Psiana aus der Gegenwelt von True710 ================================================================================ Kapitel 9: Auf dem Radweg ------------------------- Wir verließen Erzelingen Richtung Norden. Ich weiß nicht, ob man es so nennen kann, doch das ‚Verhältnis‘ zwischen Hannah und mir wurde wieder besser. Wir lachten einfach wieder öfters zusammen, auch wenn mir das Thema Dwayne noch im Kopf saß. Doch die meiste Zeit konnte ich es verdrängen. Wieso es mir nicht komplett aus dem Kopf ging, würde ich selbst gerne wissen. Vielleicht war ich einfach zu Neugierig. Andererseits, was hatte Hannah auf dem Weg zur Arena gesagt? Waren da Gefühle im Spiel? Von mir? Zu Ihr? Ich scannte sie von oben bis unten einmal durch. Sie sah ziemlich gut aus, das musste ich zugeben. Doch das hatte ich damals vor der Eiskaskadenhöhle schon festgestellt. Hatte sich seitdem irgendetwas verändern? Alleine die Tatsache, dass ich überlegen musste, ob da irgendwas wäre, sagte mir, dass da nichts sein konnte. Ich lebte 16 Jahre lang alleine mit meiner Großmutter am Kap Kante. Dort hatte ich nie die Aufmerksamkeit eines Mädchens. Jetzt hatte ich sie und dann kam dieser Dwayne und schon geