sein Leben ein jähes Ende finden würde, wies er mich durch Myouga an, Euch an dem Tag zu begleiten, an dem Ihr in die Festung zurückkehrt.“, erklärte Akira weiter. „Verzeiht, dass ich nicht eher da war.“ „Wisst Ihr, wie man diese Nozomi finden und unschädlich machen kann?“, fragte Miroku, der Sango nun endlich wieder loslassen konnte, damit sie auf eigenen Beinen stand. Akira lächelte unbeirrt weiter und griff in seinen Ärmel. Heraus zog er ein kleines Säckchen. „Dieses Rätsel wird nur der junge Herr zu lösen wissen.“, erklärte er geheimnisvoll und reichte das kleine Behältnis an Sesshoumaru weiter. Ohne jegliche Anteilnahme sah er auf das Leder hinab. Er wusste nicht einmal, was er damit anfangen sollte. „Diese Braut scheint sehr verloren und einsam zu sein.“, erklärte Kagome in diesem Moment mitfühlend. „Ja, mein Kind, das ist wahr.“ „Könnt ihr uns mehr über sie erzählen?“ Akira lächelte über diese Frage und über die offensichtlich gute Seele, die dort an der Seite des jüngsten Sohnes seines Meisters stand. „Folgt mir. Ich werde sehen, was ich für euch tun kann.“, er wies an dem Hauptgebäude vorbei und schritt andächtig den alten Weg zu seinem privaten Wohnhaus hinab. Neugierig folgten ihm alle, bis auf Sesshoumaru und Gorou. Letzterer trat an seinen alten Freund heran und sah prüfend in seinen starren Blick, mit dem er seinen Begleitern folgte. „Du hast gezögert.“, stellte Gorou fest und die Augen des Prinzen richteten sich auf ihn. „Du hättest uns alle mit einem Schlag vernichten können, um sie zu töten, hast es aber nicht getan. Was ist anders geworden, Sesshoumaru?“ Schweigend betrachtete der kühle Mann seinen Gegenüber. Was hätte er antworten sollen? Er wusste es ja selbst nicht genau. Als der Soldat endlich begriff, dass er auf eine Antwort vergeblich wartete, nickte er zu dem Säckchen in seiner Hand. „Was ist da drin?“, wollte er wissen. Das war eine gute Frage. Jeder andere wäre wohl neugierig gewesen, doch nicht Sesshoumaru. Trotzdem zog er an der ledernen Schnur, wodurch sich der Stoff auf seiner Hand ausbreitete. Zum Vorschein kam eine Haarspange, besetzt mit einer fliederfarbenen Lilie. „Die gehörte ihr.“, stellte Gorou überrascht fest und sah hinauf in Sesshoumarus Gesicht, doch der reckte noch immer nur hochmütig das Kinn und starrte erhaben – ohne den Kopf zu senken – auf das Schmuckstück hinab. „Sesshoumaru, damals, als sie noch nicht diese schwarz Braut war...“ Die harten, goldenen Augen des Prinzen richteten sich wie messerscharfe Waffen auf ihn. „Ich bin nicht hier, um über das Vergangene nachzudenken. Ich bin hier, um Nozomi zu töten und diesen Fluch zu beenden.“ „Sie hat WAS?“, donnerte der Inu no Taishou durch den Thronsaal und beugt sich vor, als würde er zum Sprung ansetzen wollen. „Es tut mir so leid, Meister.“, stammelte Suzume und versuchte sich noch fester auf die Dielen zu drücken. „Ich habe versuchte Nozomi davon abzubringen, aber sie sagte irgendetwas von Dämonenhort und Gnadenhof und dass sie nicht länger bleiben könne...“ Schuldbewusst sackte der Fürst wieder zurück auf sein Hinterteil und musste diese Worte erst einmal verdauen. Er konnte verstehen, warum sie nach dieser Aussage nicht länger unter seinem Dach leben wollte, besonders in Anbetracht dessen, wie seine Frau und sein Sohn sich ihr gegenüber verhalten hatten. Sie tat ihm so unvorstellbar leid. Der Vater opfert sie, um einen Fluch zu besänftigen und ihr neues Zuhause entpuppte sich als scheinbar feindseliger Gegner. Wenig begeistert sah er hinüber zu Ichiro. Er bemerkte schnell den Blick, hatte er doch die Worte erkannt, die er früher am Tag hatte fallen lassen. „Herr, mich trifft keine Schuld. Sie muss uns belauscht haben. Woher sollte ich wissen, dass dieser Mensch sich hier aufhält.“ Inu no Taishou schüttelte den Kopf. Er hätte von Anfang an nicht einmal an diese Bemerkung denken dürfen. Dennoch war sein Einwand berechtigt. „Was hatte Nozomi hier überhaupt zu suchen?“, fragte er in einem Anflug von Verzweiflung. „Ich hatte sie dir anvertraut, damit sie dir in den privaten Gemächern meiner Familie hilft.“ „Ich weiß, Meister, und es tut mir so leid. Das ist alles meine Schuld. Nachdem Nozomi auf die verehrte Fürstin traf und gestern wegen mir in diese unschöne Situation mit dem Prinzen geriet, habe ich sie heute darum gebeten, dass sie die Kissen aus dem großen Bankettsaal und dem Lagerraum einsammelt, damit wir sie waschen können. Das hat sie auch getan, doch als sie nicht am Fluss erschien, bin ich sie suchen gegangen und fand sie in unserem Zimmer vor. Sie zog sich gerade ihr Brautgewand an und bat mich ihren Arbeitskimono wieder an mich zu nehmen. Sie ist dankbar für Eure Gastfreundschaft, sagte sie mir, aber sie fühlte sich hier nicht mehr wohl. Sie wollte gehen und nahm alles mit, was sie besitzt.“ Der Fürst legte eine Hand ins Gesicht und rieb sich die Augen. „Danke, Suzume, du darfst gehen.“ Angestrengt dachte er darüber nach, was er nun tun sollte. Er konnte doch ein hilfloses Menschenmädchen wie sie nicht durch eine Welt wie diese laufen lassen. Es war nur eine Frage der Zeit, dass sie genau dieses Schicksal erlitt, das er sich für keine Frau wünschte. Besonders in dieser auffälligen, zeremoniellen Robe würde sie den ersten Wegelagerern unweigerlich ein verlockendes Opfer bieten. Und wenn das alles noch nicht genug war, dann war da noch immer die Frage, warum sich ihre Haare weiß verfärbten. Nozomi hatte sich den womöglich ungünstigen Moment für einen Abschied ausgesucht. „Ihr habt alle recht.“, verkündete er da plötzlich und seine Berater, seine Frau und sein Sohn sahen ihn überrascht an. „Die Veränderung an dem Mädchen könnte Gefahr bedeuten, doch dort draußen könnte das Kind im Ernstfall noch größeren Schaden anrichten. Egal, ob sie ein Tier, einen Menschen oder einen anderen Dämonen bedroht. Wir können sie nicht ziehen lassen.“ Während seine Berater sich diese Worte wohl zu Herzen nahmen, sah man der Fürstin an, dass der Gedanke Nozomi zurückzuholen sie nicht besonders fröhlich stimmte. Als sie zu sprechen begann, wanderten Sesshoumarus Augen von seinem Vater zu seiner Mutter. „Ich verstehe ehrlich gesagt nicht das Problem.“, verkündete sie mit einer so liebevollen Stimme, dass sie genauso gut von kleinen Welpen hätte reden können. „Ihr sagtet doch selbst, dass das Mädchen so lange bei uns bleiben darf, sie sie gerne möchte. Scheinbar hat sie beschlossen, dass sie diese Gastfreundschaft nicht länger ausnutzen möchte und hat ihre Sachen selbst gepackt. Wir haben somit keine andere Möglichkeit, als ihren Willen zu respektieren.“ Ihr Mann sah sie eine Weile an und atmete schließlich tief durch. Obwohl sie die Wahrheit sprach, klangen diese Worte aus ihrem Mund falsch. „Ich bin mir sicher, dass das Kind zu ihrem eigenen Wohl richtig entschieden hat. Sicher ist sie bereits auf dem Weg nach Hause zu ihrer Familie, wo sie hingehört. Dort wird sie ein gutes und friedliches und vor allem ein – für ihren Stand – angemessenes Leben führen. Immerhin“, sie sah stolz zu ihrem Sohn. „Ein zweites Mal kann ihr Vater sie nicht opfern. Unser Sohn hat seine Aufgabe ganz nach Eurem Wunsch erfüllt und dem Fluch auf diesen Schrein gelöst. Ihr solltet Euch mehr mit den Erfolgen Eures eigen Fleisch und Blutes befassen, als mit einem Mädchen, das Eure Zuneigung offenkundig nicht zu würdigen weiß.“ Ihr Mann sah sie einen Moment ruhig an. „Eben weil ihr Vater sie opfern wollte, sollte sich jemand anderes um sie kümmern. Und was unseren Sohn angeht...“, er warf kurz einen Blick auf Sesshoumaru und dann wieder zu seiner Frau zurück. „Er ist ein erwachsener Dämon von einhundert Jahren. Ich muss ihn nicht mehr dafür Loben, dass er seine Arbeit macht. Andernfalls wäre es eine Beleidigung deiner Erziehung. Oder willst du behaupten, dass er ein Schwächling am Busen seiner Mutter sei?“ Sein zweiter Berater Fukita gab kurz einen amüsierten Laut von sich, fing sich aber sofort wieder. Inu no Kami strafte ihn mit einem strengen Blick und funkelte anschließend wieder ihren Mann an – allerdings war ihr die Situation wohl eher peinlich, als dass sie Wut verspürte. „Nein, mein Herr, selbstverständlich ist er das nicht.“ Sie schielte hinauf zu Sesshoumaru, doch seine kalten Augen verrieten auch ihr in diesem Moment nicht, was er gerade dachte. „Ich hoffe du kannst mir diese Worte verzeihen, Sesshoumaru. Ich weiß, dass du ein ehrenhafter Mann bist.“, erklärte Inu no Taishou. „Natürlich, Vater.“, bemerkte sein Sohn sofort und beließ es dabei. Er war sich sicher, dass sein Vater jedes Wort, das er sagte, ernst meinte, doch der Vergleich mit der mütterlichen Brust nagte trotzdem an seinem Ego. Immerhin standen er und seine Mutter sich trotz seines hohen Alters sehr nahe. Er wollte sogar sagen, dass sie sich besser kannten und verstanden, als er es mit seinem Vater tat. Doch war das ein Wunder? Er war von der Inu no Kami aufgezogen worden. Die meiste Zeit seiner Kindheit hatte er mit ihr verbracht. Sie erzog ihn zu einem Dämonen nach ihren Idealen. „Kommen wir zurück zu Nozomi.“, beschloss der Fürst. „Ich hoffe wir sind uns einig, dass das Kind zurück an diesen Hof geführt werden muss?“ „Meine Meinung kennt Ihr.“, verkündete seine Gemahlin und sah sich unter den Beratern um. „Und wenn wir abwarten?“, versuchte Fukita einen Mittelweg zu finden. „Vielleicht machen wir uns Sorgen wegen Nichts und mit dem Mädchen ist alles in Ordnung. Dann würde ich es durchaus befürworten, wenn sie bei ihrer eigenen Familie leben kann und ihren Weg finden.“ Auch dies war ein Argument, dem der Fürst Beachtung schenken sollte. Vielleicht war es tatsächlich das Einfachste, wenn er einen oder zwei Dämonen hinter ihr herschicken würde, die sie im Auge behielten. Entweder kamen sie allein zurück und Nozomi ging es gut, oder aber... In dem Moment öffnete sich ein zweites Mal während ihrer Besprechung die Pforte des Thronsaals. Überrascht sahen alle auf, als Akira mit einem halben dutzend Pergamentrollen herein trabte. „Ich denke ich habe etwas gefunden.“, verkündete er und stieg die Stufen hinauf zu der Ebene unterhalb der Fürstenfamilie, wo die Berater saßen. Die Anwesenden versuchten in seinem angestrengten Blick etwas Positives zu finden, doch leider wollten ihnen seine zusammengezogenen Augenbrauen nicht gefallen. Akira ließ sich auf sein Kissen sinken und sah sie alle mit einem kurzen, schweren Seufzen an. „Du gefällst mir nicht, Akira.“, erklärte der Meister als Erster und sprach damit das aus, was sie alle dachten. Zu ihrem Missfallen schüttelte der Neuankömmling auch noch den Kopf. „Ich befürchte, dass ich auch keine guten Neuigkeiten habe, mein Herr. Das einzig Positive, das ich vorbringen kann, ist dass ich weiß, was mit Nozomi geschieht. Es ist eigentlich sehr simpel. Wir hätten schon eher darauf kommen können. Für Dämonen sollte es kein unbekannter Vorgang sein.“ „Hör auf in Rätseln zu sprechen und sag endlich, was mit unserem Menschenkind los ist.“ „Um diesen Vorgang zu erklären, muss ich zu seinem Ursprung zurück. Wir alle hier wissen um den Fluch in dem Schrein, den Sesshoumaru-sama vernichtete.“ „Selbstverständlich.“, verkündete Inu no Kami stolz. Wie sollte sie jemals eine solche Glanzleistung ihres geliebten Prinzen vergessen? „Nun, leider ist es doch nicht ganz so einfach, wie wir gehofft haben. Wenn ein Mensch unter Schmerzen und Qualen stirbt, dann spaltet sich seine Seele und ein Teil von ihm – eben dieser Schmerz, die Wut und die Trauer – bleiben an dem betreffenden Ort seines Todes zurück und verfluchen ihn.“ „Wenn dies die Lösung wäre, dann wäre unser Prinz bereits tot. Jeder, der solch einen Ort betritt, wird von dem Fluch dahingerafft.“ „Das stimmt, doch in diesem Fall wurde das Opfer nicht von einem Menschen getötet. Stattdessen hatte der Fluch die Möglichkeit sich mit einem Dämonen zu verbinden.“ „Erklärt das genauer.“, bat der Fürst. Er verstand noch nicht, worauf Akira hinaus wollte. „Wir alle kennen das Phänomen, dass sich schwächere, niedere Dämonen gerne zu einem Einzigen verbinden. Um Jedoch nicht zu einem auffallenden, grotesken Biest zu werden, tun sie das meist in dem Körper eines willigen Menschen. Mit solch einem unauffälligen Erscheinungsbild ist es leichter Böses zu tun. Es entsteht ein Halbdämon.“ „Der Dämon am See war aber kein Halbdämon. Laut dem Mönch war er vollwertig.“, bemerkte Ichiro. „Natürlich, denn ein Halbdämon entsteht nur, wenn der Mensch dieser Vereinigung zustimmt. Verbinden sich die Dämonen jedoch ohne die Einwilligung des Menschen in seinem Körper, dann werden auch diese Wesen die Kontrolle übernehmen und er wird zu einem Dämonen.“ „So leicht ist das nicht. Es braucht Jahre der Zermürbung für diesen Vorgang.“, erklärte die Inu no Kami und winkte diese Geschichte bereits als ein reines Hirngespinst ab. „Jahre der Zermürbung, oder einfach Tage, in denen das Opfer höllische Qualen durchleidet und an deren Ende der Mensch dem Tod näher ist, als dem Leben.“ Nun glaubt der Fürst zu verstehen. „Die Dämonen verbanden sich mit der sterbenden Braut in dem Moment, da sich ihre Seele teilte und der Fluch entstand.“ „Korrekt und der Fluch wiederum verband sich mit dem Dämonen. So entstand die schwarze Braut, die die Menschen am Vulkansee heimsuchte.“ „Weiter zu Nozomi. Was hat das mit dem Kind zu tun?“, verlangte Fukita zu wissen. „Nozomi kam mit dem Fluch und damit auch mit dem Dämonen direkt in Berührung. Beides ist auf sie übergegangen.“ „Das ist nicht gut...“, murmelte Inu no Taishou und lehnte sich vor. Nachdenklich aber auch besorgt strich er sich über das Kinn. „Nein, ist es auch nicht. Als Gorou und Sesshoumaru-sama die Kleine zu mir brachten, war sie ohne sichtbare Schädigungen tagelang Bewusstlos. In den letzten Stunden vor ihrem Erwachen konnte ich beobachten, dass sie fürchterliche Alpträume durchleben musste. Sicher waren das zum einen ihre eigenen Erfahrungen am See und zum anderen die Erinnerungen des Fluches. Nozomi wurde von ihrem Vater geopfert und zu dem Schrein geschickt, wo sie auf die schwarze Braut traf. Laut Gorou war diese gerade dabei ihr Opfer in sich aufzunehmen, als Sesshoumaru-sama sie störte und zur Strecke brachte. Doch wie schon bei der armen Braut vor ihr, hefteten sich die Dämonen einfach an den Körper Nozomis und mit ihnen der Fluch, der ein Teil von ihnen geworden war.“ „Das heißt, dass die eigentliche Nozomi starb?“, überlegte Ichiro laut, doch auch dieses Mal musste Akira den Kopf schütteln. „Nein, das wohl eher nicht. Ich denke, dass Nozomi im Gegensatz zu der ursprünglichen Braut nicht einmal die Seelenspaltung durchlitt. Wenn sie bei der Vereinigung gestorben wäre, dann hätten wir schon lange eine zweite schwarze Braut hier in unserer Festung. Dieses Kind jedoch entwickelt sich langsam zum Dämonen. Ihr Haar wird weiß und bleibt nicht schwarz. Daraus schließe ich, dass zu unserem Glück der Fluch der schwarzen Braut bisher nicht zum Vorschein kam. Vielleicht besitzt sie sogar genug mentale Kraft, damit er verschlossen bleibt.“ „Und wie sollen sie sich dann ohne ihre Zustimmung in ihrem Körper verbunden haben?“, fragte Inu no Kami abwehrend. Ihr gefiel nicht, wohin das Gespräch führte. Nicht etwa, weil sie Angst um Nozomi hatte, sondern weil sie ahnte, dass ihr Mann nun keinen Widerspruch mehr dulden würde und sie zurück holte. „Wie ich schon sagte, war sie bewusstlos, als sie zu mir kam. Ihr Geist war geschwächt, ihr Körper war Geschwächt. Im Angesicht der schwarzen Braut verlor sie die Kontrolle über alles, was sie ausmachte.“ Der Inu no Taishou atmete tief durch und sah zu seinen Beratern. „Ich fürchte wir haben an dieser Stelle keine Wahl.“, bemerkt der von den Vieren, der bisher zu allem geschwiegen hatte. „Das sehe ich genauso.“, verkündete Inu no Kami. „Mein Herr, ihr könnt nach allem, was Akira gerade sagte, nicht wirklich noch immer in Betracht ziehen, diesen Menschen wieder zu uns zurück zu holen.“ Der Arzt horchte überrascht auf. Sollte das heißen, dass Nozomi verschwunden war? Wie konnte das sein? Er hatte sie doch gerade eben noch gesehen. „Du hast es doch gehört, Frau. Nozomi ist kein Mensch mehr. Sie wird zu einem Dämonen.“ Inu no Kami schüttelte den Kopf. Zu einem Dämonen wurde man nicht so einfach. Entweder war man als solcher geboren, oder eben nicht. Das, was dem Mädchen geschah, war aus Nozomis Sicht vielleicht tragisch, sollte sie jedoch nicht weiter interessieren. Sie war doch nur ein einfacher, kleiner Mensch. Nichts, worum man sich Sorgen machen sollte. „Um ehrlich zu sein – mein Herr, meine Herrin – war dies auch nicht das, was ich meinte. Ich bin der Meinung, dass wir keine andere Wahl haben, als das Mädchen zurück zu holen. Dort draußen läuft ein fünfzehnjähriger Mensch herum, der langsam aber sicher zu einem Dämonen wird. Ob sie stark sein wird oder nicht: Sie wird gefährlich sein. Entweder muss sie sterben, oder wir holen sie her und versuchen einen Weg zu finden, durch den sie mit ihren neuen Kräften umzugehen lernt.“ „Dann muss sie eben sterben.“, beschloss die Fürstin. „Du gehst zu weit, Frau.“, erklärte ihr Gatte hart. „Ein Leben, ob Mensch, Halbdämon oder Dämon, ist etwas wertvolles. Den Tod einer Unschuldigen werde ich erst als allerletzten Ausweg in Betracht ziehen.“, er wandte sich an seinen Sohn. „Sesshoumaru.“ Der Prinz reckte das Kinn und blickte seinem Vater stolz entgegen. „Du wirst Nozomi folgen und sie unbeschadet wieder zu uns zurück bringen. Sei jedoch behutsam mit ihr. Ich möchte ihr den Umstand selbst erklären, warum ich sie hier behalten will.“ Sesshoumaru verneigte sich ohne zu zögern. „Wie Ihr wollt, Vater.“ Wie entwürdigend! Wenig begeistert stapfte Sesshoumaru die Straße hinab, welche zur Festung hinauf führte. Warum musste ausgerechnet er die Amme für dieses Menschlein spielen? Sollte sein Vater doch selbst das kleine Biest wieder einfangen, wenn ihm so viel an ihr lag. „Bring mir das Mädchen unbeschadet zurück!“, hatte der Inu no Taishou befohlen. „Wenn sie dir auch nur den kleinsten Grund dazu liefert, dann beende ihr kümmerliches Leben. Dann haben wir endlich Ruhe vor ihr und diesem Fluch.“, lege ihm seine Mutter nahe. Wie gerne hätte er doch ihrem Wunsch entsprochen und Nozomi als Jagdbeute verwendet. Doch so sehr er seiner Mutter auch zustimmte: Sein Vater war die Kraft, der er gehorchen musste und würde. Er war der Fürst, der seine Mutter lediglich in den Stand erhoben hatte, den sie nun inne hatte. Abgesehen davon wusste Sesshoumaru um die Differenzen seiner Eltern. Er wollte daher ungern zwischen sie geraten, indem er der Inu no Kami den Vorzug gab. Nein, Sein Vater war der Herr und er – so wie alle anderen – in erster Linie sein Diener. Auch wenn es ihm – besonders in diesem Moment mal wieder – absolut missfiel. Ein Menschenmädchen einfangen, das offenkundig nicht zu ihnen gehörte und das auch eingesehen hatte, war widerspruchslos entwürdigend! Doch was sollte er tun? Er konnte sich schlecht gegen den Befehl seines Vaters stellen, auch wenn er es nicht einsah, warum Nozomi zu ihnen zurückkehren sollte. In diesem Moment war er nur glücklich, dass Gorou nicht mitgekommen war. Bezüglich seiner Einstellung zu Menschen wäre er vermutlich der bessere Sohn für den Inu no Taishou gewesen, doch Sesshoumaru konnte so viel Zuneigung für Sterbliche weder verstehen noch ertragen. … Manchmal fragte er sich, ob diese Ansichten wohl anders gewesen wären, wenn seine Mutter nicht darauf bestanden hätten, ihren kleinen Kronprinzen selbst zu erziehen, sondern es standesgemäß einer Amme überlassen hätte. Doch andererseits konnte er es sich nicht vorstellen irgendetwas für diese niederen Wesen zu empfinden, die sich wie die Pest auf dieser Erde zu verbreiten schienen. Eine einsame Schneeflocke tanzte vor ihm zu Boden und er sah hinauf in den behangenen Himmel. Die Wolken schienen immer größer und dunkler zu werden, sicher würde noch ehe er den Gebirgszug um ihr Tal herum erreichte ein Schneesturm losbrechen, oder wenigstens ein schweres Schneegestöber. Er seufzte innerlich und richtete wieder den Blick nach vorn. Ihm als großen Dämon, der sicher eines Tages zu den mächtigsten der Welt gehören würde, würde dieses Wetter nichts ausmachen. Doch das Mädchen, das er einholen und heimbringen sollte, war trotz ihrer einsetzenden Wandlung zum Dämon nichts als ein mickriger Mensch. Soweit er wusste konnten sich diese Wesen unterkühlen und krank werden und womöglich sogar an den Folgen dieser Erscheinungen sterben. Genau dieser Umstand jedoch war es, den sein Vater ihm verboten hatte. Nozomi musste gesund und munter zu ihm zurückgebracht werden. Wurde schon erwähnt, dass diese Aufgabe entwürdigend war? Er, die Amme eines kleinen Menschenmädchens! Er blickte hinab auf die Fußspuren im Schnee vor ihm, die Nozomi hinterlassen hatte, als sie mit dem Einzigen, das sie besaß, die Festung verlassen hatte. Es war schon eine Weile her, dass sie hier vorbeigekommen war und da er sich besonders viel Zeit für seinen bisherigen Weg gelassen hatte, war sie mit Sicherheit auch schon in dem Gebirge verschwunden, das sich vor ihm erstreckte. Dort gab es viele Dämonen. Und Banditen. Ein Blick hinauf verriet ihm sogar, dass es dort bereits zu schneien schien. Nun gut. Er hatte halt keine Wahl. Er schloss seine Überjacke etwas fester vor dem Bauch und sprang auf einen nahegelegenen Baum. Von dort aus war es nur ein einziger weiterer Satz und er hatte den Pfad erreicht, den Nozomi genommen hatte, als sie den Berg erklomm. Kaum, dass er auf diesem Weg den Wipfel des ersten Berges erreicht hatte, war ihm klar dass er das Wetter unterschätzt hatte. So hoch oben vielen die Flocken bereits als dichte Masse, doch in der hohen Schneedecke hatte Nozomi mit ihrem Gewand eine tiefe Furche hinterlassen. Es würde so zum Glück eine Weile dauern, bis ihre Spur unterging. Mit einem Satz folgte er dem Weg weiter. Der Schneefall wurde noch dichter. Wie konnte ein Mensch in dieser Umgebung so schnell so weit gekommen sein? Als ihre Spuren verschwanden, hatte Sesshoumaru wenigstens ein Ziel erkannt: Nozomi kehrte zum Kratersee zurück – oder vielleicht auch zu ihrem Dorf, das dort lag. Zitternd zog Nozomi ihren Schleier – der ihr als Schutz vor dem Schnee diente – tiefer ins Gesicht und schloss die Enden um ihre Schultern. Gedanklich versuchte sie sich zu überreden weiter zu laufen und nicht einfach anzuhalten. Wenn sie jetzt stehen blieb, dann würde sie vermutlich nie wieder einen Fuß vor den anderen stellen. Der Wind pfiff ihr um die Ohren und ihr heißer Atem folgte der stürmischen Böe davon. Ihre Nase war inzwischen so kalt, dass sie die Spitze nicht mehr spürte. Angestrengte hob sie die steifen Finger, wickelte sie in den Stoff ihrer Ärmel und hielt sich diese dann zusammen mit dem Schleier vor Mund und Nase. Ja, so war es schon etwas besser. Ganz konnte sie ihr Frieren jedoch nicht verhindern. Bei jedem Schritt in den tiefen Schnee hinein versanken ihre Beine zu Teil schutzlos in der weißen Masse. Die Berührung auf der inzwischen geröteten Haut brannte schlimmer als tausend Feuer. Sie zog die Schultern an und stieß ein fürchterliches Keuchen aus, als könnte sie so die eisige Taubheit vertreiben, die langsam in ihren Körper kroch. Sie hoffte inständig, dass der Weg zu ihrem Heimatdorf nicht mehr weit war. Vom Hof der Dämonenfestung aus, hatte Akira ihr gezeigt, welchen Pass sie nehmen musste, um zu dem Kratersee zu gelangen, wo ihr Vater sie hatte opfern wollen. Er sagte, dass es einen Weg gäbe, dem sie einfach nur folgen brauchte, um zu dem Berg und damit auch zu der Straße zu gelangen, die die Dörfer um ihn herum verband, doch in dem dichten Schneetreiben konnte sie nicht einmal mehr so weit sehen, dass sie zumindest die Silhouetten der Gebirgskette hätte ausmachen können. Sie war sich nicht einmal mehr sicher, ob sie noch dem richtigen Weg folgte, hoffte es jedoch aufgrund dessen, dass die Bäume so weit auseinander standen, als würde es eine Straße geben. Sie schloss die Augen, um sie vor der Kälte zu bewahren und senkte den Kopf. Als gebeugte Gestalt stapfte sie durch das eiskalte Wetter, ohne einen Blick dafür, wohin sie lief. Wann war sie nur endlich da? Ihre Schritte kamen wie automatisch. Einer, dann noch einer... Doch mit jedem Weiteren schien der Widerstand durch die Naturgewalten immer größer zu werden. Der gefrorene Wind, der unter ihren Schleier fuhr und ihn mitzunehmen versuchte, und die schmerzende, weiche Masse, die unter ihren Füßen durch die Sohle ihrer viel zu leichten Schühchen kroch und versuchte ihre Glieder zu Eis werden zu lassen, erschwerten ihr jeden Schritt. „Helft mir doch... Irgendjemand...“, jammerte sie in ihrem Kopf. Wer hätte sie in dieser gottverdammten Gegend schon hören sollen? Sie spürte eine vom scharfen Wind heraufbeschworene Träne in ihrem Gesicht erfrieren und versuchte sie mit eisigen Fingern zu entfernen, dann öffnete sie die Lider. Überrascht hielt sie inne und sah sich um. Sie musste in der Nähe einer Siedlung sein. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie sie aus dem Wald getreten war und nun in einer freien Ebene stand. Dem Muster im Schnee nach zu urteilen hatte sie Reisfelder erreicht. Sie hoffte nur, dass es die ihres Dorfes waren. Vielleicht... Sie drehte sich um. Dass ihre Spuren im Schnee bereits beinahe zur Gänze verweht und neu bedeckt waren, realisierte sie kaum. Im Schleier des Niederschlags erkannt sie die Silhouette des Waldes und mit ihr das vertraute Bild. Beinahe hätte sie vor Freude und Erleichterung vergessen, dass sie dennoch noch immer nicht im warmen, rettenden Zuhause ihrer Familie stand. Eine aufbrausende Böe ergriff sie und drängte sie zurück zu den Bäumen. Erschrocken kam sie ins straucheln und wäre beinahe kopfüber im Schnee versackt, fing sich aber gerade so noch einmal. Diesen Moment hatte sie gebraucht, um den Traum von einem heißen Feuer wieder in die Ferne zu schieben. Noch war sie nicht am Ziel. Sie wandte sich wieder dem Weg zu, dem sie folgen wollte, und lief mit neu gewonnener Kraft einem hoffentlich prasselnden Feuer und heißer Suppe entgegen. Als der Giebel einer Hütte in Sicht kam wollte sie rennen, doch sie landete stolpernd auf Händen und Knien. Ihr Schleier flog davon, doch das realisierte sie kaum. Sie hatte es geschafft. Ein Haus. Ein Dorf. Sicherheit! Sie rappelte sich von Schnee bedeckt auf und stapfte mit steifen Beinen weiter. Die Freude darüber, endlich andere Menschen gefunden zu haben, ließ sie den fürchterlichen Wind um ihre Ohren vergessen. „Hallo“, brüllte sie gegen den Sturm an. „Mutter, Vater, Hallo“ Ihr Fuß blieb an einem Hindernis hängen – vermutlich ein Holzscheit oder dergleichen. Sie stolperte und landete erneut im Schnee. Das plötzliche Brennen an ihren nun ebenfalls geröteten Fingern ließ sie hochschrecken. Schnell versteckt sie sie in den großen Ärmeln und erschauderte. Es war so kalt. Sie schloss die Augen. „Nozomi?“ Überrascht hob sie den Kopf. Fünf Männer kamen durch das Schneetreiben auf sie zu gestapft. „Nozomi!“, rief ihr Vater noch einmal. „Das ist doch schwachsinnig! Du hast dich verhört!“, brüllte ihn ein anderer über den Wind hinweg an. „Wir haben Nozomi vor Tagen zum See gebracht, hast du das schon wieder vergessen? Bald ein halber Mondzyklus ist seitdem vergangen.“ Doch die Männer kamen weiter auf sie zu. Geheuer war ihnen die Situation trotz allem nicht. Erleichtert stieß die Fünfzehnjährige die Luft aus und rappelte sich aus der Schneewehe hoch, die sie zu bedecken versuchte. Erschrocken wichen die Männer zurück, als sie sahen, wie sich eine zittrige Gestalt schwach aus der Landschaft erhob, um sich aufzurichten. „Wer da?“, rief ihr einer von ihnen entgegen, doch sogleich hielten sie alle die Luft an. Das Gesicht war bleich, doch fleckig rot vor Kälte. Ihre Augen sprachen von tausenden von Qualen, als sich das Mädchen auf sie zu schleppte. Sie alle erkannten sie, es war Nozomi. Die Tochter des Dorfvorstehers, die sie vor so vielen Tagen der schwarzen Braut auf dem dampfenden See opferten. „Vater“, hauchte sie erleichtert und ließ sich kalt in seine Arme fallen. Erschrocken fing er sie auf. Doch war das wirklich noch seine kleine Nozomi? „Das ist unmöglich.“, verkündete der erste Mann an seiner Seite. „Das ist nicht gut.“, bestätigte auch ein Zweiter, doch ihr Oberhaupt hörte nur das Wispern seiner Tochter: „Ich habe es geschafft. Ich bin Zuhause, endlich Zuhause... mir ist so kalt, Vater...“ Kurz war er versucht die Arme fester um sein erfrierenden Mädchen zu schlingen, da entdeckte er sie: Eine weiße Strähne an ihrem Hinterkopf. Panik stieg in ihm auf, als er spürte, wie sich die Arme seiner – vermeintlichen – Tochter enger um ihn schlossen. „Vater“, flüsterte sie am Ende ihrer Kräfte. Sie war so erleichtert lebend aus dieser Tortur entkommen zu sein. Mit bebenden Händen jedoch griff ihr Vater an ihren Kopf und strich über das schwarze Haar. Sein schlimmster Alptraum wurde war, auch die Strähnen darunter waren schneeweiß. Er schrie für eine schmerzliche Sekunde auf und taumelte Rückwärts von ihr weg. Seine Begleiter stoben erschrocken auseinander und sahen ihm auf seiner Flucht nach, die ein abruptes Ende fand, als er auf dem Hinterteil landete. Ohne von ihm gestützt zu werden und die Kraft, ihn bei sich zu halten, sackt Nozomi vorn über auf ihre Knie und blieb fröstelnd im Schnee hocken. „Das Haar, das Haar!“, stammelte er entsetzt und zeigte auf seine Tochter. Als die Männer seinem Wink folgten erkannten auch sie, was er gefunden hatte. „Das ist ein Zeichen!“, brüllte einer von ihnen. „Ein böses Omen, sie ist ein verfluchter Geist!“ „Sie wird uns alle vernichten.“ „Die schwarze Braut hat sie uns zurück geschickt. Sie war nicht zufrieden mit ihrem Opfer.“ „Womöglich war sie nicht mehr unschuldig.“ Panik und Verzweiflung stiegen in Nozomi auf. Wie konnten sie so etwas sagen? Sie war doch endlich Zuhause... „Wir müssen sie töten und hoffen, dass die Braut uns gnädig sein mag.“, gesagt, beschlossen, in Angriff genommen. Der Mann wandte sich suchend ab und entdeckte einen Stapel Holzscheite an der Hütte ihres Holzfällers und Schreiners. Durch den tiefen Schnee eilte er hinüber und befreite die gefrorenen Klötze vom der weißen Schicht auf ihnen. Nozomi hatte nicht mehr die Kraft sich zu erheben. Bibbernd vor Kälte richtete sie ihren Oberkörper auf und schlang die Arme um die Brust. „Bitte, ich bin es doch... Ich, Nozomi...“, brachte sie zittrig hervor und sah die Männer an, als letztes ihren Vater. Er sah die Angst in ihren Augen und das unendliche Leid, doch die Gefühle, die auf ihn einzuprasseln begangen waren auch in seinen Augen nicht normal. Er schüttelte den Kopf. „Nein, nein“, jammerte er. „Meine Tochter ist tot. Du bist nicht meine Tochter... Du bist die Braut.“ „Vater“, heulte sie. Das Krachen der Holzscheite lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder zu dem Mann, der beschlossen hatte sie zu töten. Mit roher Gewalt hatte er das Holz von den anderen Blöcken befreit und fasste es nun mit beiden Händen. Er näherte sich ihr. Hob das Holz über den Kopf und... Schützend duckte sich Nozomi vor dem Schlag und hob die Arme über ihr Haupt. Doch der erwartete Treffer blieb aus. Nur ein sanftes, warmes Tuch legte sich um sie. Ihr Schleier war zurück. Überrascht griff sie nach dem Stoff, ehe er erneut davonfliegen konnte, und hob dann den Blick. Langes Haar wehte in der steifen Brise. Der Dämon, der sich zwischen sie und die Männer stellte, die sie beinahe getötet hätten, ließ ihre Angreifer zurück weichen. Erst dachte sie an Akira, dann an Gorou, doch auch der Inu no Taishou konnte es nicht sein. „Se-Sesshoumaru-sama?“, presste sie bibbernd zwischen den Zähnen hervor. Ohne die Regung einer Emotion oder das Gefühl für die Kälte seiner Umgebung sah der Prinz über seine Schulter hinweg. „Steh auf, Mädchen.“, befahl er ihr barsch. Wankend kam sie wieder auf die Beine und sah an ihm vorbei. Der Mann, der sie erschlagen wollte, saß vor ihm im Schnee und blickte entsetzt zu dem eiskalten Dämonen hinauf. Sein Mordinstrument versackte gerade in der weißen Masse um sie herum. „Wer seid Ihr?“, verlangte Nozomis Vater zu wissen. „Vater...“, verzweifelt versucht Nozomi erneut zu dem Mann zu kommen, der gerade mit Hilfe der Anderen wieder aufstand, doch als die Gruppe sie erneut erschrocken fixierte, hielt Sesshoumaru sie mit einer Hand vor ihrem Bauch auf. Überrascht aber vorsichtig sah sie auf. Seine Augen waren weiter starr auf die Männer gerichtet, als er sie hinter sich schob. „Vater hat mir befohlen, dich unversehrt zu ihm zurück zu bringen.“ „Was?“, fragte Nozomi irritiert. „Was soll das heißen, Dämon?“, brüllte ihr Vater ihm entgegen, doch der Prinz antwortete nicht. Irritiert sah der Mann in seine Augen und versuchte einen erneuten Blick auf das verängstigt geduckte Mädchen hinter ihm zu erhaschen. „Heißt das, dass das doch Nozomi ist und nicht die Braut aus dem Schrein?“ Wenn er nur wüsste, dass er irgendwo mit beiden Aussagen recht hatte... „Das ist unmöglich. Warum sollte die Braut das Opfer gehen lassen?“ „Ein Mönch brachte dem Daiyoukai des Westens ein Opfer, damit er den Fluch zerschlägt. Das ist geschehen.“, erklärte Sesshoumaru hochnäsig, als läge dieser Umstand klar auf der Hand. „Was? Das heißt... wir sind frei?“, fragte ihr Vater noch einmal, doch erneut antwortete er nicht. „Aber das Haar! Was geschieht mit ihrem Haar?“ Auch hierzu schwieg Sesshoumaru. Er hatte seinem Vater versprochen nichts zu sagen. Der Inu no Taishou wollte persönlich mit Nozomi darüber sprechen, was mit ihr geschehen würde. „Ist es ein Zeichen, dass sie mit dem Fluch in Berührung kam? Wurde sie auch verflucht?“ Dass der Dämon vor ihnen nicht die Anstalten machte weiter zu sprechen, gefiel den Männern nicht. Sie sahen einander an. Was sollten sie nun tun? Wenn sie eine andere Frau aus ihrem Dorf gewesen wäre, dann hätten sie wohl um sie gekämpft – zumindest solange der Gegner ein Mensch war. Doch hier handelte es sich um Nozomi, ein Mädchen, dass sie bereits vor etlichen Tagen einem Fluch opferten. Nun kam sie zurück, was ihnen nicht geheuer war, und zu allem Überfluss erschien ein Dämon mitten zwischen ihren Hütten. War das alles eine List? Das Monster vor ihnen hatte den Befehl, Nozomi wieder mit sich zu nehmen und zurück zu bringen, wohin auch immer. Selbst wenn es dem Kind gut ging und sie ein gutes Leben bei ihrer Familie hätte aufnehmen können, wer sagte ihnen, dass nicht weitere Dämonen kamen, um sie zu holen, so wie dieser vor ihnen? Es gab nur einen Weg um eine drohende Katastrophe aufzuhalten. „Nimm sie mit dir!“ „Was?“, Nozomi trat wieder aus dem Windschatten Sesshoumarus heraus und sah ihren Vater entsetzt an. „Nimm sie verdammt noch mal mit dir. Wir haben genug von euch Dämonen. Geh und nimm sie und all die anderen Geister mit. Geh! Verschwinde!“ „Vater!“, brüllte Nozomi entsetzt und wollte zu ihm. Sesshoumaru griff nach ihrem Handgelenk und zog sie zurück. „Nein, Sesshoumaru-sama, der Fürst sagte, ich sei ein Gast. Ich könnte gehen, wann ich will. Und ich will hier bleiben.“ Er war gewillt sie loszulassen und seinem Vater hiervon zu berichten, doch die harten Worte ihres Vaters erhoben sich über den Sturm: „Wir wollen dich hier aber nicht. Du bringst nichts als Ärger. Kommt ein Dämon wegen dir, dann kommen sie alle. Geh mit ihm! Wenn du es nicht tust, dann bringen wir dich zu dem Mann zurück, der nach dir verlangt. Andernfalls wird er womöglich unser Dorf angreifen und uns alle umbringen. Dein Leben für unser aller Wohl.“ Nozomis Herz setzte einen Moment aus. Konnte das wahr sein? Konnte ihr Vater sie so einfach von sich stoßen, um sie einem Dämonen zu opfern? Das war eine dumme Frage, wie ihr in diesem Moment klar wurde. Er konnte, er hatte und er würde es wieder tun. Sie spürte, wie ihr schwindlig wurde. Ihre Sicht verschwamm und sie drehte sich zu Sesshoumaru um. Ein letztes Mal sah er zu den Männern des Heimatdorfes des Mädchen, dann senkte er den Blick zu ihr hinab, doch ihre Augen waren geschlossen. Die Kälte ihrer Finger war selbst durch seine vielen Lagen von Kleidung hindurch zu spüren, als sie die schmalen Glieder in den Stoffen verhakte. „Nehmt mich mit Euch, mein Herr, ich flehe Euch an...“, flüsterte sie kaum hörbar. Kapitel 5: die Rolle des Bräutigams ----------------------------------- „Dämon hin oder her, so etwas hat niemand verdient.“, erklärte Sango. „Sicher, viele Menschen wünschen sich mehr Macht und gehen daher einen Handel mit ihnen ein – erinnert euch an Naraku – aber dazu gezwungen werden ist grausam. Sowohl was die erste schwarze Braut angeht, als auch Nozomi.“ Kagome nickte zustimmend und sah sich in den privaten Gärten der Fürstenfamilie um. Seit sie aus dem Hauptgebäude heraus waren, hatte sie das ungute Gefühl beobachtet zu werden. Das größte Problem, das sie damit hatte, war jedoch das Wissen darum, dass das vermutlich sogar stimmte. Auch wenn die schwarze Braut geflohen war, würde die letzte Attacke sicherlich nicht die letzte bleiben. Doch wenigstens wussten sie jetzt, womit sie es zu tun hatten, und ein weiteres Mal würden sie sich von den Emotionen, die die Erscheinung mit sich brachte, nicht bezwingen lassen. Die Priesterin war seelisch und moralisch bereit, der schwarzen Braut erneut gegenüber zu treten. Sie erreichten ein großes, majestätisches Gebäude und stiegen die Treppen empor. „Ich glaube nicht, dass sie in diesem Gebäude ist.“, verkündete Miroku und besah sich die hohe Tür. „Ihre Präsens ist nur schwach.“ „Mir wäre es lieber, wir würden gar nicht weiter gehen!“, erklärte Shippou. Ihm hatte das Zusammentreffen mit Nozomi gereicht. „Das wäre sicherlich die beste Wahl, besonders für euch Mädchen.“, erklärte Akira und nickte Sango und Kagome zu. „Unterschätze uns mal nicht.“, Sango wies ihn mit schneidender Stimme zurecht. „Meine gesamte Familie ist seit Generationen als Dämonenjäger tätig. Ich habe schon als kleines Kind zu kämpfen gelernt. Und Kagome ist eine sehr starke Miko.“ „Das bezweifelt auch keiner.“, das Lächeln des Arztes war unüberwindbar freundlich und gütig. Das Schaben von Holz ließ sie aufsehen. Gorou zog vor Sesshoumaru die Tür zu dem Gebäude auf und ließ ihn eintreten. „Eure Stärke sehe ich euch beiden durchaus an.“, Akira folgte seufzend dem Fürstensohn. „Allerdings ist es für Frauen in dieser Festung momentan gefährlicher, als für Männer.“ „Vielleicht solltet ihr dann doch gehen.“, überlegt InuYasha. „Ihr könntet mit Shippou außerhalb des Nebels warten.“ „Was soll das heißen? Ich bin ein Dämon und genauso stark wie du!“, zeterte der kleine Junge und sprang ihn an, doch InuYasha fing ihn ab und warf ihn zurück zu Kagome. „Du hast doch eben gesagt, dass du gehen willst!“, fuhr er ihn an. Miroku sah sich berufen die zwei Streithähne zu trennen und schob InuYasha weg. Kagome nutzte den Abstand, um mit Shippou auf die andere Seite von Akira zu wechseln, sodass der ältere Hundedämon zwischen ihr und InuYasha herlief. „Was habt Ihr damit gemeint, dass es für Frauen gefährlicher ist? Gorou hat auch bereits so etwas angedeutet.“ Der gemeinte Soldat sah sich kurz nach ihnen um, folgte dann aber weiterhin Sesshoumaru, der alle Türen seines alten Harems öffnete, um die Zimmer zu durchsuchen. „Das Leben der schwarzen Braut war verwirkt, als die Dämonen sie auf ihrer Hochzeit entführten und über Tage hinweg bis zu ihrem Tod folterten. Der zurückgebliebene Fluch zwingt nun seine Opfer, genau dieses Leiden, die Gefühle und die Schmerzen ihrer letzten Tage noch einmal zu durchleben. Gleichzeitig zu all diesen Empfindungen jedoch sehnte sie sich verzweifelt nach einem besseren Leben.“ „Kommt daher dieses Gefühl von Einsamkeit und Sehnsucht, neben all der Wut und der Trauer?“, fragte Sango und Akira nickte. „Woher willst du wissen, dass das was du sagst der Wahrheit entspricht? Kanntest du neben dieser hier auch noch die andere schwarze Braut?“, fragte InuYasha zweifelnd. „Nein, das nicht. Aber ich habe viel Zeit mit Nozomi verbracht, ehe sie zur schwarzen Braut wurde, und es gab in den letzten Jahrhunderten kaum ein Tag, an dem ich mich nicht ihrer Geschichte und der des Schreins gewidmet habe. Dies sind meine Erklärungen für das was hier geschieht, auf der Grundlage meiner Erfahrungen und Studien.“ InuYasha fand diese Aussage nicht besonders zufriedenstellend, aber er hielt sich zurück. „Kommen wir zurück zu der Gefahr. Warum nun also der Unterschied zwischen Mann und Frau?“, fragte Kagome weiter und Akira nickte. „Wie ich schon sagte, mein Kind: Die Braut sehnte sich nach einem besseren Leben. Für eine Frau bedeutete das auch zu dieser Zeit bereits einen Mann zu heiraten, der Heim und Kinder und auch seine Ehefrau schützte und liebte. Die schwarze Braut begann also nicht nur ihren Opfern zu zeigen, was sie durchlitt, sondern suchte auch nach dieser Erfüllung. Mit ihrer Schutzlosigkeit und ihrer Angst lockte sie Männer an und brachte sie dazu, sie heiraten zu wollen. Doch obwohl viele durchaus im ersten Moment diesem Lockruf erliegen, werden Männer häufig zu einer mentalen Stärke angehalten, was es ihnen ermöglicht dem Zauber wieder zu entfliehen. Wer klug ist flüchtet in diesem Moment. Die jedoch, die ihr verfallen und keinen Ausweg finden, haben in dem Moment verloren, da die Braut bemerkt, dass er nicht dem entspricht, was die Braut sucht. Sie sieht ihren armen Bräutigam als hinterlistigen Scharlatan an und verschlingt ihn.“ „Und was ist mit Frauen? Warum sind Frauen vor dem Fluch in Gefahr?“, wollte Miroku wissen. „Nozomi sagte damals, dass sie neben dem Hass auf andere Frauen auch Eifersucht empfand.“ „Sie sieht also, dass andere Frauen ein besseres Leben führen und daher ist sie neidisch.“, erkannte Miroku. „Ja und nein. Vor allem sieht sie andere Frauen als Nebenbuhlerinnen. Sie sind Hindernisse zwischen ihr und ihrem Bräutigam.“ „Was ein Schwachsinn.“, platzte es aus InuYasha heraus. „Ich finde das nicht halb so lustig wie du.“, meckerte Kagome zurück und brachte ihren Mann so zum beleidigten Schweigen. So sahen sie wortlos dabei zu, wie Sesshoumaru die nächste Tür öffnete und Gorou hinein ging, um mit seiner Fackel jede Ecke auszuleuchten. „Eine Frage“, durchbrach Shippou irgendwann die Stille. „Wenn die Hundedämonen wussten, dass Nozomi so gefährlich werden könnte, warum haben sie sie dann hier behalten?“ Akiras Lächeln wurde weicher, als er erst den Gang hinunter sah, wo sich die Tür zu den Gemächern des Herrn des Hauses – Sesshoumaru – befanden, und dann zu dem kleinen Fuchsdämonen hinab blickte. „Nozomi war ein sehr liebes Mädchen. Pflichtbewusst, hilfsbereit...“, erklärte er mit väterlichem Leuchten in den Augen. „Der Inu no Taishou war sehr angetan von der damals Fünfzehnjährigen. Nicht, dass er sie in seinen Harem als Geliebte aufnahm, er wies ihr die Gemächer einer Prinzessin zu, da ihm selbst nie eine Tochter vergönnt war. Er betrachtete das Kind als sein eigen Fleisch und Blut und liebte sie vom ersten Augenblick an, wie ein Vater. Bis zu seinem Ende vor zweihundert Jahren, hat er nicht aufgehört daran zu glauben, dass wir sie erlösen können.“ „Geht so etwas überhaupt?“, fragte der Miroku nachdenklich. „Einen Fluch erlösen?“ „Fragt ausgerechnet der, der seinen Eigenen erst vor drei Jahren loswurde.“, erinnerte Sango und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Miroku lachte peinlich berührt. „Du warst verflucht, Mönch?“, fragte Akira interessiert. „Ja, es war ein Fluch, der bereits seit Generationen auf den Männern meiner Familie lag und uns früher oder später töten sollte.“ „Wie bist du ihn losgeworden?“ „Wir haben zusammen mit Sesshoumaru den Dämonen besiegt, der meine Ahnen verfluchte. Als er starb, verschwand der Fluch.“ Akira lachte ausgelassen. „Zusammen mit dem Prinzen? Das ist unfassbar.“ „Wir hatten den gleichen Feind.“, erklärte Kagome und nickte. „Also gibt es doch eine Möglichkeit, einen Fluch zu brechen.“, bemerkte InuYasha gereizt, der noch immer sauer und beleidigt wegen Kagome war. „Und diese Möglichkeit ist der Tod. Dann hätte man diese Nozomi eben umbringen müssen. Warum hat das keiner getan? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sesshoumaru das nicht liebend gerne übernommen hätte.“ „Dein Vater hat es verboten. Er wollte Nozomis Tod nur als allerletzten Ausweg in Erwägung ziehen, wenn überhaupt.“ „Verständlich, aber im Nachhinein gesehen fahrlässig.“, bemerkte Sango. „Durchaus nicht. Wir hatten die Hoffnung, dass sie ein Leben als normale Dämonin führen könnte. Sicher, sie hat irgendwann angefangen den Frauen in diesen Gärten feindselig zu begegnen, doch wie eine schwarze Braut sah sie zu Beginn nicht aus. Ihr habt sie in diesem Zustand gesehen: Ihr Körper ist umgeben von schwarzem Dunst, ihre Haut wirkt grau und matt, ihre Haare sind schwarz und stumpf, ihre Augen sind so finster wie die Nacht... Allgemein ist sie eine düstere Erscheinung. Als Nozomi allerdings zu einem Dämonen wurde, wurde ihr schwarzes Haar als erstes weiß und ihre vorher braunen Augen wurden hellblau. Sie war vom Äußerlichen her kaum noch von einer anderen Dämonin zu unterscheiden. Dadurch, dass sie im Gegensatz zu der Frau, deren Fluch sich auf sie übertrug, nicht halbtot war, als die Dämonen sich mit ihr verbanden, bestand immer eine gute Chance, dass wir sie hätten retten können. Mit Ausnahme der fremden Kräfte, die ihr menschliches Dasein beendeten, war sie noch immer sie selbst.“ „Ich schätze, dass ihre Erlösung etwas mit dem Bräutigam zu tun hat, nach dem der Fluch sucht, oder?“, überlegte Kagome und Akira nickte. „Das dachten auch wir. Wir haben gehofft, dass sie – wenn sie heiratet – als normale Dämonin unter uns leben kann. Doch am Tag ihrer Hochzeit veränderte sich alles und plötzlich brach die schwarze Braut hervor. Seit dem ist diese Festung versiegelt gewesen.“ „Seit Ihrer Hochzeit...“, überlegte Sango. „Das heißt, dass Sesshoumaru nicht der war, nachdem sie suchte.“, schlussfolgerte Miroku nachdenklich. Akira schwieg hierzu, als er sah, wie der gemeinte Dämon in diesem Moment aus dem Zimmer seiner Favoritin heraus trat. Sein Blick traf den des Prinzen. Schweigend sahen sich beide an und Akira verstand, dass er von nun an lieber schweigen sollte. Durch die Worte, die er zu dem jüngsten Sohn seines Meisters und dessen Freunde sprach, hatte er Erinnerungen in dem Dämonen wachgerufen, die dieser so lange unter Verschluss gehalten hatte. Nie wieder wollte Sesshoumaru an die vergangene Zeit in dieser Festung denken. „Wir sollten weiter suchen.“, beschloss der Arzt daher und schloss zu seinem Prinzen auf, ehe jemand auf die Idee kam zu fragen, warum ausgerechnet Sesshoumaru als Nozomis Bräutigam auserwählt worden war. Schweigend liefen der Inu no Taishou und Akira nebeneinander her, auf ihrem Weg zu den privaten Gärten des Fürsten. Ursprünglich war es auch dem Arzt verboten gewesen diesen Bereich der Festung zu betreten, doch seit Sesshoumaru vor beinahe zwei Wochen mit einer unterkühlten Nozomi im Arm heimgekehrt war und diese anschließend ein Zimmer im Harem des Herrn der Festung bezog, ging auch Akira täglich in den Gärten ein und aus. Es war nicht so, dass der Inu no Taishou Nozomi als Geliebte zu sich holte, er beschloss lediglich, dass sie in den Räumlichkeiten der fürstlichen Töchter besser aufgehoben war. Zum einen lag der Nutzen natürlich darin, dass dieses Gebäude wärmer war als das, in dem sie vorher gewohnt hatte – was gesünder für die Grippe war – die sie auskurieren musste. Doch vor allem hatten die beiden Männer sich diese Gemächer für sie ausgesucht, da sie – sehr zur Trauer des Fürsten – noch immer leer standen. Sie hofften in der so geschaffenen Isolation einen Verlust der Kontrolle über die schwarze Braut in Nozomi zu vermeiden. Dass der Fürstin das jedoch absolut nicht gefiel, konnte man sich wohl vorstellen. Doch wenigstens hielt sie sich bisher an das Verbot ihres Gemahls und nahm keinen Kontakt mit Nozomi auf. Vielleicht wollte sie mit dem scheinbaren Desinteresse auch nur demonstrieren, wie weit unter ihrer Würde das einfache Mädchen war. Eine Wache öffnete vor ihnen das Tor in den verschneiten Winterzauber des Parks und Akira ließ seinem Meister den Vortritt ins Innere. Sie sahen einander nicht an. Sie wollten beide vermeiden, dass die angespannte Atmosphäre zwischen ihnen noch verschlimmert wurde, durch die Trauer und Ratlosigkeit, die sich in ihren Gesichtern spiegelten, denn trotz all ihrer getroffenen Vorsichtsmaßnahmen schien ihnen nun doch die Situation mit ihrem Menschlein allmählich zu entgleiten. Wobei, war sie überhaupt noch eine Sterbliche? Ab welcher Stelle der Wandlung konnte man sie als Dämonen bezeichnen? Kaum, dass es Nozomi besser ging und ihr Fieber endlich nachließ, war es Sachi und Suzume immer schwerer gefallen über einen längeren Zeitraum bei ihr zu bleiben. Es begann mit einfachem Unwohlsein, dann fühlten sie sich beobachtet und erst am vergangenen Abend war Sachi vollkommen aufgelöst zu Akira heimgekehrt. Sie hatte das Gefühl bedroht zu werden. Sie glaubte ihr Leben sei in Gefahr. Die beiden Männer waren sich darüber im Klaren, dass all diese Geschehnisse kein gutes Zeichen waren. „Was sollen wir mit ihr tun?“, fragte der Arzt in diesem Moment und beschloss, dass sie etwas langsamer gehen sollten. Der Fürst sah zu ihm zurück und wartete, bis er wieder auf seiner Höhe war. Dann standen sie beisammen mitten in dem Garten und starrten in unterschiedliche Richtungen. „Mir gefällt der Gedanke nicht, dass wir womöglich nicht drum herum kommen werden, sie doch zu töten.“ „Mir ebenfalls nicht, mein Herr.“ „Aber hast du eine andere Idee?“ Akira verschränkte die Hände in seinen Ärmeln und gemeinsam schritten sie gemächlich den Weg entlang. „Sie sagte, dass sie sich einsam fühlen würde. Allein, selbst wenn einer von uns dabei ist. Vielleicht sollten wir ihr wieder ein Zimmer bei den Bediensteten geben? Dort ist immer jemand bei ihr.“ „Keine gute Idee, Akira. Erinnere dich an das, was die Mädchen in den letzten Tagen sagten. Sie hatten Angst in ihrem Zimmer, obwohl Nozomi völlig entspannt wirkte und nichts von allem mitzubekommen schien. Auch das, was du mir heute Morgen erzählt hast, will mir nicht gefallen. Du meintest, dass Nozomi beim Frühstück sagte, die Nähe von Frauen wirkte auf sie beklemmend.“ Der Arzt nickte. „Ja, sie meinte sie fühle sich gereizt, sogar ungeduld, als sei sie plötzlich wütend auf die Frau, die mit ihr spricht, obwohl sie ihr nichts getan hat.“ „Was sagt uns das?“ „Dass der Fluch der schwarzen Braut wächst.“, Akira seufzte. „Doch mit Eurer Nähe kommt sie zurecht, mein Herr. Und auch mit meiner. Was, wenn wir ihr ein Zimmer bei den unverheirateten Soldaten geben?“ Der Inu no Taishou sah seinen Berater zweifelnd an: „Du willst, dass ich ein fünfzehnjähriges, unverheiratetes, unschuldiges Mädchen in ein Haus einziehen lasse, in dem mehrere dutzend ungebundene MÄNNLICHE und vor allem dämonische Soldaten leben? Du hattest selten einen schlechteren Einfall.“ „Aber mit Männern hält sie es aus.“ „Die Frage ist doch: Für wie lange? Wenn sie nun anfängt auf Frauen mit Hass zu reagieren, wie lange wird es dann dauern, bis der Fluch der schwarzen Braut sie dazu zwingt unter den Männern nach ihrem Mann zu suchen?“ Akira schwieg. Sie wussten beide, wie die Antwort darauf war: Nicht mehr lange. Vor ein paar Tagen, als der Inu no Taishou Nozomi besuchen wollte, fand er sie auf der Terrasse vor. Sie stand einfach nur da, an eine Säule gelehnt. Als er sie ansprach riss er sie scheinbar aus einem Tagtraum und sie gestand ihm, dass sie bereits während ihres Fiebers immer wieder das Gefühl hatte, von einem Mann umarmt zu werden, wenn sie auch nicht wusste, wer er war. Immer wenn das Mädchen die Augen schloss, ob nun zum Schlafen oder weil sie vor Langeweile eindöste, spürte sie die Arme eines Geliebten, der sie an sich zog und sie in der Kälte wärmte. Jedes Mal, wenn sie von ihm träumte – so sagte sie – fühlte sie sich besser. Sie war nicht mehr allein und der Hass in ihrem Innern verschwand. Die beiden Männer wussten, was dies zu bedeuten hatte. Akira hatte sich mit der Legende der schwarzen Braut am Schrein beschäftigt und fand heraus, dass die Dorfbewohner der Umgebung sagten, neben dem Hass auf Frauen suchte der Fluch nach einem bestimmten Mann. War es das, was nun auch Nozomi umtrieb? Aber was würde geschehen, wenn sie ihren Mann gefunden hatte? In diesem Moment kam dem Fürsten eine Idee: „Wie wahrscheinlich ist es, dass der korrekte Bräutigam den Fluch der schwarzen Braut brechen könnte?“ „Was?“ Irritiert blieb Akira stehen und sah seinen Herrn verwundert an. „Wie meint Ihr das, Meister? Was habt ihr vor?“ „Beantworte die Frage, Akira! Wie wahrscheinlich ist es, dass der Fluch gebrochen wird, wenn die schwarze Braut den Mann findet, den sie sucht?“ Der Arzt stieß irritiert die Luft aus und sah zum Himmel hinauf, an dem sich die ersten Sterne abzeichneten. „Möglich ist es vermutlich. Sie Braut starb mit Trauer um ihr verlorenes Leben und ihre verlorene Liebe. Wenn sie sie zurückbekommt, könnte der Fluch ein Ende haben.“ „Wenn wir Nozomi nun verheiraten?“ „Das wird nicht gehen.“, Akira schüttelte den Kopf. „Wenn der schwarzen Braut der falsche Mann in der Zeremonie entgegen tritt, dann wird sie ihn verschlingen, so wie sie es mit all den Frauen tat.“ Der Inu no Taishou stieß nachdenklich die Luft aus. „Abgesehen davon: Der Fluch suchte vermutlich nach dem Mann, den die schwarze Braut zu Lebzeiten heiraten sollte. Es könnte daher sein, dass es dieser ist, von dem Nozomi träumt. Dann hätten wir das Problem, dass dieser Mann bereits seit hunderten von Jahren tot ist.“ „Und wenn der Fluch sich neu geprägt hat?“ „Wie soll er das getan haben?“ „Er hat eine neue Wirtin. Die ausschlaggebenden Komponenten könnten sich verändert haben.“ Akira dachte einen Moment nach. „Selbst wenn, wir könnten mit diesem Vorgehen Nozomi in ein noch größeres Unglück stürzen. Wenn es nun ein Mann ist, der sie schlecht behandelt, oder den sie nicht lieben kann...“ „Als aller erstes, mein Freund, sollten wir herausfinden wer es ist, von dem das Mädchen fantasiert. Anschließend können wir weitere Entscheidungen treffen.“, mit diesem Entschluss schlug der Inu no Taishou wieder den Weg zu seinem Harem ein. Akira folgte. Sie nahmen gar nicht erst den Haupteingang des Gebäudes – die Inu no Kami hatte schon einmal ihren Unmut darüber geäußert, dass ihr Mann wegen des Mädchens mehr Männer (auch wenn es nur der eine war) hereinließ – sondern schlugen einen idyllischen Pfad um das Gebäude herum ein, um zum weiter hinten gelegenen Teil zu kommen, wo Nozomi lebte. „Wie sollen wir herausfinden, wer es ist, von dem sie träumt, wenn nicht einmal sie ihn kennt? Zuletzt sagte sie zu mir, dass sie sein Gesicht nicht sehen kann. Er befindet sich zumeist hinter ihr, sodass sie nicht einmal sonstige Körpermerkmale erkennen kann. Und wenn er vor ihr steht, dann hat sie immer die Augen geschlossen.“, erklärte Akira frustriert. „Es ist zum verzweifeln.“ „Das ist natürlich ein Problem, da gebe ich dir recht.“, erklärte sein Fürst und stieg die Stufen zur Terrasse der Prinzessinnengemächer hinauf. „Ebenso könnte ich dir die Frage stellen: Was passiert, wenn die schwarze Braut die Kontrolle erlangt, ehe sie uns wenigstens eine Person beschreiben kann?“ „Darüber habe ich mir bereits Gedanken gemacht, mein Meister.“, verkündete Akira. „Die erste Lösung, die mir einfiel, war Räucherwerk, mit dem die Priester und Dämonenjäger arbeiten, um Dämonen zu betäuben und ruhig zu stellen. Ich könnte Sachi auf die Suche nach dem Mönchen schicken, der uns von der schwarzen Braut berichtete. Sicher wird er etwas davon haben und wenn nicht, dann wird er wissen, woher wir das Öl dafür bekommen. Etwas davon in die Lampen unseres Schützlings und...“ Die zwei bogen um eine Ecke und blieben wie angewurzelt stehen. Die Tür zum Flur der fürstlichen Gemächer stand auf und am anderen Ende der Terrasse blähte sich der rot-weiße Mantel Nozomis im Wind. Langsam, wie ferngesteuert, hielt sie sich an einer Säule fest und glitt daran hinab. Erst glaubten beide, sie würde sich hinsetzen wollen oder gar zusammenbrechen, doch sie tastete sich mit einem Fuß hinunter in den Schnee des Gartens, der sich dort dichter bewachsen bis zu dem Badehaus und den heißen Quellen des Meister erstreckte, und stand gleich darauf in ihren einfachen Tabi mitten in der weißen Masse. „Nozomi?“, rief der Inu no Taishou, doch sie reagierte nicht. Langsam tastete sie sich Schritt für Schritt vor. „Nozomi!“, Akira löste sich als erstes von seinem Standort und sprang hinter ihr her in den Garten hinaus. Als er sie erreichte und umrundete war ihr Gesicht bleich. Auch ihre Haut an den Händen hatte einen gräulichen Schimmer angenommen und durch ihre traurigen, flehenden Augen waberte ein dunkler Nebel. „So dicht war sie noch nie!“, erkannte der Inu no Taishou, als er sie eingeholt hatte. „Nozomi! Aufwachen!“, verlangte Akira und tätschelte ungeduldig ihre Wangen. Ein kurzes Schütteln durchfuhr den Körper des Mädchens und dann sah sie die beiden Männer überrascht an. „Akira, Meister...“, sie blinzelte ein paar mal und blickte dann an sich hinab wo ihre Füße im Schnee versanken. „Was mache ich denn hier draußen?“ „Das wüssten wir auch gerne, Kind!“, sprach der Fürst mit tadelnder Stimme, als der Arzt sich einen Arm von dem Mädchen umlegte und sie kurz entschlossen über seine gelegt aus der Kälte herauszog. Erschrocken und mit hochroten Ohren klammerte sich Nozomi an seinen Hals. „Was ging dir denn durch den Kopf, dass du hier in Socken durch den Schnee marschierst?“, wollte der Inu no Taishou wissen und und stieg hinter Akira wieder auf die Terrasse. „Ich weiß es nicht. Ich habe eben noch in meinem Zimmer gesessen und die Zeichen geübt, die Akira mir gestern zeigte.“ Die Männer sahen sich an. Der Arzt hatte begonnen ihr das Lesen und Schreiben beizubringen, damit sie sich während der Zeit, die sie alleine in ihrem Zimmer verbrachte, beschäftigen konnte. Sie wollten sie so von dem Fluch ablenken, der immer dann die Kontrolle zu übernehmen schien, wenn sie alleine war und nichts mit sich anzufangen wusste. Dass die schwarze Braut nun versucht hatte die Führung zu übernehmen, während sie das Schreiben übte, war kein gutes Zeichen. „Geh und bitte Sachi, dass sie dieses Öl besorgt.“, befahl der Fürst seinem Berater, als sie die offene Tür in das Gebäude erreichten. Akira nickte eifrig, ließ Nozomi von seinen Armen und schob sie zur Tür, als das Kichern von Frauen ertönte. Überrascht sahen die drei auf. Über den Pfad vom Badehaus zu den Harems kam eine Gruppe Frauen hinab, die sich scheinbar nur in lange, schwere Roben gehüllt hatten, wie die, die Nozomi in diesem Moment um die Schultern trug. Sie waren allem Anschein nach gerade einem erholenden Bad entstiegen. Nozomi kannte die Mädchen. Sie waren keine Geliebten des Fürsten, sondern gehören zu dem Prinzen. Überrascht sahen die Männer auf ihren Menschen hinab, als sich ihre Aura veränderte. Hass und Eifersucht schienen sie zu umgeben und auch ihr Gesicht verdüsterte sich in diesem Moment. Selbst die Haremsdamen bemerkten die Veränderung. Erschrocken hielten sie inne und traten aus Reflex dichter aneinander. Gemeinsam konnten sie sich womöglich eher schützen. So sahen sich tuschelnd und mit aufkeimender Angst um, als sie jedoch den Fürsten und Akira erblickten, beruhigten sie sich wenigstens ein wenig. „Meister“, begrüßte Sesshoumarus Favoritin sie und sie verneigten sich alle zaghaft, wobei sie die Seiten ihrer Roben festhielten, um sicher zu gehen, dass sie sich nicht öffnen würden. „Verzeiht uns, wenn wir Euch störten.“ Der Fürst winkte ab. „Geht nur weiter. Es ist alles in Ordnung.“, versicherte er und wandte sich wieder Akira zu. „Geh!“, raunte er ihm zu. Der Arzt nickte und eilte davon, während sich die Frauen nun etwas leiser tuschelnd wieder auf ihren Weg machten. Nozomi spürte die feindseligen Gedanken, die in ihr aufstiegen, als sie ihnen hinterher sah. Besser wurde es auch dann nicht, als die Gruppe sich immer wieder zu ihnen umwandte. Wer wusste welche Schlüsse sie aus dem Zusammensein des Inu no Taishous und Nozomi zogen, doch das war es weniger, was sie störte. Es war ihre pure Anwesenheit. Sie wusste nicht wieso, doch sie hasste sie. Alle miteinander. Sie verachtete sie und wollte sie am liebsten tot sehen! Erschrocken fuhr Nozomi zusammen, als sie den Gedanken realisierte und sah verstört zu dem Fürsten hinauf, der sie hart anblickte. „Geh hinein!“, befahl er ihr barsch. Die furchtbaren Emotionen in ihrem Herzen waren ihm nicht entgangen. Sie stolperte fast über die Schwelle in das Haus und sah sich noch einmal wehleidig um. Sie ahnte, dass diese Frauen ihren Hass gegen sie wahrgenommen hatten, obwohl sie ihr nichts getan hatten. Sie wollte sich am liebsten bei ihnen entschuldigen und sie um Verzeihung anbetteln, doch konnte es nicht. Sie ahnte, dass sie, wenn sie zu ihnen ging, vermutlich die gleiche Ungeduld spüren würde, wie sie es bei Sachi und Suzume in den letzten Tagen tat. Suzume... Suzume? Nozomi erstarrte. Sie hasste sie! Sie verachtete sie! Sie wollte sie am liebsten in Fetzen zerreißen. Wie konnte sie nur? Ertappt senkte die Dienerin den Kopf, schlang die Kleidung fester um sich und eilte hinter den anderen Frauen her. Suzume war keine Dienerin mehr. Sie war eine Haremsdame des Prinzen geworden. Die Wolken verschwanden und gaben den nächtlichen Mond frei. Unter dem klaren Himmel schien es in den Festungsmauern des Inu no Taishou noch kälter zu werden. Doch außer den Wachen störte dieser Umstand vermutlich niemanden mehr. Seit Stunden war das Leben in der Fürstenresidenz eingeschlafen und nur die Soldaten auf den Mauern und auf dem Hof hielten krampfhaft die Augen offen. Es gab nur zwei Frauen in den herrschaftlichen Bauten, die kein Auge zubekamen und eine davon war Nozomi. Leise seufzend drehte sie sich in ihrem Bett auf den Rücken und starrte an die Decke. Sie war gerade erst von einer kräfteraubenden Krankheit genesen, doch da sie den ganzen Tag nichts anderes tat als in der Gegend herum zu liegen oder zu sitzen und hin und wieder einige Schritte durch ihr Zimmer lief, war sie bei Weitem noch nicht müde genug, um zu schlafen. Außerdem hatte sie zusätzlich Angst vor davor einzuschlafen, nachdem der Fürst und der Arzt sie am frühen Abend im Garten aufgelesen hatten, obwohl sie nicht bemerkt hatte, sie das Gebäude verließ. Frustriert warf sie sich wieder auf die Seite und starrte den Bambusvorhang an, der ihr Zimmer in Wohn- und Schlafbereich untergliederte. Die zweite Frau war Suzume. Nachdem ihre Sinne ihr versicherten, dass niemand außer ihr im Harem Sesshoumarus wach war, stand sie leise auf und zog sich ihre dicke, warme Robe über, mit der sie früher am Tag vom Badehaus gekommen war. Sicher war es keine gute Idee nach ihren Erfahrungen mit Nozomi in den letzten Tagen, doch sie hatte das starke Verlangen mit ihrer Freundin zu reden. Da sie wusste, dass das Mädchen seit einiger Zeit nicht gut schlief, hofft sie, dass sie wach sein würde. Vermutlich wäre es besser gewesen bis zum nächsten Morgen zu warten, doch die Schuldgefühle nagten so schwer an ihr, dass sie glaubte nicht schlafen zu können, ehe sie nicht mit ihr sprach. Schuldgefühle. Woher kamen die überhaupt? Sie hatte immerhin nichts Schlimmes getan... Glaubte sie zumindest. Doch seit dem Zusammentreffen von Sesshoumarus Haremsdamen mit der Jüngeren, herrschte eine bedrückende Stimmung in ihr. Auch wenn sie sich nicht sicher war, ob diese wirklich von ihr stammte und nicht von Nozomis Fluch injiziert war, musste sie einfach mit ihr reden. Sicher ging es ihr dann besser. Sie glaubte einfach daran. So öffnete sie die Tür ihres Gemachs, sah sich im Gang um und huschte dann hinaus in den Garten. Sie und auch Nozomi konnten nicht ahnen, dass es tatsächlich die Kraft der schwarzen Braut war, die Suzume zwang ihre Freundin aufzusuchen. Als die zwei Frauen sich zum ersten Mal begegneten, war Suzume eine ungebundene, freie Dämonin gewesen, doch nun gehört sie zu den Geliebten des Prinzen. Ausgerechnet er, das hatte sich Nozomi gedacht, die bereits seit einigen Tagen den verdacht hatte, dass sie auf seine Haremsdamen schlechter reagierte, als auf andere Frauen. Sie ertappte sich dabei, wie sie das Gebäude beobachtete, wenn sie für etwas frische Luft auf die Veranda trat. Und selbst einer Gruppe von Frauen des Fürsten am Morgen, die einen winterlichen Spaziergang im Schnee unternahmen, hatte sie nicht so feindselig hinterher gesehen, wie den Frauen, welche aus dem Badehaus kamen. Und nun gehört Suzume zu ihnen. Ausgerechnet Suzume. Als sie wieder an sie dachte spürte sie all den Hass und den Wunsch, dass sie verschwinden würde... Das war so falsch! Es war einfach nicht richtig! Was war sie nur für ein Monster, dass sie ihrer Freundin einen grausamen, fürchterlichen Tod wünschte und nicht einmal wusste weswegen! Verzweifelt über all diese schlechten Gedanken erhob sich Nozomi aus ihrem Bett und trat hinter dem Vorhang hervor, um sich etwas von diesem Tee einzugießen, den Akira ihr empfohlen hatte. In dem Moment klopfte es an der Tür. Erschrocken sah Nozomi auf. „Herein!“ Die Tür schob sich auf und Suzume sah ihre Freundin traurig von oben herab an. Trotz des wehleidigen Blickes in ihrem Gesicht, freute sich Nozomi sehr sie zu sehen. Den gellenden Schrei der Wut in ihrem Innern versuchte sie zu unterdrücken, indem sie sich kurz in die Wade kniff. Der Schmerz durch ihre Fingernägel verdrängte die bösen Gedanken – zumindest für diesen einen Augenblick – und sie erhob sich. „Suzume!“, sprach sie überrascht. „Nozomi“, die Stimme ihres Gastes klang zittrig, als sie die Tür hinter sich schloss. Am liebsten wäre sie wieder gegangen, daher konnte sie sich nicht erklären, woher die Bewegung kam, mit der sie sich bei dem Mädchen einsperrte. Dann kam die Fünfzehnjährige auf sie zu und das beklemmende Gefühl, dass sie in letzter Zeit öfter in ihrer Gegenwart überkam, wurde stärker. Doch trotz des Fluchtinstinktes war es nicht möglich einen Finger zu rühren. Die inzwischen (beinahe komplett) Weißhaarige hob ihre Arme. In diesem Moment glaubte Suzume wirklich, dass sie sterben müsste. Ihre Knie gaben fast nach, ihre Augen rollten hinauf, als würde sie in Ohnmacht fallen, und bunte Bilder, deren Inhalt sie nicht erfassen konnte, flimmerten vor ihrem geistigen Auge auf. Doch alles, was Nozomi tat, war ihre Arme um den Hals ihrer Freundin zu werfen und sie fest an sich zu drücken. Überrascht blinzelte die Ältere ein paar mal und zwang sich dann endlich dazu die Nähe zu erwidern. „Was machst du hier? Es ist mitten in der Nacht!“, verkündete Nozomi überflüssiger Weise, als sie sich nach einer gefühlten Ewigkeit von ihr löste, ihre Hand nahm und die ehemalige Dienerin zu ihrem Tischchen zog. „Ich... also...“, Suzume sah sich um, als könnte sie so eine Ausrede entdecken, doch das Gemach von Nozomi war bis auf dem Tisch und den vier Sitzkissen leer. Wie endlos müssen ihr die Tage vorkommen, so ganz ohne Gesellschaft und die Möglichkeit, sich zu beschäftigen. Suzume beschloss, dass dieser Umstand wohl ihr schlechtes Gewissen heraufbeschworen hatte. Sie wusste um die Einsamkeit des Mädchens und trotzdem hatten ihre Besuche nachgelassen, seit sie dem Harem des Prinzen angehörte. „Ich glaube, dass ich mich bei dir entschuldigen muss.“ „Was?“, irritiert sahen sie diese neuen, hellblauen Augen Nozomis an, als sie ihr einen Becher mit Tee entgegen schob. „Warum solltest du das tun müssen? Was ist passiert?“ „Ich war so lange nicht mehr bei dir. Ich fühle mich so schlecht, weil ich dich hier so allein gelassen habe in deinen neuen Zimmern.“ Nozomi schüttelte den Kopf. Sie wollte ihr so nicht nur zeigen, dass sie nicht begriff, was sie meinte, sondern auch die Stimme in ihrem Innern vertreiben, die brüllte, dass es nicht das war, wofür sie sich zu entschuldigen hatte. Der Fluch wünschte ihrer Freundin einen qualvollen Tod und die schwarze Braut verlangte danach, diesen herbeizuführen. Nozomi schloss leidend die Augen. Sie wünschte all das wäre endlich vorbei! „Das ist in Ordnung. Ich verstehe das voll und ganz.“, erklärte sie und zwang sich zu einem zuversichtlichen Lächeln, doch Suzume schluckte schwer, als ihre Freundin die Lider wieder öffnete und sie dabei die schwarzen Schatten sah, die darin zu tanzen schienen. „Ich meine: Du bist eine der ranghöchsten Dienerinnen in den Harems und...“ „Aber ich bin doch gar keine Dienerin mehr.“, platzte es aus Suzume heraus und Nozomi war still. Die Stimme in ihrem Innern stimmte der Älteren missmutig knurrend und nach Blut lechzend zu. „Ich lebe nun im Harem des Prinzen. Ich habe den ganzen Tag so viel Zeit, wenn er nicht dort ist. Ich könnte dich so oft besuchen, aber ich habe es nicht getan! Es tut mir so leid, Nozomi. Du musst deswegen doch sauer auf mich sein!“ Das Mädchen sah sie mitfühlend an und schüttelte den Kopf. „Nein, bin ich nicht.“, erklärte sie und streckte eine Hand nach ihr aus. Sie bekam die ihre zu fassen und strich behutsam über ihre Finger. „Ich bin nicht sauer, ich hasse dich! Stirb! Stirb!“, schrie die Stimme in ihrem Innern und Nozomis Finger verkrampften sich kurz. Als würde sie jemand schlagen fuhr ihr Kopf ruckartig zur Seite und sie senkte den Blick. Entsetzt zog Suzume ihre Hand aus der ihrer Freundin. Zusammen mit dem festen Griff war die Panik schlimmer geworden. Sie wollte weg! Ganz schnell ganz weit weg! Doch es war nicht möglich. Sie hockte auf ihren Beinen an dem kleinen Tisch und ihre Muskeln schienen ihr den Dienst zu versagen. Selbst als Nozomi endlich den Kopf hob und sie anlächelte, war die Angst noch nicht verschwunden. „Entschuldige, hast du gerade was gesagt?“ Suzume schüttelte den Kopf. Dieses Mädchen machte ihr langsam immer mehr Angst. Wäre sie doch niemals hergekommen. Es war schlimmer, als die anderen Tage. Die Beklemmung in ihr wuchs weiter an und legte sich wie schwere Ketten um ihre Beine. „Nun guck doch nicht so.“, Nozomi zwang sich zu einem Lachen. „Ich bin wirklich nicht böse auf dich und ich freue mich sogar, dass du hier bist. Du weißt, ich schlafe im Moment so schlecht. Ich bin wirklich dankbar für deine Gesellschaft.“ Stirb! STIRB! „Wie bist du überhaupt dazu gekommen Haremsdame zu werden?“, fragte sie jedoch interessiert und nahm ihre Tasse. Schnell leerte sie sie, um die aufsteigende Finsternis hinunter zu spülen. „Ich weiß es auch nicht so genau. Ich stand vor einigen Tagen in seinem Gemach und habe die Wäsche einsortiert und danach rief er mich zu sich.“, Suzume senkte den Blick auf ihr Getränk. Sie war wirklich froh darum zu reden, es lenkte sie ab, doch leider sprach sie in ihrer Angst und Nervosität zu viel. „Er wollte, dass ich in dieser Nacht bei ihm lag.“ Das diese Information auszusprechen nicht gerade klug war, wurde ihr bewusst, als es in den Zimmer kälter zu werden schien. Fröstelnd hob sie die Schultern und unterdrückte das Schütteln, als ihr ein Schauer den Rücken hinab lief. Sie wagte es nicht den Kopf zu heben, auch wenn die Stimme ihrer Gegenüber vollkommen normal und unbeteiligt klang. „Und wieso das so plötzlich? Du arbeitest doch nicht erst seit gestern hier, oder?“ Suzume schüttelte den Kopf. „Er sagte mir nicht wieso. Takara, seine Favoritin, stellte allerdings die Vermutung auf, dass ich ihm aufgefallen wäre, weil ich für dich sprach, als er dich fast umbrachte.“ Diese Präsens, diese furchtbare Präsens... „Und wie ist es so?“ Diese Stimme, das war nicht mehr das liebevolle, kleine Mädchen, das sie kannte. Etwas stimmte nicht. Doch es war nicht die veränderte Tonlage, die sie aufblicken ließ – dazu hatte Suzume zu große Angst. Stattdessen riss der Schock über das Geräusch der aufgehenden Tür sie aus ihrer Starre und zwang sie auf die Füße. Mit wild rasendem Herz und vor Entsetzen geweiteten Augen sah sie in das hektische Gesicht ihres Fürsten. Durch die plötzliche Aggressivität in der Luft des Harems, war er aus dem Bett gerissen worden. „Suzume!“, erkannte er verblüfft, sah dann aber zu Nozomi hinab. Das Mädchen saß da, mit den Ellenbogen auf dem Tisch und dem Gesicht in den Händen, und versuchte verzweifelt die wahnsinnige Stimme in ihrem Kopf auszusperren. „Verschwinde!“, befahl der Fürst der Geliebten seines Sohnes, doch sie zögerte. „SOFORT!“ Diesen barschen Ton benötigte sie. Eilig drängte sie an ihm vorbei, ohne noch einen Blick zurück zu werfen. Bei dem Anblick Nozomis jedoch hielt er sie noch einmal auf: „Geh zu Akira. Sag ihm, er soll unverzüglich zu Nozomi kommen, wenn Sachi das Öl bringt.“ Warum sie? Warum hatte er sich ausgerechnet Suzume in seinen Harem geholt? Zittrig atmete Nozomi ein und schloss die Augen. Der Rauch des verbrennenden Öls stieg ihr in die Nase und erfüllte ihre Lungen mit einer weichen Hitze. Sie wollte, dass sie starb. Sie durfte einfach nicht weiterleben! Keine Frau durfte das. Ihre Muskeln entspannten sich langsam. Ihre Schulter sackten hinab. Aus ihrem Körper schien die Spannung zu weichen. Dieses Gefühl war wunderschön... Doch diese Frauen... Sie sog noch einmal tief die Luft ein. Seine Frauen... Nachdenklich öffnete Nozomi die Augen und sah in den zufriedenen Blick des Arztes. „Es hilft dir, oder?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein...“, flüsterte sie. „Ich will noch immer töten...“ Ihr Kopf fiel nach vorn und in ihre Hände. Warum sie? Was hatte Nozomi nur getan? Akira sah hinauf zu dem Inu no Taishou, der neben ihnen stand. „Hab noch etwas Geduld.“, sprach der nach einigen Augenblicken angespannt. „Deine finstere Aura wird schwächer. Sicher braucht das Öl einfach noch einen kurzen Moment, um endgültige Wirkung zu erzielen.“ „Und wenn es nicht funktioniert? Ich will... Sie will, dass ich jemanden töte...“ „Siehst du?“, Akira wirkte plötzlich euphorisch. „Du sprichst von „ihr“, nicht mehr von dir.“ Nozomi schloss dennoch die Augen. „Ich kann das nicht mehr. Warum hört das nicht auf? Wie kann ich das unterdrücken? Sobald ich eine Frau sehe habe ich das Bedürfnis sie zu töten.“ „Wir finden einen Weg.“, versprach Akira und der Fürst ließ sich neben ihn auf ein Kissen fallen. Beide Männer sahen sie schweigend an, dann hob sie plötzlich wieder die Lider, doch ihre Blicke erwidern konnte sie nicht. „Nein, ich glaube ihr versteht mich nicht.“, flüsterte sie. „Ich KANN so nicht weiterleben. Dieser Hass... Ich schaffe das einfach nicht mehr. Das bin ich nicht und das macht mir Angst.“ „Was du da andeutest“, Der Inu no Taishou griff nach ihrem Gesicht und zwang sie ihm in die Augen zu sehen. „daran darfst du nicht einmal denken, verstanden?! Wir finden eine Lösung. Es gibt immer eine Lösung. Aber du bleibst hier bei uns!“ Der fünfte Atemzug, den Nozomi tat, löschte alle Brutalität und Gefahr in der Luft aus. Zurück blieb Verzweiflung, Selbsthass und Scham. „Keiner wird dich töten und du wirst ein Leben als einfache Dämonin führen können. Akira und ich passen auf dich auf.“ Der Arzt nickte aufmunternd und lenkte so die Aufmerksamkeit des Mädchens auf sich. „Sieh uns als zwei Väter.“ Der Fürst schielte kurz amüsiert zu ihm hinüber. „Wie sollte dieser Fluch zu überwinden sein? Ich kann nicht ewig in diesem Zimmer hocken und diesen Rauch einatmen. Ich werde verrückt hier drin.“ Der Fürst ließ sie wieder los, griff jedoch nach kurzem Schweigen nach ihren Händen, um die kalten Glieder in seinen starken Pranken zu wärmen. „Nozomi, wir wissen es nicht genau, doch wir glauben, dass wir dieses Problem bewerkstelligen können, wenn wir herausfinden, wer der Mann ist, von dem du träumst.“, erklärte Akira. „Vielleicht ist er der Schlüssel zu deiner Erlösung.“ Das Mädchen stieß nachdenklich die Luft aus. „Und wie kann man das herausfinden?“ Sie sah mit ehrlicher Hoffnung auf, doch die Ratlosigkeit in den Blicken der Männer spiegelte nur das wider, was sie befürchte: Auch sie hatten keine Ahnung. „Darüber sollten wir uns Morgen Gedanken machen.“, seufzte schließlich der Inu no Taishou. „Es ist sehr spät. Leg dich wieder ins Bett, mein Kind.“ Nozomi ließ den Kopf hängen. Sie wollte nicht. Sie war zu aufgewühlt. „Ich werde hierbleiben und auf dich aufpassen.“, versprach Akira, doch das Mädchen zögerte weiterhin. „Nun komm.“, der Fürst erhob sich und zog sie mit sich auf die Beine, um sie zu dem Bambusvorhang zu bringen. Er schob ihn etwas beiseite, sodass sie dahinter treten konnte. „Ich komme Morgen mit dem Frühstück zu euch.“, versprach der Meister mit aufmunterndem Lächeln, ehe er den Vorhang wieder zurückfallen ließ. Nozomis Silhouette schlich langsam zu ihrem Bett. Als sie es erreichte wandte sich der Fürst noch einmal an den Arzt. „Ich werde einen der männlichen Diener den Zutritt zu meinen Räumen gewähren. Er soll dir alles bringen, was du brauchst. Wenn etwas passieren sollte, dann ruf mich. Und Morgen denken wir zwei uns etwas aus, wie wir diesen Gebäudeteil bewachen lassen können, ohne jemanden zu gefährden. Ich will nicht riskieren, dass noch einmal eine der Frauen von dem Fluch gerufen wird und diesem auch noch folgt. Suzume war bereits knapp.“ Akira verneigte sich. „Ich werde über eine Möglichkeit nachdenken, mein Meister.“, versprach er und sah ihm nach, als er ging. Dann wandte er sich wieder Nozomi zu, die in ihrem weißen Schlafgewand auf der Matte saß und ihn wenig begeistert ansah. „Schlaf, Liebes. Ich bin hier und werde über dich wachen.“ Sie schluckte hart, nickte dann aber dankbar und ließ sich zurück in ihr Kissen sinken. Mit der Decke bis zur Nase rollte sie sich auf der Seite mit Blick zu Akira zusammen, der sich auf sein Kissen sinken ließ und Tee eingoss. Dann schloss sie die Augen... Einatmen Ausatmen Einatmen Ausatmen Immer wieder sprach sie diese Wörter in ihrem Kopf und konzentrierte sich auf jede Bewegung ihrer Lunge. Sie dehnte sich aus, zog sich wieder zusammen... Suzume. Sie dachte an ihre Freundin, doch dieses Mal überlegte sie nicht, wie sie an die großen Messer in der Küche herankam, oder an die scharfen Schwerter der Wachen. Das Gefühl der Eifersucht, das sich vorher auf Frauen im Allgemeinen bezog, konzentrierte sich nun direkt auf sie. Es war nicht mehr, als hätte jedes weibliche Wesen mehr in ihrem Leben als Nozomi, sondern sie spürte, dass es etwas war, das Suzume besaß, was sie selbst haben wollte. Doch was war das? Kleidung? Freiheit? Freundschaften? Sie rollte sich weiter zusammen. Ihr Herz zog sich unter Schmerzen zusammen und drohte zu zerbrechen. Nozomi wurde in diesem Moment fürchterlich kalt. Der Wind pfiff um ihre Ohren und als sie die Augen öffnete stand sie mitten in dem verschneiten Wald, durch den sie sich auf der Suche nach ihrem Dorf gekämpft hatte. Der Sturm heulte noch immer über ihren Kopf hinweg. Sie war in ihrem Traum in der gleichen Situation wie vor zwei Wochen und es schien ihr so echt, dass nur diesen Ort, an dem sie gerade stand, als Realität ansah. Sie war stehen geblieben, hatte die Augen geschlossen, weil sie so erschöpft war, und war dabei ihrer Fantasie erlegen, wie sie warm und weich in einem herrschaftlichen Bett ruhte. Sicher, die Umstände des Fluchs machten sie nicht gerade glücklich, doch es war noch immer besser, als sich durch den hohen Schnee zu kämpfen. Doch nun, da sie endlich wieder zu sich gekommen war, war sie sich sicher, dass sie ihr Dorf niemals wiederfinden würde. Sie hatte sich verlaufen, tief im Wald des Gebirges. Sie sah an sich herab. Der Schnee hing an dem weißen Stoff ihres Brautgewandes und ihr Schleier schloss sich wie eine warme Decke um sie, wobei auch diese Barriere von der Kälte durchdrungen wurde. Ihre Füße spürte sie schon lange nicht mehr. Seltsam. Warum war ihr alles so gleichgültig? Der Frost kroch bereits durch ihren Körper und ließ sie von innen heraus erkalten. Sie hob das Gesicht in den Wind und schloss die Augen. Das Ende war nahe. Sie spürte wie die Finsternis des Todes die Hand nach ihr ausstreckte. „Nozomi“ Wenig überrascht über diese Stimme senkte sie wieder den Blick und sah in ihr eigenes, friedliches Gesicht, umhüllt von einem schwarzen Schleier. „Komm her“, hauchte die schwarze Braut liebevoll und streckte ihr beide Hände entgegen. Ein sanftes Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Mädchens. „Ich komme!“, freute sie sich. Endlich war sie nicht mehr allein. Endlich war da jemand, der sie verstand! Gemeinsam mit der schwarzen Braut sie niemals mehr einsam sein. „Nozomi“, die tiefe Stimme durchfuhr ihren Geist wie ein Blitzschlag, als sich die Fingerspitzen der beiden Bräute beinahe berührten. Überrascht sah die schwarze Braut auf und auch Nozomi wirbelte herum. Seine Augen waren kalt und sein Gesicht ausdruckslos, als er durch das undurchdringliche Weiß mit wehendem Haar auf sie zu stapfte. „Sesshoumaru“, hauchte die zwei wie aus einem Mund. Sekunde. Es war ein Mund! Sie waren eins! Verständnislos sah Nozomi auf ihre Hände hinab. Die Haut begann allmählich grau zu werden. Die Ärmel ihrer Robe verdunkelten sich. Der Saum war bereits pechschwarz. Angsterfüllt sah sie zu ihm auf. Würde er sie töten? Doch stattdessen blieb er in einigem Abstand stehen und erwiderte ihren Blick unnachgiebig. „Was macht Ihr hier?“, hauchte sie erschöpft, doch er antwortete nicht. Was sollte das? Ohne ein Wort herauszubringen beobachtete Nozomi ihn, wie ihm die Kälte scheinbar nichts ausmachte. Doch sie erfror. Sie konnte nicht ewig in diesem Schneesturm stehen, auch wenn ihr Körper bereits so erkaltet war, dass sie nicht einmal mehr den Schnee spürte, der sich eisig um ihre Waden legte. Mit einem letzten Augenaufschlag wandte sie sich ab und griff nach den Enden ihres Schleiers. Dass ihre Ärmel bereits bis zu den Ellenbogen schwarz verfärbt waren, das nahm sie gar nicht mehr war. Es schien ihr sogar vollkommen logisch zu sein. Sie war immerhin die schwarze Braut. „Nozomi“ Sie sah noch einmal zurück, da stand er direkt hinter ihr. Wann war er näher gekommen? Sie hielt inne und sah über die Schulter hinweg zu ihm zurück. „Wo willst du hin so allein?“, fragte er ohne Regung in der Stimme. „Wo ich hinwill?“, er antwortete nicht, also drehte sie sich wieder herum. „Ich weiß es nicht. Irgendwohin, wo ich glücklich werden kann.“ Er schwieg einige Sekunden. „Ich will, dass du wieder nach Hause kommst.“ „Nach Hause?“, sie sah ihn nachdenklich, doch auch verzweifelt an. „Wo soll das sein?“ Er senkte den Blick an ihre Ärmel. Der Fluch kroch in ihr hinauf und verschwand unter dem Schleier, wo er vermutlich bereits die Schultern passierte. Ruhig kam er einen weiteren Schritt auf sie zu und löste die grauen Hände an dem Stoff über ihrem Kopf. Irritiert sah sie dabei zu, wie er über ihre Fingerknöchel strich und sie dann zu seinen Lippen führte. Als er mit geschlossenen Augen einen Kuss auf ihre Haut hauchte, kribbelte ihr Bauch und schoss tausende, wärmende Pfeile durch ihren Körper. Augenblicklich konnte sie wieder alles spüren – die Wärme seiner Finger, bis zur Kälte an ihren Beinen. Mit zitternder Atemwolke vor dem Mund sah sie ihren Ärmeln dabei zu, wie sie erneut eine blütenweiße Färbung annahmen. „Bei mir.“, beantwortete er endlich ihre Frage, zog sie dichter und legte ihre Finger an seinen Brustkorb. Dann öffnete er seine Überjacke etwas weiter und schloss beide Enden fest um sie, sodass sie beide in dem Stoff eingewickelt waren. Bei ihm war es warm. Sie schloss die Augen und legte ein Ohr an sein Herz. Ruhig und stetig schlug es unter seiner Brust. Er hatte recht. Bei ihm war sie zu Hause. Und dieses Gefühl der Geborgenheit wollte sie nie wieder verlieren. Sie schloss die Augen und spürte, wie Sesshoumaru über ihren Rücken strich und dann das Gesicht in ihre Haare legte. „Sesshoumaru“, flüsterte sie. „Versprich mir, dass dieses Gefühl niemals verschwindet. Versprich mir, dass es immer so bleiben wird wie jetzt.“ „Ich verspreche es dir.“, folgte er ohne zu zögern. Sie hob das Gesicht und spürte seine Hand, die sich auf ihre Wange legte. Sein Blick wirkte weich und friedlich, als seine Augen von ihre hinab auf ihren Mund glitten. Vorsichtig und langsam näherte er sich ihr. Ihre Nasen berührten sich zaghaft... Doch dann war plötzlich alles vorbei. „Nozomi?“, Akira hockte neben ihrem Bett und rüttelte an ihrer Schulter. Verschlafen öffnete sie die Augen und blickte verständnislos in das aufgeregte Gesicht des Arztes. „Was ist denn passiert?“, flüsterte sie müde. „So gut habe ich schon lange nicht mehr geschlafen.“ „Sesshoumaru, du hast seinen Namen gesagt!“ Irritiert hob Nozomi den Kopf. „Hast du von Prinz Sesshoumaru geträumt?“ Nun wurde es auch ihr klar. Erschrocken setzte sie sich auf und sah ihn entgeistert an. „Ist er der Mann?“, fragte er irritiert. „Wie kann das sein?“, jammerte sie. „Ich kenne ihn doch gar nicht!“ „Der Fluch muss sich auf ihn geprägt haben.“ „Aber wie? Weder ich noch die schwarze Braut hatten eine Verbindung zu ihm.“ Akira nickte: „Sie hat er getötet und dich...“, er sah sie an, als wäre nun jedes Mysterium der Welt gelöst. „Natürlich! Er hat den Fluch besiegt und dich dabei gerettet. Die schwarze Braut hat ihren Meister gefunden – jemanden, der sie bezwingen konnte – und dich hat er beschützt – wenn auch ungewollt – was die Aufgabe des Ehemannes gegenüber seiner Gattin wäre.“ Er schlug sich eine Hand ins Gesicht. Konnten sie noch größere Probleme bekommen? Er wagte es sich nicht vorzustellen. „Akira! Akira!“ Er sah auf, als Nozomi fahrig nach seinen Armen griff. „Akira, versprich mir, dass du niemandem etwas sagst!“ „Nozomi, wir müssen...“ „Nein, müssen wir nicht! Ich habe kein gutes Verhältnis zu dem Prinzen und seine Mutter hasst mich. Niemand darf jemals erfahren, dass er der Mann ist, der mich in meinen Träumen liebt und meine Schatten beseitigt. Niemand, verstehst du mich? Nicht einmal der Inu no Taishou. NIEMAND!“ „Nozomi, nun hör mir doch zu! Wir brauchen Sesshoumaru, wenn...“ „Nein!“, sie schüttelte energisch den Kopf. „Nein, brauchen wir nicht. Ich schaffe das! Ich muss! Der Prinz verachtet mich und die Fürstin sucht nach einem Grund, um mich loszuwerden. Keiner darf davon erfahren. Bitte, versprich es mir!“ Er sah sie schweigend an. Er wusste, dass die Wahrscheinlichkeit einen anderen Weg der Erlösung zu finden unwahrscheinlich war, doch mit Nozomi zu diskutieren war zwecklos, das wusste er. Und leider musste er sich eingestehen, dass sie Recht hatte. So seufzte er ergeben: „In Ordnung. Ich verspreche es dir. Es wird niemand erfahren.“ Kapitel 6: Nozomis Traum ------------------------ Kagome sah von Akira mitfühlend zu Sesshoumaru hinüber. Der Ausdruck in ihrem Gesicht gefiel ihm überhaupt nicht. Er hasste es bemitleidet zu werden, vor allem von ihr – sie war schließlich ein Mensch! Dennoch stand er dort neben Gorou – etwas abseits der Gruppe und mit verschränkten Armen, während der Arzt die Rolle des Bräutigams für den Fluch erklärte. „Das ist keine Grundlage für eine eine Ehe.“, beschloss die Miko in diesem Moment und Gorou warf einen prüfenden Blick zu dem zukünftigen Fürsten an seiner Seite. „So etwas ist doch abscheulich, sein eigenes Kind zu einer Ehe zwingen.“ „Arrangierte Ehen sind in unserer Zeit vollkommen normal, Kagome.“, entschied Sango überrascht. „Ja, auch in meiner Zeit gibt es noch Heiratsvermittler, aber trotzdem: Seinen Sohn in eine Ehe zwingen, in der Hoffnung, dass so der Fluch gebannt wird – Das ist grausam!“ „Wenn ich das nun richtig verstanden habe, Akira-sama, dann braucht man für die Erlösung des Fluches einen ganz bestimmten Mann.“, erklärte Miroku. „Welchen Grund hattet ihr also für die arrangierte Ehe von Sesshoumaru mit der schwarzen Braut? Gab es einen Anlass, dass ihr geglaubt habt, dass er die Lösung des Fluches sein könnte?“ Akira sah bei dieser Frage des Mönchs zu Sesshoumaru hinüber, doch der blickte ihn weiterhin durchdringend finster an. Er wollte, dass der Berater seines Vaters endlich zu Reden aufhörte. Er wollte keine Geschichten mehr über die Vergangenheit hören. Es brachte ihm nur sein eigenes Versagen vor Augen und bereitete ihm ein schlechtes Gewissen wegen dem, was er tat. Je länger er auf der Suche nach Nozomi in dieser Festung herumirrte, desto bewusster wurde ihm, dass er der Grund dafür war, weshalb sein Vater die Festung aufgeben musste. Selbst die Gedanken an den Moment, an dem sich alles in seiner Beziehung zu Nozomi veränderte, ließen ihn daran zweifeln, dass sein Vater tatsächlich kräftemäßig zu schwach für den Fluch gewesen war. Immerhin hatte auch er einmal dieses seltsame Gefühl in der Brust verspürt, welches ihn daran gehindert hatte dieses kleine Menschenmädchen zu töten. Er hatte es in all den Jahren gemeinsam mit seinen Erinnerungen und Gedanken an diese Festung – und was ihn hier erwartete – aus seiner Seele verbannt. Doch nun, da er gezwungen war über alles nachzudenken, war er sich sicher, dass sein Vater ähnliche Empfindungen gehabt haben musst. Warf das nicht ein völlig anderes Bild auf die Vergangenheit? Er war gerade versucht in seinen Überlegungen zu versinken, als InuYasha ein abfälliges Geräusch machte und meinte: „Da es offenkundig nicht funktioniert hat und diese Nozomi noch am Tag der Hochzeit zur schwarzen Braut wurde, ist Sesshoumaru auf jeden Fall nicht der Mann gewesen, den der Fluch gebraucht hatte.“, die Anwesenden wandten sich dem Halbdämonen zu. „Ich finde es eher traurig, dass er erst der Heirat zustimmt und es dann nicht einmal schafft seine eigene Frau unter Kontrolle zu bringen.“ „InuYasha“, sprach Kagome warnend. „Was denn? Ist doch wahr!“ Gorou blickte von dem jüngsten Sohn des letzten Fürsten zu dem Thronfolger und stellte mit erstaunen fest, dass sich so etwas wie Wut in Sesshoumarus Augen befand. Da dieser Eindruck nicht sofort verschwand, musste sich der junge Herr in den letzten Jahren tatsächlich geändert haben. Gorou hoffte nur, dass es zu seinem Vorteil war. „Nun, die Geschichte verlief doch ein wenig anders, als ihr glaubt.“, verkündete Akira in diesem Moment und der Soldat spürte förmlich, wie sich die Muskeln seines früheren Freundes und Gefährten verkrampften. Sesshoumaru neigte sogar den Kopf wie zum Angriff, was den Eindruck seiner Wut nur noch verstärkte. „Keinem von uns – vor allem nicht dem Fürsten und schon gar nicht der Fürstin – wäre es im Traum eingefallen den Prinzen zu einer Heirat zu zwingen. Auch Sesshoumaru versuchte als erstes Nozomi umbringen, als er erfuhr, dass er derjenige war, der den Fluch auf eine unblutige Art und Weise beenden könnte.“ „Dann also doch?“, fragte Sango verblüfft. „Was ist passiert?“, verlangte Shippou zu erfahren und sah den Arzt mit seinen großen Kulleraugen an. Akira lächelte kurz. An seinen Prinzen und dessen Missfallen darüber, dass er gerade zu Reden begann, dachte er in diesem Moment nicht mehr: „Also...“ „Das reicht.“, sprach Sesshoumaru tief und eindringlich, sodass sie alle überrascht aufsahen. „Die Vergangenheit geht sie nichts an.“ Mit einem letzten, finsteren Blick auf den Berater seines Vaters wandte er sich ab. Gorou folgte schnell. Gemeinsam wandten sie sich den letzten Zimmern des alten Harems zu – Sesshoumarus Gemächer. Mit solch einem Ausbruch Seitens des üblicher Weise gefühlskalten Dämonen hatten sie nicht gerechnet und selbst InuYasha musste zugeben, dass ihn diese Reaktion verunsicherte. Akira legte die Schriftrolle beiseite und nahm sich die Nächste. Vorsichtig öffnete er sie und las darin. Dann griff er nach einer dritten und studierte einige Zeilen in der Mitte des Textes, dann wieder die zuvor, dann eine Neue und schließlich wieder die Erste... So ging es immer weiter, bis er an dem kleinen Tisch in Schriftstücken zu versinken drohte und sich schließlich nicht mehr zurecht fand. Wo lag noch mal Text Nummer fünf? Frustriert stellte er die Ellenbogen auf eine winzige noch freie Fläche und stützte den Kopf darauf. Es war zum verrückt werden. Seit Tagen saß er Nachts in diesem Raum und studierte die verschiedenen Berichte über ähnliche Flüche wie den, der auf Nozomi lag. Doch egal wie sehr er auch seinen Schlaf dafür opferte und immer wieder auf seiner Suche von Vorne begann, es lief jedes Mal auf das Gleiche hinaus: Nozomi konnte nur erlöst werden, wenn sich Sesshoumaru ihr zuwandte und sie heiratete. Was sollte er nur tun? Nozomi hatte ihn schwören lassen, dass er niemandem etwas von der Prägung auf den Prinzen erzählte. Sie hatte Angst, dass der Inu no Taishou seinen Sohn zur Heirat überreden würde oder ihn womöglich dazu zwang. Vorausgesetzt, dass Sesshoumaru nicht selbst auf die Idee kommen würde, sie zu seiner zukünftigen Fürstin zu machen – zuzutrauen wäre es ihm, dachte Akira, denn trotz seiner nicht besonders umgänglichen Art war der Prinz äußerst pflichtbewusst. Doch obwohl Nozomis Verwandlung zu einer Dämonin inzwischen vollends abgeschlossen war und sie von der täglichen Betäubung immer ruhiger wurde und beinahe ununterbrochen schlief, glaubte das Mädchen noch immer, dass sie mit Hilfe von etwas Übung den Fluch allein unter Kontrolle bekommen würde. Dabei konnten sich nur noch sehr starke Dämonen in ihrer Nähe aufhalten, ohne dem Lockruf des Fluchs zu erliegen. Besonders der Beschützerinstinkt wurde unter der Betäubung angesprochen, da in diesem Zustand vor allem ihre Verletzlichkeit deutlich wurde, die besonders von Nozomi selbst ausging, während ihre Seele von dem Fluch in ihrem Innern bedroht wurde. Selbst die Wachen, die der Inu no Taishou einige Tage zur Sicherheit aufgestellt hatte, mussten wieder abrücken. Schlussendlich war es nur noch dem Fürsten und dem Arzt möglich sich ihr zu nähern. Trotzdem weigerte sie sich vehement dem Herrn die Wahrheit zu verraten. Es war zum Mäuse melken. Das Klopfen an der Tür ließ ihn aufsehen. „Herein“, rief er und als sie geöffnet wurde, betrat Gorou seine Gemächer. Verständnislos sah er sich in dem Raum um. „Habt Ihr nicht geschlafen, Akira?“ „Ich schlafe selten in den letzten Tagen, meine Junge.“, er erhob sich seufzend und verschränkte die Hände in den weiten Ärmeln. „Womit kann ich dir helfen?“ „Der Inu no Taishou will mit seinen Beratern frühstücken. Sesshoumaru und die Fürstin werden auch dabei sein.“, erklärte Gorou und sah sich in dem Zimmer um. „Ist es schon wieder Morgen?“, wollte Akira frustriert wissen und strich sich durch das Haar. „Ist es. Habt Ihr die ganze Nacht hier gesessen?“, der Soldat ging hinüber zu dem Tisch, um sich die Schriftrollen genauer zu betrachten. „Was ist das?“ Verwirrt nahm er eine hoch und überflog den Inhalt, doch Akira riss ihm das Pergament wieder aus den Fingern: „Du warst schon immer viel zu neugierig, als gut für dich ist, Gorou.“, verkündete er und rollte es zusammen. „Ihr Informiert euch über Flüche. Hat das etwas mit Nozomi zu tun? Geht es ihr etwa schlechter?“ „Unverändert.“, seufzte der Arzt und betrat seine Kleiderkammer, um sich ein neues, einfaches Gewand für das Frühstück heraus zu suchen. „Ihre Wandlung ist vollendet, sie ist jetzt ein Dämon. Aber den Fluch hat das nicht geschwächt. Im Gegenteil. Und ich glaube, dass sie durch das viele Öl in ihrem Zimmer womöglich irgendwann ins Koma fällt. Sie schläft beinahe ununterbrochen.“ „Was will man auch anderes tun außer schlafen, wenn man den ganzen Tag zum Rumsitzen verdammt ist?“ Akira schwieg und so nutzte Gorou die Möglichkeit, um sich eine weitere Schriftrolle anzuschauen. „Allerdings habe ich gehört, dass der Fürst inzwischen eine Lösung für das Problem um ihren Zustand gefunden hat.“, rief er irgendwann hinüber. „Was?“, erschrocken trat Akira wieder in das Vorzimmer, ehe er sich seinen Obi korrekt zugebunden hatte. „Wie, Lösung? Welche Lösung?“ Er dachte schon an das Schlimmste. Immerhin hatte der Fürst selbst gesagt, dass Nozomis Tod eine Option war, wenn auch die Letzte. „Ihr wisst es nicht? Er will Nozomi verheiraten.“, er zuckte die Schultern. „Was?“, Er zog die Enden des Gürtels fest zusammen und sah ihn irritiert an. Was sollte das nun bedeuten? Der Inu no Taishou wusste doch, dass die Aufhebung des Fluchs nur durch die Heirat mit einem bestimmten Mann erreicht werden konnte und Akira konnte sich nicht erklären, woher der Fürst wissen sollte, dass sein eigener Sohn dieser Jemand war. „Mit wem will der Herr Nozomi verheiraten?“ Doch Gorou zuckte nur ratlos mit den Schulter: „Er sucht noch nach einem geeigneten Gatten für sie, soweit ich weiß. Da die Braut wohl nach ihrem Bräutigam sucht, scheint der Fluch damit beendet werden zu können.“ Akira kniff die Augen zusammen und nahm Gorou wieder eine Rolle aus der Hand, um sie sorgfältig weg zu legen. Entgegen seiner Befürchtung gab es wohl keine neuen Informationen, doch warum hatte der Inu no Taishou einen einfachen Soldaten eingeweiht? Gut, Gorou war der Sohn von einem seiner Berater, doch auch diesen Männern hatten sie bisher nichts über den Zustand von Nozomi gesagt. „Woher weißt du davon?“ „Von meinem Vater.“, erklärte er und ging schon wieder zur Tür, um sie vor Akira zu öffnen, sobald er soweit war das Haus zu verlassen. „Die Fürstin trat gestern auf den Beraterstab zu und bat um Hilfe. Sie ist besorgt wegen Nozomis Aufenthalt im Harem und die Gefahr, die sie für alle bürgt. Mit der Unterstützung zweier Berater hat sie dem Fürsten nahegelegt Nozomi zu töten oder wenigstens aus der Festung zu schmeißen.“ „Was?“, fragte Akira entsetzt, der selbst zu den Beratern gehörte. Er selbst hatte nichts von solch einer Sitzung mitbekommen. Was sollte das bedeuten? Dass die Fürstin ihn nicht um Unterstützung gebeten hatte war klar – er und der Fürst waren eng mit dem Mädchen verbunden – doch warum wusste er nichts von der Versammlung? Der Inu no Taishou hatte ihn doch nicht seines Stabes verwiesen, oder? Nein, das war nicht möglich. Erstens war er schon sehr lange ein enger Freund des Fürsten und zweitens hätte er ihm dann sicherlich Entsprechendes selbst vorgetragen. Er hätte nicht einmal gewusst, was er falsch machte... Wobei, allein der Umstand, dass er ihm verheimliche, dass Sesshoumaru Nozomis Erlösung war, wäre womöglich Grund genug. Doch nun war nicht die Zeit, um sich Gedanken wegen seines Ausschlusses zu machen. Akira und der Inu no Taishou hatten sicherlich ein größeres Problem: Die Fürstin trachtete Nozomi nach dem Leben. Vielleicht hatte ihr Meister die erste Welle der Bedrohung abgeschmettert, in dem er ihr und ihren Anhängern eine Möglichkeit zur Erlösung des Fluches bot, doch wie lange konnten sie ihre Gegner damit hinhalten? Sicher würden sich die Meisten Dämonen in der Festung damit zufrieden geben, wenn der Herr sagte, dass das Mädchen muss nur verheiratet werden müsse, dann wäre alles in Ordnung, doch allein die Fürstin würde sich mit dieser Aussage nicht lange zufrieden geben. Dämon hin oder her, für sie war Nozomi noch immer nichts als ein niederes Wesen ohne jegliche Rechte. Sie war für sie noch immer nichts anderes als ein unbedeutender Mensch. Wenn der Inu no Taishou also nicht schnell genug einen Mann heranschaffte, würde sein Weib bereits in den kommenden Tagen erneut vor den Rat treten und die Beseitigung der Gefahr fordern. Sie betraten den Hof und umrundeten das Hauptgebäude um zum Eingang des Empfangssaals zu kommen, als Akira etwas auffiel: Mehrere Männer und Frauen verneigten sich vor ihnen, als sie vorbei kamen. An sich nichts Ungewöhnliches, Akira war der ranghöchste Dämon nach dem Fürsten, doch selbst jene, die am anderen Ende des großen Platzes ihrer Arbeit nachgingen, hielten inne, um sich kurz ehrerbietig zu beugen. Diesen Verhalten war tatsächlich eigenartig. Die Wachen vor der großen Treppe zum Gebäude sahen auf, als die zwei Männer näher traten. In diesem Moment erkannte Akira, dass all die Ehrfurcht nicht ihm galt. Scheinbar gerade aus einem Gespräch gerissen bedachten die zwei Gorou mit weit aufgerissenen Augen, sprangen beiseite, um einen respektvollen Abstand zu erlangen, und verneigten sich tief. Was sollte das bedeuten? Gorou entsprang einer mächtigen Familie unter der Führung des Meisters, doch der Arzt konnte sich nicht einmal daran erinnern, dass Sesshoumaru als Thronerbe des Meisters so viel Huldigung erntete. Sie stiegen die Stufen empor und sein Blick wanderte hinüber in Gorous Gesicht. Seine Augen waren hart und entschlossen. Diesen Ausdruck der Verbissenheit hatte er noch nie in dem jungen Mann gesehen. Was war nur geschehen? Als der junge Dämon auf Befehl des Fürsten den Arzt in dessen Haus aufsuchte, schien noch alles vollkommen normal zu sein. Im Nachhinein fiel Akira zwar auf, dass Gorou etwas angespannt wirkte, doch erst jetzt wurde dieser Eindruck so deutlich, dass man ihn tatsächlich wahrnahm. Was hatte sich geändert? Es war, als würde Gorou an irgendetwas erinnert werden oder mit etwas konfrontiert, wessen er sich zwar die ganze Zeit bewusst war, doch dessen Tragweite ihn erst mit dem Verhalten der übrigen Festungsbewohner erreichte. Akira glaubte länger als eine Nacht an diesem Tisch mit all den Schriften gesessen zu haben und nun in eine vollkommen neue Welt einzutauchen. Noch am Vortag war alles normal gewesen, als er am Nachmittag, während die Sonne hinter den Felsen verschwand, in seine Gemächer gegangen war, um Möglichkeiten für Nozomis Erlösung zu studieren. Nun aber wurde Gorou verehrt wie ein alter Meister, obwohl er nichts als ein einfacher Offizier unter seinem Vater – dem General – war. Vor ihnen wurde die Halle geöffnet und beide traten ein. Als sie sich dem Beraterstab und der Fürstenfamilie näherten, sahen die Anwesenden auf und dann geschah etwas, womit Akira egal unter welchen Umständen – als letztes gerechnet hätte. Der Inu no Taishou erhob sich – mit ihm seine Familie und die Berater – und dann verneigte sich der Fürst, jedoch nicht vor seinem langjährigen Freund und Begleiter, sondern vor Gorou. Irritiert beobachtete Akira das Schauspiel, dann sah er hinüber zu dem Soldaten. In die Entschlossenheit seiner Augen mischte sich nun etwas, das sich mit Angst und Unsicherheit beschreiben ließ. Was war hier passiert? „Wir sind dir für dein Opfer zu tiefstem Dank verpflichtet, Gorou.“, erklärte der Inu no Taihou und richtete sich wieder auf. Akira sah verwirrt von dem jungen Mann zu seinem Meister. Opfer? „Das heißt, mein Herr, dass ihr meinem Angebot zustimmt?“ „Es wäre mir eine Ehre Nozomi an dich zu übergeben, mein Junge! Du bist tapfer, mutig und pflichtbewusst. Das Mädchen wird bei dir in den besten Händen sein.“ „Was?“, entfuhr es Akira voller Entsetzen und die Blicke der Anwesenden richteten sich auf ihn. Sollte dieses närrische Verhalten etwa das bedeuten, was er glaubte? Hatte der Meister denn den Verstand verloren? Er wusste doch, dass er Nozomi nicht einfach mit irgendjemandem verheiraten durfte, wenn er nicht dessen Leben und das von allen anderen in Gefahr bringen wollte. Nun lachte der Fürst auch noch und kam auf sie zu: „Gorou hat bei mir soeben durch seinen Vater um die Hand Nozomis angehalten.“ Kein Wunder, dass alle so aus dem Häuschen waren. Irgendein Diener musste es mitbekommen haben und da seit dem vergangenen Tag jeder wusste, dass das womöglich die einzige Rettung für sie und das Mädchen war, verehrten sie ihn nun aufgrund seiner Opferbereitschaft. Dabei hätte niemandem etwas Dümmeres einfallen können. Der Fürst legte eine Hand auf die Schulter des jungen Soldaten und drückte sie leicht. „Wir sind stolz auf dich, mein Junge.“, versicherte er ihm und nickte auch kurz zu Akira, der ihn noch immer ansah wie ein Schwein auf der Schlachtbank – genau so fühlte er sich auch. „Durch dieses Opfer hast du dir den Respekt deines Fürsten verdient und deiner Familie große Ehre bereitet.“ Akira strich sich über Augen, Nase und Mund. Hoffentlich war er einfach nur eingeschlafen und würde jeden Augenblick schweißgebadet erwachen. Das war ihr aller Ende! Er musste doch etwas dagegen tun! Er sah hinüber zu Sesshoumaru und dessen Mutter. Letztere begann in diesem Moment zu sprechen: „Wir sollten die Zeremonie so schnell wie möglich vollziehen und dann kann dieses Kind endlich den Harem verlassen.“ Ihr Mann sah zu ihr auf, daher fügte sie schnell hinzu: „Wir geben sie vertrauensvoll in deine Hände, Gorou.“ „Das kann doch alles nicht wahr sein...“, murmelte Akira und rieb sich den Nasenrücken. „Euch scheint etwas an dieser Idee zu stören?“, schaltete sich Ichiro ein, der Vater des Bräutigam. Selbstverständlich war er stolz auf seinen Spross, doch dass ausgerechnet er eine zur Dämonin gewordene Menschenfrau ehelichen sollte – die noch dazu verflucht war – war ihm dennoch nicht geheuer. Sollte doch ein anderer Sohn dieses Opfer bringen. Warum sein „kleiner“ Gorou? Doch Akira überging ihn einfach und wandte sich direkt an den Inu no Taishou: „Herr, habt Ihr vergessen, dass wir Nozomi nicht mit irgendjemandem verheiraten können, sondern er DER EINE sein muss?“ Nein, vergessen hatte er es nicht, doch der Einwand seines Freundes nahm dem Fürsten dennoch jeden Wind aus dem Segel. „Du meinst, dass er nicht der Gesuchte ist.“, bemerkte er. „Was soll das heißen, mein Geliebter?“, verlangte die Inu no Kami zu erfahren. „Das soll heißen, meine Herrin, dass nur die Heirat mit einem ganz bestimmten Mann den Fluch aufheben wird.“ „Das heißt, dass wir damit rechnen müssen, dass die Verlobung der Beiden nichts verändern wird?“, fragte Ichiro noch einmal. „So ist es.“, bestätigte Akira und bemerkte im Augenwinkel, dass sein alter Freund – der Fürst – wenig Begeisterung darüber verspürte, dass er diese Information an den Stab weitergegeben hatte. Auch wenn er sich über die Gefahr im Klaren war, die ein falscher Bräutigam mit sich brachte: Er war verzweifelt! „Dann habt Ihr uns angelogen!“, verkündete Inu no Kami an ihren Mann gerichtet. „Ihr sagtet, dass eine Heirat den Fluch brechen würde.“ „Das ist auch korrekt.“, beeilte sich Akira für ihn zu sprechen. „Jedoch muss es ein bestimmter Mann sein.“ „Und? Wer ist es?“, verlangte ein anderer der Berater zu erfahren. „Das wissen wir nicht mit Bestimmtheit.“, erklärte der Inu no Taishou ergeben. „Vielleicht der Mann, den die ursprüngliche schwarze Braut heiraten sollte, oder es gab einen Moment, in dem sich der Fluch umgeprägt hat.“ „Ich bin bereit es dennoch zu versuchen.“, verkündete Gorou. „Als der Fluch und die Dämonen sich an Nozomi hefteten, hielt ich sie in meinen Armen. Und ich war es auch, der sie hierher brachte. Ich weiß nicht viel über das Verhalten solcher Kräfte, doch ich weiß, dass diese Umstände die Prägung begünstigen.“ Inu no Taishou sah überrascht auf. Naürlich! Warum hatte er daran noch nicht selbst gedacht? Gorou MUSSTE derjenige sein, den der Fluch wollte! Er und sonst niemand. Das auch Sesshoumaru in dem Schrein gewesen war, wurde in diesem Moment von der puren Erleichterung überschattet. Außerdem: Weshalb sollte sich der Fluch an seinen Sohn binden, wo doch Gorou viel mehr Sinn ergab? „Das ist wahr, Akira, das musst du zugeben! Das heißt, dass Gorou tatsächlich derjenige ist, von dem Nozomi seit einiger Zeit träumt.“ Was ein Alptraum. Was ein Alptraum! „Akira? Nun sag etwas!“, der Fürst flehte ihn beinahe an diese Hoffnung zu bestätigen. „Ja, ich gebe zu, dass...“ „Na also!“, die Inu no Kami ließ ihn gar nicht erst aussprechen. Für sie war das Thema erledigt. „Wir werden Nozomi an Gorou übergeben. Wenn ein Mann sich seine Braut erwählt hat, dann sollten wir ihm nicht im Weg stehen.“ „Es ist durchaus wahr, dass Gorou zu einem günstigen Moment in ihrer Nähe war, aber...“ „Wir sind sehr stolz auf dich, Junge. Nozomi ist für mich wie eine Tochter und ich kann mir keinen besseren Schwiegersohn als dich vorstellen. Ich möchte dir jede Ehre zuteil werden lassen, wie sie auch einem Prinzen gebührt.“, erklärte der Inu no Taishou und überging damit Akira. Warum hörte ihm eigentlich keiner zu? „Noch einmal: Selbstverständlich liegt die Prägung im Bereich des Möglichen, aber...“ „Ich danke euch, mein Meister, doch ich tue es nicht wegen der Ehrungen. Ich fühle mich für das Leben des Mädchens verantwortlich, denn ich hielt sie in den Armen, als sie beinahe gestorben wäre. Darüber hinaus verstehe ich mich sehr gut mit ihr und ich möchte nicht riskieren, dass Ihr eines Tages gezwungen seid Nozomi trotz allem doch noch zu ermorden. Ich will...“ „KÖNNTE MIR JETZT MAL ENDLICH JEMAND ZUHÖREN?“ Überrascht sahen die Anwesenden zu Akira hinüber, der sonst niemals das Wort in dieser Lautstärke erhob, schon gar nicht in Gegenwart des Fürsten oder der Fürstin. Er atmete schnaubend aus und senke dann wieder den Kopf, um sich die Augen und die Nase zu reiben. „Gott, Nozomi, verzeih mir bitte...“, murmelte er und Inu no Taishou kniff die Augen zusammen. Was sollte das nun bedeuten? „Also, ich versuche es noch einmal: Es ist wahr, dass Gorous Rolle während der Geschehnisse eine Prägung auf ihn begünstigte, doch wir vergessen etwas entscheidendes: Er war es nicht, der den Fluch besiegt und Nozomi damit rettete. Das war jemand anderes.“ Sämtliche Augenpaare richteten sich auf Sesshoumaru, der leicht den Kopf hob. Was wollte der Arzt damit sagen? Wusste er etwa mehr als sie alle zusammen? Auch dem Inu no Taishou schossen diese Fragen durch den Kopf: „Willst du damit sagen, dass...“ „Nein! Nein! Auf gar keinen Fall!“, rief die Inu no Kami plötzlich panisch und baute sich wie zum Schutz vor ihrem Sohn auf. „Ich werde unter keinen Umständen erlauben, dass MEIN Sohn eine Sterbliche heiratet! Niemals! NIE!“ „Halt die Klappe!“, fuhr der Fürst sie an. „Was willst du uns sagen, Akira? Hast du herausgefunden, wer derjenige ist, auf den der Fluch geprägt wurde?“, forschend blickte er seinem Freund in die Augen. „Warum bist du nicht sofort zu mir gekommen?“ „Ich habe es Nozomi versprochen.“, Akira seufzte. „Seid der Betäubung träumt sie intensiver.“ „Natürlich, sie tut ja nichts anderes als zu schlafen.“, verkündete der Fürst und der Arzt nickte. „Gleich in der ersten Nacht hat sie ihn erkannt. Mein Herr... Es ist Euer Sohn Sesshoumaru, der in ihren Träumen den Fluch bezwingt und sie beschützt.“ Damit war es heraus. Sie wussten zwar nun, wer für Nozomis Erlösung sorgen könnte, doch keiner wagte es auch nur daran zu denken, den Prinzen mit einer menschlichen Frau zu vereinen – auch wenn sie nun ein Dämon war. Doch das bedeutete auch, dass die Ehe mir Gorou nicht stattfand und die Gefahr durch Nozomi vermutlich auf ewig über ihnen schweben würde. Der Inu no Taishou strich sich über Mund und Kinn. Diese Wendung hatte ihm gerade noch gefehlt. Er hätte nichts dagegen, wenn sein Sohn dieses Mädchen auserwählen würde, doch er bezweifelte, dass er es täte. Er glaubte nicht, dass Sesshoumaru weniger Ehre und Pflichtgefühl besaß als Gorou, doch trotzdem würde sein Sohn sich niemals auf solch eine Verbindung einlassen. Er sah zu ihm hinüber. Sicher, er könnte es ihm befehlen, doch das war nicht das Richtige. „Denkt nicht mal daran!“, donnerte Inu no Kami aufgebracht, die den Blick ihres Gemahls falsch interpretierte. „Ich werde es nicht zulassen, dass mein Sohn dieses Mädchen heiratet.“ „Ich werde ihn nicht dazu zwingen!“, erklärte der Inu no Taishou barsch. Als er den Kopf schüttelte und sich nachdenklich abwendete, hielten die übrigen Berater lieber ihre Münder. Ihnen wäre es durchaus lieber gewesen, wenn der Fürst seinem Sohn die Ehe aufgezwungen hätte, doch selbstverständlich wagte sich niemand ihm dies zu sagen. Doch damit schien es nun unmöglich, den Fluch zu brechen, das wusste auch der Inu no Taishou und auch Akira wurde es in diesem Moment erneut nur zu bewusst. Es gab nur die Möglichkeit, sie mit Sesshoumaru zu verheiraten. Es sei denn... „Damit sollte uns wohl allen das Schicksal des Mädchens klar sein!“, verkündete Inu no Kami hart und sah sich unter den Anwesenden um. „Der Mensch MUSS sterben. Ich fordere Euch auf, mein Gemahl, dass Ihr sie tötet. Sie ist eine zu große Bedrohung für die gesamte Festung. Sie könnte Frauen – besonders Eure Geliebten oder die Eures Sohnes – anlocken und verschlingen, oder sie gibt ihren Fluch an sie weiter, ehe wir sie daran hindern können.“ „Das ist lächerlich und das weißt du! Es gibt weder Menschen, noch Halbdämonen in diesen Mauern. Der Fluch, der auf Nozomi liegt, befindet sich somit in einer Sackgasse, weil kein Dämon es zulassen wird, wenn er sich an ihn heften will. Er kann somit nicht weitergegeben werden.“ „Dennoch stellt sie eine Bedrohung für uns alle dar!“ „ICH. WERDE. NOZOMI. NICHT. ERMORDEN. LASSEN!“, brüllte der Inu no Taishou und alle Anwesenden außer seinem Sohn und seiner Frau zogen die Köpfe ein. „Damit stürzt Ihr uns alle ins Verderben!“, konterte Inu no Kami nach einer gefühlten Ewigkeit. „Was erwartest du von mir? Ich bin für dieses Kind verantwortlich! Ich habe sie hier aufgenommen und ihr versprochen, dass ich einen Weg finde, wie sie ein normales, wenn auch dämonisches Leben führen kann. Und was ich verspreche, das gedenke ich zu halten. Ich werde es nicht zulassen, dass Nozomi unter meiner Obhut ihr Leben verliert. Lasst das euch allen ein für alle Mal gesagt sein.“ Die Berater schluckten und nickten dann aber ergeben. Er war der Fürst. Er hatte das letzte Wort in allen Entscheidungsfragen. Niemand würde ihm jemals widersprechen. Auch wenn sie einer Meinung mit der Fürstin waren: Sie würden einen anderen Weg finden müssen, um den Meister von der Notwendigkeit des Todes Nozomis zu überzeugen. „Wenn das Euer Wunsch ist, Meister, dann füge ich mich dem.“, verkündete nun auch die Inu no Kami Zähneknirschend, doch ihr Mann wusste, dass dieses Thema an dieser Stelle noch nicht beendet war. Der hübsche Kopf seiner grausamen Herrscherin brütete mit Sicherheit bereits über einem Plan. „Sesshoumaru, mein Sohn, würdest du mich in meine Gemächer begleiten? Von deinem Vater werde ich keinen Schutz vor diesem Monster erwarten können, das er als Haustier in seinem Harem hält.“ Der Prinz nickte und folgte seiner Mutter hinaus. Wenig begeistert sah der Fürst hinter ihnen her. Was sollte er nun tun? Mitten auf dem geräumten Pfad durch den Garten hielt die Inu no Kami plötzlich an. Sesshoumaru, der zwischenzeitlich dazu übergegangen war die dem Mann zustehende Führung zu übernehmen und voraus zu gehen, hielt inne und sah zu ihr zurück. Die Gift sprühenden, goldenen Augen seiner Mutter funkelten ihn heimtückisch an. „Du weißt doch, worauf das hinausläuft, oder mein Sohn?“, fragte sie mit einem Knurren im Unterton. „Ich weiß nicht wovon Ihr redet, Mutter.“ Sie schnaubte und schloss auf. „Selbstverständlich weißt du es. Ich rede von IHR! Dein Vater ist vollkommen vernarrt in dieses Ding und wenn der Umstand mit diesem Fluch nicht wäre, dann hätte er sie schon lange in seinen Harem geholt. Nicht als möchte-gern-Prinzessin wie jetzt, sondern als seine Geliebte. Doch nun wird er dich dazu zwingen!“ „Ich habe nicht vor einen Menschen zu heiraten.“, erklärte er kalt und wandte sich ab. Diese Diskussion war lächerlich, wenn er auch gestehen musste, dass er bereits ähnliche Sorgen hegte. Zwar hatte sein Vater gesagt, dass er ihn niemals zwingen würde, doch entsprach das tatsächlich der Wahrheit? Gorou wurde von ihm als Ehrenvoll bezeichnet und in den höchsten Tönen gelobt, weil er sich freiwillig für dieses Opfer meldete. Sesshoumaru spürte so etwas wie Hass und Eifersucht in sich. Zum einen auf Gorou, weil dieses Verhalten seinem Vater so gut gefallen hatte, und zum anderen sogar auf diese Nozomi, nachdem von seinem Vater offen zugegeben wurde, dass er sie als seine Tochter betrachtete. Obwohl sie es aber nicht war, wollte er Gorou wie seinen (Schwieger)Sohn behandeln. All dies waren Zugeständnisse gegenüber Fremden, dabei hätte der Fürst sich in all der Zeit so um seinen Sohn bemühen müssen, besonders damals, als er noch ein kleiner Prinz war und lernte. Doch nun... Wofür würden sie ihn halten, wenn sich herum sprach, dass er ihre einzige Rettung war, sich allerdings anders als Gorou nicht dazu berufen fühlte, freiwillig Nozomi zu heiraten, um die Festung zu retten? Sicher, es war seine Entscheidung, doch der Gedanke nagte an seinem Stolz, wenn er sich ihr Gerede vorstellte, welches zweifelsohne kam, wenn er sich nun nicht ebenfalls freiwillig bereiterklären würde. Immerhin war er ein Prinz und selbst Gorou hatte es getan! Doch anstatt seinem Vater direkt zu sagen: „Auch ich bin dazu bereit, mich für mein Volk zu opfern!“ War er gegangen, am Saum seiner Mutter hängend wie ein verdammtes Kind. „Sesshoumaru, wo willst du hin?“, fragte seine Mutter und eilte hinter ihm her. Er jedoch würdigte sie keiner Antwort. Er wusste selbst nicht was er nun machen sollte. „Sesshoumaru, wir müssen etwas gegen dieses Mädchen unternehmen! Wenn wir sie nicht umbringen, dann wird dein Vater dich früher oder später zwingen sie zu heiraten. Und das willst du doch nicht, oder?“ „Vater sagte, dass er es nicht tun wird.“, erklärte Sesshoumaru. „Und das glaubst du?“, sie hielt ihn auf und er sah wenig begeistert auf sie hinab. „Denk doch einmal nach, Sesshoumaru. Er wird es vielleicht nicht sofort machen und vielleicht auch nicht nächste Woche, doch selbst Gorou hat sich freiwillig gemeldet. Und er ist nichts als der niedere Sohn eines einfachen Dämonen.“, sie redete von ihm, als sei er eine kleine, unbedeutende Qualle im weiten Meer. „Dein Vater wird kommen und dir nahelegen, dass du dich selbst meldest. Er wird dir die Chance geben, dass du deine Ehre ebenso unter Beweis stellst, wie dieser kleine Wicht.“ Seine Mutter ging im gerade gehörig auf die Nerven, doch leider hatte sie Recht, das wusste er. Nachdenklich sah er in die Ferne. „Und wenn du dann nicht einlenkst, Sesshoumaru, dann wird er dich dazu zwingen. Willst du das?“ Nein, natürlich wollte er das nicht. Wäre er ein normaler Mann, der nichts zu verlieren hatte, dann wäre es ihm wohl egal gewesen. Besonders in Anbetracht der Mitgift, die sein Vater womöglich bereit war für dieses Mädchen abzutreten, das er eigentlich gar nicht kannte. Sesshoumaru aber war ein Prinz und der zukünftige Herrscher über die westlichen Dämonen. Er musste sich eine Frau suchen, die seinem Stand entsprach. Eine würdige Dämonin, die ihm einen Thronerben schenken würde. Ein solch niederer Dämon wie der, zu dem Nozomi geworden war, war absolut ungeeignet. Dazu kam, dass man als Mann von seinem Stand einen großen Harem zu haben pflegte. Viele Frauen – eine schöner als die andere – daran arbeitete er bereits seit Jahrzehnten. Sie waren sein Statussymbol. Doch was würde geschehen, wenn er Nozomi heiratete? Würde sich der Fluch mit der Ehe zufrieden geben, oder danach von ihm verlangen, dass er ihr treu blieb? Und wenn ja: Würde er es schaffen, bis in alle Ewigkeit mit ein und derselben Frau zu verkehren? Er konnte es sich nicht vorstellen. Er liebte Frauen, besonders die seinen, doch eine allein war ihm zu langweilig. Es gab nur einige wenige Momente, in denen er eine Frau allein in sein Bett holte. Hierzu musste er entweder sehr erschöpft sein – was für gewöhnlich nie passierte – oder sie musste neu in seinem Harem sein. Die meisten Frauen, die er sich anschaffte, waren bei ihrem Einzug in seinen kleinen Palast Jungfrauen. Erfahrungsgemäß taten sie sich schwer gleich beim ersten Mal die Scham zu verlieren, wenn er einer anderen Haremsdame befahl sie zu lecken, damit er zusehen konnte. Daher musste er sie zunächst auf diese Erlebnisse vorbereiten. Diese Gewohnheiten jedoch würde er wohl vergessen müssen, wenn er Nozomi zu seiner Braut machte. Nein! Niemals! Sie war nicht geeignet, sie gefiel ihm nicht und er müsst im schlimmsten Fall sein Leben mit ihr fristen, ohne seinen Harem jemals wiederzusehen. Und wenn das alles nicht reichte, dann musste er seiner Mutter zustimmen, die sagte: „Mein Sohn, nun begreife doch, was das heißt! Er würde dich zwingen einen MENSCHEN zu heiraten! Einen MENSCHEN! Und zwar nicht einen, der in ein paar Jahren von selbst stirbt, sondern einen, der durch die Kraft niederer Dämonen ein unendliches Leben erhalten hat!“ Nein, soweit würde es nicht kommen! Er würde niemals so tief sinken. Auf keinen Fall. Nur was sollte er tun? „Sesshoumaru“, die Hände seiner Mutter schlangen sich voller Mitleid und Sorge um seinen Unterarm. „Ich flehe dich an, mein geliebter Sohn!“ Sie hob eine Hand und strich ihm sanft über die Wange. Was eine Vorstellung! Er und ein Mensch. Nackt. Ein Bett. Beine hätte ihn der Ekel geschüttelt. „Sesshoumaru, wir müssen sie töten!“ Fest sah er seiner Mutter bei diesen Worten in die Augen. Sie hatte Recht! Er würde sich ihr entledigen. Noch heute Nacht! Es war wirklich erschreckend einfach in der Nacht unbemerkt von seinem Harem zu dem seines Vaters zu gelangen. Sesshoumaru nahm einfach den Hinterausgang in Richtung des Badehauses und schlich von dort durch den dichten Garten. Keine Wache auf den weit entfernten Mauern hatte ihn gesehen. Die abgelegenen Prinzessinnengemächer waren schnell erreicht und selbst die Veranda war nicht einsehbar, über die er durch den Hintereingang in den Flügel der leeren Zimmer schlüpfte. Bereits hier empfing ihn der süßliche Duft es Öls, mit dem Akira und sein Vater Nozomi betäubten. Zum einen machte es ihm deutlich, wie leicht sein Attentat sein würde, doch zeitgleich war er sich darüber im Klaren, dass er sich beeilen musste, damit ihm der Rauch des Räucherwerks nicht selbst zu Kopf stieg. Er folgte dem Geruch bis zu dem Zimmer, das er als Ausgangspunkt identifizieren konnte und lauschte an der Tür. Dahinter war alles ruhig. Hier war er also, der Moment der Wahrheit. Er griff nach dem Holz, das ihm den Weg versperrte und schob es beiseite. Ein leichter Dunst erfülle den Raum und der Geruch des Öls schlug ihm entgegen wie eine Keule, die ihn niederschlagen wollte. Reflexartig hob er sich eine Hand vor den Mund und sah sich in dem scheinbar leeren Zimmer um. Ein Tisch, ein paar Kissen und die flackernden Lichter der Öllampen, mehr befand sich hier nicht. Es war so trostlos langweilig, doch er rief sich mit seinem Vorhaben wieder zurecht, ehe er darüber nachdenken konnte, wie er die Inneneinrichtung wohnlicher gestalten konnte. Wenn er hier fertig war, dann würde es egal sein, welche Gegenstände den Raum ausfüllten. Er schloss die Tür wieder hinter sich, um zu vermeiden, dass er überrascht wurde. Wer hätte gedacht, dass er sich eines Tages in den Harem seines Vaters schleichen würde, um eine Frau umzubringen? War das eigentlich feige? Hinterhältig? Unehrenhaft? Er trat an den Bambusvorhang heran und sah erhaben auf das Mädchen hinab, das dahinter auf ihrer Schlafstätte ruhte und angestrengt die Augenbrauen zusammenzog. Angst, Verzweiflung, Einsamkeit... Er spürte, wie sein gesamter Körper erstarrte. Nur seine Lungen blähten sich verzweifelt auf und sogen die Betäubung des Öls in sich auf. Sie war so allein. Schutzlos. Dabei brauchte sie dringend Hilfe. Das waren alle Gedanken, die ihm durch den Kopf schossen, doch er wusste, dass er sich zusammenreißen musste. Nichts von dem was er fühlte war echt, zumindest nicht für ihn. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, jemals so etwas intensives gespürt zu haben. Die Trauer des Mädchens kombiniert mit dem Öl, das nur dazu da war, um ihre Sinne zu betäuben – was auf ihn die gleiche Wirkung hatte – aktivierte etwas tief in seinem Herzen, das unweigerlich zu schmerzen begann. Die Weißhaarige vor ihm keuchte verzweifelt, als würde sie vor irgendetwas versuchen zu fliehen und fiel von der Seite auf den Rücken. Ihr Mund schloss sich und ihre bleichen Lippen pressten sich zusammen, sodass nur noch ein schmaler Strich in ihrem Gesicht zu erkennen war. Er schloss kurz die Augen, um sich wieder zur Besinnung zu rufen. Dieser Geruch in diesem Raum und all diese Gefühle, die sie verströmte, versuchten in ihn einzudringen und ihn zu erweichen, doch das durfte er nicht zulassen. Wenn er nicht vollendete, wozu er gekommen war, dann würde er vermutlich in wenigen Tagen an ihrer Seite im großen Saal sitzen und die Zeremonie der Eheschließung über sich ergehen lassen müssen. Das konnte er unmöglich zulassen! Er griff somit erneut nach seinem Plan, hielt sich daran fest und versuchte sich an ihm aufzurichten, als er den Vorhang beiseite hielt, um dahinter zu treten und an das Mädchen heran. Seine Hand glitt bereits an das Kurzschwert, das er sich zu diesem Zweck aus der Waffenkammer besorgt hatte (mit einem seiner eigenen Klingen den Mord zu begehen wäre angesichts der Liebe seines Vaters zu diesem Mädchen reiner Selbstmord gewesen). Als er die harte Scheide der Waffe versteckt unter seinem Haori ertastete, stellte er erschrocken fest, wie sehr Nozomi sich verändert hatte. Sie wirkte bereits schwach und kraftlos, als er sie im Schneesturm auflas, doch nun schien jedes Leben ihren Körper verlassen zu haben. Sie warf den Kopf herum. Verzweiflung, Angst... Er musste es zu Ende bringen! Jetzt sofort! Ehe es zu spät war. Als müsse er sich selbst zum letzten Schlag motivieren, zog er die Schutzhülle inklusive der Scheide hervor und sah auf den Gegenstand hinab, der ihr Leben beenden sollte. Nozomi seufzte noch einmal verloren und wand den Kopf ab. Ihr blanker Hals bot sich ihm an, als wolle er ihn dazu überreden es endlich zu vollenden. Der Stahl schabte leise durch das Holz, als er die scharfe Klinge heraus zog und über Nozomi ausstreckte. Wie feige er doch war! Er, ein zukünftiger dämonischer Fürst ermordete ein kleines Mädchen, weil er Angst vor ihr hatte, während sie schlafend in ihrem Bett lag! Die Erkenntnis traf ihn plötzlich und er sah angestrengt auf den Kopf hinab, den er von den darunterliegenden Schultern trennen wollte. Er hatte tatsächlich Angst vor diesem Mädchen. Er fürchtete sich vor der Ehe, die sein Vater ihm sicherlich aufzwingen würde, wenn er einsah, dass es keine andere Möglichkeit gab, um die Festung zu retten ohne Nozomis Leben zu beenden. Was würde sein verehrter Herr Vater nur sagen, wenn er erfuhr, dass er, Sesshoumaru, es war, der das Mädchen meuchelte und das nur weil er Angst hatte! Seine Hand schloss sich fester um den Griff, als er erkannte, wie feige dieses Verhalten war und wie hinterhältig. Dennoch hob er die Hand und holte zum Schlag aus. Dabei hatte sie ihm nichts getan. Was Sesshoumaru eigentlich töten wollte, war der Fluch der schwarzen Braut, der sich an sie geheftet hatte. Nozomi selbst war nur ihr Opfer. Eine Geisel des grausamen Schicksals, das ein einfaches, kleines Menschenmädchen dazu verdammte ihr beständiges Leben an der Seite ihrer Familie zu verlassen, um in Einsamkeit und vollkommener Isolation ein unerfülltes Dasein als Dämonin zu fristen. Sesshoumaru versuchte seinem Arm den Befehl zu erteilen ihrer kümmerlichen Existenz endlich ein Ende zu bereiten, doch sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Dieses Mädchen war so hilflos und unschuldig und er war ein jämmerlicher Schwächling, da er sich ihrer entledigen wollte. Nachts, während sie schlief... Sein Körper begann vor Aufregung und Verwirrung zu zittern. Er wollte sie nicht heiraten, daher war der einzige Ausweg der Tod. Doch ihm wurde in diesem Moment klar, dass Nozomi keine Schuld an seiner Situation trug. Sie war ein Opfer wie er, das versehentlich zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Er versuchte es noch einmal verzweifelt seine Hand zum Streich zu bewegen, doch es funktioniert nicht. Als er dann auch noch erneut den Rauch einatmete, spürte er wie jede Mordlust aus seinem Körper verschwand und nur ein einziges Gefühl blieb zurück: Mitleid. Er ließ den Arm wieder sinken und starrte auf Nozomi hinab. Mitleid. Das war es also. Das spürte sein Vater für dieses Mädchen. Wie er sich in diesem Moment dafür hasste in ihrem Schlafgemach zu stehen, mit einem Schwert bewaffnet, bereit sie zu ermorden. Sie war so rein und unschuldig und ihr Leben war in viel größerer Gefahr als das von ihnen allen. Sie hatte den Tod nicht verdient. Sie sollte Leben, denn jedes Leben ist kostbar... Endlich verstand er seinen Vater, wenn er auch irgendwo ahnt, dass diese Erkenntnis ohne die Betäubung des Rauchs in Nozomis Gemächern nicht so einfach über ihn gekommen wäre. Er sank kraftlos auf die Knie hinab. Das Schwert klirrte leise neben ihm auf dem Boden. Was hatte ihn da nur geritten? Er konnte das Mädchen doch unmöglich ermorden! Er war sich sicher, dass er sich diese Idee niemals verzeihen würde. Und was nun? Was sollte er denn tun? Er ließ sich auf den Hintern fallen und zog die Beine unter sich hervor. Er konnte sie nicht töten, doch er wollte sie auch nicht heiraten. Hoffnungslos saß er neben der schlafenden Gestalt, die Ellenbogen auf seine angezogenen Knie gestützt, während er sich mit den Händen über die Stirn, den Scheitel und den Nacken strich. Was konnte er denn nur tun? Es musste doch einen Weg geben, sodass sie den Fluch verlor, ohne ihn heiraten zu müssen. Was sollte er tun? Was sollte er tun? Verzweifelt waberte die Frage immer und immer wieder durch seinen Kopf. Was sollte er nur tun... „Sesshoumaru...“ Aus den Gedanken gerissen wandte er den Kopf zu Nozomi neben sich. Ihr angespanntes Gesicht zeugte plötzlich von unendlichem Frieden und sogar ein zaghaftes Lächeln war auf ihrem Mund zu erkennen. Erst hatte er gedacht, dass sie aufgewacht war, doch das Mädchen schlief noch immer felsenfest. „Sesshoumaru...“ Ihr Kopf drehte sich zu ihm und ihre Hand hob sich. Ihre Sinne waren vielleicht benebelt, doch ihr durch de Wandlung verbesserter Geruchssinn hatte ihn sofort gefunden. Ihre kleinen, schlanken Finger glitten durch das Fell seines dämonischen Schwanzes. Er wusste nicht recht warum, doch in diesem Moment erinnerte er sich an ihren gemeinsamen Heimflug durch den Wintersturm. Nozomi war eiskalt gewesen und blass. In der steifen Brise hoch über den Bäumen hatte sie gezittert wie Espenlaub. Als er ihr gestattete sich in sein Fell zu kuscheln um sich warm zu halten, hatte er sich eingeredet, dass er es tat, weil sein Vater ihm befohlen hatte das Mädchen unversehrt heim zu bringen. Sesshoumaru war sich darüber im Klaren, dass dieses Wetter alles andere als Gesund für das Mädchen war, das damals noch ein Mensch gewesen ist, doch nun im Nachhinein – wenn er an diese Situation dachte – erkannte er das Mitgefühl, das er im Angesicht ihres Leidens empfand. Sie kämpfte sich durch den Sturm zu ihren Eltern heim – dort wo sie eigentlich hingehörte – doch wurde von ihrem Vater und dessen Nachbarn beinahe erschlagen. Als er sie an sich gedrückt festhielt, damit sie nicht herunterfallen würde, wusste er, dass er einfach hätte warten können, bis die Männer ihr Werk vollendeten und sie wäre Nozomi für immer los gewesen. Er hatte sich damals gefragt, warum er es nicht einfach tat, während er sie wärmte und sie in seinen Armen einschlief. Er hatte Mitleid empfunden. War er so abgestumpft, um es davor nicht zu erkennen? Sie reckt den Hals und rieb ihre Nase und die Stirn in seinem weichen Fell. „Mein Prinz...“, flüsterte sie liebevoll und blieb dann endlich regungslos liegen. Der Friede eines ruhigen Schlafes schien sie schlussendlich übermannt zu haben. Nachdenklich sah er auf sie hinab, sie sie zögerlich an das flauschige Weich gekuschelt dalag und immer wieder ihre Finger hindurch gleiten ließ, als würde sie ein Tier kraulen wollen. Wie losgelöst sie wirkte. Lag das wirklich nur an ihm? War der Schatten der schwarzen Braut nur wegen seiner Anwesenheit verdrängt worden? Er zwang sich endlich die verkrampften, inzwischen steifen Finger von der Scheide seiner Waffe zu löse und streckte die Hand langsam nach ihr aus. Bei diesem Anblick wurde ihm klar, dass sie alle von der Braut bedroht wurden, selbst Nozomi. Nicht sie war die Gefahr, sondern das Wesen in ihrem Innern. Nozomi war vermutlich von der Bedrohung am stärksten betroffen. Gab es eine Möglichkeit, wie er die Braut erneut bezwingen konnte, jedoch ohne das Mädchen zu verletzen? Seine Hand erreichte ihren Kopf und ein liebevolles, doch schüchternes Lächeln breitete sich auf ihren Wangen aus, was sie zu verstecken versuchte. Mit diesem letzten Eindruck von ihrem Gesicht, drang er in ihre Gedanken ein. Vielleicht – so hoffte er – konnte er sich auf diesem Weg der Braut entledigen, ohne Nozomi ernsthaft zu verletzen. Als er sein geistiges Auge öffnete, stand er mitten in seinem Harem. Seine Lieblingsfrau Takara verließ gerade mit einigen weiteren Frauen freudig lachend das Gebäude, während eine Dienerin mit einem großen, geflochtenem Tablett herein kam. Sie begrüßte seine Geliebten wie es sich gehörte und lief dann, ohne Notiz von ihm zu nehmen, an ihm vorbei zu der großen Tür seiner Gemächer. Erst wunderte er sich über ihr Verhalten, doch dann wurde ihm klar, dass sie ihn vermutlich nicht sehen konnte, da er ursprünglich nicht zu Nozomis Traum gehörte. So sah er der freundlich lächelnden Frau hinterher, bis sie an seine Tür klopfte. „Komm herein“, hörte er Nozomis Stimme zu seiner Überraschung. Als die Tür sich aufschob folgte er der Dienerin einfach ohne zu zögern. Was machte Nozomi bitte in seinen Gemächern? Wie er erwartet hatte nahm auch sie ihn nicht wahr. Er war einfach nicht vorgesehen ihn ihrem Traum. Er beobachtete alles genau, als er herein kam und die Dienerin sich in der Mitte des Vorzimmers auf den Boden kniete, um das Tablett auf dem Tisch abzustellen. „Guten Morgen, meine Herrin. Ich hoffe Ihr hattet eine angenehme Nacht.“ „Ja, vielen Dank.“ Nozomi strich sich eine unordentliche Strähne hinter das Ohr und sah ihr dabei zu, wie sie ein leichtes Tuch von den Gefäßen auf dem Tablett nahm. „Ich hofft es wird alles zu Eurer Zufriedenheit sein.“ „Das sieht sieht köstlich aus. Hab vielen Dank. Ich lasse dich rufen, wenn ich dich wieder brauche.“ Die Dienerin verneigte sich einmal und verließ dann eilig das Zimmer. Als sie die Tür schloss und er sich wieder zu der Fünfzehnjährigen umwandte, die ich nun ihrerseits auf den Boden sinken ließ und die Schüsseln und Krüge begutachtete, überlegte er, ob sie einfach träumte Prinzessin zu sein – quasi eine Tochter seines Vaters. Ihre Kleidung war schlicht, doch äußerst Elegant. Eine teure Robe von edlem Stoff, die sie der Einfachheit halber schnell übergeworfen hatte. Er umrundete sie und den Tisch langsam. Was tat sie denn hier? Sie betrachtete jeden Krug genau und roch an einigen Speisen. Erst dachte er, dass sie nun essen würde – scheinbar war das hier in ihrem Traum ja ihr Zimmer – doch anstatt die Gefäße zum Essen zu richten, kostete sie einen kleinen Bissen von jedem Teller. Konnte das sein? Probierte sie das Essen vor, als wolle sie es auf Vergiftungen oder ähnliches prüfen? Das wurde es doch bereits, ehe es die Küche verließ. Nein, es war keine Einbildung. Er spürte es. Sie sorgte sich um jemanden. Sie wollte jemanden schützen, für den sie scheinbar sehr viel empfand – das Gefühl Liebe konnte er als solches nicht zuordnen. Selbst ihr eigener Tod war ihr dabei ein rechts Mittel, wenn sie so die wichtigste Person in ihrem Leben vor einem großen Unglück bewahren konnte. Wer war dieser Jemand? Er konnte nicht verleugnen, dass es ein seltsames Gefühl war zu sehen, wie jemand anderes so viel für jemanden empfinden konnte. Dazu fragte er sich zeitgleich, wie es wohl wäre selbst im Zentrum solcher Gefühle zu stehen, oder sie sogar zu empfinden. Mit angestrengtem Blick und dennoch voller Fürsorge, kostete Nozomi die letzten Speisen und wartete dann einige Sekunden. Mit dem Ergebnis schien sie zufrieden, denn nach einigem Zögern erhob sie sich wieder mit einem seligen Lächeln im Gesicht. Leise nahm sie das Tablett. Irritiert sah Sesshoumaru ihr dabei zu. Was hatte sie nun vor? Das Mädchen schlich ohne ein Laut zu verursachen auf die Tür zum Schlafzimmer zu und schob sie vorsichtig auf. Über ihre kleine Gestalt hinweg erkannte er den Grund für ihr liebevolles Verhalten. Er selbst lag noch immer schlafend auf seinem zerwühlten Bett. Ruhig hob und senkte sich seine Brust bei jedem Atemzug. Sein Arm breitete sich auf der leeren Bettseite aus, als hätte dort vor wenigen Augenblicken noch jemand neben ihm gelegen. Nun begriff er endlich. Er war selbstverständlich noch immer der Prinz seines Vaters, doch Nozomis Wunsch, der sich im Traum äußerte, war es seine Frau zu sein. Was hatte er erwartet? Akira hatte oft genug betont, dass Nozomi von dem Mann träumte, der sie erlösen würde. Noch immer möglichst leise stellte sie das Tablett neben dem Bett ab. In diesem Moment wurde sein Abbild aus dem Schlaf gerissen. Erst öffnete er nur die Augen, dann hob er wie alarmiert den Kopf. „Wo warst du?“, verlangte er hart zu wissen. Mit einem schüchternen Lächeln und gesenktem Blick wandte sie sich ihm zu. „Ich habe Rini um Frühstück gebeten und es entgegen genommen. Ich hoffe, dass du Hunger hast. Es ist sehr gut und reichlich.“ „Nozomi“, seine Stimme war noch immer rau vom Schlaf und sein Blick weicher als sonst. Sesshoumaru spürte die Liebe und Sorge, die auch von seinem Abbild ausging, als es sich aufsetzte und bestimmt nach den Händen der jungen Frau griff, um sie näher zu ziehen. „Ich habe dir schon so oft gesagt, dass ich nicht will, dass du meinen Vorkoster spielst.“ Schweigend mit einem traurigen Blick im Gesicht ließ sie sich vor ihm auf die Waden sinken. Erst, als er liebevoll ihren Blick mit einer Hand an ihrem Kinn hob, sah sie wieder auf und mit ihren wunderschönen, eisblauen Augen direkt in seine. „Ich vertraue niemandem, wenn es um deine Sicherheit geht, Sesshoumaru.“, flüsterte sie und selbst der echte Prinz spürte den Stich in seinem Herzen. Dieser Wunsch ihn beschützen zu wollen und diese tiefen Gefühle, die aus ihrem Körper strömten und sich behutsam um ihn legten, waren so viel echter und wärmer als alles, was seine kalte Mutter ihm entgegen brachte und ihn lehrte. „Wenn ich dich verlieren würde...“, flüsterte sie voller Schmerz, dass es ihn beinahe zerriss. Seine Traumgestalt hob auch die zweite Hand und umfing so ihre beiden Wangen. „Und wenn ich dich verliere?“, gab er entgegengesetzt zu bedenken und man sah den Schock in Nozomis Gesicht. „Tu das nie wieder.“, dieser Befehl von ihm kam mit dem harten Ton, wie er ihn von sich selbst kannte. Eifrig nickte Nozomi zur Bestätigung, dass sie verstanden hatte. Schweigend sahen sie sich noch einige Augenblicke in die Augen, dann schob er ihren Kopf weiter in den Nacken, dass sie ihm die Kehle darbot und beuge sich vor. Solche Hingabe hatte Sesshoumaru noch nie gesehen und – er war sich da sehr sicher – auch noch nie walten lassen. Voller Verlangen und Zärtlichkeit küsste er ihren schlanken Hals, schob den Kragen der Robe etwas beiseite und biss ihr sanft in die Schulter. Sie hob die Hände und legte sie an seine Schultern, während er nach ihrem Gürtel tastete und gleich darauf die Seiten ihres Gewandes öffnete. Er betrachtete seine Partnerin durch halb geschlossene Augen, während er ihr genüsslich den Stoff von den Schultern schob und ihre perfekte Haut entblößte, bis sie vollkommen nackte neben ihm saß. Nozomi schloss mit geröteten Wangen die Augen, als er sie zurück in die Kissen drückte und sie mit sich in seine Decke einwickelte. Sesshoumarus Geist wusste nicht, ob er angewidert sein sollte, weil sein Traum-Ich gerade eine ehemals menschliche Frau liebkoste, oder ob er fasziniert sein sollte von so viel Gefühl. Jede Bewegung ihrer beider Körper schien im Einklang mit dem des jeweils anderen. Er zog sie in seine Arme und schob ihr Bein über seine Hüfte, während er sie vor jedem zu verstecken versuchte. Doch es lagen nicht nur pures Verlangen und sexuelle Begierde in der Luft, wie er es kannte, sondern vor allem war der Raum erfüllt von Liebe, Zuwendung und Glück. Er wusste nicht, wie er es hätte beschreiben sollen. Der Anblick des sanften, unschuldigen Mädchens in seinen starken Kriegerarmen verwirrte ihn zu sehr. Fassungslos von den eigenen, plötzlich aufkeimenden Regungen und Sehnsüchten in seinem Innern, wandte sich Sesshoumaru ab und saß gleich darauf wieder in dem Zimmer Nozomis. Die junge Frau hatte sich inzwischen auf der Seite zusammengerollt und war vermutlich kurz davor sich an sein Fell zu klammern, wenn er nicht etwas unternehmen würde. Er nahm seine Waffe und erhob sich. Er musste hier raus. Der Rauch des verbrennenden Öls würde ihn sonst vermutlich verrückt werden lassen! Kapitel 7: Spuren der Erinnerung -------------------------------- Gorou zog beide Flügel der Tür zum Prinzengemach auf und hob dann die Fackel etwas höher. Aufmerksam und vorsichtig zugleich betrat die Gruppe den Raum und sah sich um, doch auch dieser lag so verlassen vor ihnen, wie all die anderen. „Das hier waren bestimmt deine Zimmer, oder, Sesshoumaru?“, fragte Miroku neugierig und untersuchte andächtig die alten, kostbaren Möbel. „Wir befinden uns hier im Harem des jungen Meisters, von daher: Ja.“, entgegnete Gorou für den Angesprochenen, als wäre diese Frage bereits im Vornherein überflüssig gewesen, und sah hinüber zu InuYasha, der nun den Mund aufmachte: „Sein Harem? Aber die Zimmer sehen alle wie bewohnt aus!“ „Bis auf den Staub.“, warf Kagome hinterher. „Zuletzt besaß der Prinz etwa fünfzehn bis zwanzig Konkubinen.“ „Was?“, Mirokus und InuYashas Stimmen überschlugen sich fast, doch Akira lachte. „Das ist doch nichts Ungewöhnliches. Eigentlich ist die Zahl sogar erstaunlich gering. Der junge Prinz war sehr wählerisch, was seine Geliebten anging. Der Fürst unterhielt selbstverständlich einige Frauen mehr.“ „Fünfzehn bis zwanzig? Das nenne ich bescheiden!“, verkündete der Halbdämon sarkastisch und schielte hinüber zu seinem Bruder, der vor einem großen Aufsteller angehalten hatte, welcher ein großes, schweres Gewand von edlem Stoff hielt. Es sah zwar für ihre heutige Zeit altertümlich aus, doch seine Funktion war dennoch klar zu erkennen: Es war das Trauungsgewand eines Mannes für dessen Zeremonie. Wie der zukünftige Fürst diese Kleider in Augenschein nahm – inklusive der, die darunter fein säuberlich aufgereiht lagen und die Basis für sein Hochzeitsanzug stellten – spürte er beinahe, wie sich die Haarspange, die Akira ihm gab, durch seine Rüstung hindurch in seine Haut brannte. Ursprünglich hatte er dieses Schmuckstück wegschmeißen wollen oder gar verbrennen – auf dem Hof war ein großes Feuer gemacht worden – doch er schaffte es einfach nicht die Lilie loszulassen und so hatte er sie vorerst unter seinen Gürtel geschoben. Er wollte nicht, dass jemand seine Schwäche bemerkte. Doch nun stand er hier vor der zeremoniellen Robe für seine Trauung und langsam dämmerte es ihm, dass etwas nicht stimmte. Als er diese Festung betreten hatte, war er noch voller Tatendrang gewesen und fest entschlossen, Nozomis Leben zu fordern. Da er nun aber vor diesem Stoff stand, spürte er Übelkeit in sich aufsteigen. Es war als würde er eine schwere Rüstung ausziehen, als er realisierte, wie all der Hass und Zorn verschwand. Doch das Gefühl, das zurück blieb, hatte er schon lange nicht mehr wahrgenommen und war schwerer als tausend Brustpanzer zusammen. Was hatte er nur getan? Er schloss die Augen, um sich wieder zur Besinnung zu rufen. „Sesshoumaru, ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Kagome besorgt, die die Veränderung in seiner Ausstrahlung als Erste mitbekommen hatte. Sie wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Die Augen des Dämonen öffneten sich wieder und er atmete ein. Erhaben drehte sich sein Kopf in ihre Richtung, doch er sah durch sie hindurch, denn neben ihr stand ein weiteres Gestell. Auf ihm befand sich einst seine Rüstung, eine der ersten, die er besaß. Der Anblick des alten Gebildes aus Holz, rief die Erinnerung an seine alte Stärke zurück und den Grund, warum er hier war: Nozomi musste sterben und er hatte sich vorgenommen dafür zu sorgen. Er würde ihr den Kopf von den Schultern trennen und den Fluch damit brechen, um seinen rechtmäßigen Platz auf dem Thron einzunehmen. Doch ehe er weiter darüber philosophieren konnte, wie er sie am Besten ins Jenseits befördern könnte, durchschnitt ein plötzlicher, überraschter Ton die eingetretene Stille. Er kam von Miroku. Der Mönch hatte sich neben einen großen, antiken Go-Tisch gehockt, auf dessen Oberfläche noch immer schwarz und weiß lackierte Steine auf die Fortsetzung der Partie warteten. „Das ist ein wahres Meisterstück! Ein echtes Kunstwerk!“, verkündete er. „Dies ist ein alter Go-Tisch aus China. Einer der ersten, die nach Japan kamen.“, erklärte Akira. „Der Fürst brachte es seinem damals noch kleinen Sohn als Mitbringsel von einer Reise mit.“ „Es sieht aus, als hätten die Spieler gerade erst ihr Partie unterbrochen und würden jeden Augenblick wieder zurückkehren.“, erklärte Sango, während auch Sesshoumaru näher trat. Kommentarlos sahen sie mit an, wie der Mann sich kurz bückte, um einen der weißen Steine aufzunehmen. Gedankenverloren befreite er die Oberfläche von der dicken Staubschicht und betrachtete das fein säuberlich geschliffene und polierte Äußere. Er hatte lange nicht gespielt, was er immer darauf zurückzuführen versuchte, dass er in den letzten achthundert Jahren nie zur Ruhe kam. Doch nun wurde ihm plötzlich klar, dass er aus einem anderen Grund seit so langer Zeit keinen Go-Stein mehr angerührt hatte. Die Erinnerungen, die er mit diesem Spiel verbannt, waren ebenso erregend für sein Herz, wie schmerzlich. Er schloss kurz die Augen. Nein, stopp, das waren die Erinnerungen bestimmt nicht! Sie waren erniedrigend... Schweigend zog Sesshoumaru seinen Obi fest um seine Hüfte und suchte sich als letztes einen warmen Haori aus, den er überziehen würde. Bei dem Versuch jeden Gedanken, der ihn plagen wollte, auszusperren, faltete er den dunklen Stoff auseinander. Doch als er ihn sich über die Schultern warf und hinaus trat in sein Vorzimmer, hielt er wieder inne. Genau hier hatte er gestanden und Nozomi dabei beobachtet, wie sie sein Frühstück vorkostete, um zu vermeiden, dass er hinterhältig ermordet wurde. Er schüttelte den Kopf und zog die Haare aus seinem Kragen. Er musste endlich aufhören darüber nachzudenken. Was hatte er den erwartet zu sehen, wenn er in ihren Kopf eindrang? Er wusste doch inzwischen, dass sie von ihm als Ehemann träumte. Warum hatte er es nur nicht geschafft sie zu töten? Er war sich sicher, dass er keine zweite Chance bekommen würde. Und selbst wenn: An dieser Mauer aus betäubenden Rauch würde er nicht vorbei kommen. Sie hatte ihn bereits einmal zurückgehalten. Die entstandene Situation war unbefriedigend für ihn. Gestern hätte er noch ohne zu Zögern gesagt, dass er ihr den Gnadenstoß versetzen würde, doch bereits in der Nacht hatte er voller Reue das Kurzschwert, welches er verwenden wollte, zurück in die Waffenkammer gebracht. Erst als er wieder in seinen Gemächern war, erwachte er wie aus einer Trance. Er hatte unweigerlich versagt, egal aus welcher Perspektive man die Situation auch betrachten wollte. Sie hatte vor ihm gelegen und er hätte sie einfach ermorden können, doch er tat es nicht. Sesshoumaru versuchte sich daran aufzubauen, dass er für sein Scheitern nichts konnte, dass es allein an diesem Rauch lag, mit dem man sie betäubte und der auch seinen Verstand benebelt hatte. Doch kaum, dass er sich schlafen gelegt hatte, dachte er wieder an diesen Traum und allmählich dämmerte es auch ihm, dass da noch mehr gewesen war, was ihn daran hinderte zu töten. Nur was? Er sah vor seinem geistigen Auge, wie sich Nozomi zu ihm auf das Bett setzte und er erinnerte sich an die Gefühle, als sie von dem Essen probierte. Sein Abbild war offenkundig unglücklich darüber gewesen, dass sie sich wegen ihm in solch eine Gefahr begeben hatte. Er sah auf seinen Tisch hinab, wo noch immer das Geschirr von seinem heutigen Frühstück stand. Auch wenn er keine besondere Bindung zu dem Mädchen hatte, musste er zugeben, dass er beeindruckt von ihrer Aufopferungsbereitschaft war und sogar leicht geschmeichelt, dass sie ihn über ihr eigenes Leben stellte. Dieses Verhalten war ebenso dumm wie ehrbar. War es das, was sein Vater in dem Mädchen sah? Ehre, Pflichtbewusstsein, Fürsorge... Er erinnerte sich an ihren Blick und ihre ruhige, beinahe zögerliche Person. Er hatte sich nie mit ihr beschäftigt, doch er musste zugeben, dass aufgrund dieser Eigenschaften ihre Rolle im Traum einleuchtete: Sie war eine stille Frau, die ihrem Mann zu dienen und gehorchen wusste, wie es sich für eine gute Frau gehörte. Ob sie tatsächlich so warm, liebevoll und zärtlich war, wie er es gesehen hatte? War ihr Körper – trotz der Sommersprossen – wirklich so rein und makellos? Worüber dachte er eigentlich nach? Er schüttelte den Kopf und griff sich an die schmerzende Stirn. Genug davon, beschloss er. Er würde sie nicht heiraten und das würde er auch seinem Vater zu verstehen geben, wenn er versuchte ihn dazu zu bewegen. Sesshoumaru wandte sich von dem Tisch ab und trat auf seine Tür zu, um in den Flur seines Harems hinaus zu treten. Hier war es lauter, als in seinem Gemach. Überall liefen bereits die Dienerinnen herum und seine Geliebten lachten ausgelassen, während sie sich über Nichtigkeiten unterhielten. Hier herrschte das Leben. Glück und Fröhlichkeit waren in jeder Ecke zu finden. Die Atmosphäre dieser Räume war eine ganz andere, als die in jenen, in denen Nozomi hauste. Und schon wieder waren seine Gedanken bei diesem Mädchen, ohne dass er es beabsichtigt hatte, oder verhindern konnte. Doch dieses Mal machte er sich gar nicht erst die Mühe sich abzulenken. Während er an den Zimmern vorbei ging, nahm er im Augenwinkel nicht nur die geselligen Gruppen der Damen wahr, sondern auch die üppige Ausstattung und Dekoration ihrer Zimmer. Bei Nozomi dagegen wurde man beinahe von der Trostlosigkeit erschlagen, die jeden Besucher empfing, der über die Schwelle trat. Er stieg die Treppen hinab in den Garten und wandte seinen Blick nach rechts zu dem Gebäude seines Vaters. Der ihm zugewandte Flügel stand zum größten Teil leer und verschwand hinter großen, dichten Tannen. Dort, irgendwo weiter hinten auf der rückwertigen Seite des Palastes, lebte sie. Hatte sie etwas von seinem Besuch in der Nacht bemerkt? Schlief sie vielleicht noch? Sicher tat sie das. Was sollte sie sonst den ganzen Tag tun? Irgendwo in seinem Innern begriff er langsam, dass er sich wünschte ihr helfen zu können. Was konnte er unternehmen, um ihr dieses einsame, grausige Dasein, das sie fristete, zu erleichtern, bis sein Vater endlich eine Möglichkeit gefunden hatte, sie von dem Fluch zu befreien? Und wie konnte er seinem Vater dabei behilflich sein, die Erlösung für Nozomi zu finden? Allmählich verstand er das Mitleid und die Sorge um das Mädchen, mit der Akira und der Fürst umzugehen versuchten. Diese Gefühle waren neu und ungewohnt... Aber waren sie denn nicht einfach nur eine Folge des Öls gewesen, das in ihrem Zimmer verbrannt wurde? Warum spürte er sie noch immer? „Sesshoumaru“, er sah auf zu dem Weg, der den Haupteingang seines Hauses mit dem des Harems seines Vaters verband. Seine Mutter trat auf ihn zu. In ihrem Gesicht war nicht zu erkennen, ob sie sich um ihn sorgte, oder doch enttäuscht und wütend wegen seines Scheiterns war. Die Inu no Kami blieb dicht vor ihm stehen und sah ihm fest und unerbittlich in die Augen. „Wie hast du geschlafen?“, fragte sie unnützer Weise, doch es war ein sicheres Indiz dafür, dass sie ungehalten wegen seines Versagens war. Anstatt nach seinem Schlaf zu fragen, hätte sie ihn auch ohrfeigen können und für verloren erklären. „Lassen wir dieses Thema, Mutter, und sagt mir, was Ihr von mir wollt.“ Ihre Augen verengten sich kaum merklich zu Schlitzen und ihre Stimme wurde leiser, tiefer und eindringlicher: „Sie lebt noch immer!“ Was für eine Offensichtlichkeit. Sesshoumaru sah seine Mutter einfach ohne Regung an, so redete sie weiter: „Hattest du mir nicht etwas versprochen? Gestern Abend, erinnerst du dich?“ War diese Frage ehrlich gemeint? Er nahm den Blick von ihr und schritt einfach an ihr vorbei, den Weg entlang. „Sesshoumaru!“, donnerte es ihm hinterher, also blieb er stehen – immerhin gehörte es sich so – damit sie wieder aufschließen konnte. „Mein Sohn, wir hatten einen Plan!“, raunte sie ihm noch einmal zu und er sah über die Schulter zu ihr zurück. „Warum, Junge? Warum hast du es nicht getan?“ Das war wohl die Frage des Tages. Er wünschte, er könnte sie sich selbst beantworten, doch dazu war er nicht in der Lage. Fakt war, dass er etwas Vergleichbares – wie das, was er durch den Rauch in Nozomis Gemächern gespürt hatte – noch nie wahrnahm. Was auch immer der Rauch mit ihm gemacht hatte, er hatte eine Tür zu seinem Inneren geöffnet, die er nun nicht mehr schließen konnte. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich um dieses Mädchen… Was war nur mit ihm geschehen und was konnte er dagegen tun? Der Schnee vor ihm knirschte und er wandte sich wieder von seiner Mutter ab. „Mein Prinz, meine Herrin, ich wünsche Euch einen wunderschönen guten Morgen.“, verkündete Akira, der mit einer Dienerin im Schlepptau den Weg in den Garten hinab stieg. Sesshoumaru spürte die aufkeimende Wut seiner Mutter im Nacken. Es gefiel ihr noch immer nicht, dass der Inu no Taishou einen weiteren Mann in die Gärten der Harems ließ. Doch auch wenn sie einen höheren Rang bekleidete als Akira, wäre sie nie auf die Idee gekommen etwas gegen ihn zu sagen, auch dann nicht, wenn ihr Mann offenkundig nicht in der Nähe war. Als Mann gebührte dem Arzt ein ganz anderer Respekt als ihr. „Guten Morgen, Akira.“, sprach sie daher lediglich hart und hielt sich dicht hinter ihrem Sohn. Missbilligend sah sie dabei zu, wie der Mann die Dienerin aufhielt, als sie mit ihrem Tablett den Weg verlassen wollte, um somit der Fürstenfamilie Platz zu machen. „Nicht doch, Kind, nicht doch. Komm her.“, er hielt sie fest und trat selbst vom Weg herunter, damit sie auf der nur spärlich geräumten Fläche verweilen konnte, bis der Prinz und die Fürstin an ihnen vorüber gegangen waren. Auch wenn er der Dienerin nicht das Tablett mit dem Frühstück für ihn und Nozomi abnahm, war er dennoch äußerst zuvorkommend gegenüber dem Mädchen. Lieber versank er bis zu den Knien im Schnee, als dass ihre Füße wegen ihm nass wurden. „Ihr seid auf dem Weg zu dem Mensch?“, fragte die Inu no Kami wenig begeistert und trat heran. „Zeig mir, was unter dem Tuch ist, Mädchen!“, forderte sie die Dienerin auf, die schnell die Platte auf einen Arm nahm, um den Schutz anzuheben und der Fürstin die Köstlichkeiten zu zeigen, die für den Arzt und den unliebsamen Schützling ihres Gatten hergerichtet wurden. Die Fürstin begutachtete es und spürte, wie der Hass in ihrem Herzen weiter wuchs. Es war wie immer, wenn ihr Mann eine neue Frau in seinen Harem holte. Und dass er nicht mit Nozomi schlief, das glaubte sie inzwischen nicht mehr. Er brach Regeln und Traditionen für sie, verbrachte unnatürlich viel Zeit mit ihr… Dass er sie noch am Vortag jedoch mit einem anderen Mann verheiraten wollte, das ignorierte sie in diesem Moment. Gift war alles, woran sie denken konnte. Wer wusste schon, ob dieses unwürdige Menschlein nicht inzwischen einen Mischlingsbastard unter dem Herzen trug… Sie musste etwas unternehmen! „Anstatt ein niederes Wesen von geringem Stand zu bewirten, solltest du dich um die Räumung des Weges kümmern!“, brachte sie schließlich mit hartem Blick und strengem Ton hervor. „Sieh dir den Saum meiner Gewänder an, der kostbare Stoff ist ruiniert.“ Gewohnheitsgemäß folgte die Dienerin der Anweisung und sah hinab. „Bitte verzeiht, meine Fürstin, ich werde mich sofort darum kümmern.“ Inu no Kami sagte nichts weiter dazu und warf noch einen vernichtenden Blick auf Akira – der jedoch weiterhin unverwandt lächelte – ehe sie ging. Allein. Sesshoumaru folgte ihr nicht, sah ihr lediglich hinterher und dann wieder auf die Dienerin hinab, die hilfesuchend zu Akira blickte. „Bringe dem Gast des Fürsten sein Essen, dann kümmere dich um den Weg.“, sprach der Prinz schneller, als er es selbst realisierte. Sowohl die Dienerin, als auch Akira hoben überrascht den Blick. Selbst seine Mutter hielt inne und lauschte. Ihr Gesicht versteinerte. Schließlich aber verneigte sich das Mädchen dankbar und mit einem Wink des Arztes lief sie weiter, er folgte ihr. „Sesshoumaru“, dies war eine eindeutige Aufforderung der Inu no Kami, dass er sie nun weiter begleiten sollte, doch ihr Sohn sah nur kurz zu ihr hinüber, dann wandte er sich ab und folgte Akira. „Sesshoumaru!“, rief die Inu no Kami noch einmal, doch da hatte er bereits den Arzt erreicht. „Mein Prinz“, sprach dieser überrascht. „Kann ich noch etwas für Euch tun?“ „Dieses Mädchen… Nozomi...“ Akira blieb stehen und sah ihn eindringlich an. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, dass der Prinz dieses Thema suchte. Kurz sah er zu der Fürstin, die sich ihnen mit großen Augen zuwandte. „Was ist mit ihr, mein Prinz?“ Er schwieg. Ja, was war eigentlich mit ihr? Warum hatte er Akira auf sie angesprochen? Er wusste es selbst nicht genau. Vielleicht hatte er einfach nur gehofft, dass der Arzt ihm etwas über sie erzählte. Woher dieses Interesse jedoch stammte war ihm schleierhaft und irritierte ihn im selben Moment. „Wünscht Ihr, dass ich Euch etwas über sie erzähle?“, fragte der Berater schließlich lächelnd und wandte sich ihm zu. Sesshoumaru sah ihn unverwandt an. Seine Art etwas zu bestätigen. „Sesshoumaru!“, sprach seine Mutter noch einmal. „Dein Vater erwartet uns. Halte dich nicht mit solchen Lappalien auf!“ Die beiden Männer sahen auf und zu der Fürstin hinüber. Akira war der Erste, der sich wieder von ihr abwandte und dem Fürstensohn vor sich in die Augen blickte. „Wenn Ihr es wünscht, mein Prinz, dürft Ihr mich gerne ein Stück begleiten. Euer Vater wird sicher nichts dagegen haben, wenn Ihr heute etwas später zu ihm stoßt. Immerhin geht es um Nozomi.“, sprach er so leise, dass die Herrin Probleme hatte ihn zu verstehen. Eine seltsame Ausrede, doch der Arzt hatte wohl Recht. Der Inu no Taishou schien dieses Mädchen zu verehren. Er verbrachte den größten Teil seiner ohnehin bereits knapp bemessenen Zeit in ihren Gemächern und im Gegensatz zu seiner Mutter glaubte Sesshoumaru nicht an eine Affäre. Sein Vater betrachtete Nozomi wie die Tochter, von der sein Sohn wusste, dass er sie sich schon lange wünschte. Was also sollte der Fürst dagegen haben, wenn Sesshoumaru an diesem Tag etwas später vor ihn trat als gewöhnlich, wenn er in dieser Zeit mit seiner „Schwester“ zusammen war? Wobei… Wollte er wirklich noch einmal in dieses Zimmer und den zum Dämon gewordenen Menschen sehen? „Sesshoumaru“, seine Mutter wurde langsam ungehalten. Doch er wandte sich von ihr ab und antwortete: „Sagt Vater, dass ich später nachkomme.“ Entgeistert musste die Inu no Kami dabei zusehen, wie ihr Sohn sich dem Arzt anschloss und sie zu zweit den Weg zurück zu den Gebäuden folgten. Sie schwiegen einige Sekunden, bis die Dienerin sie an sich hatte vorüber gehen lassen, um in gebührendem Abstand zu folgen. „Nun, mein Prinz, dem Mädchen geht es sehr gut.“, verkündete Akira schließlich. „Sie hat ihre Grippe gut überstanden. Ihr wisst sicher, dass sie krank war, nachdem ihr sie vor einigen Wochen zurück brachtet. Doch inzwischen sind auch die letzten Symptome wieder abgeklungen.“ Akira sah in das Gesicht seines Herrn, doch der schwieg und starrte in die Ferne, als sei er vollkommen woanders. Ein Trugschluss. Akira wusste genau, dass sein Prinz ihm alle Aufmerksamkeit schenkte. „Weiterhin darf ich Euch versichern, dass sie inzwischen kein Mensch mehr ist, wie Eure Mutter meint. Wenn ihr sie nun sehen würdet, würdet ihr sie nicht mehr wiedererkennen können und von all den anderen Dämoninnen unterscheiden.“ „Was ist mit dem Fluch?“ Akira nickte, nun verstand er endlich den Grund für Sesshoumarus Interesse. „Ihr müsst keine Sorge um Eure Frauen haben, junger Herr. Um den Fluch der schwarzen Braut zu unterdrücken, wird – wie ihr wisst – in ihren Gemächern ein Öl verbrannt, welches Nozomi betäubt. Es mag nicht ratsam sein für schwächere Dämonen in ihre Nähe zu kommen, doch es sollte nicht noch einmal geschehen, dass der Fluch eine Frau anlockt, so wie Eure Geliebte Suzume. Die leeren Gemächer der Prinzessinnen sind für alle Bewohner der Gärten strikt verboten. Außer mir und Eurem Vater wagt sich ohnehin niemand hinein. Empfehlen würde ich es auch nicht. Die Betäubung nagt auch an uns. Länger als ein paar Stunden ist uns ein Besuch bei Nozomi nicht möglich.“ Wie trostlos das doch war, musste Sesshoumaru sich eingestehen. Er konnte es sich nicht vorstellen so einsam und isoliert zu leben. Sicherlich mochte er die Zeit, die er nur für sich allein zur Verfügung hatte, doch diese suchte er sich selbst aus. Wenn er abgeschieden von den anderen Dämonen in dieser Festung existierte, dann wusste er, dass er diesen Moment für sich allein bestimmt hatte. Jederzeit konnte er hinaus in den Garten treten oder in die Zimmer seiner Haremsdamen und hatte Gesellschaft, doch bei Nozomi war das etwas anderes. Sie lebte isoliert von allem Leben in diesen Zimmern einer ungeborenen Prinzessin, saß am Tisch oder lag auf ihrem Bett, starrte Löcher in die Luft und zog verlorene Kreise über die polierten Dielen, wie ein eingesperrtes Tier. Nur darauf wartend, dass irgendwann ihre Kerkermeister zu ihr kamen, um ihr etwas Freude zu bringen. Kerkermeister. Das war die perfekte Umschreibung dafür, was Akira und sein Vater trotz aller guten Vorsätze waren. Wusste Nozomi überhaupt, wann Tag und wann Nacht war? Ahnte sie überhaupt, dass der Schnee zweimal geschmolzen und neu gefallen war? Hatte ihr jemand gesagt, dass sich die Äste und Zweige der Kirschbäume bereits auf den nahenden Frühling vorbereiteten? Dieses Gefühl, da war es schon wieder… Mitleid, er hatte es in der vergangenen Nacht gelernt und nun brannte es erneut ein tiefes Loch in sein Herz. Als er tief durchatmete um den sauren Geschmack in seiner Kehle loszuwerden, sah Akira erneut zu ihm auf. „Mein Herr?“, fragte er, als versuche er in seine Seele zu blicken. „Sie darf also niemals hinaus.“ „Nein, mein Herr, das darf sie nicht. Zum Schutz aller sollte dies niemals geschehen.“ Der Prinz schwieg eine Weile, dann sah er erhaben auf den Berater seines Vaters hinab. „Das ist kein Leben, das ist Folter.“, erklärte er hart, dass es Akira eiskalt den Rücken hinunter lief. So hatte er es noch nie gesehen und auch, wenn Sesshoumaru das Gesagte nicht weiter ausführte, so wusste er doch, was der Prinz meinte. „Ihr helft dem Mädchen nicht, ihr haltet sie gefangen wie ein Tier.“ Akira atmete durch. „Was sollen wir Eurer Meinung nach tun, mein Prinz? In der Zeit ihrer Krankheit wurde der Fluch immer stärker. Sachi und Suzume konnten sich ihr nicht mehr nähern, ohne in Panik zu geraten. Es gab Momente, in denen wir den schwarzen Schleier der Braut in ihren Augen sahen und dann die Nacht, in der Suzume unwissentlich von ihr angelockt wurde… Wenn wir Nozomi aus diesen Gemächern heraus lassen, dann könnte sie uns alle gefährden und dann müssen wir sie umbringen. Es ist mir bewusst, dass Ihr für derlei Dinge kein Mitleid empfinden könnt, doch trotz allem ist Nozomi ein unschuldiges Kind. Sie hat den Tod nicht verdient, nur weil Ihr Vater sie dazu verdammt hat.“ Nun war es an Sesshoumaru zu schweigen. Er würde es vor dem Arzt nicht zugeben, doch er verstand sehr wohl, was er meinte. „Der einzige Ausweg, mein Prinz, ist das Zerschlagen des Fluches. Nur wenn er gebannt wird, kann Nozomi das Leben einer Dämonin führen, wie sie es verdient hat.“ Der Unterton in seiner Stimme war eindeutig: Heiratet sie, Sesshoumaru. Doch das konnte er nicht. Dazu war er einfach nicht in der Lage – oder vielleicht auch einfach noch nicht bereit. Sie erreichten die hintere Terrasse des Harems des Fürsten und stiegen die Stufen empor. Akira wandte sich der Dienerin zu, die sichtlich nervös wurde. Sie spürte nicht den Fluch und die Gefahr – durch die Betäubung Nozomis war dies gar nicht möglich – doch sie wusste, dass hinter diesen Wänden ein großes Unheil verborgen lag. „Danke, Kind. Nun kümmere dich um das, was dir deine Fürstin auftrug.“ Sie verneigte sich gerade und wollte verschwinden, als Sesshoumaru sie noch einmal aufhielt. „Nein, warte.“ Erschrocken sah sie ihn an, verneigte sich dann tief und wartete in dieser Stellung, bis er weitersprach: „Geh in meine Gemächer und bringe den Go-Tisch und die Steine her.“ Sie stellte den Befehl nicht weiter in Frage und lief los, lediglich Akira sah seinen Prinzen prüfend an, als sie weg war: „Der Go-Tisch?“ „Nimm ihn mit zu ihr, Akira. Bring es ihr bei, damit sie sich wenigstens etwas beschäftigen kann.“ Er würdigte den Berater seines Vaters keinen Blick mehr und wandte sich zum Gehen. „Aber mein Prinz, den Go-Tisch hat Euch Euer Vater geschenkt.“ Sesshoumaru ignorierte diesen Einwand. Er sah es nicht ein, dass er sich vor Akira wegen seiner Entscheidung rechtfertigen sollte. Er hätte eh nicht gewusst, wie er ihm erklären sollte, dass ihm das Mädchen leid tat und er ihr die quälend langen Tage etwas erträglicher gestalten wollte. Wenn er so eingesperrt wäre… „Mein Herr Sesshoumaru, wartet noch einen Moment.“ Nun Gut, diesen Gefallen tat er Akira dann doch. Er hielt inne und sah zu ihm zurück. „Würdet Ihr vielleicht mir und Nozomi die Ehre erweisen, mit uns zu frühstücken? Sicher würde sie sich sehr darüber freuen, wenn Ihr das Spiel persönlich in ihrem Zimmer aufbaut. Da sie auch immer nur mich und Euren Vater sieht, ist ein neues Gesicht mit Sicherheit ebenfalls erfreulich. Darüber hinaus“ – er lächelte nun wieder freundlich – beinahe aufdringlich – wie immer – „wisst Ihr, dass ich kein besonders guter Go-Spieler bin und Eurer verehrter Herr Vater hat nur wenig Zeit, wenn er Nozomi besuchen kommt. Wer wäre ein besserer Lehrer als Ihr?“ Sesshoumaru ließ die Worte einige Augenblicke auf sich wirken. Im Hinblick auf die Enthüllung des Vortages war er sich sicher, dass hinter dieser Idee von Akira noch mehr steckte. Und dennoch… Sesshoumaru drehte sich wieder herum und betrachtete das Gemäuer, hinter dem das Mädchen hauste. Er musste sich eingestehen, dass der Gedanke ihrer Nähe einen erschreckend positiven Einfluss auf sein gestähltes Inneres hatte. Nach dem, was er in der letzten Nacht erlebt hatte, schien sie so etwas wie Interessant für ihn zu sein. An ihm vorbei eilte die Dienerin, die den sperrigen Tisch zu Akira trug, auf dem sie die Krüge mit den Steinen balancierte. Der Arzt nickte ihr kurz zu und wartete dann, bis sie weg war. „Nun, mein Prinz? Was sagt ihr? Ich kann unmöglich das Essen und den Tisch zeitgleich hinein tragen.“ – eine Lüge, doch das bemerkte Sesshoumaru nur am Rand. Er zögerte noch einen Augenblick, dann kam er wieder zu ihm zurück. Als Antwort hob er einfach den Tisch an. Akira nickte zufrieden und schob bereits die Tür zu dem Gang auf, der zu Nozomis Zimmer führte. Es war still in dem Zimmer, zu still, wie Sesshoumaru bemerkte. Nozomi und er redeten generell nur selten miteinander, doch an diesem Tag schien es noch leiser zu sein, als die Wochen zuvor. Wie eine Statue seiner selbst, saß er da, über ein Pergament gebeugt – welches er auf Bitte seines Vaters las – und wartete darauf, dass Nozomi ihren nächsten Zug auf dem Go-Brett machte. Doch das Mädchen bewegte sich nun schon seit Minuten nicht mehr, ebenso wie seine Augen nicht, die an einer Stelle auf dem Pergament verharrten, seit die Stille in seine Knochen zu kriechen schien. Ohne eine Kopfbewegung hob er den Blick und betrachtete die eisblauen Augen des Mädchens, die in der Schale mit den weißen Spielsteinen zu versinken schienen, die sie mit ihren zarten Händen umklammerte. Ihr glänzendes, schneeweißes Haar breitete sich auf dem Boden um sie herum aus. Ihm fiel auf, dass sie mit jedem Tag immer kränklicher wirkte. Das Los der Isolation und Einsamkeit nagte schwer an ihrer Substanz. Er senkte wieder den Blick und erinnerte sich an die vergangenen Tage. Seit er ihr den Go-Tisch gebracht hatte, saß er jeden Tag bei ihr, um mit ihr zu spielen. Anfangs hatte Akira ihn begleitet und gelegentlich saß sein Vater ebenfalls dabei, doch die meiste Zeit war er mit ihr allein. Sie wechselten kaum ein Wort und genau das hatte er an ihrer Gesellschaft gemocht. Seine Haremsdamen redeten viel, um für sie peinliche Momente zu überspielen, oder fragten ihn nach seinen Wünschen aus, wie sie ihn verwöhnen konnten, doch Nozomis Nähe ertrug er über Stunden hinweg, ohne sich von ihr belästigt oder bedrängt zu fühlen. Früher hatte er sich nach einem Tag in der Festung nach Ruhe und Entspannung allein gesehnt, oder nach den weichen Rundungen seiner Frauen, doch nun erwischte er sich dabei, wie er die Zeit zählte, bis er in der friedliche Atmosphäre von Nozomis Zimmern eintauchen konnte. Hier war er nicht allein und doch nicht zur Kommunikation gezwungen. Nozomi ließ ihn er selbst sein und er brauchte nicht zu tun, als sei er jemand anderes. Dass dies womöglich eine Wirkung des Rauches war, darüber dachte er nicht mehr nach. Heute allerdings war etwas anders. Die Stille, die sie beide einhüllte, war selbst ihm zu viel. Er atmete lautlos aus und ließ das Pergament sinken. Selbst als er den Kopf hob, reagierte Nozomi nicht darauf. So betrachtete er ihre versunkene Gestalt erneut. Sanft strichen ihre Finger über einen der Steine. „Nozomi“ Erschrocken hob sie den Blick, als er sie ansprach. „Verzeiht, mein Prinz, ich habe nicht zugehört. Würdet Ihr es noch einmal wiederholen?“ „Du bist nicht bei der Sache.“, erklärte er stattdessen. „Oh, ja, verzeiht mir bitte, mein Herr.“, sie sah eilig auf das Spielfeld hinunter, stellte das Behältnis mit den Spielsteinen weg und hob die Hand, auf der Suche nach dem perfekten Ort für ihren nächsten Zug, doch Sesshoumaru hielt sie auf. Bestimmt griff er nach ihrem Handgelenk und nahm mit der zweiten Hand den Stein aus ihren Fingern. Von der plötzlichen Berührung aufgeweckt, vergrub Nozomi die Nägel der freien Hand in dem Stoff ihres einfachen Gewandes. Da sie niemals dieses Zimmer verließ, machte sie sich inzwischen nicht mehr die Mühe sich ordentlich zu kleiden, wenn der Fürst ihr auch regelmäßig die wunderschönsten Gewänder zum Geschenk machte. „Rede!“, verlangte Sesshoumaru, als er ihren Spielstein beiseite gepackt hatte und ihre Hand wieder ablegte. Sie zögerte einen Moment, dann nahm sie den Stein wieder auf und packte ihn zurück in die Schale, wo die anderen warteten. „Es ist nichts, mein Prinz. Bitte verzeiht, dass ich Euch Sorgen bereitet habe. Ich verspreche künftig eine bessere Gesellschaft zu sein.“ „Ich wäre schon lange nicht mehr hier, wenn mich deine Gesellschaft stören würde.“, klärte er sie auf und sah sie weiter forschend an, doch wie immer hob sie ihre Augen nicht, um seine zu suchen. Es war selten, dass sie ihm einen unverfälschten Blick in dieses sagenhaft klare Eis gewährte, das wurde ihm in diesem Moment erst wirklich bewusst. Sie war tatsächlich gut erzogen, doch er stellte fest, dass ihn dieser Umstand störte, wenn sie alleine waren. Immerhin schenkte sie Akira und auch seinem Vater ungetrübte Blicke und gelegentlich ein Lächeln. Unweigerlich überlegte er, ob sie es nicht vielleicht war, sie seine Nähe nicht mehr ertragen konnte und nicht anders herum… Nozomi hob den Kopf und sein Körper spannte sich an, doch sie drehte ihren verführerischen Hals nur zu einer der Wände und schien durch sie hindurch sehen zu wollen, in den Garten. „Als ich heute Morgen aufgewacht bin, da habe ich die Vögel zwitschern gehört.“, flüsterte sie. Das musste der Grund dafür gewesen sein, dass sie so bedacht darauf war keinen Ton von sich zu geben. Selbst mitten im Palast des Harems, umgeben von endlos leeren Zimmern, konnte ihr feines dämonisches Gehör das Erwachen der Tiere im Garten hören, wenn sie still war und lauschte. Als Sesshoumaru einatmete schmeckte er beinahe ihre Trauer und Verzweiflung. Nozomi sehnte sich nach dem Leben und der Gesellschaft anderer, doch zeitgleich wusste sie, dass sie es niemals zurückerlangen würde. Der Fluch hielt sie an diesem einen Ort gefangen und egal, wie sehr sie hinaus an die Sonne wollte, sie wusste, dass sie eingesperrt bleiben musste, zum Wohle aller anderen. „All das hat keinen Sinn mehr…“, flüsterte sie ergeben und er spürte den Stich in seinem Innern, als hätten ihn tausende Pfeile getroffen, um ihn nieder zu strecken. „Meinen Fluch werde ich niemals los. Ich sitze hier bis in alle Ewigkeit, es sei denn…“ Sie schloss die Lider und drückte so die Träne aus ihrem Augenwinkel. Er wusste genau, was sie sagen wollte. Er kannte ihren unausgesprochenen Wunsch. Doch auch, wenn er ihr genau diesen vor Wochen erfüllen wollte, so versetzte ihm das Wissen um ihren Todeswillen nun einen Tritt in den Magen. Panik kroch in all seine Glieder, doch er beherrschte sich, um sie ihr nicht zu zeigen. Ganz zu schweigen davon, dass er selbst nicht wusste, wie er mit dieser Angst umzugehen hatte. „Du wirst nicht sterben, Nozomi.“ „Ich weiß, dass Euer Vater es nicht gestattet. Und ich bin im Dankbar für alles, was er für mich getan hat, doch ich kann nicht mehr, mein Prinz. Ich wünschte es käme jemand, der mir diese Last endlich nimmt. Doch es wird keiner kommen. Keiner wagt es, sich mir zu näher. Sie haben Angst vor mir. Wie lange lebt ein Dämon? Wie lange muss ich das ertragen?“ „Ein Dämon stirbt nur, wenn sein Leben beendet wird.“, erklärte Sesshoumaru überflüssiger Weise. Seine Worte waren nicht das, was Nozomi sich erhofft hatte. Doch womöglich hätte er sagen können, was er wollte, alles hätte die gleiche Reaktion hervorgerufen. Nozomi schniefte leise und hielt sich den großen Ärmel vor die Nase. Er wusste nicht, wie er sich in dieser Situation verhalten sollte, also nahm er die Schriftrolle seines Vaters und rollte sie respektvoll zusammen. Als er die kleine Kordel zusammen drehte, hatte sich seine Gesellschaft wieder gefangen. Nozomi wusste, dass Sesshoumaru nun gehen würde – er war bereits lange bei ihr und seine Körpersprache verriet, dass er bereit zum Aufbruch war – daher sammelte sie die Steine vom Spielbrett ein. Als er sich endlich erhob folge sie der Bewegung und eilte ihm hinterher zur Tür, um ihn zu verabschieden. „Bitte, mein Prinz“, er hielt inne und sah bei ihren Worten mit der Hand auf der Tür zurück. „Ich bitte Euch, verzeiht meinen Gefühlsausbruch und sagt kein Wort zu dem Fürsten und Akira. Sie waren gut zu mir, ich möchte nicht undankbar erscheinen.“ Er sah hinab auf ihre Hände. Nervös spielte sie mit ihren Fingern. „Wir finden einen Weg, Nozomi.“ Als sich auf seine Worte ihr Blick hob, wollte er schreien. Diese Verzweiflung, dieses Flehen… Doch sie schaffte es noch immer nicht ihm für längere Zeit in die Augen zu blicken. „Ich will Euch nicht zur Last fallen…“, flüsterte sie verloren und ließ den Kopf wieder sinken. „Es gibt keinen Weg, mein Prinz.“ Es gab einen. Dieser Gedanke strich ihm jeden Tag durch den Kopf. Jeden Abend dachte er über ein Leben mit Nozomi nach und über die Konsequenzen, die es mit sich brachte. Egal ob er es nun tat oder nicht. Doch die wichtigste Frage war wohl: Konnte und wollte er Nozomi zu seiner Prinzessin machen? Er wusste es nicht. Er wusste so vieles nicht, seit er sie kannte. Vor ihr war sein Leben geregelt und klar strukturiert gewesen, doch nun war alles anders. „Keiner von uns wird aufgeben und dabei zusehen, wie du dich umbringst, wenn du das erwartest.“ Sie zog den Kopf ein. Nein! So war das nicht gemeint! Er wollte sie nicht rügen. Er wollte nicht, dass sie vor ihm zurückwich. Er löste die Hand von der Tür und wandte sich ihr vollends zu. „Nein, natürlich erwarte ich so etwas nicht.“, flüsterte sie ergeben und verneigte sich artig zum Abschied. „Entschuldigt mein ungebührliches Verhalten. Ich bin Euch selbstverständlich dankbar, dass Ihr Eure Zeit für mich geopfert habt.“ „Hör doch endlich auf dich zu entschuldigen.“, er hob eine Hand und zwang ihren Kopf in den Nacken und damit auch ihren Körper wieder in eine gerade Position, damit sie ihn ansah. „Und bedanken, brauchst du dich auch für nichts. Du bist eine Gefangene in dieser Festung.“ Sie sah ihn erschrocken an. „Was? Nein! Nein, das bin ich nicht. Euer Vater will nur mein Bestes!“, beeilte sie sich zu sagen. „Mein Vater hält dich hier gefangen, weil du eine Gefahr für uns alle darstellst.“ „Nein! Nein!“, beeilte sie sich zu sagen, schüttelte schnell den Kopf und löste so seinen Griff von ihrem Kinn. „Er versucht einen Weg zu finden, damit ich…“ „Es gibt nur einen Weg und das weißt du.“ Sie hielt inne und sah ihn kurz entsetzt an, dann drehte sie sich weg. Quälend langsam hoben sich ihre Arme und verschränkten sie in den Ärmeln. Es war beinahe zu hören, als sie hart schluckte und die Augen schloss. „Geht bitte, mein Prinz. Ich bin müde und ich fürchte, dass der Rauch des Öls Euch nicht bekommt.“ Er knurrte leise. Selbst wenn er gewollt hätte, er hätte das Geräusch nicht unterdrücken können. Denn in einer Hinsicht hatte sie Recht: Die betäubende Wirkung des verbrennenden Öls vernebelte seine Sinne. So war er nicht mehr dazu in der Lage seine Emotionen zu verbergen, wenn er gereizt wurde. Und dieses Mädchen… Wie konnte sie nur nicht sehen, was sein Vater mit ihr anstellte und ihn weiterhin verteidigen, obwohl er sie mit dieser Information zu erschlagen versuchte? Das war nicht richtig. „Nozomi“, presste er zwischen den Zähnen hervor, doch sie drehte den Kopf beinahe noch weiter von ihm weg, wenn das denn überhaupt noch ging. Sie wollte nichts mehr hören, sie wollte, dass er ging… Das konnte er nicht hinnehmen! Er war gütig gewesen und hatte sich mit ihr beschäftigt. Er musste sich mit ihr arrangieren, nicht sie mit ihm. Und nun wagte sie es ihn hinaus zu werfen? „Nozomi“, sprach er noch einmal bedrohlich und ließ die Schriftrolle achtlos fallen, kam langsam zu ihr hinüber. Das Geräusch des auf dem Boden aufschlagenden Holzes ließ sie zusammen zucken und sie sah erschrocken zurück. Im selben Moment griff er ihren Arm und wirbelte sie wieder zu sich herum. „Mein Prinz? Bitte, verzeiht mir noch einmal, ich hab nicht nachgedacht!“, brachte sie plötzlich hervor. „So redest du nie wieder mit mir!“, er griff nach ihren Schultern, seine Hände zogen sich wie Schraubstöcke zusammen. Er schnaubte, als er noch einmal sagte: „Du musst dich für dieses Dasein hier nicht bedanken.“ „Doch“, flüsterte sie. „Jeder andere hätte mich weggeschickt, mich meinem Schicksal überlassen oder umgebracht.“ Da war etwas Wahres dran. Er beruhigte sich wieder. Sein Griff lockerte sich und seine Augen versanken in ihren. „Und hier kümmert Ihr Euch um mich. Und Euer Vater und Akira. Ich bin einsam, aber ich weiß, dass ihr mich nicht allein lasst. Dafür bin ich Euch dankbar, mein Prinz Sesshoumaru.“ Er spürte das Zittern in seinen Fingern und wie es langsam seine Arme hinauf kroch. „Doch ich spüre, dass ich Euch eine Last bin.“ Seine Hände glitten langsam an ihren Oberarmen hinab, passierten jedoch nicht die Ellenbogen. „Und diese eine Möglichkeit der Erlösung…“, Nozomi stockte und biss sich auf die Unterlippe. Sie wusste nicht wie viel Sesshoumaru hierüber wusste, also sagte sie: „Niemand weiß, wer der eine ist, der mich erlösen kann.“ – Sesshoumaru schloss die Augen und senkte den Kopf – „Es könnte jemand sein, der am anderen Ende der Welt lebt, oder der erst geboren wird, oder schlimmer: Der bereits verstorben ist. Und ungeachtet aller Überlegungen weiß er nicht von mir. Und ich weiß nicht, ob ich so lange warten kann, bis er zu mir kommt …“ Sesshoumaru öffnete wieder die Augen. Dieser letzte Satz war für ihn beinahe schlimmer, als jede Ohrfeige, die er durch seine Mutter im Laufe seiner Kindheit erhalten hatte. Er sah sie an, doch sie wich aus. Sie drehte den Kopf seitlich, zog die Schultern leicht an und verschränkte die Arme erneut. „Wehe du tust etwas Unüberlegtes.“, brachte er noch einmal hervor. „Keine Sorge, für das was Ihr meint, bin ich ohnehin nicht stark genug.“ Sie erwartete, dass er sie nun endlich los lies und ging, doch stattdessen zogen seine Hände sanft an ihr. Ehe sie den Kopf irritiert zu ihm drehen konnte, drückte er ihre Wange an seinen Brustkorb und schlang beide Arme schützend um sie. Sie erstarrte vor Schreck. Sie standen eine Weile so da, bis Nozomi merkt, wie ihre Muskeln sich verkrampften, doch auch Sesshoumaru wagte nicht mehr sich zu bewegen. Was zum Geier tat er hier eigentlich? Er sollte sie loslassen und gehen. Seine Mutter erwartete in sicherlich bereits im Thronsaal, wie jeden Tag zur Besprechung der Berater. Wenn er nicht bald dort auftauchte, würde sie einen Diener hinter ihm herschicken. Sie war ohnehin nicht begeistert von seinem neuen Zeitvertreib, Go spielen mit Nozomi. Wenn ihn nun auch noch einer mit ihr… Er wurde aus den Gedanken gerissen, als das Mädchen sich plötzlich bewegte. Sie verlagerte das Gewicht auf ihren Beinen und drehte die Hüfte, um sie gleichmäßig zu belasten. Sie hatte beinahe wie ein Schluck Wasser in seinen Armen gehangen. Doch so drückte sie sich nur umso fester an ihn. Er spürte ihre schmale Taille unter seinem Arm, die Kurven, die sich zur Hüfte und zum Gesäß formten und die weichen Brüste unter ihrem Stoff, die sich schutzsuchend an ihn drückten. Er wollte sie. War diese Reaktion real? Egal. Er wollte sie. Zum Henker mit diesem Treffen, einen Tag würde seine Mutter das auch ohne ihn überstehen. Sein Vater war ohnehin hellauf davon begeistert, dass er Zeit mit Nozomi verbrachte und wenn er hörte, dass er nicht zu dem Treffen erschienen war, weil er sie geliebt hatte, dann würde er es ihm sicher verzeihen… … weil er sie geliebt hatte… Sein Mund wurde trocken. Seine Arme zogen sich fester um sie zusammen. Als sich Nozomi ein zweites Mal bewegte, folgte er. Er richtete die Arme, verlagerte das Gewicht neu, trat einen Schritt an sie heran und blickte hinab. Sie kam im bereits näher. Ihre Wangen waren rot. Langsam, zaghaft… Er hob eine Hand, strich ihr über ein Ohr und mit der Hand in den Nacken, zog ihren Kopf weiter zurück und überwand die letzten Millimeter. Sie zitterte, als ihre Lippen sich trafen. Ihre Lunge füllte sich tief mit der Luft und blähte sich soweit auf, wie es nur ging. Dann hielt sie den Atem an. Er setzte kurz ab und erneut an, doch noch immer holte sie keine Luft. „Du musst atmen Nozomi…“, flüsterte er. „Ich weiß… ich kann nicht.“, hauchte sie zurück, was ihn kurz zum Lächeln brachte. „Dann halt dich fest.“ Sie nickte und ließ es zu, wie er ihre Arme um seinen Nacken schlang, sie erneut an sich drückte und den Mund auf ihren drückte. Endlich schien sie es verstanden zu haben. Sie schloss genießend die Augen und öffnete leicht die Lippen. Sanft strich er mit der Zunge darüber und drang dann in sie ein. Sie seufzte und sog zittrig die Luft ein. Er wusste, dass sie unschuldig war, doch es so offensichtlich zu spüren, war etwas vollkommen anderes. Ihre Empfindungen, die sie bei ihrem allerersten Kuss verspürte, durchströmten ihn ebenso wie sie. Scheinbar zwang der Fluch der schwarzen Braut einen nicht nur dazu ihr Leid zu teilen, sondern auch all ihre anderen Gefühle. War es dann nicht nur Mitleid gewesen, das er empfunden hatte, als er sie in ihrem Traum beobachtete? Ersteres war von ihm ausgegangen, das wusste er nun, da es ihn jeden Tag auch außerhalb ihrer Räume begleitete, doch war da nicht noch etwas anderes gewesen? Die Sorge, die Liebe… Er wollte es auch empfinden! Er wollte es für sie empfinden! Sie musste es ihm zeigen! Er strich mit den Händen über ihre Taille und ließ sie auf ihrer Hüfte ruhen. „Suchen wir uns einen bequemeren Platz.“, flüsterte er und sie konnte nicht anders, als zu nicken. Sie war so aufgeregt. Und willig. Er spürte den Kitzel auch in seinem Bauch, den sie bei seinen Berührungen empfand. Er küsste sie erneut und drängte sie langsam rückwärts zu dem Bambusvorhang, der ihre Schlafstätte von ihrem Wohnbereich trennte und… Es klopfte an der Tür. „Nozomi“, rief eine Dienerin zittrig. Überrascht sah die Angesprochene zu Sesshoumaru auf, dann löste sie sich schnell von ihm. „Nozomi, die Fürstin schickt mich. Sie sucht nach dem Herrn Sesshoumaru. Ist er noch bei dir?“ Sie sah ihn noch einmal an, dann eilte sie an ihm vorbei zu der Tür und schob sie schnell auf. Die Dienerin wich zurück, doch als sie merkte, dass Nozomi ihr nicht feindlich gegenüber trat, sondern peinlich berührt mit hoch roten Ohren, musste sie fast lachen. Sie hatte sich Sorgen gemacht, als die Fürstin sie explizit bis zu diesem Zimmer schickte, doch nun schien es ihr, als sei hier keine Gefahr für sie vorhanden… Dann aber sah sie Sesshoumaru und verneigte sich kurz. „Mein Herr, verzeiht, wenn ich störe, aber die Fürstin…“ „Ich hab es gehört.“, verkündete er hart wie eh und je und wandte sich noch einmal an Nozomi. „Ich komme wieder, sobald das Treffen beendet ist.“ „Ich werde warten.“, flüsterte sie zur Bestätigung. Sie hatte Recht! Ganz eindeutig hatte seine Mutter Recht. Wie konnte er nur so dumm sein und sich auf diesen Kuss einlassen? Sicher hatte es ihm gefallen und als es geschah hatte er es nicht bereut, doch die Inu no Kami hatte ganz eindeutig und unumstößlich Recht. Es war nicht normal. Schon gar nicht für ihn. Er war ein Dämon, der Sohn eines Fürsten dazu, und er hatte sich einem Menschen auf unnatürliche Weise genähert. Wenn sie doch nur nicht dahintergekommen wäre… Aber was hatte er erwartet? Die Dienerin hätte vielleicht nichts gesagt, wenn die Fürstin nicht verlangt hätte zu wissen, wo er so lange geblieben war. Seine Information, dass er – wie immer – seinen Vormittag bei Nozomi verbracht hatte, hatte sie natürlich nicht zufrieden gestellt. Sie wollte mehr wissen… Und hatte es erfahren… Was folgte, war ihm zu viel gewesen. Er war selbst irritiert von dem Geschehenen und schaffte es nicht, seinen Kopf nach diesem Kuss zu ordnen. Und dann stand die Inu no Kami vor ihm, um ihn für sein Verhalten zu rügen. Sie war es – nicht sein Vater – die sich darüber aufgeregt hatte, dass er zu spät zu dem Treffen in dem Saal erschienen war. Und dann noch wegen ihr. Nozomi. Für seine Mutter war die Fünfzehnjährige auch weiterhin nichts anderes als ein Mensch. Auch wenn er ihre körperliche Veränderung selbst gesehen hatte und ihre nicht-menschliche Präsens zu spüren bekam – wodurch er es besser wissen musste – musste er ihr zustimmen: Ein Dämon wurde man nicht einfach so. Man wurde als solcher geboren oder eben nicht. Wenn nicht, dann war man nichts als ein bedauernswerter Mensch, weit unterhalb seiner Würde, oder gar einer dieser widerlichen Bastard-Mischlings-Kinder. Egal was davon sie war: Sie war seiner nicht würdig… Und dennoch, nach diesem Kuss war eindeutig alles anders. Er hatte nicht zuhören könne, starrte stattdessen nachdenklich auf die glänzenden Planken des Bodens. Alle Anwesenden hatten vermutlich geglaubt, dass er sich das, was sie sagten, sehr zu Herzen nahm – irgendetwas mit plündernden Dämonen und politischen Beziehungen außerhalb ihrer Ländereien – doch tatsächlich geisterte Nozomi durch seinen Kopf. Ihre Lippen, ihr Körper und der Einfluss ihrer Gedanken und Gefühle auf seine physische und psychische Substanz. Er stieß frustriert-aggressiv die Luft aus und ließ sich auf sein Sitzkissen sinken. Selbst jetzt noch – die Sonne war bereits seit Stunden untergegangen, die Nacht näherte sich ihrem Höhepunkt – war er von ihrer Präsenz gefangen. Dabei hatte es doch nur eine Möglichkeit gegeben, wie er zu all den Gedanken und Gefühlen kam: Dieser verfluchte Rauch, mit dem sie Nozomi betäubten. „Dieses Öl ist schuld, mein Sohn, glaube mir. Wie sonst solltest du einem wertlosen Menschen so nahe kommen?“ Und mit diesen Worten seiner Mutter am Abend musste sie doch einfach Recht haben! Doch warum spürte er es noch immer… Und was war das Andere, was sich da in seiner Seele ausbreitete? Sein Atem steigerte sich kaum merklich, bis er tief durchatmete. In seinem Brustkorb und Bauch kribbelte es, das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Er schloss die Augen und spürte das leichte Zittern, das ihm durch die Arme und den Rücken hinab fuhr und schließlich in die Beine floss. Er fühlte sich so leicht… Er sah sie wieder vor sich: Damals im Traum, als er sie eigentlich hatte töten wollen, hatte sein Abbild sie entkleidet. Diese weiße Haut war so weich, wie er sie sich vorgestellt hatte. Er rief sich wieder zur Besinnung und öffnete die Augen. Falsch. Falsch. Alles Falsch! Mit diesem, durch die Betäubung hervorgerufenen, Kuss hatte er nur eines bewirkt: Nozomi machte sich vermutlich falsche Hoffnungen, dass er sie erlösen würde, doch er wollte sie unter keinen Umständen heiraten! Niemals! Nie! Soweit kam es noch! … Was sollte er nun tun? Er winkelte ein Bein an, stellte den Fuß auf und legte den Arm über das Knie, tippte mit der anderen Hand ungeduldig auf die Tischplatte vor sich. Nozomi. Er seufzte. Nozomi… Er spürte ihren Körper in seinen Armen... Wenn das alles wirklich nur wegen diesem Öl geschah, warum dachte er dann noch immer daran? Warum hatte er noch immer das Bedürfnis zu ihr zu gehen, wie er es am Mittag versprochen hatte, als er die schlechte Laune in seinem Bauch spürte, weil er von ihr losgerissen wurde? Dieses Mädchen… Er strich sich mit einer Hand durch das Gesicht und die Haare. Im Normalfall hätte er seine Geliebten um sich versammelt und sie nach seinen Wünschen dirigiert, bis er befriedigt war. Doch egal an welche seiner Frauen er auch dachte, bei keiner stellte sich die übliche Lust und das Verlangen danach ein, sie nackt zu sehen und zu berühren. Seine Faust landete in einem frustrierten Akt auf dem Tisch. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Er erhob sich und zog ein paar Runden durch das Zimmer. Er hätte sich schlafen legen sollen, vielleicht hätte er am nächsten Morgen etwas mehr Klarheit in seinem Kopf gehabt, doch es ging einfach nicht. Ob Nozomi noch immer auf ihn wartete? Sollte er zu ihr gehen? Und was, wenn sie sich wirklich Hoffnungen machte, was ihre Zukunft anging? Genau hier lagen die nächsten Fragen: Ihm konnte es doch egal sein, was sie dachte – er nahm sich immer das, was er wollte und zwar genau dann, wann er es wollte. Warum also machte er sich Gedanken, ob sie zu viele Erwartungen haben konnte? Warum fühlte er sich schlecht, als sei er krank, wenn er sich genau das ins Gedächtnis rief? Warum wünschte er sich für sie, dass sie befreit leben konnte? Er wollte irgendwo gegenschlagen. Etwas zerstören, was in seiner Nähe war, doch in seiner Ruhelosigkeit konnte er kein geeignetes Ziel bestimmen. Oder doch? Hatte er nicht ein Ziel vor Augen? Einen Wunsch, den er trotz jeglichem Verstand und sämtlicher Logik unbedingt befriedigen wollte? Nozomi. Er hob erneut die Hände an die Stirn und strich sich das Haar zurück. Sie lag in dem Schloss seines Vaters. Oder stand sie? Lief sie herum wie er? Saß sie am Go-Tisch? Was tat sie gerade? … Warum fragte er sich das nur? Er schüttelte den Kopf. Egal wie er es auch drehte und wendete: Er wollte zu ihr gehen, sie sehen, sie berühren… ER wollte in der Gesellschaft eines MENSCHEN sein… Doch auch das letzte Aufbäumen seines hart anerzogenen Reinheitsstolzes konnte sein Verlangen nicht unterjochen. Er sah zu der Tür seiner Gemächer – durch die er in den Flur seines Harems gelangte, durch ihn in den Garten und von dort in das Haus seines Vaters, bis in die Zimmer Nozomis (in Gedanken lief er den Weg bereits ab) – wandte sich aber ab zu seiner eigenen Schlafzimmer Tür und schließlich wieder zurück. Er musste zu ihr… Es ging einfach nicht anders. Dieser Drang war stärker als jegliche Logik! Mit einem letzten tiefen Atemzug fasste er endlich den Mut in den Flur zu treten und das Haus zu verlassen, nicht ahnend, dass seine eigene Mutter ihn von der Terrasse des Harems seines Vaters aus beobachtete, wie er auf der anderen Seite des Gebäudes verschwand. Sie wusste genau, wer dort wohnte und zu wem er wollte. Nozomi hatte resigniert. Seit Sesshoumaru gegangen war, hatte sie sich immer wieder in Erinnerung gerufen, dass ihr Zeitempfinden nicht funktionierte, weshalb ihr die Stunden, in denen sie – wie versprochen – geduldig auf den Prinzen wartete, wie Jahrhunderte vorgekommen waren. Doch dann waren der Inu no Taishou und Akira mit dem Abendmahl erschienen. Sie blieben lange, während Nozomi hoffte, dass der Prinz doch noch zu ihnen stoßen würde, doch nichts der Gleichen war geschehen und am Ende saß sie nur weitere, qualvolle Stunden an ihrem Tisch und starrte diese verdammte Tür an. Sesshoumaru war nicht zu ihr zurückgekehrt. Sie war sich sicher, dass er es auch nicht würde. Vielleicht würde er ja nie wieder kommen? Sie wusste nicht, ob sie sich das wünschen sollte oder nicht. Leise seufzend drehte sie sich in ihrem Bett auf die Seite und starrte zu ihrer Tür hinüber. Wie war es überhaupt so weit gekommen, dass sie sich geküsst hatten? Lag es an dem Rauch des Öls? Vielleicht hatte auch er in dieser betäubenden Atmosphäre die Zeit vergessen und war zu lange geblieben, weshalb es schlussendlich zu diesem wundervollen Versehen kam. Wenn sie nur daran dachte, dann spürte sie erneut dieses schwebende Gefühl in ihrem Magen, zeitgleich wie ihr das Herz schwer wurde. Wenn doch nur die Fürstin der Dienerin nicht befohlen hätte ihren Sohn von Nozomi loszureißen. Sie wunderte sich ohnehin, wie die Frau bis zu ihr gekommen war, doch vermutlich blieb ihr keine andere Wahl. Entweder sie verlor ihre Ehre, weil sie der Fürstin nicht gehorchte, welche sie dafür vielleicht sogar getötet hätte, oder sie ließ sich von Nozomi in Stücke reißen – immerhin dachten dies alle von ihr. Wie dem auch sei, über diese Dienerin wollte sie sich keine Gedanken machen. Es war Sesshoumaru, der noch immer durch ihren Kopf geisterte. Wenn die Frau nicht gekommen wäre, wie wäre es dann weitergegangen? Als er sie fragte, ob sie sich einen bequemeren Ort suchen wollten, da dachte sie nicht, dass er das Bett meinte, doch genau dorthin hatte er sie führen wollen. Was wäre geschehen, wenn sie dort angekommen wären? Hätte er sie wieder geküsst? Hätte er sie ausgezogen und berührt? Sie spürte das Prickeln in ihrem Schritt und warf sich wieder auf den Rücken. Voller Erwartung zog sie die Beine leicht gespreizt an und wünschte sich, dass es wie in ihrem Traum war und er zwischen ihnen lag, doch natürlich würde das niemals geschehen. Erneut breitete sich Verzweiflung in ihr aus. Warum hatte er sie umarmt, geküsst und dann versprochen, dass er zurückkehren würde, wenn er es doch nicht einhielt? Sie schloss gequält die Augen und wollte losheulen, da zerriss ein Schaben die einsame Stille ihres Zimmers. Erschrocken richtete sie sich zum Sitzen auf, als sie erkannte, dass es die Tür war, die sich öffnete. Mit großen Augen blickte sie in das entschlossene Gesicht des Mannes, der sich zu ihr in ihr Zimmer stahl. „Sesshoumaru-sama!“, brachte sie überrascht hervor und sprang auf beide Beine, doch als sie stand hatte er bereits den Vorhang hinter sich gelassen und stand direkt vor ihr. „Sesshoumaru-sama, ich… ähm…“, stammelte sie und schlang sich eine Hand um den Bauch, als wolle sie ihre Blöße bedecken, obwohl ihr Nachtgewand nicht nur langärmlig war, sondern auch die Knöchel bedeckte. Plötzlich fahrig suchte sie nach ihrem Gewand, das sie immer darüber trug, wenn sie Besuch hatte. Er fing ihre Hände auf, ehe sie nach dem Stoff greifen konnte und zog sie bereits in seine Arme. Erschrocken, doch mit klopfendem Herzen vor Erwartung, krallte sie die Finger in die sich überlappenden Seiten seines Oberteils und starrte ihn sprachlos und aufmerksam an. Er spürte den Unglauben und erneut das Zittern ihres Körpers vor freudiger Anspannung. Diese Empfindungen legten sich auch über ihn und machten ihn nervös wie einen jungen Mann, der das erste Mal einer Frau näher kam. Er wusste in diesem Moment, dass sie wollte, dass er sie berührte und ihr zeigte, was körperliche Liebe bedeutet. Ebenso wie er sich nun endlich sicher war, dass das Verlangen ihr genau das zu geben nicht nur von ihr und dem Öl stammte. Er schlang die Arme um sie, griff in ihren Nacken und zog ihn langsam nach hinten. „Verzeih mir, dass ich so lange gebraucht habe…“, flüsterte er und genoss die Gänsehaut, die sie bei seinem heißen Atem auf ihrer Haut überkam und sich auf ihn übertrug. „Ich habe versprochen, dass ich warte…“, hauchte sie verloren und stieß erschrocken einen spitzen Schrei aus, als seine Zähne über ihre Kehle schabten. „Sag die Wahrheit!“, verlangte er zu hören und sie biss sich auf die Unterlippe. „Ich hab nicht mehr mit Euch gerechnet.“, ihre Stimme war so leise, dass er den Kopf heben musste, um sie zu verstehen. „Ich dachte, Ihr hättet mich vergessen…“ Er knurrte als ihn die Sehnsucht packte und das nicht nur, weil ihre dämonische Präsens ihn dazu zwang es mitzuerleben. Sie stach aus ihren Augen. „Leg dich hin.“, befahl er ihr. Er versprach sich selbst: Wenn er mit ihr fertig war, dann würde sie nicht nur das erste Mal seit langem wirklich erschöpft einschlafen, sie würde sich auch nie wieder so alleingelassen fühlen. Schon gar nicht wegen ihm. Nozomi löste sich von ihm und zuerst glaubte er, dass sie dem Befehl folgen würde, doch sie trat erneut einen Schritt beiseite und angelte nach der schweren Robe, die sie bereits am Tag getragen hatte. „Ich will mir nur…“ „Du wirst keine Kleidung brauchen.“, erklärte er und hielt sie am Oberarm fest. Erschrocken sah sie wieder zu ihm auf, doch das Kribbeln in ihrer Wirbelsäule lief bereits hinab in ihren Bauch und noch tiefer, bis ihm der unverkennbare Duft weiblicher Bereitschaft um die Nase wehte. Ein zufriedenes Grinsen stahl sich in sein Gesicht und ließ Nozomis Herz noch schneller schlagen. „Leg dich hin.“, wiederholte er seinen Befehl und zog sie noch einmal an sich heran. Sie schaffte es kaum den kurzen Kuss zu erwidern, den er auf ihre Lippen drückte, da schob er sie bereits sanft zu der Matratze. Als er sie los ließ gaben ihre Beine unter ihr nach und sie sackte hinunter auf das Laken. Zufrieden sah er ohne Unterlass in ihre vor Erregung geweiteten Augen, als er seinen Gürtel öffnete und sich als erstes seiner Oberteile entledigte. Kaum, dass sie seine bloßen Bauchmuskeln sah, presste sie die Beine zusammen, als wolle sie ihre beginnende Feuchtigkeit daran hindern über ihre Mitte davon zu laufen. Achtlos warf er die Stoffe beiseite und sie folgten seinen Händen mit den Augen, wie sie hinunter zu seiner Hose glitten. In Höhe seiner Hüfte stellte sich sein bereits hartes Geschlecht prall von ihm ab. Erschrocken zog sie die Beine an, als er sich vor ihr nun komplett entblößte und sie jedes Detail seiner Männlichkeit so ungeniert betrachten konnte. „Es gefällt dir.“, stellte er fest und sah, wie ihre Wangen nur noch röter wurden, als er auf sie zukam. Vorsichtig doch bestimmt kniete er sich vor sie und drückte langsam ihre Knie hinunter, während er sich ihr noch weiter näherte. Unfähig etwas gegen ihn zu halten, senkte sie die Beine und ließ sich langsam zurück in die Kissen gleiten. Dann stand er auf allen vieren über ihr. Langsam ließ er sich auf einen Ellenbogen gestützt sinken und strich ihr mit der Hand die Haare aus dem Gesicht, während er sie mit seinen Augen gefangen hielt. Seine zweite Hand wanderte über ihren Arm und hob ihn dann vorsichtig von dem Kissen unter ihrem Kopf hoch, damit sie sich an seinem Nacken festhalten konnte. Anschließend bettete er die Hand auf ihren untersten Rippenbogen und liebkoste sie dort sanft oberhalb ihres Nachtgewandes. Er wollte ihr einen Augenblick geben, damit sie sich an den Gedanken gewöhnen konnte, dass er nackt über ihr lag, doch dann spürte er den sanften Druck an seinem Hinterkopf. Leise lächelte er. Ihre Lider schlossen sich flatternd, als er sich hinab beugte. Im selben Moment, da ihre Lippen sich hemmungslos fanden und seine Zunge in ihren Mund vorstieß, schob sich seine Hand auf ihrem Bauch hinauf und umklammerte gebieterisch eine ihrer Brüste. Erneut war da dieses Gefühl, wie bei ihrem ersten Kuss. Nozomi atmete aufgeregt ein und hielt die Luft dann an. Gemeinsam mit Sesshoumaru lockerte sie den Kuss und neigte den Kopf, kopierte bereitwillig die Rotation seiner Zunge in ihrer Mundhöhle. Seine Erektion zuckte verlangend und so drückte er sie gegen ihre Hüfte, um sie zum Schweigen zu bringen. Dieses Mädchen unter ihm versprach ihm den Verstand zu nehmen. Er ahnte, dass er auch ohne den Rauch – der ihn für alle Empfindungen empfänglicher machte – all diese Anziehung zwischen ihnen spürte, doch durch die Betäubung seiner dämonischen Seite schien eine bisher unerkannte Leidenschaft in ihm zu erwachen. Er wollte sich Nozomi nicht nur zu Eigen machen, er wollte sie lieben und verwöhnen. Etwas, das er vorher nie gespürt hatte. Zuneigung, Sorge, Liebe… Und das schlimme daran – und dafür würde er sich vermutlich auch hier nach hassen: Er wollte all diese Gedanken in seinem Kopf und das Schlagen seines Herzens nie wieder missen. Er fühlte sich mit ihr in seinen Armen plötzlich so unendlich stark wie nie zuvor. Endlich holte sie wieder Luft und er senkte den Kopf noch tiefer. Mit der Nase strich er über ihre verführerisch duftende Haut und mit der Zunge kostete er jeden Geschmack, der sie ausmachte, als sie die Hüfte voller Hingabe hob und gegen seine drängte. Leicht spreizten sie sich. Eilig stemmte er sich wieder auf beide Knie. Sie seufzte frustriert bei dieser Unterbrechung seiner Berührungen und sah zu ihm auf, doch er hatte nicht vor sich von ihr zu entfernen. Er wollte lediglich ihre Verbindung intensivieren. Schnell griff er an die zarte Schlaufe auf ihrer Hüfte, die das Nachtgewand zusammen hielt. Er öffnete sie und deckte ihre nackte Haut beinahe ungeduldig auf. Sie war tatsächlich so schön, wie sie in ihrem Traum gewesen war. Weiß und straff und ihre Kurven schienen ihn zu locken und zu verführen. Als er den Stoff von ihr hinunter schob, griff er mit beiden Händen nach ihren Brüsten. Ihr Fleisch füllte seine Finger perfekt aus und ihre rosigen Knospen reckten sich empfindlich zu ihm auf. Sein Blick glitt tiefer über die leichte Bauchwölbung, bis zu ihrer rosigen Mitte. Die Innenseite ihrer Oberschenkel glitzerte bereits vor Feuchtigkeit und ein sanfter Faden der köstlichen Nässe zog sich von ihrer Scheide bis zu dem nahen Stoff, der eben an ihr gerieben hatte. Erst als er ihn vollends entfernt hatte verschwand die Verbindung und sein Blick glitt ungetrübt über ihren saftigen Eingang. „Sesshoumaru-sama“, jammerte Nozomi und er hob wieder den Blick. Bei dem Anblick ihrer halb geschlossenen Augen und der Hände, die sich voller Lust in die Laken krallten, beugte er sich erneut über sie. Er griff nach ihrer Hüfte, schob die Hand unter ihr Hinterteil und presste sie im selben Moment fest an sich, wie er seine Lenden auf ihre presste. Er drang nicht in sie ein, doch sein dickes Glied spaltete ihre heißen Schamlippen und rieb sich aufgeregt an ihrer Klitoris. Das war zu viel. Nozomi stöhnte auf und stemmte sich ihm entgegen. Hemmungslos trieb sie sich seiner Bewegung rhythmisch entgegen und bog den Rücken vor Verlangen durch, als er in eine ihrer süßen Brustwarzen biss. Er zog ein wenig an ihr, ohne sie mit den Zähnen los zu lassen, dann saugte er sich erbarmungslos fest. Parallel zu seinen Stößen an ihrer Mitte, sog er ihre empfindliche Haut ein und umspielte sie mit der Zunge. Er schmatzte gierig bei jeder Bewegung und genoss ihre bestätigenden Laute in seinem Ohr, wenn sie auch versuchte es zu unterdrücken, aus Scham, dass sie jemand hören könnte. Er griff mit der zweiten Hand nach ihrer anderen Brust und drückte sie sanft, kniff ihr in den Nippel und drehte immer wieder kurz, da spürte er das verzweifelte Zucken ihrer Mitte an seinem Schwanz und wie sie nach mehr verlangte. Er löse sich von ihrer Knospe und ersetzte sein Lecken und saugen durch die Hand, die bis eben noch ihren Hintern massiert und gestreichelt hatte, nur um tiefer zu rutschen. Sein Mund wanderte über ihren Bauch und sie hob entsetzt den Kopf, als er einfach nicht stoppen wollte. Doch für einen Protest blieb ihr keine Zeit. Er drückte bereits mit den Oberarmen ihre Beine weit auseinander – ohne dabei das spielen an ihren Brüsten zu unterbrechen – und zog genüsslich mit der Zunge quer durch ihren triefend nassen Spalt. Ihr Körper wand sich unter seinen unnachgiebigen Armen, als ein verlangender Schrei über ihre Lippen kam, doch sie biss sich sofort auf die Unterlippe. Seine Zunge umspielte die Klitoris und sein Mund sog gierig an dem kleinen Perlchen. Dann ging er wieder tiefer, kreiste neckend um ihren Scheideneingang und schob die Zunge dann spielend leicht durch ihre Feuchtigkeit in sie hinein. Erstickt keuchte sie und wollte die Beine anziehen, in der Hoffnung ihre Lustvollen Schreie so zu unterdrücken, doch das war nicht in seinem Interesse. „Halt dich nicht auf! Schrei hinaus, wie sehr es dir gefällt!“, knurrte Sesshoumaru und saugte erneut ein paar Mal an ihrer empfindlichsten Stelle. Sie griff nach seinen Handgelenken und drückte sie fest. Ihre Geste übertrug sich auf seine eigenen Finger, die sich in die pralle Haut ihrer Brüste gruben. „Genau da! Genau da!“, quietschte sie plötzlich und hob die Hüfte weiter an. Sesshoumaru spürte das Zucken ihres Geschlechts, als ein schwerer Orgasmus über sie hinweg rollte. Sie stöhnte und wand sich unter ihm, wie er es noch nie erlebt hatte. Als das Geräusch allmählich gequält wurde, ließ er von ihr ab, küsst noch einmal die Innenseiten ihrer Schenkel und kroch erneut höher. „Mein Prinz“, flüsterte sie selig lächelnd und schlang bereitwillig die Arme um seinen Hals. „Das war wunderbar… Ihr seid…“ Weiter kam sie nicht. Er versiegelte erneut ihren Mund mit seinen Lippen. Schnell spielte er in ihm mit ihrer Zunge und schenkte ihr so einen Moment der Erholung, ehe er weitergehen würde. „…ein Gott…“, flüsterte sie ihre Lobeshymne zu Ende, spreizte erneut die Beine und ließ es bereitwillig zu, dass er sein hartes Geschlecht an ihr Mitte rieb. „Ich bin noch nicht fertig mit dir.“, verkündete er knurrend und sie sah in seinen Augen, dass das Beste wohl erst noch kommen würde. Doch was sollte besser sein, als ihr erster Orgasmus durch die Zunge eines Mannes wie ihn? Als er nach ihrem Knie griff, ohne den Augenkontakt zu verlieren, verstand sie endlich. Erschrocken und ängstlich, doch auch voller Vorfreude und Neugier, erkannte sie, dass er die womöglich ultimative Verbindung zu ihr herstellen wollte und seine Erektion in ihrer Mitte versenken. Ein erregtes Lächeln legte sich auf sein Gesicht, als er die Unschuld in ihrem Blick erkannte, die angespannt vor Verlangen und Furcht gleichsam zu ihm hinauf sah. Er schob ihr Bein weiter beiseite und hob die Hüfte. Wie auf Befehl glitt seine seidige Spitze durch ihre sensible Spalte und fand auf Anhieb den Eingang in ihr Inneres. Er schloss die Augen genießerisch, als er vordrang. Ihre Finger schlossen sich schockiert um seine Oberarme, ebenso wie ihre nasse, heiße Mitte sich perfekt eng um seinen Schwanz legte. Sie war vollkommen, von Außen und auch von Innen. Nie hatte er die absolut richtige Enge bei einer Frau gespürt, sodass er am liebsten direkt nach dem Eindringen in ihr gekommen wäre. Er knurrte leise und versucht nicht die Beherrschung zu verlieren und zu früh seinen Samen in ihr zu vergießen. „Halt dich an mir fest, Nozomi.“, bat er und schob die Unterarme unter ihre Schultern, um sich auf der Matte abzustützen. Er senkte den Kopf an ihren Hals und sog tief ihren verführerischen Duft ein, während sie die Hände in seinen Rücken krallte. Seichtes Stöhnen vor Wohlgefühl, als auch vor Schmerz drang an sein Ohr, als er die Hüfte hob und sie erneut langsam senkte. Nozomi winkelte die Beine etwas mehr an. Er wiederholte seine Bewegung voller Ehrfurcht und Vorsicht, da zog sie sie an, sodass ihre Füße den Boden verloren. Sie öffnete sich weiter für ihn. Er glitt immer leichter in ihr vor und zurück und genoss die feste Umklammerung ihrer Scheide auf sein Geschlecht. Dann hielt er es nicht mehr aus. Schnell hob er das Tempo an und stieß rabiat in sie hinein. Der Schrei seiner Partnerin und die tiefen Kratzer auf seinem Rücken würden niemals seine Erinnerungen verlassen… Kapitel 8: der Antrag --------------------- „Gorou“, eine der Wachen kam auf die Gruppe in der Begleitung seines Anführers zugestürmt und warf sich vor ihnen auf den Boden. „Habt ihr etwas gefunden?“, fragte der Mann aufgeregt, doch leider musste sein Soldat den Kopf schütteln. „Nein, Gorou.“, er wandte sich Sesshoumaru zu. „Verzeiht, mein Prinz, doch keine unserer Suchtrupps fand auch nur einen Hinweis auf ihren aktuellen Aufenthaltsort. Wir haben das gesamte Schloss abgesucht.“ „Vielleicht ist sie bereits außerhalb der Mauern?“, überlegte Miroku, doch Akira schüttelte den Kopf. „Nein“, bestimmte der Arzt. „Wenn sie die Mauern verlassen hätte, dann würden wir hier nicht in diesem schwarzen Rauch stehen. Nozomi befindet sich noch immer in der Festung.“ „Und wo, wenn ich fragen darf?“, warf Sango nun ein. „Wir haben jedes Gebäude und jeden Winkel des Gartens nach ihr abgesucht.“ „Wir werden noch einmal von vorn beginnen müssen.“, erklärte Gorou und sah zu Akira. Der Arzt nickte, sah jedoch hinauf zum Himmel, der nicht durch den Dunst zu erkennen war. „Ich stimme dir zu.“, sagte er schließlich. „Trotzdem muss ich zu bedenken geben, dass es scheinbar Nacht wird. Hier an dem Feuer ist es kaum zu erkennen, doch sobald die Sonne komplett untergegangen ist, werden wir keine zwei Schritte weit sehen können. In ihrem jetzigen Zustand ist Nozomi unberechenbar und gefährlich. Sobald die Nacht hereinbricht, sollte sich keiner von uns innerhalb der Mauern aufhalten.“ „Dann geht.“, entschied Sesshoumaru und wandte sich ab, sah erneut hinauf zu dem Hauptgebäude gegenüber des Tors. Er würde sie schon finden und noch ehe die Sonne erneu aufging würde sein altes Zuhause wieder in seinem Besitz sein. „Du willst es trotzdem wagen?“, fragte Sango, doch Sesshoumaru war sich sicher, dass er es schaffen würde. Nicht nur, weil er ohnehin stärker war als sie alle zusammen, sondern auch weil er wusste, dass Nozomi selbst als schwarze Braut ihm niemals ein Haar krümmen konnte. Sie würde schneller den Kopf verlieren, als ein menschlicher Krieger auf dem Schlachtfeld gegen eine dämonische Armee. „Wo willst du denn bitte noch suchen?“, fragte InuYasha spöttisch und kassierte einen erhabenen Seitenblick seines Bruders. Ja, wo sollte er eigentlich anfangen? „Es ist unmöglich, dass du sie alleine findest.“, erklärt Gorou. „Bereits jetzt ist sie uns ständig durch die Finger geglitten. Wir haben sie nur ein einziges Mal gefunden und da floh sie augenblicklich, als sie dich sah. Was also soll sich ändern, wenn du alleine bist?“ „Vielleicht hat er Recht.“, überlegte Kagome und alle wandten sich zu ihr um. Überrascht über so viel Aufmerksamkeit – was hatte sie auch anderes erwartet? – blickte sie jedem einzelnen der Umstehenden in die Augen und senkte dann den Kopf. Sie griff ihren Bogen fester und hob dann auch die zweite Hand an das Holz, als wolle sie sich daran festhalten. „Es ist nicht besonders stark, was ich fühle – sie scheint sich wirklich verstecken zu wollen – doch ich weiß, dass sie Angst hat.“ Du drehte sich auch Sesshoumaru wieder vollends der Priesterin zu. „Neben all dem Hass und der Wut, die man hier überall spüren kann, kann ich auch sagen, dass sie Angst hat und verwirrt ist. Sie weiß vermutlich nicht, dass sie Achthundert Jahre geschlafen hat, doch sie ahnt, dass sie lange Zeit hier eingesperrt war und allein. Nun wurde sie wach und sah uns vermutlich durch das Tor hereinkommen. Sie weiß, dass Sesshoumaru sie töten will“ – keiner bemerkte, wie Akira plötzlich bei diesen Worten mit geweiteten Augen den Kopf hob – „und auch, wenn der Fluch der Braut uns alle töten will, spüre ich da eine reine Seele, die Angst vor uns hat und vor allem vor sich selbst.“ „Das klingt schizophren.“, bemerkte Sango. „Das ist es auch.“, Akira sah von der Dämonenjägerin eindringlich zu Sesshoumaru hinüber. „Obwohl die erste schwarze Braut sich mit Nozomis Seele verband, verschmolz nur die Kraft der Dämonen mit ihrem Kern. Der Fluch der Braut und Nozomis Bewusstsein teilen sich einen Körper und je nach Stimmung übernimmt einer von ihnen die Führung.“ InuYashas Freunde sahen sich nachdenklich an. Hieße das dann, dass sie auch eine unschuldige Frau ins Jenseits beförderten, wenn sie die Braut versuchten auszulöschen? Während sie sich bereits Gedanken über die Richtigkeit ihres Unterfangen machten, hing Akira einer ganz anderen Erkenntnis hinterher: Wollte sein Prinz die ihm versprochene Braut tatsächlich umbringen? Er hatte nicht gesehen, wie er ihr bereits mit einer Waffe entgegen trat und hatte ihn nur dabei beobachtet, wie er überall nach der Frau suchte. Dennoch hatte er nicht begriffen, dass er ihr das Leben nehmen wollte, um den Fluch zu brechen. Um ehrlich zu sein glaubte er nicht einmal, dass er mit diesem Vorhaben im Herzen das Siegel hätte lösen können – wahr doch die Bedingung hierbei, dass er, Sesshoumaru, sie, seine Braut Nozomi, beschützen wollte. Er überlegte gerade, wie er dieses Thema gekonnt anschnitt, als der Soldat, der ihnen mitteilte Nozomi nirgends gefunden zu haben, vorlaut die Stimme erhob: „Diese Priesterin scheint fiel über die Braut zu wissen. Warum benutzen wir sie nicht einfach wie einen Spürhund?“ „Hey, pass auf, was du sagst, klar?!“, donnerte InuYasha und hielt ihm bereits Tessaiga entgegen. Mit erhobenen Händen wich der Mann lieber zurück – er kannte die Macht des Schwertes immerhin sehr gut. Auch Gorou schüttelte den Kopf. „Nein, das wäre viel zu gefährlich.“, erklärte er. „Ich glaube außerdem noch immer, dass die beiden Frauen lieber die Festung verlassen sollten.“ „Nein! Ich bleibe hier.“, Kagome schüttelte bestimmt den Kopf. „Wenn der Fluch tatsächlich am aggressivsten gegenüber Frauen ist, dann bin ich hier am nützlichsten. Irgendwann wird sie sicher nach mir rufen und dann kann ich euch zu ihr bringen.“ „Dasselbe gilt für mich.“, erklärte Sango entschieden und baute sich dicht neben ihrer Freundin auf. Nun wandten sich alle Blicke wieder Sesshoumaru zu. Er würde das letzte Wort haben. Eindringlich, doch ohne echte Gefühlsregung, betrachtete er die beiden Frauen, dann wandte er sich wieder um. „Macht was ihr wollt.“ „Gut, dann fangen wir also wieder von vorne an.“, Gorou nickte dem Soldaten an seiner Seite zu. „Entzündet mehr Feuer.“, befahl Sesshoumaru, ohne einen Blick zurück zu werfen. „In jedem Haus und überall auf dem Gelände. Wenn Sie erneut versucht zu entwischen, dann finde ich sie.“ Langsam ließ Akira seinen Becher dampfenden Tees sinken. „Heute ist es soweit.“, murmelt er in die Stille hinein, die zwischen ihm und dem Fürsten herrschte, ohne aufzuschauen. Der Inu no Taishou atmete tief durch und zog ein Knie an, während er von der Terrasse seines Beraters zum Hof hinüber sah. „Ich hatte gehofft, dass du eine bessere Nachricht für mich hast.“, gestand er hart. „Verzeiht, Meister, doch leider kann ich Euch diesen Gefallen nicht tun.“, nun endlich sah der Arzt auf und suchte mit angestrengtem Blick die Augen seines Fürsten. „Auch dieser Bote ist mit leeren Händen zurückgekehrt.“ Der Herrscher schwieg und beobachtete seine Diener, die die Drachen durch die große Pforte hinaus auf die Weiden führten. Akira senkte erneut betrübt das Gesicht und versank in seinem heißen Getränk, da schlug die Faust seines Meisters krachend in die Dielen. „VERDAMMT NOCH MAL!“, donnerte er, sodass beinahe jeder um sie herum überrascht den Kopf hob, egal wie weit weg er stand. Akira hielt inne, brachte jedoch keinen Ton heraus – er konnte seinen alten Freund gut verstehen. Er selbst tat sich schwer damit, die Gefühle zurück zu halten. „Wie kann das sein?“, der Inu no Taishou sprang auf seine Füße und lief auf und ab, ehe er sich an einer der Säulen fest hielt. „Wie kann es sein, dass keiner der Diener auch nur einen Krug dieses Öls bekommt, ganz gleich wohin wir ihn schicken? Was tun Mönche und Priesterinnen bei ihren Exorzismen ohne dieses Zeug? Dem Dämon ein Schlaflied singen?“ „Vielleicht?“ „Das war kein Scherz, Akira! Was tun wir jetzt? Wir brauchen das Öl, um den Fluch in Nozomi zu unterdrücken. Ohne es kann ich auch gleich ihr Todesurteil unterschreiben.“ „Ich werde versuchen es selbst herzustellen.“, schlug der Arzt vor. „Und wie lange soll das dauern? Gestern hast du den letzten Rest in ihre Feuer geworfen. Wer weiß, wie lange es brennen wird, bis die Wirkung verflogen ist. Und wenn es erst einmal soweit ist, das prophezeie ich dir, dann übernimmt der Fluch innerhalb eines Tages die Kontrolle über das Mädchen.“ „Das ist wahr, Meister, doch habt ihr eine andere Idee? Entweder ich versuche das Öl selbstständig herzustellen und wir hoffen, dass sie in dieser Zeit genug Selbstbeherrschung aufbringen kann, oder aber ihr zieht jetzt Euer Schwert und bringt es hinter Euch, solange ihre dämonische Kraft sich noch nicht wehren kann und sie damit dazu verdammt zu leiden.“ Der Inu no Taishou ließ das Holz wieder los, das den Dachvorsprung stützte und lief erneut hin und her. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in ganz Japan keinen Schrein und keinen Tempel gibt, der nicht wenigstens einen Krug entbehren kann.“ „Nein, Meister, das denke ich genauso wenig.“ Der Fürst stockte und sah irritiert zu seinem Berater zurück. „Was willst du damit sagen? Glaubst du, dass jemand die Versorgung mit Absicht unterbunden hat?“ „Mir bleibt keine andere Wahl, als das zu glauben.“, verkündete Akira und sah seinen Meister eindringlich an. „Wie ihr schon sagtet: Dieses Öl ist für Priesterinnen und Mönche sehr nützlich und überlebenswichtig für jeden kleinen Menschen, der verfolgt wird. Man erhält es sogar auf einfachen Märkten, da viele Menschen es als erstes Bekämpfungsmittel wählen um die Zeit zwischen der Heimsuchung durch die Dämonen, bis zum Eintreffen des Priesters zu überbrücken. Ich bezweifle daher, dass es nirgendwo in Japan mehr zu erhalt ist. Aber genau das sollen wir wohl glauben.“ Der Inu no Taishou schluckte schwer, doch er musste zugeben, dass Akira Recht hatte. „Wer sollte so etwas tun? Dieser Rauch ist alles, was zwischen uns und der schwarzen Braut steht.“ „Korrekt und wenn wir es nicht haben, dann bleibt uns keine andere Wahl, als Nozomi zu erledigen. Sesshoumaru sitzt seit bald zwei, vielleicht drei Monden in ihren Gemächern und leistet ihr Gesellschaft, doch bisher hat der Prinz keine Anzeichen dafür gezeigt, dass er sich ihr noch weiter nähern wird.“ – sie konnten ja nicht ahnen, dass Sesshoumaru seit einer Woche jede Nacht in Nozomis Bett schlief – „Welche Person fällt uns ein, die Nozomi tot sehen will?“ Der Blick des Inu no Taishous verdunkelte sich. Er wusste genau, auf wen Akira versuchte anzuspielen. „Meine Frau besitzt keinen einfachen Charakter und ist gewiss nicht begeistert von ihr, doch solch eine Vermutung solltest nicht einmal du aufstellen, wenn du keinen triftigen Grund dazu hast. Du verletzt damit ihre Ehre.“ Akira seufzte und neigte leicht den Kopf. „Verzeiht mir, mein Freund. Es war gewiss nicht meine Absicht ihr Unrecht zu tun. Doch bitte erinnert Euch. Wart Ihr es nicht selbst, der vor einigen Jahren auf mich zutrat und mir auftrug, Eure Haremsdamen genauestens zu untersuchen, weil Ihr Vergiftungen vermutet habt, nur weil sie Euch keine Kinder schenkten?“ Der Fürst schwieg. „Ihr habt die Inu no Kami des Verrats bezichtigt und ich war es gewesen, der Euch sagte, dass Ihr Ruhe bewahren möget. Es gab keine Anzeichen dafür, dass die Fürstin irgendeinen Groll gegen Eure Frauen hegte und mögliche Schwangerschaften verhinderte. Doch nun haben wir hier ein Mädchen in Eurem Harem, das der Frau ein Dorn im Auge ist. Sie drängt beinahe jeden Tag auf ihre Hinrichtung und nun, da Euch keine andere Wahl mehr bleibt, als dieser Bitte nachzukommen, haltet Ihr es für ausgeschlossen, dass sie es ist, die die Lieferungen des Öls unterbindet?“ Der Fürst schwieg eine Weile und sah hinauf in den klaren, blauen Himmel. „Ich will es einfach nicht glauben, Akira. Denn wenn dem so wäre, dann müsste ich meine Fürstin wegen Hochverrats hinrichten. Immerhin hätte sie sich damit einem Befehl und meinem Wunsch widersetzt, doch in Anbetracht dessen, um wen es hierbei geht, würden sich sicherlich viele meiner Dämonen von mir abwenden.“ Der Arzt nickte verstehend und erhob sich ebenfalls. „Wie dem auch sei, Meister, euch bleiben nur zwei Möglichkeiten übrig.“, verkündete er und stieg zu ihm hinab auf den Hof vor seinem Haus. Unergründlich sah er den Weg hinab zu dem Platz vor dem Tor. „Wollt ihr, dass ich persönlich die Herstellung des Öls vornehme, oder beendet Ihr lieber Nozomis Leben, ehe etwas schief läuft?“ Der Fürst dachte wirklich über diese Worte nach. Die Entscheidung fiel ihm nicht mehr so leicht, doch noch immer erachtete er ihren Tod als sinnloses Mittel. „Ich kann Nozomi nicht töten. Was sollte ich ihr sagen? Tut mir leid, aber dein Leben ist vorbei. Ich habe dich Monate lang in diesem Zimmer eingesperrt, dir verboten den Winterzauber, die Sonne und den Frühling zu sehen und dir Hoffnungen gemacht unbeschadet von dem Fluch erlöst zu werden – doch nun hat das alles ein Ende. Ich habe versagt.“ Akira schwieg und sah zwei Vögeln hinterher, die in der Luft umeinander tanzten und sich in einem nahegelegenen Busch niederließen. „Euer Sohn ist unsere letzte Hoffnung.“, erklärte er schließlich und sah den Fürsten direkt an. Dieser holte tief Luft. „Das geht nicht.“, erklärte er fest überzeugt. „Ich kann Sesshoumaru nicht dazu zwingen sie zu heiraten. Ich habe es ihm versprochen. Wenn ich ihn dazu zwinge, dann würde er es mir nie verzeihen und Nozomi womöglich auch nicht, sollte diese Ehe zum Scheitern verdammt sein.“ „Ihr müsst es ihm nicht befehlen, aber ihr könntet es ihm nahe legen.“, damit sah der Arzt hinauf in den Himmel. „Die Sonne steht in ihrem Zenit. Der Prinz verbringt nun seit Wochen den Vormittag bei ihr, um mit ihr Go zu spielen.“ Der Inu no Taishou seufzte einmal, nickte dann aber und wandte sich ab, um vor seinem Berater den schmalen Pfad durch die einzelne Baumreihe hindurch auf den Hof zu treten. Er hatte verstanden, was der Arzt ihm mit dieser Information zu verstehen geben wollte. So wartete er, bis Akira wieder zu ihm aufgeschlossen hatte und Seite an Seite marschierten sie zu dem Tor in die privaten Gärten der Fürstenfamilie. Angestrengt kniff Nozomi die Augen zusammen. Sie hatte lang nicht mehr das Sonnenlicht gesehen und gespürt, dass diese plötzliche Helligkeit zu viel von ihren Augen verlangte. „Sesshoumaru, warte!“, bat sie leise und drückte seine Hand fester, mit der er sie gerade die Stufen von der Terrasse hinunter in die dichte Gartenlandschaft hinter den Harem seines Vaters führen wollt. „Das ist so hell.“ „Wir sind gleich im Schatten.“, entschied er und zog sie unerbittlich weiter. Ergeben folgte sie dem Zug und tastete sich die Stufen hinunter auf den unebenen Weg aus Natursteinen, die wie kleine Inseln im Boden versanken und in den künstlichen Urwald führten. So lenkte er sie vorsichtig jeden weiteren Schritt an sich vorbei, bis sie vor ihm den schier undurchdringlichen Hain erreichte. Als der Schatten der Bäume sie erfasste, wagte sie erneut den Versuch die Augen zu öffnen. Obwohl der Dunst des Öls keinen Einfluss mehr auf seinen Kopf ausübte, musste Sesshoumaru sich eingestehen, dass dieser glückliche Ausdruck, der sich in ihr Gesicht zauberte, sein Herz berührte – selbst wenn er es niemals nach außen gezeigt hätte. Mit großen Augen und weit geöffneten Mund sah Nozomi staunend in die dichten, grünen Wipfel der Bäume, die sich sanft im Wind wiegten. „Es ist so wunderschön!“, flüsterte sie erstickt im Angesicht dieser überwältigenden Pracht und schloss die Augen. Tief atmete sie durch. Eine leichte Brise ergriff ihr Haar und ließ es zärtlich wehen. Der junge Dämon betrachte dieses Schauspiel genau und erkannte mit Schrecken, welche Gefühle diese scheinbar übertriebene Reaktion auf einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft in ihm freisetzte. Die Wut erkannte er sofort – seit Tagen versuchte er mit ihr umzugehen, wenn er daran dachte, dass Nozomi eingesperrt war. Doch darüber hinaus spürte er auch Regungen, die wohl nur mit Glück und Liebe zu beschreiben waren. Was ein unwürdiger Mist das doch war, doch er wusste intuitiv, dass der Beschützerinstinkt des Hundes in ihm die Macht über sein Handeln ergriff, wenn es um Nozomi ging. Und von diesem Urinstinkt war es nur ein Steinwurf bis zur Liebe, die er mit Sicherheit bereits erreicht hatte. War das schwach? Ja, eindeutig. Er durfte es niemals jemanden sehen lassen. Zumindest nicht in dem Ausmaße, wie es sein neu erwecktes, aufgewärmtes, törichtes Herz verlangte. „Darf ich diesem Weg folgen, Sesshoumaru? Oder muss ich wieder zurück?“, fragten diese wunderschönen, blauen Augen, die glänzend zu ihm hinauf sahen. „Geh“, gestattete er ihr und ließ es zu, dass sie ihm ihre Hand entzog. Aufgeregt wie ein kleines Kind raffte sie den Saum ihrer langen Robe über der Nachtwäsche und stieg die langen, flachen Stufen hinauf. Er sah ihr nach und spürte den Stolz in seiner Brust. Sie gehörte ihm. Bis zu diesem Augenblick glaubte er, dass die positive Macht, die er bei dieser Erkenntnis empfand, ein Produkt der Betäubung war. Doch nun wurde er eines Besseren belehrt. Er wollte noch immer nicht, dass sein Verhältnis zu der dämonischen Menschenfrau bekannt wurde und er war noch immer weit davon entfernt auch nur darüber nachzudenken, sie zu seiner obersten Geliebten zu machen, indem er sie heiratete, doch die Gefühle, die sie ihm schenkte, waren überwältigend. Sie verschwand aus seinem Sichtfeld und sprang immer schneller die Stufen hinauf. Einen Augenblick stand er noch immer regungslos da, dann folgte er ihr mit etwas Abstand. Als der versteckte Weg ein rauschendes Bächlein kreuzte, das sich in unzähligen Kurven und kleinen Wasserfällen einen Hang hinunter stürzte und quer durch den Garten schlängelte, hielt sie an, und betrachtete die bunte Blütenpracht, die links und rechts den Weg überwucherte. Sesshoumaru holte seine jüngste Geliebte ein, als sie ihre Finger hob und die gelben Blüten eines Baumes zu sich herunter holte, um an ihnen zu riechen. Ohne jede Gefühlsregung beobachtete er sie dabei. Ihr Lächeln, das sie ihm schenke, war noch strahlender, als er es jemals für möglich gehalten hätte. „Ich danke dir, Sesshoumaru.“, flüsterte sie und wandte sich wieder ab, als zwei Vögel aus einem nahegelegenen Busch stießen und davon flatterten. Langsam überwand der Prinz die letzten Meter. „Als ich sagte, dass ich alles dafür geben würde wieder einen Fuß in diesen Garten zu setzten, da dachte ich nicht, dass du es wirklich schaffen würdest, deinen Vater dazu zu überreden, dass ich für einige Augenblicke hier hinaus darf.“ „Mein Vater weiß nichts davon und er darf es auch nicht erfahren.“, erklärte er monoton und sah auf ihr erstauntes Gesicht hinab, doch dann lächelte sie erneut. „Danke, Sesshoumaru. Seit du mir den Go-Tisch gebracht hast und mit mir spielst, ist mein Leben in diesen Zimmern irgendwie ertragbarer geworden.“ Sie wusste, dass es vergeblich war darauf zu warten, dass er ihr etwas Zuneigung gewährte. Nicht, solange sie nicht nackt nebeneinander im Bett lagen. Umso überraschter war sie – und auch er – als er dennoch die Hand hob und sie sanft an ihre Wange legte. Erschrocken sah sie ihn an und wurde rot. „Nicht doch.“, sie griff mit einer Hand nach seiner und mit der anderen nach dem Gelenk darunter, doch sie konnte sich nicht dazu überreden ihn wirklich weg zu schieben. „Wenn uns einer sieht, Sesshoumaru. Du sagtest doch, dass es niemand erfahren darf…“ „Dieser Garten gehört zu den Prinzessinnengemächern. Da du in ihnen wohnst werden sie von allen gemieden. Uns wird niemand beobachten.“ Nozomis Herz begann deutlich schneller zu schlagen – das hörte auch er – doch anstatt sich wieder von ihr zu lösen, beobachtete er sie dabei, wie sie ihr Gesicht in seine Handfläche drehte und sie leicht küsste. Ihre Hände lösten sich wieder von ihm und sie trat bereitwillig näher, als er mit der Hand durch ihre Haare strich und sie am Hinterkopf zu sich heran holte. Auch wenn er sie nur mit einem Arm an seine Brust drückte – was aufgrund der kühlen Zurückhaltung kaum zu spüren war – so genoss sie doch jede Sekunde, in der sie die frische, duftende Frühlingsluft einatmen konnte und zeitgleich seinen Herzschlag an ihrem Ohr hören. Auch Sesshoumarus Gedanken drifteten ab. Er wähnte sich so sehr in Sicherheit und war so Gefangen in diesen neuen Emotionen, die durch Nozomi geweckt wurden, dass er gar nicht auf die Auren von Akira und seinem Vater achtete, die aus dem Harem gestürzt kamen. Sie hatten ein leeres Zimmer vorgefunden und die offene Tür des Hinterausganges. Da der Geruch des Öls in seiner und auch ihrer Kleidung hing, war es ein Leichtes das junge Paar in der verhältnismäßig innigen Pose aufzuspüren. Erst, als sie nur noch eine Abbiegung des geschlungenen Pfades entfernt waren, schreckte der Prinz hoch. Ertappt ließ er die Hand sinken und wandte sich um, doch die verblüffte Nozomi konnte nicht mehr schnell genug ihre Hände von seinem Oberteil lösen. Der Arzt und der Fürst sahen daher noch genau, wie sie ihn los ließ und die Finger in ihren breiten Ärmeln verschränkte. Irritiert stockten beide und betrachteten die Gesuchten genau. Nozomi schien zwar nicht entspannt zu sein, doch sie war nicht wegen der Braut in ihrem Innern aufgewühlt. Sie war nervös und der Röte in ihrem Gesicht nach zu urteilen fühlt sie sich wohl ertappt. Sesshoumaru dagegen war wie immer eine Statue seiner selbst. Langsam kamen die beiden näher. Keiner der vier wusste, was er sagen sollte. Stille – mit Ausnahme des plätschernden Wassers – legte sich über die Gruppe, als die beiden Männer endlich anhielten. Der Fürst sah zwischen seinem Sohn und Nozomi hin und her. Hatte er die letzte Bewegung des Mädchens korrekt gedeutet? Hatte sein Sohn sie etwa im Arm gehalten? Nur wie war das möglich? Er war der Fürst, Sesshoumaru sein Erbe – keiner von beiden konnte eine Liaison führen, ohne dass sie entdeckt wurde. Oder war das hier der Fall gewesen, da sich niemand in die Nähe von Nozomis Gemächern wagte? Zum Glück war es Akira, der seine Gedanken unterbrach, ehe er darüber sinnieren konnte wie lange dieses Verhältnis bereits lief. „Ich sehe, dass es dir gut geht, Nozomi. Deine Aura ist so klar wie immer, ohne den schwarzen Schatten der Braut.“ Nun lächelt das Mädchen und neige leicht den Kopf. „Danke, Akira-sama. Ich fühle mich auch wesentlich besser.“, dann sah sie zu dem Inu no Taishou. „Bitte verzeiht, dass ich Euch nicht in meinem Zimmer empfangen habe. Ich weiß, dass es mir nicht gestattet ist hinaus zu gehen.“ Unfähig zu antworten sah der Fürst dabei zu, wie sie einen Blick zu seinem Sohn warf und dann eilig mit einer tiefen Verbeugung hinzufügte: „Der Prinz wollte mich gerade zurückholen. Er belehrte mich, wie falsch mein Verhalten war und wie gefährlich und…“ „Genug geredet, Kind.“, der Fürst winkte ab und sah zu seinem Sohn. „Ich weiß sehr wohl, dass du niemals allein auf diese Idee gekommen wärst. Sesshoumaru, warum hast du mir nichts von euch beiden erzählt? Eure… Verbundenheit ist nichts, dass ich nicht begrüßen würde.“ Sesshoumaru antwortete nicht. Nicht, dass er nicht die Stunden mit Nozomi genoss, es war vielmehr so, dass er nicht wollte, dass irgendjemand davon erfuhr. So richtig und vollkommen sich ihre Zweisamkeit anfühlte, so falsch schien diese Beziehung zeitgleich zu sein. Es war der ewige Kampf seines Kopfes mit seinem Herzen, der ihn nicht in Frieden ließ. Je länger er schwieg, desto stiller wurde auch Nozomi. „Es geht dir also besser?“, fragte Akira hoffnungsvoll an das Mädchen gewandt. „Er verdrängt den Fluch der Braut, genauso wie wir vermutet haben?“ Die Angesprochene erschrak. Noch mehr Blut schoss in ihre Wangen. Akira hatte ihr doch versprochen niemandem zu sagen, dass Sesshoumaru derjenige war, der sie erlösen konnte. Doch nun hatte er diese Information einfach so hinaus posaunt. Wie würde Sesshoumaru darauf reagieren? Erschrocken sah sie zu ihm hinauf, doch es war keine Gefühlsregung zu erkennen. Wusste er es bereits früher? „Ihr konntet euch keinen besseren Moment dafür aussuchen, einander näher zu kommen!“, verkündete der Inu no Taishou und legte seinem Sohn die Hände auf die Schultern. Auch Akira nickte. „Hiermit habt ihr uns eine Menge Probleme erspart.“ Nozomi zog den Kopf ein und sah kurz zu dem Prinzen, doch da dieser noch immer kein Wort von sich gab wandte sie sich wieder dem Fürsten zu. „Wovon sprecht ihr?“ „Es ist uns nicht möglich das Öl zu beschaffen, das wir für dich benötigen.“, erklärte Akira und nun endlich schien auch Sesshoumaru der Unterhaltung zu folgen. „Was soll das heißen?“, fragte er gefährlich. „Das heißt, dass jeder einzelne Bote ohne es zurück kam. Ich werde mich daran versuchen müssen es selbst herzustellen, doch das kann eine Weile dauern. Es ist gut zu wissen, dass Ihr, Sesshoumaru-sama, in der Zwischenzeit dafür Sorge tragt, dass die schwarze Braut nicht die Kontrolle über Nozomi erlangt.“ „Vergiss das Öl.“, der Fürst war plötzlich etwas zu euphorisch und vorschnell, als er fragte: „Wann wollt ihr die Zeremonie vollziehen?“ „Zeremonie?“, fragte Nozomi irritiert, doch sein Sohn verstand sofort. Er wandte sich ab von den anderen drei. „Ich habe nicht vor Nozomi zu meiner Frau zu machen.“, erklärte er, als würde es nichts Logischeres auf dieser Welt geben und trat den Rückzug in den belebteren Teil des Gartens an, ehe jemand auf die Idee kommen konnte nach dem Grund zu verlangen. Nozomi sah ihm nach. Natürlich versetzte ihr diese Erkenntnis einen Stich ins Herz und sie hörte das erste Mal seit langem wieder eine leise, düstere Stimme in ihrem Kopf, doch der Fluch war von Sesshoumarus Zuwendungen der letzten Stunden noch immer so geschwächt, dass sie die schwarze Braut in ihrem Innern mühelos unterdrücken konnte. „Ich brauche das auch gar nicht.“, verkündete sie da plötzlich und die Männer sahen sie überrascht an. Selbst Sesshoumaru warf einen Blick über die Schulter zurück. „Ich glaube, dass es mir so reicht, wie es jetzt ist. Ich spüre den Fluch in mir, aber so lang er so klein bleibt, werde ich ihn auch zurückhalten können, ohne Sesshoumaru zu heiraten.“ Akira und der Fürst sahen sich wenig begeistert an. „Wenn das für dich in Ordnung ist, heißt das.“, fügte sie in dem Moment jedoch hinzu. „Jetzt, wo dein Vater und Akira-sama…“ Sie stockte, da Sesshoumaru sich erneut abwandte. Er nahm seinen Weg wieder auf und schien zu gehen, ohne weiter Notiz von ihr zu nehmen. „Wir gehen, Nozomi.“, erklang dennoch seine Stimme, als er hinter den Bäumen verschwand. Erleichtert stieß sie die Luft aus und folgte artig ihrem Geliebten, ließ die beiden Älteren unschlüssig im Garten zurück. Nozomi war der Inu no Kami ein Dorn im Auge. Es begann bereit, als sie in Gorous Armen das erste Mal die Festung erreichte und steigerte sich, als ihr Gemahl sie von ihrem Sohn zurückholen ließ, obwohl sie freiwillig gegangen war, und das kleine Menschenmädchen dann auch noch ein Zimmer im Harem des Fürsten bezog. Dennoch hätte die Frau nie gedacht, dass ein neuer Höhepunkt erreicht werden könnte. Sie dachte nicht einmal, dass das Kind so lange überleben würde, nachdem sie dafür sorgte, dass kein neues Öl für den betäubenden Rauch die Festung erreichte. Sie hatte wirklich gehofft, dass der Vorrat zur Neige ging und damit die schwarze Braut den Inu no Taishou zum Handeln zwingen würde. Doch nun war das Schlimmste eingetreten, das sich die Fürstin überhaupt vorstellen konnte. Die Situation hatte sich verändert und jeder Alptraum schien wahr zu werden. Am Mittag noch wurde im Rat bekannt, dass es keine Möglichkeit mehr gab, Nozomi in den Gemächern einzusperren und zu betäuben. Sie war vor die Berater ihres Mannes getreten und hatte erneut – sehr leidenschaftlich und überzeugend – dargelegt, warum sie sich dieses verfluchten Menschen entledigen müssten, doch dieser Plan war erneut vereitelt worden. Der Fürst präsentierte voller Stolz eine edle Dämonin, die selbst die Fürstin im ersten Moment nicht erkannt hätte. Nozomi wirkte ruhig und zurückhaltend, so wie ihre menschlichen Eltern sie erzogen hatten, und das ganz ohne eine Spur von Betäubung. Sie hatte nicht gedacht, dass nur ein wenig körperliche Zuwendung ihres Sohnes den Fluch derart bannen würde. Sie brauchte einen neuen Plan! Dringend! In Begleitung des Arztes und ihren alten Freundinnen unter den Dienerinnen, war das Mädchen ohne jede Beeinträchtigung über den Hof stolziert. Die Dämonen, die sie bereits als Mensch mochten, waren glücklich über ihre Rückkehr und jene, die ihr bisher skeptisch gegenüber standen, schienen nun ebenfalls ihrer Art zu verfallen... Natürlich war das nur die Einbildung der Fürstin, doch das erkannte die Frau in ihrem Wahn nicht. Sie sah Nozomi als Bedrohung, genau wie jede Frau, die ihr eines Tages den Titel der Inu no Kami streitig machen konnte. Hierzu zählten nicht nur die Geliebten ihres Mannes, sondern auch die ihres Sohnes. Immerhin würde er sich eines Tages eine von ihnen als Frau erwählen und sobald er seinem Vater auf den Thron folgte, würde seine Mutter den Rang der obersten Dämonin im Westen verlieren und der Titel würde der Braut ihres Sohnes zugesprochen werden. Das war untragbar! Natürlich liebte sie ihren Sohn. Sie hatte ihn zu einem stolzen Prinzen erzogen und würde ihrem Kind die Sterne vom Himmel holen, damit er alles bekäme, was er nur wollte, doch eines durfte er einfach nicht haben: Eine Frau! Sie betrachtete alle, die um ihn buhlten, als Gefahr, doch Nozomi war die Schlimmste. Ein zum Dämon gewordener Mensch. Ein Kind, das die Gunst ihres Sohnes UND die ihres Mannes genoss. Und zu allem Übel ahnte sie, dass ihr Sohn sie zur Frau nehmen würde. Es lag nicht daran, dass er sie liebte, denn das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Sie hatte ihn zu einem vernunftgesteuerten, logischen Mann erzogen und genau dieser Umstand, auf den sie besonders stolz war, würde ihr wohl die Macht entziehen. Sesshoumaru besaß den Selbstbewusstsein eines Daiyoukai und den scharfen Verstand eines Anführers und nichts wäre da logischer, als dass Nozomi seine Braut werden würde. Als ruhiges, zurückhaltendes Mädchen war sie die perfekte Frau an der Seite eines Herrschers – sie würde sich niemals in seine Belange einmischen und sich ausschließlich darum kümmern ihm viele Erben zu schenken. Gleichzeitig besaß sie zwar nun die Macht eines Dämonen, doch war nie als solcher erzogen worden. So fehlte ihr die Durchsetzungskraft und Beharrlichkeit dieser Wesen, wodurch sie ihrem Mann ein untergebenes Frauchen wäre. Sesshoumaru müsste sich bei ihr nie darüber Gedanken machen, dass sie seine Anweisungen genauso missachten und umgehen würde, sie es seine Mutter bei seinem Vater tat. Es war nur logisch, dass er sie wählen würde. Sie war im Gegensatz zu einer ECHTEN Dämonin leicht zu kontrollieren. Doch damit wurde der Fürstin nur eines erneut zu deutlich: Die Kleine musste weg! Irgendetwas musste sie unternehmen, um dieses Weib loszuwerden. Sie sah es nicht ein ihre Macht zu teilen oder gar abzugeben. Nozomi musste sterben! Nur wie? Sie hatte bereits alles probiert, um ihren Mann von der Notwendigkeit zu überzeugen. Welche weiteren Möglichkeiten hatte sie denn noch nicht ergriffen? Die schwarze Braut in ihr zu erwecken war zwar gefährlich, doch ihre letzte Chance und – da war sie sich sicher – auch die Einzige. Nur wie hätte sie Sesshoumaru aus dem Bett seiner Mätresse zerren können? Er hatte schon einmal nicht auf sie gehört, als sie ihm zu verstehen gab, dass sie nur ein kleiner, wertloser Mensch war. Stattdessen hatte er sie nicht getötet und dann nahm er sie auch noch als neue Geliebte, wenn sie auch nicht in seinem Harem schlief. Was also hätte sie noch tun können? Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder beförderte sie Nozomi persönlich ins Jenseits – was womöglich auch sie das Leben kosten würde – oder sie versuchte nun an die Quelle allen Übels zu gehen. Sie war eine schlaue Frau und Nozomi nur ein einfältiges Kind mit den Gefühlen eines Menschen. Sie musste sie doch irgendwie überlisten können und die schwarze Braut doch noch wecken. Das war die einzige Chance, die ihr noch blieb. Dadurch, dass ihr Sohn es zum Glück noch immer ablehnte sie zu heiraten, war der Fluch nicht zerschlagen, sondern lediglich gebannt. Doch es gab keinen Bann, den man nicht wieder lösen konnte. Alles was sie also tun musste, war das Band zwischen Nozomi und Sesshoumaru zu zerreißen. Sie musste es schaffen sich zwischen die beiden zu stellen. Und wenn die schwarze Braut sie angreifen würde: Umso besser. Dann konnte sie sich dieser kleinen Hexe entledigen, ohne im Nachhinein eine Strafe durch ihren Mann zu erwarten. „Ehrenwerte Herrin“, begrüßten sie einige Frauen ihres Mannes, die ihr auf ihrem Weg durch den Garten entgegen kamen. Sie beachtete sie jedoch nicht, oder zumindest zeigte sie keinerlei Reaktion. Stattdessen hatte sie in diesem Moment eine Idee: Es hieß, dass die Braut sich durch andere Frauen bedroht fühlte und sie deshalb angriff und verschlang. Warum also sollte der Fluch nicht erneut in Nozomi erstarken, wenn sie Sesshoumaru in Begleitung seiner Haremsdamen ertappte? Sie kannte ihren Sohn, er war nicht der Typ Mann, der sich auf Dauer nur mit einer Bettgefährtin zufrieden gab. Dass er eine Woche lang nur mit Nozomi verkehrt hatte grenzte bereits an ein Wunder. Sie entdeckte Takara, die Favoritin ihres Sohnes, auf der Wiese vor dem Gartentor, umringt von ihren Schwestern – wie sich die Haremsdamen nannten – während sie sich gegenseitig in der Abendsonne Geschichten vorlasen. Vor dem Gartentor auf dem Hof stand noch immer ihre Widersacherin Nozomi mit ihren beiden Dienerfreundinnen Moe und Rini und unterhielt sich leise mit Gorou. Sie konnte sie nicht verstehend, doch dieses widerliche Kichern erkannte die Inu no Kami überall. Sie war sich sicher, dass es sie noch Jahre lang in ihren Träumen begleiten würde, vielleicht sogar bis an ihr Lebensende. Ihr messerscharfer Verstand arbeitete schnell und innerhalb eines Wimpernschlages hatte sie ihre Chance erkannt. Sie lächelte selbstzufrieden – wusste sie doch, dass ihr Sohn jeden Augenblick ins Badehaus aufbrechen würde, so wie jeden Tag bei Sonnenuntergang. Mit leicht gerafftem Saum und einem gespielt gütigen Gesichtsausdruck, trat die Herrin vom Weg herunter und an die Frauen heran. Sie Scherzten gerade über das Geschehen in ihrer Geschichte, als Takara die Inu no Kami entdeckte. Sofort sprangen die Frauen auf und verneigten sich. „Seid uns gegrüßt, ehrenwerte Inu no Kami.“, verkündete die ranghöchste Geliebte des Prinzen und richtete sich als erste wieder auf. „Mädchen“, die Fürstin klang erleichtert, aber auch mütterlich tadelnd. „Was wollt ihr denn noch hier draußen? Müsst ihr euch denn nicht fertig machen?“ „Fertig machen? Wofür denn, Herrin?“, fragte Takara weiter. „Na für eurer Bad mit meinem Sohn.“ „Was?“, die Frauen sahen sich irritiert an. „Aber Herrin, der Prinz hat uns gar nicht zu seinem Bad gerufen.“ „Hat er nicht?“, sie sah überrascht drein, was jeder sofort für echt erachtete. Umso irritierter waren die Jüngeren. „Das ist seltsam. Als ich ihn im Thronsaal verabschiedete, da sagte er mir noch, wie sehr er sich auf sein Bad mit all seinen Frauen freute. Habt ihr denn nicht immer gemeinsam gebadet?“ „Doch, natürlich, doch für gewöhnlich ruft er uns, wenn es soweit ist.“ „Dann solltet ihr keine Sekunde mehr verlieren.“, erklärte die Fürstin gütig. „Ihr kennt doch meinen Sohn, womöglich erachtet er es als Selbstverständlichkeit. In diesem Fall solltet ihr von allein wissen, wann er sich ins Bad begibt.“ Unschlüssig sahen sich die Damen an. Langsam wurde die Inu no Kami ungeduldig. So nahe am Gartentor erkannte sie nun die Stimme von Nozomi, wie sie sich von Gorou und den Dienerinnen verabschiedete. Auch erkannten ihre scharfen Sinne Sesshoumaru, der gerade durch den Hinterausgang seinen Palast verließ, um den dicht bewachsenen Gartenpfad zum Badehaus zu folgen. Sie sah daher nun etwas strenger in die Runde und ihr Ton machte deutlich, dass sie keine weitere Verzögerung dulden würde. „Eine von euch möchte doch eines Tages die neue Fürstin an der Seite meines Sohnes werden, oder nicht? Doch das kann nur diejenige schaffen, die den Wünschen des Prinzen zu dienen weiß, auch dann wenn er sie nicht ausspricht.“ Es schwang so viel Ernst in ihren Worten mit und so viel Aufrichtigkeit, dass die Geliebten beinahe erschraken. Eilig sahen sie einander an. „Wir danken Euch, für Euren weisen Rat, Herrin.“, verkündete Takara und als die Inu no Kami noch einmal aufmunternd und gespielt fürsorglich nickte, eilten die Frauen sofort freudig lachend davon. Teil eins des Plans war erfüllt. Nun musste sie nur sicher gehen, dass Nozomi Sesshoumaru mit seinen Frauen sah. Sie beglückwünschte sich bereits für ihren Triumpf und trat zurück auf den Weg, als das Gatter zum Garten geöffnet wurde und die junge Frau herein trat. Sie sah nicht zurück, als Gorou von außen die Tür schloss und stieg gemächlich die flachen Stufen hinab auf den Pfad, wo die Inu no Kami bereits auf sie wartete. Wie sehr sie doch nur dieses friedliche Lächeln im Gesicht des Mädchens hasste! Wie sehr sie einfach alles an ihr verachtete! Doch natürlich gab sich die Fürstin unbekümmert und sah ihr mit dem gleichen, gütigen Gesichtsausdruck entgegen, mit dem sie auch die Mätressen ihres Sohnes verabschiedet hatte. Überrascht sah Nozomi auf und blieb in einigem Abstand stehen. „Guten Abend, Nozomi“, begrüßte die Herrscherin sie und wandte sich ihr vollends zu, doch die Jüngere wusste nicht, wie sie auf so viel Zuwendung reagieren sollte. Inu no Kami dagegen tat unbekümmert und lachte freundlich. „Was hast du? Nur nicht so schüchtern, komm näher, Kind.“, sang sie in ihrer schönsten Stimme, was das Mädchen wohl zu beruhigen schien. Sie lächelte erleichtert und trat vorsichtig näher, dann verneigte sie sich. „Meine Herrin, es ist schön Euch zu sehen.“, versicherte sie, doch die ihr Gegenüber hätte ihr am liebsten den Kopf abgerissen. So viel Freundlichkeit von dieser Person schürte ihren Hass nur noch mehr. „Es ist wundervoll dich zu sehen, Liebes.“, erklärte sie sanfte und zwang sich dazu mütterlich eine Hand auszustrecken, um der Kleineren wieder in die Senkrechte zu helfen. „Begleitest du mich ein Stück?“, bat sie weiter, doch Nozomi war sich darüber im Klaren, dass es dennoch ein Befehl war. So folgte sie ihr. „Ich bin sehr erfreut darüber, dass es dir nun besser geht.“, verkündete die Fürstin. „Wir alle haben uns große Sorgen um dich gemacht. Ich weiß, dass ich bei deiner Ankunft alles andere als eine gute Gastgeberin war.“ „Nein, meine Herrin, das wart ihr nicht.“, versuchte Nozomi sich heraus zu reden, weil man es so von ihr erwartete. Und dafür war sie in den Augen der Inu no Kami noch weniger wert. Eine wahre Dämonin hätte sich mit dieser Schmach nicht so einfach zufrieden gegeben und ihr dies auch direkt gesagt. „Doch, doch, du brauchst es gar nicht leugnen.“, erklärte sie gespielt großzügig. „Wenn ich natürlich mehr über dein grausames Los gewusst hätte, dann wäre ich gewiss nicht so rüde mit dir umgegangen. Bitte glaube mir, dass ich mir jeden Tag, während deines Aufenthalts in den Prinzessinnengemächern, darüber Gedanken gemacht habe, wie ich dir durch diese schwere Zeit helfen kann. Geopfert und verstoßen durch deinen Vater, dein Körper dazu verdammt Veränderungen durchzumachen, die ein Mensch gar nicht begreifen kann und dann noch der Fluch… Es muss so hart für dich gewesen sein, mein Kind.“ Nozomi sah sie an… Und glaubte ihr jedes Wort. Die Aura der Fürstin war ihr gegenüber nicht länger feindselig. „Ich war überglücklich, als ich davon gehört habe, dass mein Sohn der Auserwählte ist, der dir Linderung verschaffen kann.“ Nozomi sah sie wenig begeistert an. „Auch Ihr wusstet davon?“ „Ach, meine Liebe, jeder hier wusste davon. Mein Gemahl eröffnete uns noch im Winter, dass der Fluch durch eine Heirat gebannt werden kann. Gorou hielt daraufhin um deine Hand an, doch zum Glück griff Akira ein und verkündet, dass nur Sesshoumaru dich retten kann. Ich bin so stolz auf ihn, dass er sich für dich opfert.“ Augenblicklich rutsche Nozomis Herz in den Saum ihres herrschaftlichen Gewandes und blieb vermutlich vor Schwere auf dem Weg liegen. „Er opfert sich?“, flüsterte sie leise bestürzt. „Oh ja!“, das freundliche Lächeln der Inu no Kami brach nicht ab. „Er ist mit mir stundenlang durch diesen Garten spaziert und hat sich Gedanken über eure gemeinsame Zukunft gemacht. Doch natürlich wusste er, dass er nicht einfach so zu dir kommen kann und dich bitten, seine Frau zu werden.“, sie kicherte verlegen. „Es war so süß ihn zu sehen, wie er mit dem Go-Tisch am folgenden Tag zu dir ging, um dich kennen zu lernen und dir die Chance zu geben, dass du ihn kennen lernst. Ich, als seine Mutter, bin wirklich unsagbar stolz auf ihn. Das kannst du dir sicher denken.“ Seit er ihr Go beigebracht hatte, wusste Sesshoumaru, dass er ihre einzige Erlösung war? Nozomi biss die Zähne zusammen und sah auf den Boden, während sie weiter neben der Herrin her schritt. War es dann doch kein Zufall gewesen, dass er zu ihr kam, sie so etwas wie eine Freundschaft zueinander aufbauten und schließlich… Nein, natürlich war es kein Zufall gewesen. Die Fürstin hatte ihr ja eben erklärt, dass er zu jeder Zeit genau wusste, dass sie ihn brauchte, um wieder ein normales Leben zu beginnen. Zufrieden bemerkte die Inu no Kami die aufkeimende Unsicherheit in dem Mädchen und die damit erneut wachsende, dunkle Aura ihres Herzens. Doch noch waren die Ketten um ihren Fluch nicht zerrissen. „Ich fürchte, Herrin, dass ich Euch in einem Punkt berichtigen muss. Bitte verzeiht mir dieses ungebührliche Verhalten. Aber Euer Sohn sagte dem Fürsten erst heute Mittag in meinem Beisein, dass er nicht vorhabe mich zu heiraten.“ „Keine Sorge, Liebes, das wird er.“, entgegnete die Herrin schnell, ehe Nozomi auch nur Gelegenheit dazu bekam weiter zu reden. „Er weiß doch, dass du die beste Wahl unter all seinen Geliebten bist. Wir könnten uns keine bessere Braut für unseren geliebten Sohn vorstellen.“ „Nein, meine Fürstin, er sagte, dass er mich nicht heiraten wollte.“, versuchte Nozomi noch einmal zu korrigieren. Die Braut in ihrem Innern schrie kurz auf. Das Mädchen spürte es genauso wie die Inu no Kami es nahezu hören konnte. Kurz huschte ein verräterisches Grinsen über ihr Gesicht, doch sie unterband es augenblicklich. Die Jüngere hatte es nicht bemerkt. „Oh, mit wollen hat das auch nicht viel zu tun.“, erklärte die Herrscherin und sah stolz auf das Mädchen hinab. „Es ist Logik. Wenn du keine gute Partie für Sesshoumaru wärst, dann hätte mein Mann dich sicherlich bereits auf eine andere Art und Weise entsorgt. Das weiß auch mein Sohn. Und er hat solch ein großes Herz. Ganz ungeachtet dessen, dass er noch vor wenigen Monden Takara zu seiner Gemahlin machen wollte“ – da war er, der Hass auf den die Fürstin gewartet hatte, die Wut und die Verzweiflung der schwarzen Braut kehrten in die Seele des Mädchens zurück – „hat er sich dazu entschieden dir den Vorzug zu geben, als er erfuhr, dass nur er deinen Fluch bezwingen konnte. Oh die Arme Takara, sie hat Nächte lang um ihn getrauert und ich weiß, dass es ihm nicht besser ging. Doch das ist egal, oder nicht, liebes Kind? Hauptsache ist doch, dass es dir wieder gut geht und dass du endlich den richtigen Mann heiratest.“, die Fürstin lächelte sie so fürsorglich und mütterlich an, dass es Nozomi beinahe das Herz brach. „Ich weiß, was du jetzt empfindest. Mir ging es doch nicht anders, mit den Mätressen meines Mannes. Doch sei dir gewiss, dass ich dir helfen werde. Du wirst so einsam sein wie ich und dir genau wie ich ewig die Vorwürfe machen, dass es reiner Verstand war, der ihn zu deinem Bräutigam machte. Die anderen Frauen werden dich hassen und du sie genauso, weil du genau weißt, dass er nur wegen ihnen niemals dir allein gehören wird, aber sei unbesorgt, ich bin bei dir. Wir zwei werden nie allein sein. Wir haben uns, die zwei mächtigsten Dämoninnen des Westens.“ Nozomi schluckte schwer. Das konnte doch alles nicht wahr sein – die Richtung, die ihr Leben einschlagen würde und der Kampf, den sie in ihrem Innern heraufziehen spürte. Der Fluch der Braut riss an ihrer Seele und beide versuchten verzweifelt die Oberhand über ihren Körper zu erlangen, oder zu halten. Ihre Seele wollte nicht, dass es so kam, wie die Herrin prophezeite. Sie wollte nicht, dass Sesshoumaru sie heiratete, weil es „das Richtige“ war, denn er hatte es nun oft genug betont, dass er es doch eigentlich gar nicht wollte. Und dann war da noch die Braut, die verzweifelt nach ihrem Bräutigam verlangte und seine Haremsdamen vernichten wollte. Töten. Mord. Massaker. Blutbad… Es gierte sie nach wie vor nach den Seelen ihrer Nebenbuhlerinnen. Nozomi stieß die Luft aus, als wolle sie etwas sagen, doch sie erfasste die Worte nicht mehr. „Mach dir keine Gedanken, liebes Kind. Ich bin ja bei dir.“, die Fürstin strich ihr über die Wange und war erfreut darüber, dass Nozomi bei der Berührung zusammenzuckte und beinahe zurückwich. „Du solltest dich ausruhen.“, erklärte sie. „Und bitte – ich rate dir das aus eigener Erfahrung – bitte denke nicht zu sehr über das Bad nach.“ „Das Bad?“, fragte Nozomi wie in Trance. „Natürlich. Ich weiß, wie schwer es für dich gewesen sein muss, ihm zu gestatten, dass er mit seinen Geliebten badet. Es ist hart, das weiß ich. Mir geht es nicht anders, wenn mein Gemahl sich mit einer anderen zurückzieht.“ Nozomi schreckte hoch. Ihre Augen weiteten sich schockiert. Schwarze Schleier strichen durch das strahlende Blau. Die Inu no Kami hatte gewonnen. „Sie sind… im Bad?“, flüsterte sie. „Alle?“ „Natürlich mein Kind.“, sie nickt und sah, wie Nozomis Haut immer bleicher wurde… Nein, sie wurde grau! Die Braut war zum Greifen nahe. Da endlich lächelt die Fürstin düster. Vorsichtig trat sie näher auf das Mädchen zu und ging um sie herum. „Lauf, mein Kind!“, flüsterte sie ihr ins Ohr. „Geh und fordere deinen Mann zurück!“ Nozomi stieß einen verzweifelten Ton aus, dann rannte sie plötzlich los. Zufrieden sah die Fürstin ihr hinterher. So war es gut. Heute Nacht würde die schwarze Braut die Kontrolle erlangen und dann blieb dem Inu no Taishou keine andere Wahl mehr, als diesem jämmerlichen Leben ein Ende zu bereiten. Sie zwang ihre Miene sich zu entspannen und wandte sich dann wie panisch dem Gartentor zu. „HILFE! HILFE! MEIN SOHN! SEINE FRAUEN!“, schrie sie aufgeregt. Ein Alptraum jagte den Nächsten. Verzweifelt stolperte Nozomi den Weg zum fürstlichen Badehaus hinab. Sie hatte wirklich geglaubt, dass sie damit klarkäme, wenn sich zwischen Sesshoumaru und ihr nichts verändert, doch erst die Inu no Kami hatte ihr wieder ins Gedächtnis gerufen, dass er neben ihr noch andere Geliebte hatte. In diesem Moment der Erkenntnis hatte der Fluch wieder an seinen Ketten zu rütteln begonnen. Beinahe noch schlimmer war die Information gewesen, dass er eine andere heiraten wollte. Je länger Nozomi darüber nachdachte, dass Takara seine Braut werden könnte und je öfter sie sich die Zeremonie der beiden vorstellte, desto stärker wurde die schwarze Braut in ihrem Innern. Der Gnadenstoß für ihre Seele war die Nachricht, dass er seine Favoritin nur deshalb nicht heiraten würde, weil er sich dazu gezwungen sah Nozomi zu wählen. Konnte das wahr sein? Sie wusste, dass es falsch sein würde und das schwächte ihre Seele nur noch mehr gegenüber der dunklen Kraft in ihrem Innern. Die Stimme ihres verfluchten Ichs verlangte immer lauter nach dem Tod ihrer Konkurrentinnen und der ungeteilten Liebe durch Sesshoumaru. Sie erreichte das Badehaus bei den heißen Quellen und hörte den Schrei in ihrem Kopf: „Wenn er mich heiraten will, dann soll er es sofort tun und seine Frauen verstoßen.“ Sie zuckte zurück, ehe sie die Tür zur Seite schieben konnte. Sie konnte doch nicht einfach von einem Fürstensohn verlangen, dass er seinen Harem für sie auflöste. Ein Prinz und ein Herrscher hatten Mätressen, egal ob es ihr gefiel oder nicht. Besonders bei einem Dämonen konnte sie doch nicht darauf bestehen, dass er ihr bis in die Unendlichkeit treu bleiben würde. Das würde er nicht schaffen, bis in die Unendlichkeit nur sie zu lieben… „Er muss!“, fauchte die Stimme in ihrem Kopf. „Er darf niemandem außer mir gehören.“ Nozomi versuchte die schlechten Gedanken hinunter zu schlucken, doch es ging einfach nicht. Ehe sie sich versah, schob sie die Tür auf und trat in das Haus. Der eine Flur war hell erleuchte und hinter den reich verzierten Wänden konnte sie das helle Lachen der Geliebten ihres Prinzen hören. Er war hier mit ihnen. Es war keine Lüge der Fürstin gewesen – nicht, dass sie das geglaubt hätte, es war nur eine Hoffnung. Ihr Herz schlug einen Moment schneller, dann schien es auszusetzen. Dunkelheit brach über sie herein und sie wusste, dass dieser Nebel sich nicht nur in ihrem Kopf ausbreitete. Auch vor ihren Augen wurde es finster. War es das? Würde sie sich nun in die dunkle Braut verwandeln? Sie sah auf ihre grauen Hände hinab. Der Saum ihrer Ärmel verfärbte sich schwarz. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein! Ein Schrei hallte durch das Gebäude und sie sah auf. Frauen! Ihre Miene verfinsterte sich. Frauen! Sie fixierte das Gesicht der Geliebten von Sesshoumaru, die die Tür zum Baderaum aufgerissen hatte – doch ihre panische Flucht wurde unterbrochen, als sie Nozomi vor der Eingangstür stehen sah. Ihre eisblauen Augen verfärbten sich schwarz, nicht einmal das weiß des Apfels blieb zurück. Was sie sagte konnte die Verfluchte nicht mehr verstehen. Sie sah nur, wie sie zurück wich und die Tür schnell wieder zuschob. Nein, so leicht würde sie ihr nicht entkommen. STIRB! IHR ALLE MÜSST STERBEN! Es war zu spät. Ihre Verwandlung war nicht abgeschlossen – ein kleiner Teil ihres Bewusstseins wehrt sich noch immer – doch bereits jetzt hatte Nozomi keine Kontrolle mehr über ihr Tun. Festen Schrittes kam sie bedrohlich auf die Tür des Bades zu. Wie von Geisterhand glitt sie auf und gleich darauf stand sie zwischen nackten, verstört zu ihr hinauf blickenden Frauen, die sich verzweifelt versuchten mit Handtüchern zu bedecken. Sie spürte, wie der Hass immer stärker wurde, als sie sie nacheinander ansah. Undurchdringlicher Nebel zog auf, der den Raum zu verdunkeln drohte. „Nozomi“ Erschrocken wandte sie sich der Person links von ihr zu, die sich von einer Bank erhob. Sesshoumaru schob Takara beiseite, die er scheinbar im Arm gehalten hatte. Sofort folgten die Augen des Mädchens dieser Bewegung und fixierten die ältere Dämonin. Sie hatte ihr erstes Opfer gefunden. Takara wurde leichenblass. Bei jedem Schritt, den Nozomi auf sie zutrat, wich sie einen weiteren zurück. „Verschwindet sofort von hier.“, befahl der Prinz seinen Frauen und ließ die Gefahr nicht aus den Augen. Als sich die ersten endlich regten und Hals über Kopf aus dem schweren Wasserdunst fliehen wollten, der sich mit dem schwarzen Rauch des Fluchs vermischte, fuhr Nozomi herum. Sie schrie auf. So leicht würden ihr ihre Opfer nicht entkommen! Dachte sie. Sie wollte vorpreschen, doch Sesshoumaru griff ihren Arm und schleuderte sie hart zurück, gegen die Wand hinter sich. Ein ersticktes Geräusch entfuhr ihrer Kehle, was auch die letzten Mätressen als Startschuss für die Flucht ansahen. Aufgebracht stürmten sie hinaus. „Sesshoumaru-sama“, Takara war es, die noch einmal in der Tür stehen blieb und zurück sah. Sie wollte eindeutig, dass er mit ihr floh. „Ich sagte verschwinde!“, fuhr er sie an und fing noch gerade so Nozomi auf, die sich verzweifelt auf diese letzte Gegnerin zu stürzen versuchte. „Nozomi, verflucht noch mal…“, presste er hervor und drückte die kleine Frau gegen die Wand. Das verzweifelte Jammern aus ihrer Kehle schien aus zwei Stimmen zu bestehen. Sie presste die Augen zusammen und wollte sich mit aller Macht gegen ihn wehren, doch es gelang nicht. Dennoch hatte der Dämon seine Mühe damit diesen, unkontrollierten Ausbruch zu zügeln. Sie war kurz davor sich zu verwandeln, das sah auch er. Und wenn er nicht schnell einen Weg fand sie wieder zur Vernunft zu bringen, dann würde ihnen keine andere Wahl mehr bleiben, als sie zu töten. Er war sich sicher, dass seine Frauen bereits Alarm geschlagen hatten und es nur eine Frage der Zeit war, bis jemand eintraf, der ohne zu zögern die Waffe gegen sie erheben würde. Doch das wollte er nicht! Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, dass sie diese Nacht nicht überleben könnte. Mit aller Kraft stemmte sie sich gegen ihn und er erkannte mit Schrecken, wie nun auch ihr Haaransatz schwarz wurde. Ihr Schrei wurde höher und verursachte allmählich Schmerzen im Ohr… Dann war plötzlich alles ruhig. Sesshoumaru musste blinzeln um selbst zu begreifen, was geschehen war. Nozomi lehnte vor ihm regungslos gegen die Wand. Ihr Kopf lag auf der Seite, ihre Wange lief rot an. Ein zweites Mal kniff er die Augen zusammen, dann sah er seinen Arm zwischen ihnen beiden und die flache Hand vor ihrem Gesicht. Er hatte sie geschlagen. Sofort keimte das schlechte Gewissen in ihm auf. Er hatte eine Frau geschlagen! Und noch schlimmer: Er hatte Nozomi geschlagen. Noch immer entsetzt über sich selbst betrachtete er die schwarze Färbung, die sich aus ihrem Haar und ihrer Kleidung zurück zog und den düsteren Nebel um sie herum, der sich unter den Saum ihrer Kleidung schob. Erschrocken ließ er das Mädchen los. Hatte er ihr versehentlich das Genick gebrochen? Doch noch ehe er deswegen in besorgte Panik ausbrechen konnte, sackte sie in sich zusammen und streckte die Arme aus, um den Sturz abzufedern. Er tat das einzig Richtige und fing seine Geliebte auf. Sie schluchzte leise, als sie sicher in seinen Armen lag. Schweigend sah er ihr dabei zu. „Ich kann das nicht.“, erklärte sie dann. „Ich habe gedacht, dass ich das schaffe, aber ich kann das nicht.“ Wovon redete sie überhaupt? Sie drehte die Stirn gegen sein Brustbein und zwang sich tief Luft zu holen. „Ich kann diesen Fluch nicht unterdrücken, wenn du… Wenn diese Frauen…“ Er sah nur weiter unbewegt auf sie hinab, bereits ahnend, was sie sagen wollte. Wenn dass der Wahrheit entsprach und sie es nicht schaffte, sich mit seinen Mätressen zu arrangieren und sie keinen weiteren Rauch zur Verfügung hatten, der sie betäubte, dann würden sie nicht darum herum kommen, sie zu töten. Sesshoumaru wusste, dass dieser Schritt mit ihrem letzten Verhalten unausweichlich schien, doch es stört ihn. Nie hatte er sich einer seiner Frauen so nahe gefühlt wie ihr und er wusste, dass wenn Takara so ausgerastet, wäre wie Nozomi vor wenigen Minuten, er nicht eine Sekunde gezögert hätte ihr den Gnadenstoß zu versetzen. Doch das Mädchen in seinen Armen war etwas anderes. Sie war etwas Besonderes für ihn. Sie hatte ihn berührt, tief in seinem Herzen… Dennoch würde sie nun wohl sterben müssen. „Ich liebe dich, Sesshoumaru…“, flüsterte sie da und war er sich auch bis eben noch so sicher gewesen, dass ihr Leben beendet war, so wusste er plötzlich, dass er es niemals zulassen konnte, dass ihr jemand ein Haar krümmte. Entsetzt über diese Erkenntnis und ihre Worte starrte er mit Schock im Gesicht die Wand hinter ihr an. „Sesshoumaru, ich… Bitte, du… Heirate mich!“ War das ein Antrag? Er war verwirrt. In seinem Kopf drehte sich alles und keiner seiner Gedanken, die an ihm vorbei schossen, waren greifbar. „Sesshoumaru, bitte!“, jammerte sie und hob den Blick zu ihm. Als er hinab sah, sah er die schwarzen Schleier der Braut in ihren Augen. „Heirate mich! Ich will deine Frau sein! Bitte sag ja…“ „Nein“ Erschrocken über so viel Kälte in seiner Stimme riss sie die Augen auf und löste sich von ihm. „Nein?“ Er schwieg und sah sie fest an. Die wirren Gedanken hinter seiner Stirn waren für sie nicht sichtbar. In seinen Augen erkannte sie nur eines: Entschlossene Härte. Der Konflikt dieser warmen Gefühle in seinem Innern, die er nie zu begreifen gelernt hatte, mit seinen tiefsten Überzeugungen blieb ihr verborgen. „Sesshoumaru, bitte! Ich flehe dich an…“, jammerte sie verzweifelt und hob die Hände an seine Wangen, doch er zog den Kopf zurück. „Ich brauche dich…“, flüsterte sie erstickt, doch sein Blick blieb unbeeindruckt. Durch die Tür stürmten Inu no Taishou und Akira in Begleitung mehrerer weiblicher Soldatinnen herein. Sie stockten bei der Szene, die sich ihnen bot. Sie wussten nicht, was vorgefallen war, doch sie spürten die Traurigkeit, die Verzweiflung und vor allem die Verletzlichkeit und das Schamgefühl, welches von Nozomi ausging. Der Fürst wollte gerade seinen Kriegerinnen befehlen das Mädchen gefangen zu nehmen und in ihr Zimmer zu bringen, als die Kleine auf sichtlich zittrigen Beinen von Sesshoumaru weg trat. Er hob den Kopf und sah ihr nach, doch sie senkte den Blick. „Ich habe verstanden.“, flüsterte sie und schob sich an ihm vorbei. Kapitel 9: in letzter Sekunde ----------------------------- „Nichts“, verkündete Gorou und kam von den Soldaten, die ihre alten Quartiere überprüft hatten, wieder zurück zu den anderen. „Überall brennt Licht, aber keiner hat sie gesehen.“ „Nozomi besteht in der Gestalt der schwarzen Braut aus Rauch.“, erinnerte Akira. „Sie wird sich in irgendeine dunkle Ecke zurückgezogen haben. Besonders im Garten wird es viele davon geben.“ Sesshoumaru sah sich um. Überall standen die Türen der Häuser sperrangelweit offen. In jedem noch so kleinen Raum und selbst alle paar Meter auf dem Hof und in den Gärten, standen Feuerschalen oder waren Scheiterhaufen errichtet worden, um die Nacht zu erhellen und den schwarzen Rauch der Braut zu vertreiben. Doch niemand hatte seine Verlobte gesehen. Noch immer glitt sie ihm durch die Finger wie ein Gespenst. InuYasha gab ein abfälliges Geräusch von sich, sodass sich jeder zu ihm umwandte. „Räuchern wir sie halt aus.“, warf er in die Runde. Seine Geduld hatte eindeutig das Ende erreicht. „Ich habe keine Lust mehr dieses Weib zu suchen. Zünden wir einfach alles an, dann kommt sie schon von ganz allein aus ihrem Versteck.“ „Was?“, fassungslos setzte Gorou einen Schritt in seine Richtung und knurrte ihn an, als wolle er ihn angreifen. „Das ist eine deiner dämlicheren Ideen, InuYasha.“, verkündete Miroku wenig begeistert. „Das hier ist ihr Zuhause, InuYasha. Wie kannst du nur so etwas vorschlagen?“, fragte auch Kagome wenig begeistert und sah vorsichtig zu Sesshoumaru hinauf. Warum sagte er dazu eigentlich nichts? Doch vermutlich war sein Schweigen die bessere Wahl. Er starrte nur unbeeindruckt zu seinem kleinen Bruder hinab. „Selbst wenn wir so etwas in Betracht ziehen würden“, begann Akira. „dann würde dies nur noch mehr Probleme aufwerfen. Diese Festung ist seit jeher das Heim des Herrschers über den Westen. Wenn Sesshoumaru-sama das Erbe seines Vaters antreten will, dann muss diese Anlage intakt bleiben. Dies ist das Zentrum der Macht.“ „Ich schätze, dass sie genau weiß, was ihr blüht.“, erklärte der Mönch und sah sich noch einmal um, als eine kleine Gruppe von Wachen erneut die Gartenanlage betrat, um sich dort genauer umzusehen. „Die Gefühle, die sie anderen aufzwingt, sind stark und womöglich kann sie damit selbst einen gefestigten Charakter ins Wanken bringen, doch ich bezweifle, dass sie darüber hinaus noch mehr Fähigkeiten besitzt.“ „Ha! Sie besitzt eben nicht die Stärke, um einen von uns anzugreifen.“, verkündete InuYasha. „Geistige stärke ist oft mächtiger, als jede physische Kraft, mein Junge.“, erklärte Akira väterlich. „Was ein Unsinn!“, nun war es Jaken, der überheblich die Schultern hob und sich selbstsicher an seinem Stab festhielt. „Sie hat ein Blick auf die Waffen meines Meisters geworfen und wusste sofort, was gut für sie ist.“ „Auf die Waffen“, wiederholte Akira und sah Sesshoumaru eindringlich an. „Dann habe ich mich nicht verhört, du willst sie töten.“ Die Augen des zukünftigen Fürsten richteten sich auf ihn. Die Entschlossenheit sprach ebenso aus ihnen, wie der dämonische Stolz. „Ich hatte den Verdacht, aber ich hatte gehofft, dass ich mich irre.“ „Was sollte er sonst tun? Der Fluch muss beseitigt werden.“, erklärte Gorou irritiert. „Sie erlösen…“, murmelte Sango und sah zu ihrem Mann hinüber. Er blickte zurück. Ihre Augen… Irgendetwas schien an ihrer Substanz zu kratzen, nur was? „Sie erlösen?“, fragten Jaken und InuYasha wie aus einem Mund und brachen prompt in Gelächter aus. Kagome hätte ihren Mann gern zu Recht gewiesen, doch sie spürte das Gleiche, wie Sango. Schmerz und Trauer wollten sich in ihr Herz bohren. Sie konnte die Anwesenheit Nozomis spüren und die Rufe der schwarzen Braut in ihrem Kopf hören, doch egal wohin sie sah, sie konnte nicht sagen, wo sie sich befand. Und selbst wenn sie es gewusst hätte, so wäre sie wohl viel zu beschäftigt damit gewesen, diese düstere Leere nicht in sich eindringen zu lassen. Noch einmal sah sie besorgt zu Sango. Ihr ging es genauso. Die Dämonenjägerin schloss die Augen. „Ihr lacht, doch genau das war die Intention unseres Meisters.“ „Wie?“, die beiden sahen überrascht auf. „Sesshoumaru soll diese Nozomi heiraten?“, fragte auch Shippou mit großen Augen. Eine angespannte Stille senkte sich über die Gruppe, als sie alle Augenpaare auf Akira richteten. „Selbstverständlich“, verkündet er. „Der Meister hat Nozomi wie seine Tochter geliebt. Er hätte sie niemals aufgegeben und er hat niemals gewollt, dass sie stirbt. Zu keiner Zeit, egal wie nahe der Fluch uns war. Er hat immer gewollt, dass Sesshoumaru zu seiner Braut zurück findet. Er sollte sich ihr nicht nähern können, wenn er nicht die Absicht hätte sie zu beschützen und vor dem Fluch zu retten. Das Siegel selbst war die Sicherheit dafür.“ „Das ist lächerlich.“, stellte Gorou fest. „Ich war dabei, Sesshoumaru-sama hat das Schwert ohne Mühe aus dem Tor gezogen.“ Akira nickte verstehend. „Sesshoumaru-sama, wisst ihr, um welches Schwert es sich hierbei handelt?“ – da der Angesprochene nicht reagierte, fuhr Akira einfach fort. „Euer verehrter Herr Vater nannte es „Yunitto no Saiga“ – Fangzahn der Einheit. Totosai schmiedete es in seinem Auftrag zu Ehren Eurer Verlobung mit Nozomi. Ihr solltet es am Tag der Hochzeit von ihm erhalten.“ Nun verstand der Prinz endlich. Er sah auf den Griff der Waffe an seiner Hüft hinab und reckte Stolz den Kopf. „Es ist mein eigener Fangzahn.“ „Das ist richtig.“, Akira nickt. „Dieses Schwert wurde aus dem Zahn geschmiedet, den Euch Totosai am Morgen nach Eurer Verlobung zog. Seinen Kern bildet eine Strähne von Nozomis Haar. Totosai sagte, dass er beim Schmieden eine ungeheure Macht und große Magie in der Klinge spürte, doch bis heute weiß niemand, welche Kraft tatsächlich in ihm steckt. Lange Rede, kurzer Sinn: Das Yunitto no Saiga symbolisierte die Einheit Eurer Stärker mit dem zarten Wesen Eurer Gemahlin.“ „FAST Gemahlin.“, stellte Shippou klar. „Oder mit anderen Worten: Es ist absolut unbrauchbar.“, erklärte der Kappa in ihrer Gruppe. „Jaken“, warf Sesshoumaru ihm seinen Namen um die Ohren. Akira lachte: „Ich vertraue darauf, dass Sesshoumaru-sama diese Fehleinschätzung Eurerseit keine Beachtung schenkt.“ – er sah wieder zu dem Sohn seines Meisters auf. „Der Inu no Taishou nutzte dieses Schwert als Siegel, weil er wusste, dass ihr es erst ziehen könntet, wenn ihr gelernt habt Gefühle zu erkennen und zu verstehen, wie Beschützerinstinkt, Liebe, Zuneigung, Sorge um eine andere Person…“ „Sesshoumaru? Niemals.“, InuYasha schüttelte den Kopf. „Sag das nicht zu schnell.“, warf Miroku ein. „Denk an Rin.“ Akira sah irritiert auf. „Rin? Wer ist Rin?“ „Rin ist ein kleines Mädchen aus unserem Dorf. Wobei, so klein ist sie auch nicht mehr – zehn Jahre dürfte sie nun in etwa sein.“, erklärte der Mönch und Shippou nickte. „Sie kam durch Sesshoumaru zu uns. Sie begleitete ihn vor einigen Jahren auf seinen Reisen, doch nach unserem gemeinsamen Kampf gegen Naraku hat er sie in die Obhut unseres Dorfes gegeben. Er fand die Reisen für einen Menschen wohl zu gefährlich, doch er besucht sie regelmäßig und bringt ihr Geschenke mit. Er kümmert sich um sie.“ „Ein Mensch?“, interessiert blickte der Arzt zu dem Prinzen. Wie war er wohl an einen Menschen geraten? Und was bedeutete sie ihm? „Ein Mensch? Niemals!“, auch Gorou schüttelte den Kopf. „Das glaube ich jetzt nicht.“ Sesshoumarus kalte Augen richteten sich auf ihn, doch das war nicht der Grund, warum er zu sprechen aufhörte. Gorou wusste einfach nicht, wie er diese Information einordnen sollte. „Sie ist diejenige, die ihr beschützen wollt?“, fragte Akira ungläubig. Ein kurzes Zucken ging über die Augenbrauen des schweigsamen Dämonen. „Also, Sesshoumaru, gibt es jemanden, den du beschützen willst?“ – diese letzten Worte seines Vaters schossen in sein Bewusstsein. Hatte er mit dieser Frage vor zweihundert Jahren etwa auf Nozomi angespielt, die zu dem Zeitpunkt bereits sechshundert Jahre eingesperrt war und auf ihn wartete? … Sinnlos darüber nachzudenken! „Es ist wahr.“, als Sesshoumaru endlich etwas sagte, hielten Akira und Gorou die Luft an. Jeder sah ihn gebannt an – nur Sangos Blick richtete sich auf das Hauptgebäude, vor dem sie standen. „Ich bin nicht gekommen, um Nozomi zu erlösen – zumindest nicht auf die Art, die Vater vorsah. Ich bin hier, um meine rechtmäßige Herrschaft zu übernehmen.“ „Und diese Rin?“, fragte Gorou weiter. „Soll sie unsere Fürstin werden? Die neue Inu no Kami?“ „Mach dich nicht lächerlich.“, sprach der Prinz voller Verachtung, doch er wusste selbst nicht genau, wie er die Beziehung zu ihr erklären sollte. „Ihr seht sie, wie eine Tochter.“, kam ihm Akira zu Hilfe und Sesshoumaru schloss die Augen. „So kann man es nennen. Rin wächst zu einer jungen Frau in einer Welt wie diese heran. Das Dorf wird von meinem Bruder, einem Mönch, einer Dämonenjägerin und zwei Mikos bewacht, doch wenn es um ihre Sicherheit geht, dann vertraue ich niemandem außer mir.“ Wo hatte er diese Worte schon einmal gehört? „Ich will, dass Rin unter meinem Schutz in diesem Schloss ein friedliches Leben führen kann. Nozomi währe hierbei eine Gefahr. Sie würde sie als eine Rivalin betrachten, die sie nicht ist.“ „Die sie nicht ist?“, wiederholte Jaken. Er war lange mit Sesshoumaru unterwegs gewesen, doch diesen Unterton hatte er noch nie in seiner Stimme wahrgenommen. Was sollte das bedeuten? Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er bemerkte, dass sein Meister ihn scharf musterte. Schnell warf er sich auf den Boden, um für sein vorlautes Dazwischenreden um Verzeihung zu bitten. Doch Sesshoumaru strafte ihn nicht deshalb mit diesem Blick – die Worte des Kappas hatten ihn lediglich ebenfalls auf diesen gewissen Beigeschmack aufmerksam gemacht, der in seiner Stimme mitschwang. Doch lag das an Rin? Er dachte daran, wie er sie kennenlernte. Damals lag er schwer verwundet im Wald, nahe ihres Dorfes. Er hatte den Kampf gegen seinen Bruder verloren und war nur schwer dem Tod entkommen. Ein Geräusch hatte ihn hochfahren lassen und da stand sie, Nozomi. Im Ersten Moment hatte er wirklich geglaubt, dass sie bei ihm wäre, bis er das kleine Mädchen erblickte. Er verschlossen jeden Gedanken an seine Verlobte von neuem, doch die Verwirrung darüber, dass er bei seinem Erwachen als erstes diese Frau sah – wo er doch einfach nur Glücklich war nicht das Zeitlich gesegnet zu haben – verfolgte ihm seit dem. Immer, wenn er Rin sah, musste er an Nozomi denken. Hatte er das Mädchen womöglich nur deshalb so ins Herz geschlossen, weil er Schuldgefühle hatte? Erneut spürte er diese Spange, die ihm Akira gegeben hatte, unter seinem Obi. Er hatte ein schlechtes Gewissen gegenüber Nozomi und die Fürsorge um Rin war eine Art Ventil, um diese aufkeimende Erkenntnis zu beruhigen. Was ein Müll! Er rief sich wieder zur Besinnung. Nozomi hatte nichts mit der väterlichen Liebe zu tun, die er für Rin hegte. Dieses Gefühl beruhte auf der Tatsache, dass sie ihm helfen wollte und Gesellschaft leistete, als er dem Tod näher war, als dem Leben. Verstärkt wurde das alles durch den hündischen Instinkt seiner Bestie. Für Nozomi hatte er nichts mehr übrig – Korrektur: Hatte er nie etwas übrig gehabt. Der Grund für seine Zuneigung zu ihr, waren die dämonischen Kräfte von Nozomi, die ihn – einen damals jungen und noch unerfahrenen Dämonen – dazu zwangen, tiefer für die Frau zu empfinden. Sicherlich hatte auch dieser betäubende Rauch eine große Rolle dabei gespielt... „Sango?“ Überrascht sahen alle auf. Die Dämonenjägerin war verschwunden. Niemand hatte bemerkt dass sie gegangen war. Fassungslos sahen sie sich um. „SANGO!“, brüllte Miroku nach seiner Frau, doch es war sinnlos. Sie war verschwunden. „Sie muss ihr gefolgt sein…“, presse Kagome gequält über die Lippen. Besorg legte InuYasha seine Arme um die Priesterin. Dann wurde es dunkler auf dem Platz. Alle sahen zu dem Hauptgebäude hinauf. „Die Lichter…“, quietschte Shippou. „… sie gehen aus!“, beendet InuYasha den Satz. Sesshoumaru griff nach dem Schwert, das aus Teilen von ihm und Nozomi bestand. Wie passend, dass er sie mit diesem in Jenseits befördern würde. „Es hat begonnen.“, erklärte er kühl und trat auf das Gebäude zu. „Stellt überall zusätzliche Laternen auf!“, brüllte der Inu no Taishou über den gesamten Hof. Eilig wuselten Soldaten und Diener um ihn herum. Nie hatte Sesshoumaru die Festung nachts so belebt gesehen. Sie alle versuchten ihre Heimat vor einer Gefahr zu verteidigen, an deren Existenz er zweifelte. Die wenigen Kinder in ihren Reihen wurden von den Frauen – die nicht zu den Soldaten gehörten – auf unbestimmte Zeit außerhalb der Festung in Sicherheit gebracht. Niemand wusste, wie es mit ihnen weitergehen sollte und was die aufgehende Sonne am nächsten Tag bringen würde. Nur über eines waren sie sich alle im Klaren: Nozomi war verschwunden. Dennoch war sie nicht zu einer schwarzen Braut geworden – es lag kein Dunst in der Luft, der dies bezeugt hätte. Auch konnte sie unmöglich die Mauern verlassen haben – nicht einmal die Wachen, die rund um die Gärten positioniert waren, hatten sie gesehen. Doch wo sollte sie sich verstecken? Sesshoumaru atmete tief durch und blickte hinauf in den Himmel. Als hell erleuchtete Sichel strahlte ihm der Mond entgegen. An all dem hatte nur er Schuld, das wusste er. Er hätte sie nicht verbotener Weise für einen Spaziergang aus ihrem Zimmer lassen sollen. Nur so hatte sein Vater von ihrer Liaison erfahren – oder wäre sie bereits tot, wenn es nicht so gekommen wär? Fakt war doch, dass der In uno Taishou keine Ausrede gehabt hätte, warum er Nozomi nicht umbringen lassen würde, als seine Mutter es während der Ratsversammlung wiederholt forderte. Ihre Beziehung offen zuzugeben, war die einzige Lösung, um sie noch einmal zu retten. Nur was war dann geschehen? Er hatte sie zurückgelassen – in der Obhut von Rini, Moe und Gorou. Sie hatten sich über Monate hinweg nicht gesehen und hatten daher viel zu erzählen. Er selbst wollte währenddessen seinen eigenen Pflichten nachgehen und anschließend baden. Sein Plan sah es vor, dies allein zu tun. Er wollte nachdenken, sich über einige Dinge klarer werden, doch dann ging die Tür auf und seine Frauen kamen herein. Sein erster Impuls war es, sie wieder hinaus zu schicken, doch als sie ihre Tücher ablegten und er ihre nackten Körper sah, war daran nicht mehr zu denken. Alles was er wollte, waren seine Frauen… Und dann kam sie. Er hatte es erst nicht bemerkt, doch als die Mätressen unruhig wurden, erkannte auch er, wer das Badehaus betreten hatte. Sie so zu sehen war furchtbar und hatte ihm beinahe die Fähigkeit zum Atmen geraubt. War es so klug gewesen, ihren Antrag – er hatte beschlossen ihn als solchen zu sehen – abzulehnen? Hatte er damit nicht persönlich ihr Todesurteil unterzeichnet? Was sollte er nur tun? Er wusste, dass sein Vater alles versucht hatte, um das Leben von Nozomi zu retten, doch letztendlich hing es nur an ihm, ob diese Bemühungen umsonst waren oder nicht. Der Inu no Taishou konnte Nozomi nur einsperren und vor sich selbst verstecken, doch Sesshoumaru konnte sie von dem Fluch der Braut befreien. Die Frage war nur: War er bereit dazu? Wollte er diesen einen Schritt gehen? Nein, das wollte er nicht. Doch was war ihm Wichtiger? Seine ungebundene Freiheit, oder das Leben der Frau, für die er gelernt hatte zu… Er atmete tief durch – er konnte an dieses eine Wort nicht einmal denken. Seine Mutter trat an ihn heran – sie war die einzige Frau aus den beiden Harems, die nicht die Festung verlassen hatte. „Du musst dir keine Sorgen machen, mein Sohn.“, erklärte sie fürsorglich. „Wir finden das Mädchen und dann wird hier wieder Ruhe einkehren.“ Doch sprach sie die Wahrheit? Sesshoumaru wandte sich ab und betrat erneut die Gärten durch das kleine Tor. Seiner Mutter stockt das Herz, als sie ihn darin verschwinden sah. „Er muss!“, bellte die Stimme in Nozomis Kopf – das Mädchen sank auf dem schmalen Weg zwischen den hohen Bäumen und Büschen auf eine der ungeschliffenen steinigen Stufen. „Er wird es nicht tun…“, antwortete sie dem Fluch in ihrem Innern. „Ich wollte, aber er hat „nein“ gesagt.“ „Das liegt nur an ihr!“, konterte die Braut. „Diese Takara, sie hat uns unseren Mann weggenommen.“ „Nein!“, schnitt die Dämonin ihr das Wort ab. „Wir nahmen ihr ihren Mann weg. Sie war zuerst da. Sie war seine Auserwählte.“ „Er hat sich für uns entschieden! Die Fürstin hat es bestätigt.“ „Aber aus dem falschen Grund.“, Nozomi schloss die Augen und legte die Unterarme über ihre Knie. Den Anblick ihrer grauen, eiskalten Hände vermied sie, indem sie sie in ihren Ärmeln versteckte. „Sesshoumaru würde sich nicht für uns entscheiden, weil er uns liebt. Er täte es, weil er uns retten will. Das wäre aber der falsche Grund und das weiß er. Dieses Wissen hielt ihn zurück. Darum sollte es niemals geschehen.“ „Töte seine Frauen! Sie sind das Einzige, was zwischen uns und ihm steht.“ „Halt endlich den Mund.“ „Ich habe Recht und das weißt du! Er gehört uns und sie wollen ihn uns wegnehmen.“ „Halt doch endlich den Mund…“ „Du weißt, dass es wahr ist…“ Nozomi kniff die Lider fester zu und legte die Stirn auf die Unterarme. „Willst du etwa, dass wir sterben?“, fragte die schwarze Braut verzweifelt. „Lass mich das notwendige Unternehmen. Überlass mir die Führung über unseren Körper und ich schaffe sie uns alle vom Hals, bis nur noch wir und Sesshoumaru übrig sind.“ „Ich will das nicht.“, flüsterte Nozomi. „Du willst das nicht? In diesem Moment sucht die gesamte Festung nach uns, um uns zu töten. Willst du das wirklich?“ „Nein… Ich habe Angst.“ „Dann überlass es mir und ich werde uns wieder mit Sesshoumaru vereinigen.“ „Nein! Versteh doch endlich, er will es nicht und ich will ihn nicht dazu zwingen… Ich liebe ihn…“ „Ich liebe ihn auch!“, jammerte die Braut zurück. „Wir lieben ihn. Wir sind eine Person… Nozomi, versteh doch, dass wir ihn brauchen…“ „Ich weiß das… Ich will nichts mehr… Aber es geht einfach nicht.“ Der Fluch schien begriffen zu haben, dass weitere Diskussionen sinnlos waren. Nozomi hatte sich entschieden und wie sie bereits selbst erkannte, war sie ein Teil von ihr. „Was tun wir jetzt?“, flüsterte sie irgendwann traurig und Nozomi spürte fast, wie sich ihre zweite Persönlichkeit neben sie setzte und mit ihren unsichtbaren Händen nach ihren griff. Egal was kommen würde, sie waren immerhin zusammen – so wie damals in ihrem Traum, als sie erkannte, dass Sesshoumaru ihre Erlösung war. „Ich weiß es nicht.“, flüsterte das Mädchen zurück. „Spürst du das?“, hauchte der Fluch zurück. „Sie kommen. Sie sind schon ganz nahe. Wir müssen uns entscheiden! Wir wollen doch nicht sterben! Übergib mir endlich die Führung, ich beschütze uns beide!“ Nozomi starrte jedoch nur weiter auf die Stelle, wo sie einander zu berühren schienen – ihre Hände unter dem seidigen Stoff ihrer Ärmel. „Sie haben uns eingekreist.“ „Sie haben uns gespürt.“ „Wir werden sterben.“, diese Erkenntnis – oder eher der Entschluss – ihres Wirts gefiel der Braut nicht. Sie wollte nicht sterben und sie wusste, dass es Nozomi im Grunde nicht anders ging. Erneut riss der Fluch an ihrer Seele. „Überlass mir die Führung!“ „Es wird wehtun, hab ich recht? Es wird langsam und schmerzvoll sein.“ „Überlass mir die Führung!“ „Ich will keinen langsamen, grausamen Tod… Ich habe Angst davor.“ „Dann überlass mir die Führung! Schnell! Sie sind schon ganz nah.“ „Wenn ich das tue, dann greifen wir sie an. Dann wird es nur noch schlimmer. Aber vielleicht gewähren sie mir einen sanften Tod? Etwas, wobei wir einschlafen…“ Plötzlich wurde die Braut panisch. „Gib mir die Kontrolle! Dann werden wir gar nicht sterben!“ „Ich will keine Gefahr für andere darstellen! Wir MÜSSEN Sterben!“ „Nozomi, sei keine Närrin! Du kannst das unmöglich wollen. Wir beide, du und ich, wir kämpfen, fliehen und finden einen Weg, damit er zu uns zurückkehrt.“ „HALT ENDLICH DEINEN MUND! ES GIBT KEINEN ANDEREN WEG! ER WIRD NICHT ZURÜCKKEHREN!“, schrie Nozomi fest entschlossen und zog Beine und Arme dichter an sich heran. Die Auren der Dämonen kamen schneller auf sie zu und zogen den Kreis noch enger. Sie hatten sie gehört. Die Braut wurde hektisch und randalierte beinahe in ihrem Inneren, da raschelte es um sie herum. Als die kleine Dämonin den Kopf hob, erkannte sie um sich herum mehrere Soldaten, die ihre scharfen Waffen gegen sie richteten. Nun gefror auch ihr Herz vor Angst. Doch im Gegensatz zu ihrer dunklen Seite, wusste Nozomi genau, dass eine Flucht nichts brachte. Man hatte sie schon einmal wieder zurück gebracht… Er hatte es getan. Und dieses Mal würde es sicher nicht geschehen, um sie in ein warmes, weiches Bett zu legen und durch Akira mit Tee bewirten zu lassen. Sie schluckte schwer und sah von den Soldaten um sie herum auf. Vor ihr trat die Fürstenfamilie aus den Reihen. Das war also ihr Ende? Der Inu no Taishou und sein Sohn erschraken förmlich, als sie die noch immer vollkommen schwarzen Augen in dem blassen Gesicht sahen, umrandet von noch weißem Haar. Wer saß nun vor ihnen? Die Braut oder Nozomi? Vielleicht waren sie es zu gleichen Teilen? Sesshoumaru betrachtete die gefährlichen Waffen, die auf die versunkene Gestalt zeigten. Dieser Schmerz in seiner Brust… Er wollte aufheulen wie ein Wolf und seine Bestie entfesseln. Der Hund tobte in ihm, wollte ihn dazu zwingen die zerbrochene Seele an sich zu drücken und weit fort von hier zu tragen. Vollkommen egal wohin, Hauptsache sie wäre in Sicherheit. Und dann? Sollte er sie töten? Hätte er die Kraft dazu? Egal wo Nozomi war, sie war eine Gefahr für jedes lebendige Wesen in dieser Welt. Es sei denn, er würde… „Wie wird es sein?“, flüsterte sie und all die Angst und Verzweiflung, die sie ausstrahlte, ließen die Soldaten die Waffen zurückziehen. „Sterbe ich schnell? Kann ich sowas wie… Frieden finden?“ Sesshoumaru erschrak sichtlich. Er verlor jede Beherrschung über sein Gesicht. Er konnte nicht fassen, dass sie davon sprach getötet zu werden. Das Wispern des Fluchs hing in der Luft und mit tausenden von Stimmen – die alle nur Nozomi gehörten – klagte die Braut, dass sie leben wollte. Doch warum dachte die Frau vor ihm dann über den Tod nach? Als er die Wahrheit erkannte, schlug sein Herz schnell und flach, sein Magen wollt sich umdrehen und seine Sicht verschwamm für einen Moment. Nozomi hatte aufgegeben. Er hatte es abgelehnt sie zu seiner Frau zu machen und hatte ihr damit jede Hoffnung zu leben genommen. Sie wusste, dass es nur noch einen Ausweg gab, dem nun auch der Fürst nicht mehr ausweichen konnte. Wie konnte sie ihm das antun? Wie konnte sie einfach entscheiden ihr Dasein zu beenden, ohne ihn zu fragen? Sie gehörte ihm! „Kein Dämon kann so etwas wie Frieden finden.“, erklärte da zu allem Übel auch noch sein Vater neben ihm. War er denn von allen guten Geistern verlassen? Warum beantwortete er ihr diese Frage? Er würde doch wohl nicht… Sesshoumaru brachte kein Wort über die Lippen, als er zu seinem Vater hinauf blickte. Kein Zweifel. Ihm viel nichts mehr ein, wie er Nozomi den Tod ersparen konnte. Er suchte noch immer angestrengt nach einer Lösung, aber da war keine. „Wird es wenigstens schnell gehen?“, fragte das Mädchen verzweifelt und der Prinz sah wieder zu ihr. Er hörte ganz deutlich ihre Stimme. Sie hatte Angst, sie wollte das alles nicht… Er war ein Narr! Ein Idiot! Ihm viel selbst keine korrekte Bezeichnung für sich ein. „Dein Verständnis rühmt dich.“, verkündete seine Mutter, doch in ihrer Stimme klang nicht halb so viel Schmerz und Mitleid mit, wie in der seines Vaters. „Du bist ein kluges Kind, du wirst wissen, dass Dämonen niemals schnell sterben, doch weil du dich so einsichtig zeigst, werden wir dir deinen Wunsch so gut es geht erfüllen.“ „NEIN!“, schoss es durch Sesshoumarus Kopf, doch aussprechen konnte er es nicht. Zu geschockt war er von den schnellen Bewegungen der beiden Soldaten, die auf den stummen Befehl ihrer Fürstin hin Nozomis Oberarme packten und ihr an den Handgelenken die Arme verdrehten, dass sie mit einem erschrockenen Schrei von der Stufe hinunter und auf die Knie sackte. Der Bewegung folgend beugte sie sich vor und entblößte so den Nacken. Es konnte unmöglich sein, dass ihr dieser Griff Schmerzen bereitete, doch ihre Angst und Panik wurden spürbar stärker. Fassungslos sah Sesshoumaru dabei zu, wie ein dritter Mann die lange Klinge seines Speers in den Boden rammte und sein Schwert zog. Doch auch sein Arm zitterte, als Nozomi sich bei dem Geräusch anspannte. War das Sesshoumarus Name, der dort in der Luft hing? Rief sie nach ihm? „Wartet!“, diese Worte kamen leider nicht von ihm, sondern von seinem Vater. Dankbar für diese Unterbrechung sahen die Soldaten zu ihm auf – immerhin spürten auch sie die Verzweiflung des Mädchens und als Hunde waren sie ebenso empfänglich dafür – doch sein Befehl war lediglich ein Reflex gewesen. Er wusste nicht, womit er das unausweichliche tatsächlich stoppen sollte. „Mein Geliebter“, säuselte Inu no Kami an seiner Seite mitleidig. „Ich weiß, wie viel sie Euch bedeutet. Ich versichere Euch, dass auch mir dieser Schritt nicht leicht fällt. Ich möchte diesem Urteil nicht beiwohnen. Doch Ihr müsst doch wissen, dass dies unsere einzige Rettung ist!“ Sie sprach die Wahrheit, erkannte Sesshoumaru nur zu schmerzlich. „Auch ich will dieses junge Leben nicht beenden, doch denkt nur an Eure Untertanen und an all die anderen Seelen, die dieses Kind bedroht…“ Der Inu no Taishou biss die Zähne zusammen und sah zu seiner Frau hinab. Sie hatte ja Rech, aber er hasste sie dafür. Vor allem, weil er genau wusste, dass sie nicht halb so viel Mitleid für Nozomi empfand, wie sie ihm vorheuchelte. Doch ihr Hass gegen das Mädchen tat hierbei nichts zur Sache, er begünstigte nur ihre Beharrlichkeit das Unausweichliche durchzuführen. Er schloss die Augen. Warum sie… Warum seine Prinzessin? Er sah hinüber zu seinem Sohn. Diese Sorge in seinem Blick… „Tut es!“, befahl die Fürstin. Nozomi hielt den Atem an, versteifte jede Muskulatur in ihrem Körper und… Nichts passierte. Entsetzt riss die Inu no Kami die Augen auf und sah mit offenem Mund, wie ihr eigener, geliebter Sohn das Handgelenk des Scharfrichters packte und erbarmungslos festhielt. Nur eine Handbreite trennte die scharfe Klinge seines Schwertes von dem Genick ihrer Widersacherin. Erstaunt erkannte ihr Mann die Entschlossenheit in den Augen seines Erben, als er den Arm des Soldaten zurück riss und ihn erbarmungslos von sich weg stieß. „Sesshoumaru!“, donnerte die Inu no Kami, doch er beachtete sie überhaupt nicht. Eiskalt richtete sich sein Blick auf die beiden Männer, die Nozomis Arme hielten. Augenblicklich ließen sie von ihr ab. „Sesshoumaru, du stürzt uns alle ins Unglück!“, rief seine Mutter, doch der Prinz trat nun an die kauernde Gestalt auf dem Boden heran. „Nozomi“, sprach er herrisch und sie hob vorsichtig den Blick, eindeutig darauf wartend, dass er nun die Waffe gegen sie erhob. „Steh auf!“, befahl er stattdessen. Eilig folgte sie dieser Anweisung und noch ehe sie erkannte was geschah, fand sie ihre Hand in seiner wieder. Sanft zog er sie zu sich und schlang den zweiten Arm um ihre Taille. Als wolle er ihr Schutz bieten, legte sich sein dämonisches Fell wärmend um sie. „Sesshoumaru!“, hauchte seine Mutter verzweifelt. Sie wusste nicht, wie sie all das einordnen sollte. „Mein Sohn…“, begann der Inu no Taishou, doch vor Stolz versagte ihm seine Stimme den Dienst. „So lange ich lebe“ - begann der jung Dämon, ohne dabei den Blick von den finsteren Augen seiner Partnerin zu nehmen - „wird niemals irgendjemand meiner Braut Leid zufügen.“ Kapitel 10: Yunitto no Saiga ---------------------------- „So lange ich lebe wird niemals irgendjemand meiner Braut Leid zufügen.“ Sesshoumaru schob die Gedanken an diese Worte beiseite und betrat erneut den Thronsaal. Nichts hatte sich hier verändert, seit sie das erste Mal die Halle betreten hatten. „Da! Das Licht!“, InuYasha blieb neben ihm stehen und starrte auf die offene Tür hinter dem Podest des Fürstenpaares. Die Lichter, die dahinter entzündet worden waren, flackerten wild. Langsam wurden sie dunkler und erloschen schlussendlich. „Oh nein“, fluchte Gorou. „SANGO!“, brüllte der Mönch in ihrer Mitte und preschte vor. „Miroku, warte doch!“, versuchte InuYasha seinen Freund noch aufzuhalten, doch da war er bereits in die Dunkelheit hinter der Tür eingetaucht. „Verflucht noch mal!“ Sie folgten ihm auf dem Fuße. „Sango! Sango! Antworte mir!“, verlangte der Mensch und schob jede einzelne Tür im Flur auf, doch es war so finster, dass er kaum etwas in ihnen entdeckte. „Wir teilen uns auf.“, schlug Gorou vor, doch Akira hielt ihn zurück: „Rede keinen Unsinn! Wir dürfen uns unter keinen Umständen trennen.“ „Sango!“, Miroku drückte sich an ihnen vorbei, um den hinteren Teil des Ganges zu überprüfen. „Kagome!“ Überrascht sahen sich die anderen um. Die Miko lag blass und schwer atmend in den Armen ihres Mannes. „Kagome, was hast du denn?“, wollte Shippou wissen und sprang auf sie zu. „Diese Leere…“, presste sie erstickt hervor und sah ihre Begleiter eindringlich an. „Ich spüre ihren Schmerz… Es ist, als würde mir das Herz zerreißen…“ „Ist sie das?“, fragte Miroku voller Angst. „Sango…“ „Nein“, Kagome schüttelte den Kopf. „Ich glaube ihr geht es gut… Es ist die Braut…“ „Schaff sie hier aus, InuYasha.“, entschied Akira und erntete dafür ein zustimmendes, sorgenvolles Nicken von dem Halbdämonen, doch Kagome blieb eisern dort stehen, wo sie war. „Nein, ich will mit euch suchen.“ „Was soll der Quatsch?“, während sein Bruder auf seine Frau einzureden versuchte, wandte sich Sesshoumaru wieder um. Mit wenig begeistertem Ton hatte Miroku kehrt gemacht und joggte nun die Treppe in die erste Etage hinauf. So viel Schmerz und Angst lag in seinem Gesicht, aber auch Entschlossenheit, seine Frau unter allen Umständen aus den Klauen des Fluches zu befreien. Nichts würde er unversucht lassen. So wie Sesshoumaru einst… Er hatte das Gefühl in diese unsägliche Nacht zurück versetzt worden zu sein, als sie hingerichtet werden sollte, nur dass es dieses Mal Miroku war, der um das Leben seiner Gefährtin fürchtete. Der Dämon sah Nozomi vor sich – gehalten von diesen Soldaten, die sie auf Geheiß seiner Mutter exekutieren wollten. Auch er hatte in diesem Moment nichts als Angst und Panik in sich gespürt. Er glaubte sie für immer verloren zu haben und dann… Dann hatte er ihr geschworen sie zu beschützen. Er wollte sie heiraten. Sie sollte seine höchste Geliebte werden, seine Braut. Sie sollte die Zukünftige Inu no Kami sein. „Sie ist ganz oben… unter dem Dachstuhl…“, hörte er Kagome hinter sich keuchen. „Sie versteckt sich dort. Ich glaube… Sie schämt sich, wegen der Hochzeit. Ich spüre, dass sie genau weiß, dass sie heute sterben wird und furchtbare Angst davor hat. Deswegen hat sie mich und Sango gerufen. Sie will nicht allein sein… Und den Fluch weitergeben.“ „Was?“, quiekte Shippou. „Oh nein!“, Gorou stolpert sofort hinter Miroku her. Soweit durften sie es nicht kommen lassen, dass eine weitere Menschenfrau zu einem verfluchten Dämon wurde, so wie Nozomi. Sesshoumaru folgte ihm. Sango war ihm herzlich egal, doch seine Braut… Dieses Stechen in der Brust, da war es wieder. So hatte er sich damals gefühlt, als der Fluch das erste Mal versuchte die Kontrolle über sie zu erlangen. Wie hatte er das alles nur soweit kommen lassen können? Wie war er nur in diese Aussichtslose Situation geraten? Wie hatte er nur so dumm sein können? Die Antwort war einfach: Seine Mutter. Drei Tage hatten sie gebraucht um alles vorzubereiten, doch nun war der Moment gekommen: Nozomi wurde im Hauptgebäude vor dem Tor für die Zeremonie vorbereitet. Heute würde er verheiratet werden. Sesshoumaru ließ sich lediglich mit einem Tuch um die Hüften bekleidet in dem vorderen Zimmer seiner Gemächer auf ein Sitzkissen fallen und stellte einen Ellenbogen auf die Tischplatte. Während er sich mit der Hand über den Mund fuhr und die Gewänder betrachtete, die extra für diesen einen Tag geschneidert worden waren, keimte in ihm wiederholt der Gedanke auf, der ihn nun seit dem vergangenen Abend quälte. Er war doch gerade erst einhundert Jahre alt – quasi ein Kind unter den Dämonen – nicht einmal seine Mutter war so jung gewesen, als sie und sein Vater vermählt wurden. Kraftlos ließ er den Arm wieder sinken und hielt sich an der Holzplatte fest. Gedankenverloren strich er mit der Zunge über die Lücke in seiner oberen Zahnreihe, wo ihm Totosai einen Fangzahn entfernt hatte, um daraus ein Schwert zu schmieden. In diesem Moment schien die Situation so unwirklich und vollkommen weit weg. Er konnte all diesen Stolz nicht mehr nachvollziehen, als er dort saß, im Thronsaal bei der Ratsversammlung, und bereitwillig den Mund öffnete. Nozomi hatte wegsehen müssen, als der Schmied die Zange ansetzte und mit einem kräftigen Ruck das harte, scharfe Material erntete, doch Sesshoumaru hatte wahre Stärke bewiesen und nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Anschließend nahmen sie eine wunderschöne, schneeweiße Strähne aus dem Nacken seiner Braut. Der vertraute Schmied seines Vaters war sich sicher daraus eine mächtige Waffe fertigen zu können, die die Vereinigung des Paares symbolisieren würde. Und Sesshoumaru hatte nur Augen für seine zukünftige Fürstin gehabt. Die vergangenen Nächte waren die intensivsten ihrer gemeinsamen Zeit gewesen. Nozomi war glücklich und dieses Gefühl gab sie ihm mit jeder Berührung zurück. Sie war… dankbar. In den ersten Stunden nach ihrer Verlobung war Sesshoumaru berauscht vor Glück. Es hatte sich fantastisch angefühlt zu wissen, dass die Verbindung zu dieser Frau bald den höchsten Stand erreicht hatte, doch nun plagten ihn Zweifel. Er wusste nicht, ob er bereit dazu war und ob er jede Konsequenz genau durchdacht hatte – ob er überhaupt ahnte was diese Veränderung für ihn bedeutete… Natürlich hatten Gorou und sein Vater bemerkt, dass er immer ruhiger wurde, je näher die Stunde seiner Vermählung rücke, doch der Inu no Taishou hatte ihm versichert, das solche Gedanken kurz vorher absolut normal waren. Doch stimmte das? Was war nun, wenn er einen Fehler machte? War Nozomi dieses Opfer wert? Als er spürte, wie seine Hände zu zittern begannen, krallte er die eine Hand fester in die Tischblatte und die andere in den Stoff, der seinen Schoß bedeckte. Er musste sich beruhigen. Er durfte niemandem seine Unsicherheit zeigen. Womöglich hatte sein Vater Recht und er würde sich wie der König der Welt fühlen, wenn er heute Abend seine Frau in den Armen hielt… Doch wie lang würde dieses Gefühl andauern? Wenn er sich die Beziehung seiner eigenen Eltern vor Augen hielt, dann fragte er sich, ob er und Nozomi sich in einigen Jahren ähnlich verhalten würden. „Du quälst dich.“, erkannte eine liebevolle Stimme – doch gerade diese Fürsorge jagt ihm bei seiner Mutter einen Schauer über den Rücken. „Ich sehe es dir an, mein Junge.“, erklärte sie und kam näher. Der Stoff ihres Gewandes raschelte schwer, als sie sich hinter ihm hinhockte und beide Hände mütterlich auf seine Schultern legte. Er schloss die Augen. Er war sicherlich nicht der Typ Mann, der solche Intimitäten mochte, doch in diesem Moment tat es unendlich gut, seine Mutter bei sich zu wissen, ihren Rückhalt zu spüren und die Gewissheit zu haben, dass sie ihn verstehen konnte. „Du erkennst nun, dass du übereilt gehandelt hast.“ Sein erster Impuls war es zu widersprechen, deswegen sah er über die Schulter zu ihr zurück, doch als er ihre entschlossenen Augen sah schaffte er es nicht mehr den Mund zu öffnen. Es war keine Frage ihrerseits gewesen – oder gar eine Annahme – es war eine Feststellung, mit der sie ihre Überzeugung in seinen Kopf einhämmerte. „Sesshoumaru, mein lieber Sohn“, sanft strich sie über sein frisch gewaschenes Haar und ließ die Strähnen durch ihre Finger gleiten. „Was hattest du dir nur dabei gedacht? Was hast du dir von deinem Handeln erhofft?“ „Ich habe gar nicht gedacht.“, erklärte der Prinz und es entsprach der Wahrheit. Er hatte sich von einem Gefühl leiten lassen. Von der Angst Nozomi zu verlieren und dem verzweifelten Wunsch sie zu retten und zu beschützen. Sie hatte nach ihm gerufen. Sie brauchte ihn. Sie liebte ihn. Liebe… Woher sollte ausgerechnet er wissen, was Liebe war? Sein Vater hätte es ihm beibringen können, er war zu solchen Gefühlen im Stande, doch seine Mutter hatte ihn aufgezogen und diese Frau hatte nicht einmal gewusst, wie sie ihren zweijährigen Sohn in die Arme nehmen sollte, wenn er sich das Knie aufgeschlagen hatte und weinte. Diese kleine Geste – wie sie ihm die Hände auf die Schultern legte – war schon mehr, als er jemals erwartet hatte. Das Nozomi so viel für ihn empfand und auch er seltsame Wärme in sich spürte, wenn er an sie dachte, das machte ihn nervös. Besonders in Anbetracht der bevorstehenden Vermählung… „Vielleicht solltest du noch einmal über all das nachdenken.“, erklärte ihm seine Mutter. „Es ist ein großer Schritt und du solltest ihn nur mit der perfekten Braut begehen.“ – ein Unterton schwang mit, bei dem Sesshoumaru sich sicher war, dass ausschließlich sie eine solche Frau für ihn finden und aussuchen konnte – „Du fühlst es doch auch, hab ich Recht? Nozomi ist nicht diese eine, die richtige Prinzessin für meinen starken Prinzen.“ Er atmete tief ein. Gerne hätte er sie zurecht gewiesen, doch die aalglatte Stimme der Inu no Kami bohrte sich in seinen Kopf und weckt wieder das rational denkende Zentrum, welches ihr leider zustimmen musste. „Nozomi ist keine Dämonin.“, erkannte er. „Nein, mein Junge, das ist sie nicht.“, seine Mutter klang zu Tode betrübt, als würde es ihr wirklich leidtun, was ihm in diesem schwachen Moment stark zusetzte und nur noch mehr Zweifel schürte. „Sie ist ein bedauernswertes, kleines Menschenkind, das durch einen schrecklichen Fluch an die Kräfte von niederen Dämonen gelangte. Sie wird niemals zu uns gehören, aber auch niemals ein Mensch sein.“ Sesshoumaru schwieg bei diesen Worten. Aber was war Nozomi dann? „Sie ist verflucht, mein Liebling. Sie ist gefährlich für uns alle. Dein Vater weiß das, ich weiß das… Du musst es doch auch sehen.“ Tiefe, besorgte Verzweiflung schenkte sie ihm und drückte leicht seine Schultern. „Ich bin stolz auf dich, Sesshoumaru. Du hast bewiesen, dass du jede Gefahr auf dich nehmen würdest, um dein Volk zu retten. Du hast dich würdig erwiesen ein Prinz zu sein und eines Tages ein großer Inu no Taishou zu werden, doch heute möchte ich nur deine Mutter sein.“ Sesshoumaru schloss die Augen. Und was sollte ihm das nutzen? Erschrocken riss er die Lider wieder auf und starrte entsetzt auf die feine, zeremonielle Kleidung vor sich. Fest schlossen sich die Arme seiner Mutter von hinten um seine Schultern und zogen ihn schützend an sie. „Flieh, mein Sohn! Flieh!“, jammerte sie. Wie konnte sie so etwas sagen? „Jeder wird es verstehen. Diese Frau ist für uns alle gefährlich…“ „Wenn ich sie heirate, dann breche ich den Fluch.“ „Und du schwächst sie damit, denn der Fluch ist das stärkste an ihr. Aber eine schwache Frau kann und darf nicht die Fürstin an deiner Seite sein. Es würde bedeuten, dass auch du schwach wärst und damit setzt du deinen Clan unnötig den Angriffen machtgieriger, niederer Dämonen aus, die uns verdrängen und den Westen erobern wollen. Wenn du dich mit ihr vereinigst, dann wirst du auch unsere Linie schwächen. Was für ein Fürstenhaus wären wir dann noch? Was wären wir dann wert? Mit ihr als deine Fürstin wären deine rechtmäßigen Erben nicht stark genug, um unsere Herrschaft zu sichern.“ Hatte sie Recht? Gefährdete er mit Nozomi das Fortkommen und die Stellung der Familie? „Jeder wird es verstehen!“, flüsterte sie. „Jeder wird es nachvollziehen können, wenn du gehst. Ganz besonders ich und dein Vater. Niemand wird dich aufhalten, wenn du nun gehst. Ich flehe dich an, Sesshoumaru, geh! Geh und rette damit unsere Familie und alle Dämonen des Westens.“ Nein, das konnte er doch nicht tun! Seine Hände verkrampften sich zu Fäusten und er senkte angespannt den Kopf. Wie konnte sie so etwas nur verlangen? Wie konnte sie ihm nur auftragen wegzulaufen, wie ein feiger Hund? Ihre Arme lockerten sich wieder um seine Schultern und sie stand auf. Er sah ihr nicht nach, als sie zu seiner Kleiderkammer hinüber ging und darin verschwand. Was erwartete sie nur von ihm? Dass er sein Wort brach? … Doch auf der anderen Seite, musste er zugeben, dass alles, was sie über die Familie sagte, der Wahrheit entsprach. Nozomi war keine geborene Dämonin und schon gar kein Hundedämon wie er. Sie war ein schwacher, bedeutungsloser Mensch, der die schwachen Kräfte von ebenso niederen, bedeutungslosen Dämonen in sich trug. Dazu war sie verflucht mit einer Macht, die sie alle töten und verschlingen könnte, wenn sie es zuließen. Er dachte an seine Mätressen. Wer sagte ihm, dass er sie wiedersehen durfte, wenn er Nozomi geheiratet hatte? Vielleicht verlangte die schwarze Braut nicht nur die Ehe, sondern auch Treue und verschwand nicht einfach, wenn sie seine Prinzessin war. Wenn er ging, was würde das bedeuten? War er dann feige, oder bewies er damit Stolz? Vielleicht hatte er sich zu diesem Eheversprechen verleiten lassen, wie bei einem heimtückischen Trick. Oder war seine Mutter das Hindernis, das ihn verleiten wollte? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Seine Mutter war alles – intrigant, arrogant, egoistisch – doch wenn es um die Ehre der Familie ging und um das Wohl ihres Volkes, dann war sie eine wahre Herrscherin. Sie wollte immer nur das Beste für sie alle und wenn sie sagte, dass es nötig war zu gehen, um den würdigen Fortbestand der Familie zu sichern und damit die Stabilität des westlichen Reiches, dann entsprach dies der Wahrheit. Er hob den Blick und betrachtete das Gewand für die Eheschließung, als sich ein weiteres Kleidungsstück in sein Sichtfeld drängte. Mit entschlossenem Blick und der ehrlichen Sorge einer Mutter im Gesicht, stellte die Inu no Kami das Gestell seiner Rüstung vor ihm ab. „Du weißt, was das Beste für dich und dein Volk ist.“, erklärte sie eindringlich. Sie zögerte einen Moment, dann verneigte sie sich – was ihn noch mehr in seinen Grundfesten erschütterte und verwirrte – und eilte hinaus. Sesshoumaru blieb zurück mit diesen zwei Wegen vor Augen… Für welchen sollte er sich nur entscheiden? Akira hatte die ehrenvolle Aufgabe die Braut bis zur Zeremonie zu begleiten. „Du wirst sehen“, sprach er zu Nozomi und leerte seinen Becher. „Sobald dieser Tag zuende geht, wirst du dich wesentlich besser fühlen. Es ist ganz normal kurz vor der Trauung etwas Panik zu bekommen. Dein ganzes Leben wird sich verändern.“ Sie öffnete ihre strahlend blauen Augen und nickte ihm dankbar lächelnd zu. „Ich bin gleich fertig!“, verkündete Rini hinter ihr und kämmte zum gefühlt einhundertsten Mal die langen Haar der Braut. „Außerdem werde ich dich keinem Fremden übergeben.“ „Das ist wahr.“, Nozomi stieß nervös die Luft aus und neigte leicht den Kopf nach links, als die Dienerin hinter ihr endlich begann ihre Haare an den Seiten ihres Kopfes zu raffen und hoch zu stecken. Verzieren wollte sie diese einfache, doch elegante Frisur mit den beiden Lilienspangen, die Nozomi von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte und während ihrer Opferung trug. Selbst bei allem, was passiert war, wollte sie wenigsten diese Schmuckstücke als Andenken an ihre Eltern tragen und damit den Beginn eines neuen Lebens einleiten. Als Rini sicher war, dass der Schmuck perfekt saß, griff sie nach einem leichten, seidigen Tuch und legte es behutsam wie zum Schutz über Nozomis Kopf und die kunstvolle Haarkugel – direkt hinter die beiden Spangen. Dann drapierte sie die Enden fein säuberlich über ihre Schultern. „Ich bin fertig!“, rief sie freudig und klatschte in die Hände. „Sehr gut.“, Akira erhob sich und reichte Nozomi eine Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Ihre Hände waren kalt und feucht vor Aufregung, doch sie schaffte es sich ohne Komplikationen zu erheben. Endlich stehend richtete Rini zusammen mit Sachi ein letztes Mal ihr Gewand. „Du siehst wundervoll aus.“, verkündete der Arzt und betrachtete sie von oben bis unten und wieder hinauf. „Sesshoumaru-sama kann sich glücklich schätzen eine solch wunderbare Frau wie dich zu bekommen.“ Sofort lief Nozomi rot an und versuchte ein Kichern hinter ihrem Ärmel zu verdecken. Sein Kompliment war ihr peinlich. „Den lasse ich hier.“, Rini legte das einfache Gewand des Mädchens zusammen, in dem sie sie nach ihrem zeremoniellen Bad hierher geführt hatten, und ließ es neben dem Aufsteller ihrer Hochzeitsrobe liegen. „Es kann jeden Augenblick beginnen und ich will nichts verpassen!“, freudig hüfte sie von einem Fuß auf den anderen. Sachi lachte mit ihr, packte sie dann aber und schob sie noch vor Akira und Nozomi zur Tür hinaus. „Komm, lass uns dem Herrn Bescheid sagen, dass sie fertig ist und die Zeremonie von uns aus beginnen kann!“ Damit huschten sie schon durch einen Ausgang schräg gegenüber in den Thronsaal hinein. Darinnen waren laute, fröhliche Stimmen zu hören, die alle durcheinander sprachen. Nun bekam Nozomi weiche Knie. Ihre Hände begannen leicht zu zittern. Sanft schloss Akira seine Finger um die ihre, in der Hoffnung sie so wenigstens etwas halt zu spenden. „Alles wird gut, Nozomi. Du wirst sehen. Es wird nicht lange dauern und dann wirst du nach der Inu no Kami die mächtigste Frau in diesem Land sein.“ „Sollte mich diese Aussage beruhigen?“, fragte sie mit einem unsicheren Grinsen. Ein väterliches Öächeln legte sich in sein Gesicht und er schlang einen Arm um ihre Schulter. „Entspann dich einfach. Dies soll der schönste Tag deines Lebens werden.“, sie hielten neben der halb geöffneten Tür, als er ihr einen fürsorglichen Kuss auf die Stirn drückte. „Vertrau mir, heute Abend wirst du sehen, dass jeder Schrecken der letzten Monate endlich ein gutes Ende nimmt.“ Tief holte die junge Frau Luft und richtete den Blick auf den Boden. Ihre Wangen erröteten, als sie daran dachte, dass sie bei Sonnenuntergang nicht mehr als Mätresse in Sesshoumarus Armen liegen würde, sondern als seine Frau und höchste Geliebte. Egal wie viel Angst sie vor ihrem Leben danach hatte – vor den Pflichten und den Erwartungen, die man an sie stellte – so war sie doch unendlich glücklich. Akira sah durch die offene Tür in den Thronsaal. Eine Wache kam gerade hereingeeilt, sicher wollte der Mann bekanntgeben, dass der Prinz nun endlich für die Zeremonie bereit war. „Also dann“, er zog seinen Arm zurück und zog dabei versehentlich an dem Tuch auf ihrem Kopf. Die Frisur selbst hielt zum Glück, doch eine ihrer Spangen verrutschte bei diesem Missgeschick. „Oh weh“, erkannte er das Übel. „Komm, dreht dich mal um.“ Wunderbar, eine Panne so kurz vor der Zeremonie! Nozomis Herz klopfte wild, als sie noch nervöser wurde, und drehte sich wie gebeten um. Schnell fischte Akira die verrutschte Klammer aus ihrem Haar doch dabei bewegte sich der Haarknote gefährlich, sodass er Angst bekam ihre Frisur vollends zu ruinieren, wenn er versuchte die Spange wieder zu platzieren. „Ist mein Haar jetzt ruiniert?“, fragte Nozomi vorsichtig und er beeilte sich, sie zu sich herum zu drehen – er wollte unter allen Umständen verhindern, dass ihr ohnehin schon unruhiger Zustand sich noch weiter verschlimmerte. „Nein! Nein! Quatsch! Wo denkst du nur hin?“, versuchte er sie wieder zu beruhigen und strich ihr eine lose Strähne hinter das Ohr. „Es ist etwas unkonventionell, aber du siehst genauso wunderschön aus wie vorher! Sogar noch besser, wenn du mich fragst!“ Sie wusste, dass er es nur sagte, um zu verhindern, dass sie womöglich in Panik geriet, doch sie freute sich über diese kleine Lüge. „Danke“, sprach sie leise und er war zufrieden. „Ich verwahre die Spange für dich, in Ordnung?“ Sie nickte und sah dabei zu, wie er das Schmuckstück unter seinem Obi verschwinden ließ. „WAS SOLL DAS HEISSEN, „ER IST GEGANGEN“?“ Vor Schreck versteinerten die beiden im Flur. Aufgebracht war der Inu no Taishou aufgesprungen und bellte den Mann an, von dem Akira glaubte, er würde das Eintreffen des Prinzen ankündigen. Doch nun stammelte er nur: „Wir wissen nicht, was geschehen ist. Wir haben nur gesehen, wie er in seiner Rüstung über dem Garten aufstieg und davon flog.“ „Sucht ihn!“, brüllte der Inu no Taishou. „Bringt ihn wieder her! Was kann ihn nur dazu bewogen haben, einfach zu verschwinden? Seine Braut wartet auf ihn.“ „Die Vernunft, mein Lieber.“, erklärte die Inu no Kami stolz und ungerührt von ihrem Kissen. Knurrend richtete ihr Mann seinen Blick auf sie. Hatte sie etwas damit zu tun? Akira sah auf Nozomi hinab, die sich starr vor Schreck gegen die Wand lehnen musste. Ihre hellen Augen flackerten voller Angst. „Nein, nicht, Nozomi, hör da bitte nicht hin!“, bat Akira und versuchte sie festzuhalten, ehe ihre Beine unter ihr nachgaben. Dennoch sank sie kraftlos auf die Knie. Es war nicht möglich bei dem wegzuhören, was die Inu no Kami sagte. „Sesshoumaru scheint endlich über all das nachgedacht zu haben und er hat die richtige Entscheidung getroffen.“, sprach die Fürstin hart und erhob sich von ihrem Kissen. „Das Mädchen, das Ihr – mein Gemahl – für unseren Sohn erwählt habt, ist unserer Familie nicht würdig.“ „Die ICH erwählt habe?“, brüllte der Herr seine Frau an. „Unser Sohn hat die Entscheidung selbst getroffen und sich eigenständig mit Nozomi verlobt. Er sollte diesem Versprechen nun nachkommen. Hast du etwa was damit zu tun, Frau? Hast du unseren Sohn dazu gebracht seine Braut sitzen zu lassen?“ „Ich habe gar nichts gemacht.“, verteidigte sie sich. „Ihn plagten selbst diese Zweifel. Ich habe in nur darauf hingewiesen, dass das womöglich ganze Reich durch diese Entscheidung gefährdet wäre.“ „Du hast WAS?“, ein Knurren erfüllte die Luft, doch endete abrupt. Jeder Anwesende erstarrte, als sie diese Wut spürten, die durch die Halle rollte und sich den Weg in die Freiheit suchte. Entsetzt sah Akira auf Nozomis Kopf hinab. „Oh nein…“, murmelte er, als er das Schwarz sah, das sich vom Scheitel aus über ihr Haar ausbreitete. „Nozomi, du musst dagegen ankämpfen!“ Doch als sie ruckartig ihr Gesicht zu ihm hob war ihm klar, dass die Frau vor ihm nicht mehr das kleine Mädchen war. Vor ihm saß die Braut. In dem Moment, da Nozomi gehört hatte, dass Sesshoumaru sie hatte sitzen lassen, war die ohnehin schon zarte Fassade zwischen ihr und dem Fluch gebrochen. Nun breitete sich der Schatten in ihrem Herzen aus und verbannte ihre Seele in ein kleines, einsames Verließ, wo sie keinen Ton mehr von sich geben würde und keine Chance mehr hatte, ihr gefährliches Ich zu unterwerfen. „Oh nein!“, Akira wich einen Schritt zurück. Er wusste, dass er etwas tun musste, dass es nur einen Weg gab, um sie aufzuhalten, ehe sie den Thronsaal betreten würde, doch er konnte es nicht. Er konnte seine Klauen nicht gegen Nozomi richten. Mag sein, dass er damit den Fluch getötet hätte, doch ebenso würde er auch ihren Körper vernichten und damit ihre Seele verdammen. Als sie sich endlich aufrichtete und ihre Haut diesen gefährlichen, grauen Schimmer annahm, waberte schwarzer Dunst unter ihrer Robe hervor. Nun war alles verloren. Der Fluch würde sich in der gesamten Festung ausbreiten und niemanden mehr gehen lassen. „LAUFT!“, brüllte Akira durch die offene Tür. Augenblicklich sprangen die anwesenden Dämonen auf und stürmten aus dem Thronsaal. Der Arzt selbst preschte auf den Fürsten und seine Frau zu. Während der Inu no Taishou nur entsetzt auf die Gestalt blicken konnte, die von Hass erfüllt den Saal betrat, reckte die Fürstin das Kinn. Ein hämisches Grinsen legte sich in ihr Gesicht. Nun endlich war es vollbracht. Der Meister würde keine andere Wahl mehr haben, als das Mädchen zu töten. Erhaben betrachtete sie den Hinterkopf ihres Mannes. Sie hatte gewonnen! Dabei bemerkte sie gar nicht, dass sich all diese Wut gegen sie richtete. Sie hatte den Prinzen dazu veranlasst seine Braut stehen zu lassen und ohne jedes Wort zu gehen. Nun würde sie die Konsequenzen dafür tragen und das erste Opfer des Fluchs werden. „Meister“, hauchte Akira und sah von Nozomi zu seinem Herrn und dann zu der Fürstin. Er hatte sie als erster erkannt – die Stimme, die in der Luft hing und die Fürstin anschrie. Die Worte, mit denen sie sie bezeichnete, wollte keiner wiederholen. „Verschwindet von hier!“, bellte der Inu no Taishou seine Frau und seinen Freund an. Akira nickte und griff nach dem Arm der Herrin, um sie hinaus zu ziehen. Angespannt blickte der Meister auf das Mädchen zurück, dann auf seine Hände. Es war soweit. Nachdem er vor einigen Tagen schon einmal vor dieser Entscheidung stand, würde es diesmal kein Entrinnen geben. Er hob den Blick wieder zu diesen leblosen Höhlen, die ihre wunderschönen Augen ersetzt hatten. Wenn er seinen Sohn fand, dann würde er ihn für dieses unehrenhafte Verhalten – mit dem er Nozomi einfach verließ – bestrafen. „Es tut mir leid, Kleines.“, flüsterte er voller Schmerz, doch entschlossen. „Ich werde es so schnell es geht hinter uns bringen.“ Doch wie? Seine bloßen Hände wollte er nicht verwenden. Er würde es sich nie verzeihen mit ihrem Blut direkt in Verbindung gekommen zu sein. Das Schwert So‘unga würde den Zweck nicht erfüllen – sie würde als Untote erneut erweckt werden – und Tessaiga war gemeinsam mit Tensaiga bei Totosai für Reparaturarbeiten. Es blieb also nur eine Möglichkeit. Sein Blick fiel auf das Yunitto no Saiga – das Schwert, das er für seinen Sohn hatte anfertigen lassen. Er ging sicher, dass seine Frau und Akira das Gebäude verlassen hatten und griff dann nach der neuen Waffe. Niemand wusste welche Kräfte es besaß – nicht einmal Totosai hatte genau sagen können, welche Art von Magie er gespürt hatte – doch es war mächtig, das erkannte auch der Fürst in diesem Augenblick. „Vergib mir, kleine Prinzessin!“, bat er und sah sie fest an, dann zog er die Klinge aus der Scheide. Scharf glänzte das Material, als er es dem Fluch entgegen streckte. Nozomi schien allerdings nicht beeindruckt, ganz im Gegenteil. Sie fixierte nun den Herrn des Westens und machte einen Schritt auf ihn zu. Die Löcher ihrer Augen und ihres Mundes öffneten sich wie tiefe Abgründe zu einer grausamen Hölle. Ein drittes und letztes Mal bat er das junge Mädchen um Verzeihung, dann hob er die Waffe. … Eine Erschütterung fuhr durch seine Körper. Eine Energie, wie ein Herzschlag. Während das grausame Kreischen der schwarzen Braut die Halle zum Vibrieren brachte und der dichte Dunst ihres Fluches die Festung eroberte, hatte der Inu no Taishou das Gefühl die Stimme seines Sohnes zu hören. Entsetzt lauschte er in sich hinein, versuchte irgendeine Kraft von Sesshoumaru wahr zu nehmen, doch natürlich war der Prinz nicht zurückgekehrt. Er senkte die Schwerthand und sah auf den frisch geschmiedeten Zahn. Die Stimme schien direkt aus seiner Schneide zu kommen. Beinahe verzweifelt flehte sein Sohn um das Leben seiner Braut und wies dem Vater einen Ausweg. „Bannt sie.“, hörte er seine Stimme. „Versiegelt die Festung. Verschont sie.“ Der Fürst fasste den Griff der Waffe fester. War das die Lösung? Konnte er die Festung einfach aufgeben, obwohl sie das Herzstück seines Reiches war? Wie sollte er ohne seinen Wohnsitz regieren? Andererseits: Was war eine Festung im Vergleich zu einem Leben? Und hatte er nicht geschworen jeden – egal ob Mensch, Dämon, Halbdämon oder Tier – unter seiner Herrschaft zu schützen? Auch Nozomi war eine Seele seines Volkes, auch wenn ihr Körper aktuell einem anderen Geist den Vorzug ab. „Ich schwöre dir, ich bringe ihn zu dir zurück.“, versprach er dem Mädchen und machte kehrt. Es war kaum zu sehen, so schnell stürmte er aus der Halle und durch den schwarzen Nebel auf das Haupttor zu. Hinter sich hörte er noch immer das schreckliche Kreischen der schwarzen Braut. „Schließt das Tor!“, donnerte er seinen Wachen entgegen – seinen Untertanen musste er zum Glück nicht erst befehlen die Mauern zu verlassen. Die Meisten hatten das Weite gesucht, als sie wieder die Kontrolle über ihre eigenen Füße hatten. „Meister!“, brüllte Akira. Entsetzt sah er die schwebende Gestalt, die hinter ihm her jagte. Auch der Fürstin klappte der Mund auf. Er hatte sie schon wieder nicht getötet? Warum nicht? War er so schwach? Es schien wohl so. Sie lief einige Schritte rückwärts die Straße hinab, als sich ihr Mann mit einem letzten Sprung ins Freie retten konnte und hinter ihm das Tor zuschlug. Noch immer zerrissen Schreie die Luft. Voller Entsetzen starrte jeder Dämon auf das Holz, das den Fluch aufhalten sollte. Niemand von ihnen würde jemals dieses grausam entstellte Gesicht der einst wunderschönen, jungen Dämonin vergessen, die sie eingesperrt hatten – dessen waren sich alle sicher. Der Inu no Taishou war der Erste, der sich aus seiner Starre löste. Entschlossen hob er das Yunitto no Saiga und rammte die Klinge in das schwere Holz. Augenblicklich breitete sich ein Energiefeld mit dumpfem Dröhnen von den Mauern über die gesamte Festung aus – doch der Fürst wagte erst wieder einen Atemzug, als die Barriere fest verschlossen war. Dann stieß er die Luft aus. Nozomi… „Was habt Ihr nur getan?“, schrie seine Frau hinter ihm. „Dieses Ding lebt noch immer!“ „Dieses Ding ist ein lebendiges Wesen aus Fleisch und Blut!“, donnerte er zurück. Stille senkte sich über seine Gefolgschaft. „Sie wollte uns alle töten! Sie hätte uns alle getötet! Sie brachte uns alle in Gefahr!“ „Nicht Nozomi ist das Problem, es ist dieser Fluch!“, konterte der Fürst. „Nozomi ist lediglich ein Wirt und ein unschuldiges Kind dazu. Ich werde kein Leben sinnlos opfern, wenn es Hoffnung gibt. Jedes Leben ist kostbar und es wert darum zu kämpfen. Das gilt für uns alle hier draußen genauso, wie für Nozomi dort drin.“ „Was ihr da andeutet würde unseren Clan nur unnötig schwächen. Unsere Macht würde schwinden und eines Tages würden uns andere, niedere Dämonen bezwingen und den Westen erobern.“ „Redest du etwa von niederen Dämonen wie Akira? Oder Ichiro und sein Sohn Gorou?“ Die Fürstin zog den Kopf zurück. Sie hatte es nicht ausgesprochen, doch genau das war es, was sie meinte und das erkannten auch die gemeinten Männer. Gorou knurrte leise. Er fühlte sich zutiefst in seiner Ehre und seinem Stolz verlässt – sowohl wegen der Andeutung er würde den Meister verraten, als auch ihrer Aussage, er wäre nur einer niederer Dämon. „Ich weiß nur eines, eine Verbindung mit solch einem Wesen wie das da drin hätte die Familie entehrt.“ „DU hast unsere Familie entehrt.“ Nun schwieg die Fürstin endlich. „Du allein bist dafür verantwortlich, dass hunderte von Dämonen sich nun ein neues Leben in diesem Wald aufbauen müssen, während ihre eigentliche Heimat von einem Fluch belegt ist. Und das nur, weil dir Macht wichtiger ist, als das Leben. Mit diesem Denken und deinem Widersetzen gegen meine Befehle und Wünsche hast einzig und allein du die Schande über unsere Familie gebracht und zu allem Übel auch noch unseren Sohn entehrt. Du bist dafür verantwortlich, dass er seinen Pflichten nicht nachkam und ein Versprechen missachtete.“ Akira nickte mit festem Blick und diese Zustimmung des hoch geachteten Arztes – zusammen mit der Schmach von der eigenen Herrin als minderwertig bezeichnet worden zu sein – lenkte auch die Loyalität des letzten Dämonen in die Richtung des Fürsten. Der Inu no Taishou straffe die Schultern. „Und du hast Schande über dein Volk gebracht und sie verraten. Ich erkenne deine Absicht an, ein Volk retten zu wollen. Dieser Wunsch mag edel gewesen sein, doch dein Handel war gedankenlos und gesteuert von einem ganz anderen Verlangen.“, er atmete tief durch. „Geh“ „Was?“, nun wich die stolze Frau zurück. „Geh, Frau, ich verbanne dich von diesem Ort. Nie wirst du hierher zurückkehren, es sei denn unser Sohn löst den Bann auf dieser Festung und zerschlägt den Fluch ein für alle mal. So lange sollst du im Exil leben.“ „Das könnt Ihr nicht tun!“ „Du magst weiterhin aufgrund unserer Vereinigung die Inu no Kami sein, bis Sesshoumaru sich mit seiner Braut verbindet, doch ich betrachte dich von heute an nicht mehr als mein Weib. Geh!“ „Das könnt Ihr nicht tun! Nicht wegen dieses Mädchens!“ „Es ist nicht wegen des Mädchens. Du hast bewiesen, dass du meinem Volk keine angemessene Herrscherin sein kannst. Du hast nicht begriffen, dass es nicht darum geht zu herrschen, sondern zu dienen. Dich verlangt es nur nach Macht, doch die, die wir geschworen haben zu schützen, übersiehst du bei all deiner Gier. Du bist nicht länger meine Fürstin. Nicht in meinen Augen.“ Die Frau machte noch einen Schritt rückwärts, doch ans Gehen schien sie nicht zu denken. Erst, als die Wachen ihre Speere gegen sie richteten, hob sie endlich ab und flog über den Wald hinweg davon. „Ich hoffe, dass ihr mein Handeln verstehen könnt.“, brachte der Inu no Taishou nach einer Weile hervor, doch die Gesichter seiner Männer zeigten ihm nur zu deutlich, dass er ihren ungetrübten Rückhalt hatte. Sie vertrauten auf seine Stärke und seine Weisheit. Ein letztes Mal wandte er sich dem Tor zu und strich mit einer Hand über das Holz. Als er die Augen schloss sah er Nozomi als schwarze Braut. Sie schlurfte unsicher durch den einsamen Thronsaal. Ihr Schluchzen war das Einzige, das in der unendlichen Stille zu hören war und dicke Tränen rannen über ihr ergrautes Gesicht. Sie klagte und jammerte über ihre verlorene Liebe und spürte den Scham, den sie wegen dieser (erneuten) Rückweisung empfand. Schließlich brach sie erschöpft auf den Kissen zusammen, auf denen sie und sein Sohn während der Zeremonie thronen sollten. Mit einem letzten Schluchzen strich sie über seines, dann erstarrte ihr Körper im ewigen Schlaf des Bannes. „Gorou“, sprach er und der Soldat trat sofort näher. „Du und die Wachen, ihr werdet diesen Bannkreis Tag und Nacht bewachen. Niemand wird dieses Schwert anrühren, außer meinem Sohn und wenn er dazu bereit ist, dann wird er es entfernen können. Ich werde nach ihm suchen und zusehen, dass ich ihn wieder zur Vernunft bringe.“ „Wie ihr wünscht, Meister.“, Gorou kniete sich ehrerbietig auf den Boden, bereit seinen Schwur zu leisten. „Wir werden die Braut bewachen, bis der Prinz zu uns zurückkehrt.“ Kapitel 11: leben und sterben ----------------------------- Diese Geschichte war nicht so verlaufen, wie sie es hätte sollen. Je mehr sich Sesshoumaru an seine Vergangenheit erinnerte – besonders ab den Moment, da Nozomi in seinem Leben erschienen war – desto deutlicher wurde dem Dämonen, dass er viel zu viel falsch gemacht hatte. Ständig hatte er Abzweigungen in seinem Leben genommen, die ihn abseits des richtigen, für ihn vorgesehenen Pfades brachten. Es ging an dem Tag los, an dem er den Fluch der schwarzen Braut zerschlagen sollte und Nozomi rettete. Er hätte seinen Stolz als Prinz und seine Macht als zukünftiger Daiyoukai unter Beweis stellen sollen und sich gegen Gorou durchsetzen müssen. Niemals hätte er dieses Mädchen in die Festung mitbringen dürfen! Später hätte er sich nicht in ihr Bett legen dürfen und schon gar nicht hätte er die Wachen davon abhalten dürfen, sie hinzurichten. Nozomis Ende war vorherbestimmt gewesen und er hatte es nur unnötig hinaus gezögert. Mit diesem Handeln hatte er es zusätzlich riskiert sein Heim zu verlieren und den Sitz des Fürsten über den Westen gefährdet. Er hatte es sogar versäumt seine Untergebene zu schützen. Den Tag jedoch, als er seine Braut stehen ließ und verschwand, den bereute er als einzigen nicht. Er wusste, dass das Geschehene an seiner Ehre kratzte und sie schwer beschädigt hatte, doch immerhin hatte er so seine Blutlinie gerettet und sobald er all seine Fehler durch Nozomis Tod korrigiert hatte, wäre auch seine Ehre wieder hergestellt. Mit diesen Gedanken sprang er vor Gorou und hinter Miroku die Stufen hinauf. Kagome hatte gesagt, dass sie seine Feindin auf dem Dachboden finden würden. Sobald sie dort waren, würde sie sich nirgendwo mehr verstecken können. Er würde ihr nach achthundert Jahren endlich das Leben nehmen, seinen Thron besteigen und den Westen regieren. Vor ihm schrie Miroku plötzlich auf und versank im schwarzen Nebel. Perplex und rein aus Reflex blieben seine sechs Verfolger stehen und starten auf den Mönch hinab. Benommen rappelte er sich wieder auf und erschrak. Vor ihm auf dem Boden lag ein Schwert. Es gehörte Sango. „Der Knochenbumerang!“, stieß Shippou zusätzlich aus und er Mönch sah zurück. Tatsächlich war er über diese monströse Waffe gestolpert. Unter all dem Dunst konnte man ihn kaum erkennen. „Oh nein!“, jammerte er und stemmte ich wieder hoch. „SANGO!“ Er stolperte voran, wobei er beinahe erneut das Gleichgewicht wegen seiner Robe verlor. Doch er fing sich und rannte weiter zur nächsten Treppe. Sesshoumaru folgte ihm. Dieser Mann… Dieser Mönch… Was war er schwach! Er mochte ihn nicht, genauso wenig, wie er die anderen Freunde seines Bruders mochte, doch er respektierte ihn – immerhin hatte er sich mit den anderen freiwillig gemeldet, ihn bei diesem Weg zu unterstützten. Und nun war seine Frau in Gefahr – die Mutter seiner drei Kinder. Es war beinahe beeindruckend, mit welch einer Entschlossenheit der Priester auf seinen Gegner zustürmte, nur um seine Geliebte zu retten. Beeindruckend, um dumm. Töricht… So wie Sesshoumaru es gewesen war. Sie erreichten die vorletzte Treppe, als er sich daran erinnerte, wie er sich gefühlt hatte, als Nozomi im Garten beinahe getötet worden war. Nichts hatte ihn aufgehalten. Er war auf die Soldaten zugetreten, hatte den einen entwaffnet und gab den anderen zu verstehen, dass sie sich schleunigst zurückziehen sollten, er wäre sonst gewiss nicht mehr Herr seiner eigenen Handlungen gewesen. Er wollte sie retten und beschützen, koste es, was es wolle. Im Nachhinein wusste er, dass dieses Handeln verantwortungslos gewesen war. Sie hätten sie töten müssen – doch nun war er ja da, um diesen Fehler zu korrigieren. „SANGO!“, brüllte Miroku vor ihm und legte scheinbar noch einen Zahn zu. Am Ende des Seitenganges, den sie mit der letzten Treppe erreicht hatten, war ein kleiner Raum. Es war nur eine Abstellkammer, doch in ihr befand sich die Luke, die hinauf unter das Dach führte. Die Schiebetür stand weit offen. Vor den steilen Stufen hinauf auf den Boden stand Sango. Der leere Blick der Dämonenjägerin war nach oben gerichtet. Nebel waberte ihr entgegen. Sie schien auf etwas zu warten. „SANGO! NEIN! BLEIB HIER!“, schrie Miroku erneut, doch seine Frau reagierte gar nicht. „SANGO!“ Die Schwarzhaarige hob wie hypnotisiert einen Fuß auf die erste Stufe. „SANGO, NICHT!“ Doch in diesem Moment wurde ihnen der Weg versperrt. Lautstark schlug die Tür zu und Miroku knallte gegen sie. Entsetzt sah er in jede Ecke des verschlossenen Durchgangs und griff dann nach der Einbuchtung links, um sie wieder zu öffnen. Doch nichts. „Verdammt! SANGO!“, brüllte er entsetzt und ruckelte panisch an ihr, doch das Holz bewegte sich nicht einen Millimeter. „KAGOME!“, plärrte dann auch InuYasha und als die drei Hundedämonen zurück blickten, hockte der Halbdämon bereits auf dem Flur und hielt seine Frau im Arm. Als Arzt war Akira sofort zur Stelle. Er sprang zu ihnen hinüber und schob Shippou beiseite, um sich die bewusstlose Miko genauer ansehen zu können. „SANGO!“ „Geh beiseite!“, fuhr Gorou Miroku an und nahm bereits Anlauf. Gerade so konnte der Mann ausweichen, ehe der Soldat mit voller Kraft gegen die Tür schlug und sie zersplittern ließ. Ohne sich bedanken zu wollen – daran dachte er auch überhaupt nicht – wollte Miroku ihm folgen und endlich diese verfluchten Treppen hinauf auf den Dachboden stürmen, da sauste bereits Sesshoumaru an ihm vorbei. Er hatte es gehört, dieses weinerliche, verzweifelte Flüstern der Braut, die Sango zu sich lockte. Einsam und zurückgelassen, für achthundert Jahre… Er hatte Schuld! Er ließ sie allein! Egal, er musste den Fluch beseitigen! Fester schlossen sich seine Finger um den Griff. Gleich würde er bei ihr sein, um sie endlich zu töten. Er erreichte die letzten Stufen zu ihrem Versteck, als er es spürte – Yunitto no Saiga in seiner Hand wurde warm. Schnell erhitzte sich das Leder, das um es gewickelt war, bis es beinahe zu brennen schien. Er hielt nur für den Bruchteil einer Sekunde inne, ehe er den Kopf durch die Luke strecken konnte, doch das reichte bereits. Etwas Hartes traf ihn mitten ins Gesicht. Es war wie ein Faustschlag, den er nicht hatte kommen sehen, von einem Gegner, den er nicht wahrnahm. Und die Kraft, mit dem es auf seiner Wange und seiner Nase einschlug, war beachtlich. So etwas hatte er noch nie gespürt. Sein Kopf wurde zurück geschleudert und sein gesamter Körper folgte der Wucht des Aufpralls. „Sesshoumaru!“, rief Gorou entsetzt und sah fassungslos dabei zu, wie sein Prinz quer durch das Zimmer und durch die nächste Wand flog. „Da muss ein Bannkreis sein.“, schlussfolgerte Akira von weiter weg. „Aber ich nehme keinen wahr!“, brüllte Gorou zurück. Eine andere Erklärung für das, was mit seinem Prinzen geschah, hatte er jedoch nicht. Entsetzt starrte er noch immer an die Stelle, in der ein gewaltiges Loch in der Wand klaffte. Schwarzer Dunst wirbelte aufgescheucht um den Dämonen, der dort durchgebrochen war und verdeckte ihn so gut, dass er beinahe nicht zu sehen war. Sesshoumaru selbst rührte sich nicht mehr. Ihr leises, zurückhaltendes Lachen drang an sein Ohr, eine Wohltat für Herz und Seele. Durch die offene Terrassentür seiner Gemächer hörte er die Vögel im Frühlingsgarten zwitschern und dann bewegte sich etwas auf ihm. Langsam öffnete er die Augen. Gleißenden Sonnenlicht durchflutete das Zimmer und brachten das weiße Haar seiner geliebten Nozomi zum Leuchten. Wo war er? Die Situation kam ihm bekannt vor… „Wenn uns einer sieht, Sesshoumaru.“, flüsterte sie verlegen und versuchte sich beschämt mit seinem dämonischen Pelz zu bedecken. „Lass mich doch bitte die Tür schließen.“ Wie schön sie doch war und so unschuldig, obwohl er sie Nächte lang auf jede erdenkliche Art und Weise liebte. Er grinste leicht diabolisch, lehnte sich wieder zurück gegen die Kissen an der Wand hinter ihm und strich gierig mit beiden Händen an ihren Oberschenkel hinauf zu ihrer Hüfte. „Darf ich?“ „Nein“ Sie kicherte wieder, eindeutig peinlich berührt. „Aber uns kann doch jeder sehen!“ „Du bist so schön.“, platzte es aus ihm heraus und sie sah ihn mit großen, überraschten Augen an. Niemals hätte sie mit solch einer Aussage gerechnet, das wusste er in diesem Moment, doch dann lächelte sie. „Ich bin glücklich, Sesshoumaru…“, flüsterte sie verliebt und sah ihn mit diesen treuen, blauen Augen an. Sie vergötterte ihn, himmelte ihn an, küsste den Boden unter seinen Füßen… Er fühlte sich so mächtig, nur durch einen Blick von ihr. Es war, als könnte er alles schaffen – absolut jeden Feind bezwingen. Es gab keinen Zweifel, mit ihr an seiner Seite würde er ein mächtiger Daiyoukai werden. Sie war seine zukünftige Inu no Kami. Sie gab ihm so unendlich viel Kraft… „Ich bin so nervös wegen morgen. Ich kann es kaum erwarten deine Frau zu werden.“ Er lächelte. Ihm ging es genauso. Nervös war er (noch) nicht, doch sein ganzer Körper kribbelte vor Aufregung, wenn er daran dachte, dass er sie heiraten würde. Sie war so wunderschön, seine kleine perfekte Frau… die Erste, die er auch allein im vollen Umfang genießen konnte. Sie gab ihm mit jeder Berührung mehr, als all seine Frauen zusammen, wenn sie ihn beglückten. Und nur dieses eine perfekte Wesen würde er zur Gemahlin nehmen. „Ab morgen lebst du in meinem Harem, nicht mehr in Vaters.“, verkündete er stolz und hob die Hände an ihre Brüste. Sie waren warm und weich. Nozomi errötete leicht und beugte sich vor, schmiegte sich an seinen bloßen Oberkörper. Sofort strichen seine Hände wieder hinab und legten sich auf ihre Hüfte. „Sesshoumaru?“ Er schwieg, was hieß, dass er ihr zuhörte. „Ich mach mir keine Illusionen, ich weiß, dass ein Dämon so etwas nur schwer erwidern kann und ich erwarte nichts von dir. Das weißt du doch, oder? Akira hat mich aufgeklärt, über meine Pflichten. Ich werde dich immer in allem unterstützen, denn ich…“, sie schwieg einen Augenblick. „Ich habe das ernst gemeint im Badehaus. Ich liebe dich…“ Sesshoumaru schwieg weiterhin. Er wusste, dass sie die Wahrheit sprach. Er spürte es genauso, wie er erneut dieses warme und losgelöste Gefühl in seiner Brust spürte. Doch anstatt etwas zu sagen schloss er die Augen und senkte die Nase an ihr Haar, strich mit den Händen tiefer und krallte die Finger in ihren festen Hintern. … „Du jämmerlicher Idiot!“, erschrocken riss er die Augen auf. Alles um ihn herum war finster. Niemand war bei ihm – vor allem nicht seine Verlobte. Plötzlich erkannte er: Er lag nicht am frühen Morgen mit ihr im Bett, es waren nur eine Erinnerung gewesen. Es war der Morgen des Tages vor ihrer Hochzeit und sie genossen die letzten gemeinsamen Augenblicke, ehe sie bis zur Zeremonie voneinander getrennt und vorbereitet wurden. Beinahe schockiert hob er eine Hand an seine Stirn. Da war es schon wieder, dieses Gefühl, das er immer dann spürte, wenn er sie sah und berührte und sogar, wenn er nur an sie dachte. Wie hatte er es nur all die Jahrhunderte verdrängen können? Er wusste wie: Es durfte einfach nicht sein! „Hörst du mich? Hörst du was ich sage?“, erschrocken sah der Dämon auf. Ein Mann trat aus der Dunkelheit auf ihn zu, eine Faust noch immer erhoben, die Finger der anderen Hand krampfhaft geballt. Er war es selbst, der sich ihm dort näherte und er war sich sicher, dass er es gewesen war, der ihn mitten ins Gesicht geschlagen hatte. Er wusste noch, dass er im Hauptgebäude der Festung nach Nozomi suchte, um sie zu töten. Nur die eine Treppe hatte ihn noch von ihr getrennt und dann hatte er einen mächtigen Schlag abbekommen, der ihn zurück schleuderte. Und jetzt? Was war das für eine undurchdringliche Umgebung, in der er saß? „Warum konntest du es ihr nie sagen? Warum konntest du es dir nie selbst eingestehen, wie viel sie dir bedeutete?“, schimpfte sein Abbild über ihm und sah wutentbrannt auf ihn hinab. Dieser Mann war gefährlich, was sicher in erster Linie daran lag, dass Sesshoumaru es scheinbar mit sich selbst zu tun hatte. Er klaubte sein letztes bisschen Verstand zusammen und zwang sich auf die Beine. Mit gehärteter Miene sah er in die funkelnden, goldenen Augen seines Gegenübers. „Und heute bist du noch schwächer als früher. Was hast du nur all die Jahre gemacht? Hast du auf Mamas Schoß gesessen und dir ihre vergifteten Geschichten angehört?“ Sesshoumaru überging diese Spitze und sah seinen Doppelgänger unverwandt an. „Wer bist du?“, fragte er erhaben. „Ich bin du.“ Sesshoumaru machte ein spöttisches Geräusch. „Das bezweifele ich. Du hast dich mir in den Weg gestellt. Du bist mein Feind.“ „Du würdest also niemals eingreifen und deine Frau verteidigen, wenn sie bedroht werden würde?“ Daraufhin schwieg der Dämon. „Ich bin das Spiegelbild deiner Seele und die Kraft innerhalb deines Schwertes – Yunitto no Saiga.“ Sesshoumaru hob den Kopf. Das war der Grund dafür gewesen, warum sich die Waffe kurz vor diesem Zusammenprall erhitzte. „Achthundert Jahre habe ich über Nozomi gewacht und sie beschützt. Ich war es, der den Inu no Taishou dazu brachte die Festung zu versiegeln. Nur ich allein habe dafür gesorgt, dass du deinen Schwur noch immer einhalten und deine Ehre wieder herstellen kannst. Seit du meinen Bann gebrochen hast, sehe ich mir an, was du hier tust. All die Zeit habe ich darauf gewartet, dass du wieder zur Vernunft kommst, doch nun ist meine Geduld am Ende. MICH wirst du NICHT dazu benutzen, um Nozomi zu töten und auf gar keinen Fall werde ich zulassen, dass du ihr auch nur ein Haar krümmst.“ „Du wirst es nicht verhindern können. Sie wird sterben und ich besteige meinen Thron.“ „Wenn du Nozomi jetzt umbringst, dann wirst du dir das nie verzeihen.“ Erneut schwieg Sesshoumaru. Der Geist vor ihm machte ihn nervös. Er versuchte sich dagegen zu wehren, doch er hatte das ungute Gefühl, dass er die Wahrheit sagte. „Du glaubst mir nicht?“ Nein, das wollte er wirklich nicht… Wind zog in dieser gespenstischen Umgebung auf und brachte Stimmen mit sich mit. Es klang wie hunderte Frauen, doch tatsächlich war es nur die eine. Sesshoumaru schloss die Augen. Sie lachte, sie weinte, sie klang besorgt, mitfühlend, verzweifelt und voller Liebe und Glück. Selbst ihr Stöhnen, das sie immer versuchte zu verbergen, drang an sein Ohr. „Du wolltest sie nicht töten und auch nicht verlassen, im Gegenteil. Sie war alles, was du jemals wirklich begehrt hast. Es war keine temporäre Lust, die du empfunden hast, sondern der Wille sie zu besitzen und eins mit ihr zu sein.“ Immer wieder hörte er Nozomis Stimme, die ihm sagen wollte, dass sie ihn liebte. Sein Herz zog sich zusammen und schmerzte unter Qualen. „Hör auf damit!“, knurrte er, ohne aufzusehen. „Niemals. Zumindest nicht so lange, wie du nicht begriffen hast.“ „Ich sagte: Hör auf.“ Er öffnete wieder die Augen und sah in seinen eigenen, herablassenden, arroganten Blick. Abfällig musterte ihn sein Abbild. „Du bist so schwach.“, sprach er angewidert. „Du bist eine Schande und ohne jede Ehre.“ „Ich habe die Familie und das Land gerettet, als ich ging.“ „Ich dachte du wärst erwachsen geworden. Achthundert Jahre sollten eigentlich gereicht haben.“ – Wie konnte dieses… Ding nur so mit ihm reden? – „Doch in Wahrheit hängst du noch immer am Saum von Mutters Gewändern und lässt dich von ihren Worten beeindrucken. Worte, die nichts anderes sind als pures Gift und lediglich den Sinn haben, ihr den Vorteil zu bringen.“ „Die Vereinigung mit Nozomi hätte unsere Familie geschwächt.“ „Hast du so wenig Vertrauen in dein eigenes Blut, dass du tatsächlich glaubst die Vereinigung mit ihr würde die Familie in den Untergang führen?“ Vertrauen in das eigene Blut? Sesshoumaru entstammte einer der vier stärksten Clans dieser Welt. Wie konnte er es nur wagen, ihn und seine Ahnen so anzuzweifeln? Plötzlich verstand er. „Ich frage dich noch einmal: Was hast du in den letzten achthundert Jahren getan? Du verhältst dich noch immer wie ein kleiner Prinz, der keinen eigenen Willen hat – der keine Entscheidung allein finden und durchführen kann, ohne sich von den Manipulationen seiner Mutter beeindrucken zu lassen. Als du meinen Bann gelöst hast, habe ich geglaubt einen Daiyoukai zu sehen – den großen Inu no Taishou – andernfalls hätte ich mich gar nicht aus dem Tor ziehen lassen. Doch tatsächlich bist du nichts, als das Balg der letzten Inu no Kami. Du bist so erbärmlich“ „Ich bin nicht schwach.“, knurrte Sesshoumaru dämlicher Weise, doch er wusste sich nicht mehr zu verteidigen. „Dann beweise es mir!“ „Das werde ich! Ich werde sie töten und…“ „Du hast nichts begriffen.“ „Sesshoumaru!“, brüllte Gorou und sprang durch das Loch in der Wand und den aufgescheuchten Nebel und Staub drum herum – Jaken stand einfach nur hinter InuYasha und Kagome und starrte schweißgebadet und mit offenem Mund dorthin, wo sein Meister gerade eben noch gestanden hatte. „Akira, komm hier her!“ Miroku sah, wie sich der Soldat entsetzt neben seinen Herrn auf den Boden sinken ließ. „Bring sie hier raus, InuYasha, am besten auch aus der Festung.“, bat der Arzt noch einmal den Halbdämonen an seiner Seite und eilte dann hinter den andern Männern her. Schockiert betrachtete er die zerstörte Wand, dann die Luke zum Dach. Mit einem Satz hockte er bereits neben dem bewusstlosen Prinzen. Miroku dagegen straffte die Schultern. Warum kümmerten sie sich um Sesshoumaru? Er würde das schon überleben, was auch immer mit ihm geschah, doch nun musste er hinter Sango her! Sie war dort oben bei der verfluchten Braut. Wenn er ihr nicht sofort zur Hilfe kam, dann würde sie vermutlich von ihr verschlungen werden und das wäre das Ende. Er würde diesen Verlust niemals überleben. Er packte seinen Stab fester und sprang auf die Stufen. „Nein, Miroku-sama, bleibt hier!“, rief Gorou. „Es könnte ein Kraftfeld…“ Weiter kam er nicht. Da war keine Barriere, die Sesshoumaru abgestoßen hatte. Der Mönch stolperte ungelenk die steilen Stufen auf den Dachboden hinauf und verschwand. Verbissen, doch schwer atmend, richtete sich Miroku in diesem dunklen Raum auf und sah sich um. Dann entdeckte er sie endlich. Unweit von ihm schritt Sango langsam über die knarrenden Balken, direkt auf die bedrohliche Gestalt des Fluches zu. Alles was er spürte, war ihre Macht, die nun auch ihn zu locken schien, doch er hielt ihr stand. „Sango!“, sprach er seine Frau an, doch sie reagierte nicht. Fassungslos und im ersten Moment wie gelähmt, sah er, wie sowohl die Dämonenjägerin, als auch die schwarze Braut die Hände hoben und einander entgegen streckten. Seine starre löste erst der Anblick der Braut, als sie den Kopf unter dem Tuch über ihrem Kopf hob. Das Gesicht schien beinahe zu schmelzen, als ihre schwarzen Augen weiter ermatteten und sich zusammen mit ihrem Mund zu gewaltigen Löchern ausdehnten. Sie war bereit die Frau zu verschlingen. „SANGO, NICHT!“, brüllte Miroku panisch und hechtete zu ihnen hinüber. Erst da schien Nozomi seine Anwesenheit zu bemerken. Überrascht ließ sie von Sango ab und zog sich ein paar Schritte zurück. So kam ihr Opfer wieder zu Bewusstsein. Ihr Blick festigte sich und sie blinzelte ein paar Mal, dann erkannte sie die Braut vor sich und erschrak, als ihr bewusst wurde in welcher Gefahr sie geschwebt hatte. Schnell brachte sie etwas mehr Abstand zwischen sich und Nozomi, da trat ihr Mann vor sie. „Miroku“, hauchte sie erleichtert, als er entschlossen vor die schwarze Braut trat. Das graue, überraschte Gesicht wurde weicher und schließlich kräuselten sich ihre Augenbrauen gequält. Das Gebet, das der Mönch gerade über die Lippen bringen wollte, blieb ihm im Halse stecken. War das eine Träne, die da über ihre Wange glitt? Mit ihr zusammen wechselte die Verachtung gegen jedes weibliche Wesen – die durch den Raum waberte – in tiefe Trauer und Einsamkeit. Miroku schluckte schwer. So mussten sich Kagome und Sango zuvor gefühlt haben, als der Fluch sie rief. Nun verlangte die schwarze Braut nach ihm. „Miroku, lass uns schnell von hier verschwinden!“, bat Sango und griff nach dem Gewand in seinem Rücken, doch das bemerkte er kaum. Sein Kopf und sein Geist wurden durcheinander gebracht, je länger er in dieses zum Heulen zerrissene Gesicht sah. Obwohl er wusste, dass es Sesshoumaru war, der sie verlassen hatte, war er es, der Schuld empfand. Er spürte ihren Schmerz mit jeder Sekunde, in der er ihr ausgesetzt war, stärker. Wie kraftlos sie doch war… „Ich will nicht mehr alleine sein…“, flüsterte eine weiche Stimme im Raum, ohne, dass die Braut den Mund bewegt hatte. „Bitte, hilf mir…“ „Ja“, hauchte er verloren zurück. „Nein! Miroku, bitte!“, jammerte Sango hinter ihm und griff nach seinem Oberarm. Die Augen der Braut richteten sich wieder auf sie. Für eine Sekunde konnte er sich aus ihrem Bann befreien, doch er wusste, dass er erneut verloren war, sobald sie den Blick wieder zu ihm hob. Fliehen war die einzige Option, doch wenn er das gemeinsam mit seiner Frau täte, wäre sie ihnen gefolgt. Sesshoumaru war außer Gefecht gesetzt und InuYasha war mit Kagome auf dem Weg hinaus aus der Festung. Blieb nur er – an Akira und Gorou dachte er nicht, sie waren sicher mit Sesshoumaru beschäftigt, und von Jaken konnte man ohnehin nichts erwarten. Er wusste er konnte nichts gegen sie ausrichten, sobald sie ihn ansah, doch Sango durfte ihr nicht in die Hände fallen. Ihre gemeinsamen Kinder brauchten sie. Sie war wichtig. Er musste Sango retten. Er würde die Braut aufhalten, damit wenigstens sie allein fliehen konnte. „Geh, Sango.“, sprach er daher schnell. „Geh bitte.“ „Das werde ich sicher nicht! Ich lasse dich nicht hier mit diesem Fluch allein! Denk an die Worte von Akira, du bist nicht der, der sie erlösen kann. Sie wird dich verschlingen, sobald sie es erkannt hat.“ „Das weiß ich, aber ich will nicht, dass dir etwas passiert.“ „Miroku…“, hauchte Sango voller Sorge und Liebe. „Geh bitte, schnell! Bring dich in Sicherheit. Flieh zusammen mit InuYasha, Kagome und Shippou.“ „Miroku, ich kann nicht! Nicht ohne dich!“ „Tu es für die Zwillinge und unseren Sohn.“ „Miroku…“, doch er hörte ihr nicht mehr zu. Entschlossen trat er erneut in das Sichtfeld der Braut und starrte sie unverwandt an. Sie hob vorsichtig den Blick und er war sofort gefangen. „Lass die Frau in Ruhe.“, flüsterte er. „Du brauchst sie nicht. Sie ist unwichtig.“ „Miroku“, hauchte Sango verzweifelt, doch ihr Mann setzte vorsichtig einen Schritt vor den Nächsten auf Nozomi zu. „Nur du bist wichtig.“, sprach er sanft und ließ seinen Mönchsstab fallen. „Ich lasse dich nicht mehr allein.“ „MIROKU, BITTE TU DAS NICHT!“, schrie Sango, doch da streckte er bereits beide Arme nach der Braut aus und schloss sie vorsichtig an sein Herz. „Lauf endlich, Sango…“, flüsterte er erstickt, als der Blickkontakt wieder brach und er damit wenigsten einen Teil seines eigenen Bewusstseins wiedererlangte. Er spürte die Kälte der Haut des verfluchten Dämons durch seine Robe kriechen. Die Verzweiflung der Braut griff bereits nach seinem Herz. „Ich liebe dich…“, flüsterte er und die Braut krallte ihre Finger in seinen Rücken, als wäre er der letzte Anker aus ihrer Hoffnungslosigkeit. Doch Sango wusste genau, dass dieser Satz nicht Nozomi galt, sondern ihr. Verloren sank sie auf die Knie und sah dabei zu, wie ihr Mann die schwarze Braut im Arm hielt. „Lass mich dein Mann sein. Ich beschütze dich. Du wirst niemals mehr einsam sein, Nozomi.“ Ein Schluchzen ging von der Braut aus und schien das gesamte Gebäude zu erschüttern. Jeder konnte spüren, dass es genau das war, was sie immer wollte – doch mehr noch ahnte jeder, in welch einer Explosion diese Situation enden würde, wenn sie erkannte, dass er ihr keine Erlösung brachte. Miroku wusste, dass er diese Nähe zu Nozomi nicht überleben würde, auch wenn der Fluch sich nicht an ihn heften konnte, weil er ein Mann war und keine Frau – so wie sein eigener Familienfluch nur Söhne hatte betreffen können – doch das war ihm egal. Er wollte seine Geliebte retten, das war alles, was zählte. „Miroku“, Sango wusste nicht mehr weiter. … „Nozomi“ Erschrocken sah die Jägerin auf. Neben ihr trat Sesshoumaru auf den Dachboden. Die Klinge seines Yunitto no Saiga glänzte wie Sicherheit in der Finsternis auf. Sango stieß die Luft aus. Jetzt war Miroku doch gerettet, oder? Sesshoumaru ging festen Schrittes auf den Fluch und den Mönch zu. Überrascht wich der zurück, als Nozomi ihn plötzlich los ließ und weg schob. „Lass diese Menschen in Ruhe. Ich bin es, den du willst.“ Ohne den Blick von der Begegnung zu nehmen, zog sich Miroku zu Sango zurück und zog sie wieder auf die Beine, als auch Gorou, Akira und Jaken das Dach erreichten. Die Stimme der Verfluchten strich zu hundert durch den Raum. Doch neben all ihren anklagenden Worten, dass er sie verlassen hatte, stach ein Satz besonders hervor: „Ich will nicht sterben.“ „Los, Sesshoumaru-sama!“, jubelte Jaken freudig, kassierte allerdings einen bösen Blick von Akira. „Wird er sie töten?“, fragte Gorou, als Nozomi gegen einen Stützbalken stieß und somit gezwungen war stehen zu bleiben. Der Arzt allerdings wagte sich nicht zu antworten. Er hielt den Atem an. Sesshoumaru blieb drei Schritte von ihr entfernt stehen. Immer wieder drang ihr verzweifeltes Flehen um Gnade und Leben in seine Ohren. Doch viel mehr hörte er das zerrissene Heulen ihres gebrochenen Herzes. Er hatte sie am Tag ihrer Vermählung stehen gelassen und somit den Weg des Fluches in ihrem Inneren geebnet. Er war schuld daran, dass sein Volk nicht in die Festung zurückkehren konnte und genau wie sie achthundert Jahre lang litt. Immer wieder wimmerte ihre Stimme im Echo: „Warum hast du mich zurückgelassen?“ Immer wieder… Nozomi. Er hatte sich entschieden. Es gab einen Ausweg aus ihrem Leiden und den wollte er einschlagen. Er hob das Yunitto no Saiga, als er erkannte, dass sie fliehen wollte. Ihr Mund öffnete sich voller furcht und sie schrie spitz auf. Reflexartig hoben sich ihre Arme über ihren Kopf, um ihn zu schützen, doch zeitgleich wurde der Nebel um sie herum dichter, als sie sich aufzulösen begann. „Du bleibst hier!“, verkündete er entschieden und stach mit voller Wucht zu… Die Schneide des Schwertes durchschnitt die Dielen den Bodens neben ihm wie heiße Butter. Sofort verfestigte sich ihr Körper wieder. Der Bann seines Reißzahns und ihres Haars zwang sie an Ort und Stelle stehen zu bleiben, doch er raubte ihr nicht das Bewusstsein. Alles was Sesshoumaru damit bezweckte, war ihre Verschwinden zu verhindern. „Keine Flucht mehr.“, befahl der zukünftige Fürst des Westens und zog Tokijin und Bakusaiga zeitgleich. „Ja, Sesshoumaru-sama! Macht dem endlich ein Ende!“, doch Jakens frenetischer Jubel erstarrte, als sein Meister die beiden Schwerter zu Boden warf. Selbst Tensaiga folgte. „Für keinen von uns.“, fügte er hinzu und blieb dicht vor seiner Braut stehen. Voller Angst sah Nozomi zu ihm hinauf. Das Klopfen ihres angsterfüllten Herzens konnte man beinahe in der Luft spüren. „Ich will leben! Ich will leben! Bitte verschone mich!“, jammerten nun alle Stimmen durcheinander. Sango klammerte sich fester an Miroku, er drückte sie an sich. Als Sesshoumaru endlich tief Luft holte und den rechten Arm hob, fuhr Nozomi zusammen und duckte sich vor den erwarteten, unausweichlichen Schlag. Sie glaubte bereits an den Tod und kniff die Augen zusammen… Doch alles was sie spürte war eine warme, raue Hand an ihrer Wange. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er sie nicht mit einer Klaue durchbohrt hatte, sondern ihr sanft mit dem Daumen die Spur der Tränen aus dem Gesicht wischte. Vorsichtig öffnete sie wieder die Lider, wagte jedoch nicht den Kopf zu heben und zu ihm hinauf zu blicken. Er hatte noch immer eine zweite Hand, mit der er ihr das Leben nehmen konnte. Zitternd griff sie nach dem Handgelenk an ihrem Gesicht. Angst legte sich über den Raum und Sesshoumaru fühlte sich nur noch schlechter. So sollte sie nicht auf ihn reagieren. Er sah die eine, schwarze Lilie in ihrem Haar, von der er wusste, dass sie ursprünglich einen leichten Fliederton haben sollte, ebenso wie ihre Strähnen, die eigentlich weiß waren… Er atmete tief durch und griff an seinen Obi. Ihr Kopf zuckte hinauf und sie beobachtete genau, was er an dem gelb blauen Gürtel tat. Sie wartete noch immer auf ihren Tod, doch alles was er hervor holte, war das Gegenstück des Schmuckstücks auf ihrem Kopf. Er strich ihr ein letztes Mal über die Wange, dann hob er beide Hände an ihr Haar und schob die Zacken der hellen Spange in das stumpfe Pech auf ihrem Kopf. Fragend sah sie zu ihm auf. Die Stimmen verstummten, die Angst um sie herum zog sich zurück. Von dieser Reaktion erleichtert griff er mit einer Hand an ihren Hinterkopf, unterhalb des großen Haarknäuels ihrer Hochzeitsfrisur, und umschlang sie auch mit dem zweiten Arm in Höhe der Taille. Fest drückte er sie an sich. Sie befürchtete fast von den Dornen seiner Rüstung aufgespießt zu werden, doch ihr Kopf landete sicher unterhalb seines Kinns auf seinem Schlüsselbein. „Verzeih mir.“, flüsterte er kaum hörbar und schloss die Augen, drückte die Nase in ihr Haar. „Gib mir noch eine Chance. Ich werde dich nicht noch einmal enttäuschen. Du bist meine Braut.“ Jaken fiel beinahe das Kinn zu Boden und auch Gorou, Sango und Miroku brachten keinen Ton mehr heraus. Lediglich Akiras Gesicht zierte ein zufriedenes Lächeln. Zielstrebig strömte der Rauch der Umgebung auf den Fürsten und die verfluchte Dämonin zu. Nach und nach lichtete sich ihre Umgebung, bis nichts mehr an den schwarzen Dunst erinnerte. „Versprich es mir, Sesshoumaru.“, hörten sie die schwache Stimme des Mädchens. „Versprich mir, dass du mich nie wieder allein lässt.“ Er zog die Arme fester um sie, zu mehr war er nicht in der Lage, doch das reichte ihr. Sanft schoben sich ihre allmählich wieder warm werdenden Hände um seinen Oberkörper und hielten ihn fest. Epilog: -------- Die Kälte der Nacht hatte Schnee in der Festung fallen lassen. „Nozomi, sieh doch nur!“, rief Rin freudig, als die Dämonin mit dem jungen Menschenmädchen am Morgen auf die Terrasse des Harems des Fürsten trat. „Es ist wunderschön!“ Begeistert sah die Schwarzhaarige sich um stieg dann eilig die Stufen hinab auf den Weg, den drei Dienerinnen noch immer zu räumen versuchten. „Nicht doch, Rin, du erkältest dich nur!“, rief die neu ernannte Inu no Kami ihr hinterher, doch da war es bereits zu spät. Übermütig warf sich das Energiebündel in die kniehohe, weiße Masse und formte kleine Bälle. „Nur ein bisschen, bitte Nozomi!“, rief sie zu ihr zurück und begann ihr Kunstwerk durch den Schnee zu schieben. „Schau, was ich mache! Das hat mir Kagome-sama gezeigt!“ Kopfschüttelnd sah die Ältere dem Mädchen dabei zu, wie sie ihren immer größer werdenden Ball durch den Schnee schob. Was hätte sie gegen so viel Liebreiz auch sagen können. Leise Lächelnd stieß sie den Atem aus und betrachtete die sich kringelnde Wolke vor ihrem Mund. Bald ein gesamter Mondzyklus war vergangen, seit Sesshoumaru den Bann, der auf ihr lag, gelöst hatte und noch am Morgen danach hatte er sie in der Zeremonie zur Frau genommen. Seit her spürte sie keine dunklen Schatten mehr in ihrer Seele, der Fluch war besiegt. Selbst wenn sie nun daran dachte, dass sich die Zimmer seines Harems eines Tages wieder mit Leben füllten, hegte sie keinen Groll gegen andere Frauen. Sie war endgültig frei. Sie konnte es erst nicht glauben, doch selbst das junge Menschenmädchen, das schon bald heiratsfähig werden würde und der Fürst zu sich holte, löste nur Muttergefühle in ihr aus, doch keine Wut. Es war vorbei. Der Schrecken der letzten achthundert Jahre – die sie durch ihren langen Schlaf nur als wenige Monate wahrgenommen hatte – waren beendet. „Das gibt es doch nicht!“, zeterte eine hohe Stimme neben ihr und als sie hinunter sah, entdeckte sie den kleinen Kappa Jaken, den Sesshoumaru ebenso in ihr Leben mitbrachte, wie das Kind. „Rin, komm sofort aus dem Schnee! Der Meister wird mich betrafen, wenn du krank wirst!“ „Aber ich will doch nur einen Schneemann bauen!“ „Schnee… Mann?“, fragte der kleine Dämon irritiert. „Lass sie nur, Jaken.“, sprach Nozomi gütig. „Gib ihr ein paar Augenblicke im Schnee, dann wird es ihr schon zu kalt werden und sie kommt allein zurück. Und dann soll sie ein heißes Bad nehmen und sich unter eine Decke kuscheln mit heißem Tee. Ich schicke gleich eines der Mädchen los, um alles vorbereiten zu lassen.“ „Nein, das geht doch nicht!“, zeterte das Männchen aufgebracht. „Sie hat jetzt Unterricht. Der Inu no Taishou hat mich mit der Bildung des Görs beauftragt!“ „Pass auf was du sagst. Du bist ihr Lehrer, doch ich habe die mütterlichen Pflichten übernommen.“ – er versuchte wohl sowas wie einen Flunsch zu ziehen und duckte sich unter der strengen Stimme – „Und ich sage, sie soll noch ein wenig spielen. Ernst wird es noch früh genug in ihrem Leben, das viel zu kurz sein wird. Sie ist ein Mensch, vergiss das niemals.“ Jaken grummelte, gab sich aber geschlagen. Er wusste, dass es sinnlos war gegen die Gemahlin seines Meisters anzureden. Im Ernstfall war Sesshoumaru auf ihrer Seite. Zufrieden über ihren Sieg wollte sich Nozomi gerade an die Dienerinnen auf dem Weg wenden, damit sie für Rin ein Bad herrichteten und Tee kochten, als sich das Gartentor öffnete. Herein trat Gorou. Er sah seine Fürstin sofort und lächelte breit. „Herrin“, er verneigte sich. „Ich habe Besuch für euch mitgebracht.“ Als er zur Seite trat, hellte sich Nozomis Gesicht sofort auf. Die erste der vier Frauen, die hinter dem General folgten, war Sachi. Erstaunt sah sie sich um – als konnte sie nicht glauben, dass es in diesem Garten noch immer genauso aussah wie an dem Tag, als sie flohen – und rieb sich über den gigantischen Babybauch, den sie vor sich her schob. Als sie dann aber Nozomi mitten auf dem Weg erkannte schrie sie beinahe freudig auf und sprang ihr entgegen. Lachend liefen die beiden alten Freundinnen aufeinander zu und Nozomi hätte sie gerne in die Arme geschlossen, doch Sachi bremste noch gerade so ab, um ihrer Fürstin die Ehre mit einer Verbeugung zu erweisen. Suzume, Rini und Moe folgten, doch auch sie waren sichtlich erleichtert keine Spuren der Braut mehr an ihr zu spüren, sondern nur die kleine Nozomi – vollkommen unverfälscht. „Herrin“, alle vier verneigten sich vor ihr. „Es ist schön, euch wieder zu sehen.“, erklärte Nozomi und griff sofort nach den Händen von Sachi, um sie aufzurichten. „Stell dich lieber wieder hin, man hat Angst, dass du vorn über kippst mit dem Bauch!“ Die Frauen lachten. „Du hast eine Familie gegründet.“, erkannte die Fürstin. Sachi nickte. „Ja. Ich bin mit Akira zusammen von hier fort und habe ihm weiter gedient… und irgendwann führte wohl eines zum anderen.“ Rini und Moe kicherte, wobei sie sich die Ärmel vor den Mund hielten. „Und ihr anderen?“ „Keine Chance.“, die beiden Dienerinnen schüttelten den Kopf, nur Suzume schwieg und sah unglücklich drein. Nozomi bemerkte ihr Zögern und überlegte eine Weile. Sie war zuletzt eine Mätresse von Sesshoumaru gewesen. Vielleicht war sie die erste Frau aus seinem alten Harem, die wieder zurückkehren würde. Nun gut, sie wusste, worauf sie sich eingelassen hatte. Für einen Fürsten war dieses Verhalten normal. Gorou trat näher und betrachtete lächelnd Rin auf der verschneiten Wiese – wie sie die zweite Kugel für ihr Kunstwerk begann – als Nozomi sich ein Herz fasste. Tröstend griff sie nach den Händen von Suzume. „Schon in Ordnung.“, meinte sie nur. „Du musst nichts sagen. Du kommst sicher als Geliebte des Inu no Taishou zurück, hab ich recht?“ „Was?“, überrascht sah Suzume auf, schüttelte denn aber eilig den Kopf. „Nein! Nein! Im Gegenteil!“, sie lachte leise. „Ich werde heiraten. Einen Menschen…“ Erst waren die anderen Dämoninnen still, doch dann brach das Durcheinander aus. „Das ist doch wundervoll!“ – „Glückwunsch!“ – „Warum sagst du sowas denn nicht gleich?“ „Ein Mensch?!“, quiekte Jaken von unten. „Wie kann ein Dämon nur eine solche Verbindung mit einem Menschen eingehen! Das ist unverantwortlich! Das ist unwürdig!“ Wortlos und voller Unglauben blickten alle Anwesenden auf den Kappa hinab. Je länger sie schwiegen, desto deutlicher wurde Jaken, das er mit seinen Anschuldigungen nicht gerade auf fruchtbaren Boden stieß. „Wo hast du den denn aufgegabelt?“, wollte Moe wissen. „Keine Ahnung. Der Meister brachte ihn mit. Mehr weiß ich auch nicht. Er soll Rin unterrichten.“, erklärte Nozomi und wies auf das spielende Menschenmädchen. Nun erst schienen die anderen Sie zu bemerken. „Ich glaub es nicht!“, rief Rini fassungslos. „Der Meister duldet einen Menschen hier in der Festung?“ „Nicht nur in der Festung, sie hat einige Zimmer im hinteren Teil des Harems, wo ich früher lebte.“, erklärte Nozomi. „Ein Menschenkind in den Prinzessinnengemächern? Heiliger Strohsack!“, platzte es aus Suzume heraus, doch die Inu no Kami konnte nur lachen. „Rin?“, rief sie über die weiße Landschaft zu dem Mädchen hinüber, das sofort freudestrahlend aufsah. „Komm her, ich will dir jemanden vorstellen!“ „Ich komme!“, damit sprang sie schon durch die hohe Masse auf die Dämonen zu und stand gleich darauf an Nozomis Seite – die Fürstin strich ihr liebevoll über das Haar. „Hallo, mein Name ist Rin. Es freut mich euch kennen zu lernen!“ „Oh ist die süß!“, rief Moe verzückt und schon konnte sich die etwa Zehnjährige nicht mehr vor den drei Frauen retten, die beinahe über sie herfielen. Nozomi schaltete ab, als sie sie mit Fragen bombardierten und das Kind nur zu bereitwillig alles über sich ausplauderte, was es zu wissen gab. „SIE ist übrigens auch heute Morgen eingetroffen, zusammen mit weiteren ehemaligen Dienerinnen und Mätresse von Sesshoumaru und seinem Vater.“, sprach Gorou leise und trat nun näher zu Nozomi. „Wen bitte meinst du?“, fragte sie irritiert, flüsterte aber ebenso. „Ich rede von der ehemaligen Fürstin – Sesshoumarus Mutter.“ „Wurde sie denn nicht verbannt?“, verlangte Nozomi erschrocken zu erfahren und Gorou nickte. „Ja, aber nur so lange, bis Sesshoumaru zurückkehrte und den Thron einnahm. Wenn ich es vorhin richtig mitbekommen habe, dann geht sie davon aus, dass er dich getötet hat.“ Nozomi schwieg eine Weile. Natürlich redete sich diese Frau das ein. Etwas anderes hatte sie gar nicht erwartet, nur… „Sie hat seinen Harem mitgebracht?“ „Die Frauen, die noch leben und zwischenzeitlich keine eigenen Familien haben, ja. Das sind immerhin noch sieben.“, Gorou beobachtete Nozomi genau, als sie den Blick senkte. Angestrengt dachte sie nach. „Ist das ein Problem? Soll ich dafür sorgen, dass die Frauen… abgelenkt sind oder so?“ „Nein, nein, alles in Ordnung. Ich habe gewusst, dass der Tag kommen würde, an dem er sich weitere Geliebte holt. Ich habe nur nicht damit gerechnet, dass dieser Moment so schnell kommt.“ Sie stieß die Luft aus. „Alles in Ordnung, Nozomi?“, fragend sahen die Frauen, die auf dem Weg um Rin herum hockten, zu ihr auf, doch die Fürstin begann wieder zu lächeln. „Ja, ich habe nur gerade erfahren, dass meine Schwiegermutter eingetroffen ist.“ „Ja, sie hat mich und Takara und noch einige weitere von den alten Geliebten des Fürsten mitgebracht. Ich habe ja versucht ihr klar zu machen, dass ich verlobt bin, aber sie wollte davon nichts wissen. Wie dein Giftzwerg da unten, ist sie alles andere als Begeistert und Überzeugt von meiner Verbindung mit einem Menschen. Auf dem Weg hierher hatte ich das Gefühl, dass sie Takara versucht hat zu unterweisen… wie sie sich als Inu no Kami verhalten sollte, meine ich…“ Gespannt sahen die Frauen zu Nozomi auf. Sie erwarteten beinahe eine Reaktion wie früher – purer Hass und Mordlust – doch nichts der Gleichen kam. „Das wäre ja noch schöner! Will sie einfach meinem Meister eine Frau vor die Nase setzen!“, zeterte Jaken und schwang seinen Stab. „Das wird sie niemals schaffen!“ Nozomi hob die Augenbrauen. Wenn dieser Zwerg nur wüsste… „Ich bin Sesshoumaru-samas Mutter schon einmal begegnet.“, erklärte Rin mit großen Augen. „Sie war komisch…“ „Wegen ihr ist Rin ein zweites Mal gestorben.“, erklärte Jaken. „Aber sie hat genau gewusst, dass der Meister sie dafür bestrafen würde und hat sie wiederbelebt.“ „Wie großzügig!“, spottete Moe und Rini nickte. „Nun, wenn sie hier ist und die Frauen meines Mannes mitgebracht hat, dann sollten wir uns um den Harem kümmern. Rai? Suma? Umeko?“ Überrascht sahen die drei Frauen auf, die den Weg räumten. Eilig ließen sie alles stehen und kamen auf sie zugelaufen. „Herrin“, artig verneigten sie sich. „Bereitet doch bitte die Zimmer der Mätressen eures Fürsten vor, sowie das Prinzenschlafgemach in dem alten Harem eures Meisters. Unsere Gäste werden sich sicher ausruhen wollen.“ „Natürlich, Herrin!“, damit liefen sie schon davon. „Ich fasse es nicht!“, brachte Sachi hervor. „Nach allem was passiert ist begrüßt du die Frau mit offenen Armen?“ „Sie ist die Mutter meines Mannes, oder nicht? Außerdem wird es so von mir erwartet. Und ich habe vor eine zuvorkommende Gastgeberin zu sein. Ich werde ihr keine Angriffsfläche bieten.“ „Gute Idee und wenn sie dennoch meint stacheln zu müssen, dann wird sich Sesshoumaru sicher um sie kümmern.“, beschloss Gorou zuversichtlich. Er hatte keine Zweifel mehr daran, dass sich der neue Fürst in den Jahren seiner Abwesenheit zu einem würdigen Meister entwickelt hatte. Außerdem schien ihm die Verbindung zwischen seinem Herrn und der Herrin so tief, dass nichts sie entzweien würde. „Ich möchte auch helfen!“, rief Rin voller Tatendrang und Nozomi lachte. „Wenn du mir helfen möchtest, dann gehst du gleich in ein heißes Bad, trinkst einen Tee von Akira und wirst brav auf deinen Lehrer Jaken hören.“ Nun sah sie doch nicht mehr so begeistert drein. „Na gut“, murrte sie. „Aber nur, wenn ich vorher meinen Schneemann fertig bauen kann!“ „Einverstanden, bau deinen Schneemann.“ Das Kind jubelte los und sprang auf Gorou zu. Überrascht sah er auf sie hinab, als sie mit beiden Händen nach einer von ihm griff und aufgeregt daran zog. „Du hilfst mir, ja Gorou? Die Kugeln sind sehr schwer und müssen gestapelt werden!“ Er brachte einen amüsierten Ton hervor: „Wenn das dein Wunsch ist!“, lächelnd ließ er sich von ihr mitschleifen. „Sie ist süß. Wird der Meister sie…“ „Vermutlich“, unterbrach Nozomi Rini, ehe diese ihren Verdacht aussprechen konnte, dass das Menschenkind einmal eine Mätresse des Fürsten werden würde. Zwar wohnte sie bisher noch nicht in den Gemächern einer Geliebten, doch das konnte sich jeder Zeit ändern. „Können wir dir auch irgendwie helfen?“, fragte Moe schnell, um das Thema zu wechseln – und Jaken davon abzuhalten ebenfalls ein Kommentar abzugeben. „Kommt erstmal in Ruhe an und richtet euch ein.“, bat Nozomi lächelnd. „Was ist mit dir, Suzume, willst du nicht zu deinem Mann zurück?“ „Mein Mann kämpft in der Armee für einen menschlichen Fürsten irgendwo weiter östlich um Land.“, erklärte sie mit traurigem Blick. „Ich kann mich dort leider nicht zeigen – er würde geächtet werden – momentan kann ich nur abwarten und hoffen, dass er gesund heimkehrt. Und danach werden wir beide hierher ziehen, das haben wir bereits beschlossen. Wir bauen uns eine Hütte im Wald vor dem Tor, wo auch die anderen Dämonen ihre Lager aufgeschlagen haben, während die Festung nicht zu betreten war.“ „Er kämpft im Krieg?“, rief Sachi entsetzt und auch Nozomi sah sie mitfühlend an. „Wenn wir etwas für dich tun können…“, doch weiter kam die Fürstin nicht. Erneut öffnete sich das Gartentor und mehrere Frauen betraten die Winterlandschaft. Sie alle strahlten breit und freudig bei dem wohl bekannten Anblick. Ihnen voran schritt die ehemalige Inu no Kami, begleitet von Takara, Sesshoumarus alten und vermutlich auch neuen Favoritin. „Hier kommen sie.“, erkannte Rini und baute sich zusammen mit Moe neben Nozomi auf, als wollten sie ihr Kraft schenken die unausweichliche Begegnung zu überstehen. Auch Sachi und Suzume wandten sich um, während Jaken todesmutig einen Schritt auf die nahenden Dämoninnen zu machte. An der Art und Weise, wie die Mutter des Fürsten auf die bisherige höchste Geliebte ihres Sohnes einredete, war für sie alle klar, dass der Inu no Taishou versäumt hatte seiner Mutter klar zu machen, dass er verheiratet war. Warum hätte er das auch tun sollen? Sie würde es schon noch früh genug erfahren und hatte seines Erachtens nach ohnehin nicht das Recht von ihm Antworten und Informationen zu verlangen, die sie nichts angingen. Die Fürstenmutter war von der mächtigsten Frau des Landes zu einer gewöhnlichen Dämonin abgestiegen. Vermutlich ahnte sie es auch in dem Moment, da nach und nach die Mätressen in ihrem Gefolge ruhig wurden. Sie warf endlich einen Blick nach vorn und erkannte das Mädchen, das sie in herrschaftlichen Gewändern begrüßen würde. Schockiert wie sie im ersten Moment war, hätte sie beinahe Jaken übersehen, der entschlossen seinen Stab auf den Boden aufstampfte. „Stehen geblieben!“, brüllte er. Mehr verblüfft über seine Anweisung, als dass sie wirklich auf ihn hören würden, kamen die acht Frauen der Aufforderung nach. Stille kehrte in den Garten ein, selbst Gorou wies Rin an ruhig zu sein und besah sich die Situation, ehe er beschloss lieber zu seiner Fürstin zurückzukehren – für den Fall, dass sie Unterstützung benötigte. „Was soll das bedeuten?“, verlangte Sesshoumarus Mutter zu wissen und reckte die Nase in die Luft. Sie war nicht dumm – Nozomi war völlig ruhig und entspannt, was nur bedeuten konnte, dass sich Sesshoumaru ihr erneut zugewandt hatte. Doch sie hofft, dass es noch nicht zur Vermählung gekommen war. Sie klammerte sich an diesem Gedanken fest, auch wenn sie ahnte, dass es sinnlos war zu hoffen. Bewusst wurde sie sich dieses Wunschdenkens allerdings erst, als Rin an Nozomis Seite trat. Die Frau hatte ihren Sohn in der Gegenwart des kleinen Mädchens erlebt. Wenn noch immer der Fluch der schwarzen Braut an der Frau vor ihr hing, dann hätte sie Rin nicht akzeptieren können. Doch nun legte sie ihr auch noch eine Hand schützend auf den Kopf. Jaken war es, der ihr jede Angst bestätigte: „Ihr befindet euch in Gegenwart der großen Inu no Kami, der Herrin des Westens. Tretet der Fürstin gefälligst mit Respekt entgegen!“ Erschrocken sahen sich die Frauen in der Begleitung der ehemaligen Herrin an, dann gingen sie bereitwillig in die Knie und beugten die Oberkörper, um die Gemahlin des Meisters gebührend zu Grüßen. Lediglich die alte Titelträgerin folgte diesem Beispiel nicht. Nozomi überging dieses Verhalten und wandte sich direkt an die anderen Frauen: „Erhebt euch bitte, der Boden ist kalt.“ – die Frauen kamen der Anweisung dankbar nach – „Ich lasse für euch bereits Zimmer im neuen Harem des Fürsten herrichten. Ruht euch aus von eurer Reise und lasst es bitte die Dienerinnen wissen, wenn ihr etwas benötigt.“ Sie zeigten sich noch einmal erkenntlich, in dem sie sich verbeugten, doch von der Stelle bewegten sie sich nicht. Sie wussten, dass Nozomi die vergangenen achthundert Jahre als Fluch diese Festung beherrschte und nun stand sie vor ihnen und sollte ihre Fürstin sein? Sie zweifelten nicht an der Entscheidung ihres Meisters, doch sie hatten Angst vor der Frau. Sie wussten nicht, wie sie sie einschätzen sollten. Die Frau, die sie alle hierher geführt hatte, trat nun vor. „Keinen Schritt weiter!“, wagte sich Jaken noch einmal zu sagen. „Du hast nicht die nötige Anerkennung für deine Herrin aufgebracht, Frau!“ „Du stehst im Weg, kleiner Kappa.“, verkündete sie hochmütig und trat an ihm vorbei. „Für dich, Mutter, werden die alten Prinzengemächer des Meisters hergerichtet.“, erklärte Nozomi noch immer freundlich und zuvorkommend. „Mir stehen die Gemächer der Inu no Kami zu, solange bis mein Sohn sich eine würdige Frau auserwählt hat. Eine Frau von dämonischem Blut und bester Abstammung.“ „Ich hole lieber Sesshoumaru…“, murmelte Gorou und eilte mit einem Nicken von Nozomi bereits los. „Du wirst hierbleiben, Gorou!“, donnerte die alte Fürstin und tatsächlich folgte er diesem Befehl aus einem Reflex heraus. „Hol deinen Meister. Erzähl ihm bitte von dem, was hier passiert.“, bat stattdessen Nozomi nach außen hin entspannt – doch Rin spürte, wie die Finger auf ihrem Kopf zu zittern begannen. Gorou entging der Blick des Mädchens nicht, der zu ihrer Ziehmutter hinauf ging, und sprang im nächsten Moment über die Mauer der Gärten auf den Hof. Er wollte sich lieber beeilen. „Wie kann ein niederer Mensch wie du es nur wagen?!“, klagte Sesshoumarus Mutter, doch Nozomi brauchte sich gar nicht die Mühe machen zu antworten. Nur zu gerne übernahm diese Aufgabe Jaken für sie. „Was erlaubst du dir, Weib? Wenn der Meister davon erfährt, dann wirst du dein blaues Wunder erleben.“ „Der Meister ist mein Sohn!“, erklärte sie erhaben. „Ich bin seine Mutter und solange wie er keine würdige Frau an seiner Seite hat, bin einzig und allein ICH die Inu no Kami. Du, kleiner Kappa, und deine möchte gern Herrin sollten mir mehr Respekt entgegen bringen. Ich bin die Macht in diesen Gärten und in dieser Festung. Ich bin die höchste Dämonin des Westens. Ein Mensch kann diesen Titel niemals tragen.“ „Ich bin vielleicht als Mensch geboren“, begann Nozomi da und lenkte endlich ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich. „aber durch die Macht der Monster in mir, bin ich zu einem Dämon geworden, wie du einer bist, Mutter. Und ich bin die Fürstin des Westens.“ „Ein Dämon wie ich? Wie kannst du es nur wagen? Und nenne mich niemals wieder Mutter! Du bist nicht die Frau meines Sohnes.“ „Solltest du ein Problem mit deiner neuen Herrin haben, dann wäre es das Beste, wenn du diese Festung wieder verlässt.“ Erschrocken stoben die Frauen hinter der alten Fürstin auseinander und gaben den Blick auf Sesshoumaru frei, der gefolgt von Akira und Gorou die Gärten betrat. „Sesshoumaru-sama!“, rief Rin erleichtert, rührte sich jedoch nicht von der Stelle, um zu ihm zu gelangen. Sie hätte an seiner Mutter vorbei gemusst und das wollte sie nicht. „Du hast uns verschwiegen, dass du sie zu deiner Frau genommen hast.“, warf sie ihm vor. „Du magst meine Mutter sein, doch ich bin der Inu no Taishou und niemandem Rechenschaft schuldig.“ „Eben, du bist der Inu no Taishou. Du bist der Herr der westlichen Dämonen, du kannst ein Wesen wie sie nicht zu deiner Fürstin machen, das ist gegen das Gesetz. Wie kannst du unsere Familie nur so schwächen!“ Sie sah ihn an, wie er ohne einen weiteren Blick an sie zu verschwenden an ihr vorbei zu seiner Gemahlin trat. Schnell folgte ihm Jaken und ging zusammen mit den Frauen hinter ihm in Deckung. „Ihr irrt Euch, wenn Ihr glaubt, dass diese Ehe gegen das Gesetz ist.“, sprach Akira beinahe väterlich und trat an Sachi heran, um ihr einmal sanft über den Bauch zu streichen und sich dann an die Seite seines Meisters zu stellen. „Abgesehen davon, dass nirgendwo dem Fürsten eine vollwertige, dämonische Frau vorgeschrieben wird, hat die Herrin damit Recht, wenn sie sagt, dass sie ein Dämon ist wie Ihr es seid. Doch gleich, ob Ihr sie als zu schwach erachtet oder nicht, das Erbe des Fürstenclans ist so stark, dass die Herkunft der Fürstin unerheblich für den Fortbestand der Dynastie ist. Der Meister wird starke Kinder zeugen und die Herrin ist mehr als würdig diese zu empfangen.“ „Würdiger als ihre Vorgängerin alle mal.“, murmelte Gorou neben Sesshoumaru und kassierte dafür einen mahnenden Blick seines Meisters. „Du hast die Wahl, Mutter: Akzeptiere deine Herrin, oder verlasse diese Festung.“, er hätte sie gerne seines gesamten Reiches verwiesen, wenn sie Nozomi nicht als ihre Schwiegertochter anerkannte, doch sie war noch immer seine Mutter – egal welche Verfehlungen sie begangen hatte. Neben sich nahm er eine Bewegung war, als sich Nozomi zwischen ihn und Akira drückte. Auf seiner anderen Seite trat Rin näher, versteckte sich aber nur zu gerne Schutzsuchend hinter Gorou. „Ich möchte keinen Streit provozieren, Mutt…“, Nozomi stockte. Sie durfte sie nicht so nennen, doch wie sonst? „Herrin“ ging ja nicht. Sie besaß einen höheren Rang als die Ältere. „Ich will keinen Streit provozieren.“, wiederholte sie also einfach nur. „Ich bitte euch daher erneut, nehmt die Gemächer des Prinzen im alten Harem an.“ Sesshoumaru sah vom Scheitel seiner Frau auf zu seiner Mutter. Sie mahle sichtlich mit den Zähnen, doch dann lenkte sie ein. „In Ordnung. Wie töricht du dich auch immer verhalten hast, Sesshoumaru, du bist noch immer mein Sohn. Und ich werde an deiner Seite sein, wenn du es begreifst und meine Hilfe benötigst.“ Sie reckte das Kinn und ging stolz auf sie zu, um ihre neuen Zimmer aufzusuchen. Alle gingen ihr aus dem Weg, mit Ausnahme von Sesshoumaru. „Du erhältst nur eine Chance.“, sprach er leise, damit niemand außer ihr es hören konnte. „Also enttäusche mich nicht. Wenn ich auch nur den geringsten Verdacht habe, dass du meiner Frau schadest, dann wird auch sie mich nicht mehr dazu überreden können, dass du weiterhin hier leben darfst.“ Seine Mutter sah ihn eindringlich und verbissen an, schluckte ihre spitze Antwort „Wir werden ja sehen, wer von uns beiden gehen wird.“ hinunter und schritt erhobenen Hauptes den Weg hinunter zu dem alten Harem ihres Sohnes. Nozomi sah ihr nach, bis Sesshoumaru erneut die Stimme erhob. „Gorou, bring die Haremsdamen in die Quartiere der Bediensteten.“ Überrascht sahen ihn alle an, besonders die gemeinten Geliebten. „In das Quartier der… in Ordnung.“, er nickte verwirrt, beschloss aber die Entscheidung hinzunehmen und löste sanft Rins Finger von seiner Kleidung, damit er die Frauen wieder aus dem Garten schieben konnte. „Wir gehen gleich mit.“, entschieden Rini, Moe und Suzume. „Wir kommen später wieder.“, damit folgten sie ihm schnell. Als sie den Garten verlassen hatten, wandte sich Sesshoumaru Rin zu. Er betrachtete sie genau von oben bis unten. Sie musste frieren, ihr Kimono war von den Knien abwärts komplett nass von dem durch Körperwärme getauten Schnee. „Rin, geh rein. Zieh dir etwas Trocknes an. Akira“ „Meister“, der Gemeinte verbeugte sich tief. „Achte darauf, dass sie nicht krank wird.“ „Ich werde sofort Tee aus den besten Kräutern zubereiten, um eine Erkältung vorzubeugen.“, bestätigte er und wandte sich ab. „Komm, Kleines, ich helfe dir dich umzuziehen!“, entschied Sachi mütterlich und streckte Rin eine Hand entgegen, während sie sich über den großen Bauch strich. „Ist gut!“, nun endlich wieder losgelöst von der erdrückenden Situation zuvor, griff Rin nach den ihr dargebotenen Fingern und lief neben Sachi zurück in den Palast Sesshoumarus. Dann endlich richteten sich die strengen Augen des Meisters auf den Kappa zu seinen Füßen. Jaken schluckte und sah zu ihm hinauf, dann sprang er plötzlich einen Schritt rückwärts und warf sich zu Boden. „Verzeiht mir, Meister, ich werde mich sofort daran machen, Rin zu unterrichten. Ich werde euch nicht enttäuschen. Ihr werdet sehen.“ Nozomi stieß vorsichtig die Luft aus. „Geh, Jaken.“, bat sie weich und er nutzte diese Gelegenheit um eilig zu flüchten. Als sie endlich allein waren, drückte sich Nozomi an Sesshoumarus Seite, schob ihren Arm unter seine Überjacke und presste ihn kurz vorsichtig an sich. „Nimm es ihm nicht übel, Sesshoumaru. Dass Rin im Schnee gespielt hat war meine Schuld.“ Seine goldenen Augen richteten sich auf seine Frau, doch er sagte nichts. „Sie wollte unbedingt einen Schneemann bauen – so hat sie es genannt. Sie sollte wenigstens etwas Spaß haben, ehe sie den Rest des Tages mit Jaken in einem Zimmer verbringen muss.“ Er schwieg weiter, wodurch ihr mulmig zu Mute wurde. Langsam ließ sie ihn los und trat einen Schritt zurück. „Entschuldige.“, seufzte sie ergeben. „Nicht nur wegen Rin, sondern auch, weil du mich gegen deine Mutter verteidigen musstest. Ich verspreche dir, dass dies das letzte Mal war, dass du das tun musstest. Ich werde sie mir schon irgendwie vom Hals halten.“ „Du bist meine Frau, die Inu no Kami.“, erinnerte er hart und sie zog den Kopf ein, während sie sich für ein Donnerwetter wappnete. „Ich werde dich auch weiterhin verteidigen, wenn es denn sein muss. Aber um weitere Konfrontationen zu verhindern solltest du dir deiner Macht im Reich bewusst werden. Meine Mutter hat auf dich zu hören. Sie gehört zu deinen Untertanen. Vergiss das nicht und verhalte dich auch so.“ „Ja, Sesshoumaru.“, murmelte Nozomi. Sie standen sich noch einige Augenblicke so gegenüber. Angestrengt betrachtete Sesshoumaru das Haar seiner Frau, dann hob er wieder den Kopf und sah zu seinem Harem hinüber. „Ich möchte dir eine Frage stellen. Es geht um Rin und deine Einwilligung ist mir wichtig.“ Er bemerkte im Augenwinkel, wie sie wieder ihren Kopf hob und ihn mit großen Augen ansah. Ihre Schultern strafften sich und es schien beinahe so, als würde sie sich auf irgendetwas vorbereiten. Nozomi ahnte, was nun kommen würde. Sie war zwar ebenso überrascht gewesen wie die anderen, als Sesshoumaru Takara und seine anderen Geliebten in die Bedienstetenquartiere schickte, doch sie hatte bereits gegenüber ihrer Freundinnen klargestellt, dass sie damit rechnete, dass Sesshoumaru Rin als Mätresse haben wollte. Noch wohnte sie in den Gemächern der Prinzessinnen – vermutlich weil sie noch nicht alt genug war – doch das würde sich wohl früher oder später ändern. Als Sesshoumaru nicht weiter sprach, schluckte sie schwer. Ihr wurde immer bewusster, dass sie es nicht hören wollte. Sie wollte ihm nicht erst die Erlaubnis geben. Er sollte es einfach tun und es ihr durch diese Fragerei nicht noch schwerer machen. Wenn er weitere Frauen haben wollte, dann war das in Ordnung – er war der Fürst, er durfte das – doch sie wusste, dass sie es nicht schaffen würde, ihm auch noch die Erlaubnis dafür zu erteilen. Diesen Schmerz würde sie wohl nicht ertragen… Ihr Herz fühlte sich schwer an. Das bemerkte auch Sesshoumaru. Obwohl der Fluch beseitigt war, hatte Nozomi noch immer Einfluss auf die Gefühlswelt anderer. Scheinbar war dies die dämonische Kraft, die in ihr schlummerte. Wenn sie lernen konnte diese zu kontrollieren, dann würde sie mächtiger werden, als sie alle glaubten, dessen war er sich sicher. Worüber er sich aber nicht im Klaren war, war Grund für ihr seelisches Leiden, das in ihn hinein zu kriechen versuchte. Eindringlich richteten sich seine Augen auf ihre. Das wunderschöne Eisblau sprang hin und her. Nicht wissend, wohin sie sehen sollte betrachtete sie mal einen Baum hinter ihm, mal die beiden Schneekugeln, die Gorou und Rin übereinander gestapelt hatten. „Nozomi“ – endlich verfing sich ihr Blick in seinem. Dieser Schmerz, der darin lag… Sie brauchte noch einige Sekunden, doch dann sprach sie leise: „Bitte zwing mich nicht dazu, solch eine Entscheidung zu treffen.“ – er schwieg erneut – „Wenn du es willst, dann tu es einfach… Ich werde mich damit arrangieren müssen – das wird schon irgendwie funktionieren – aber bitte, bitte mich nicht um Erlaubnis. Das wäre zu viel… Das schaffe ich nicht… Dafür…“ Sesshoumaru spürte genau, was sie sagen wollte. Sie war verzweifelt und klammerte sich an ihre Liebe zu ihm, um dieses Gespräch irgendwie zu überstehen. Nur warum? Was bereitete ihr so viel Schmerzen? Das verstand er noch nicht recht. „Deine Meinung und Zustimmung ist mir durchaus wichtig in dieser Entscheidung. Ich werde sie nicht ohne dich treffen.“ Sie schloss die Augen und kniff die Lippen gequält zusammen. „Rin wird bald zur Frau werden. Ihr Geruch hat sich verändert, sie wird in ein paar Tagen das erste Mal bluten.“ Nun wurde Nozomi auch noch rot. Sie hob abwehrend die Arme und zeigte ihm so, dass sie keine weiteren Details hören wollte. „Bitte, keine Einzelheiten. Rin ist für mich so etwas wie eine Tochter oder Schwester und du bist mein Ehemann. Ich will wirklich nichts Näheres darüber erfahren…“ „Du wirst mit ihr über diese Veränderung reden müssen, wenn es soweit ist.“ „Bitte was?“, nun sah Nozomi ihn genauso unglücklich, wie entgeistert an. „Ich werde doch nicht zu Rin gehen und mit ihr darüber reden, wie der Sex mit dir ist! Ich weiß, dass du gerne mehrere Frauen gleichzeitig im Bett hast, aber Rin und ich? Nein! Niemals! Dagegen werde ich mich weigern! Und außerdem…“ Sie stockte, als sie sah, wie sein Gesicht langsam weicher wurde. War das ein erleichtertes, vielleicht sogar belustigtes Lächeln, das sich da kaum merklich auf seine Lippen zauberte? „Ich rede nicht von Sex, Nozomi. Ich rede davon, dass du – als ihre Mutter – mit ihr über die körperlichen Veränderungen reden musst, wenn sie blutet.“ Nun entspannte sich wieder die Körperhaltung seiner Frau und er trat ihr etwas näher. Tröstlich legte er beide Hände an ihre Wangen und führte ihr Gesicht zu sich. Sacht gab er ihr einen Kuss auf die Stirn und schloss sie dann in die Arme. „Die Zustimmung, die ich von dir will, betrifft Gorous Antrag. Ihm ist ihr neuer Geruch auch aufgefallen und er wird von ihm angezogen. Er sagte, dass er sie unbedingt zur Frau haben will. Ich will sie nicht zu meiner Mätresse machen.“ Erleichtert stieß Nozomi die Luft aus und schlang die Arme um seine Taille. „Entschuldige bitte, dass ich so ausgerastet bin.“, erklärte sie. „Ich konnte es einfach nicht fassen, dass du… Bitte mach das nie wieder.“ – als Antwort strich er ihr mit einer Hand über den Rücken. „Wenn du vorhast eine andere Frau in deinen Harem zu holen, dann tu es einfach und stell sie mir vor, aber frag mich bitte nicht um Erlaubnis. Diese Kraft hätte ich nicht.“ Er schwieg eine Weile. „Ich habe meine Frauen außerhalb des Gartens einquartiert, weil ich ihre Dienste nicht länger benötige.“, erklärte er schließlich und Nozomi sah zu ihm auf. Seine Worte brachten ihr Herz zum Schlagen, wie ein Kolibri, auch wenn sie wusste, dass der kleine Nachsatz „zumindest im Moment nicht“ in seinen Worten hing. In diesem Moment machte sie diese Information einfach nur unendlich glücklich. Sie zog einen Arm hinter ihm hervor und griff nach seinem Kragen, um ihn zu sich herunter zu ziehen. Er wehrte sich nicht und senkte den Kopf. Sanft legten sich ihre Lippen auf seine, während er über ihren unteren Rücken strich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)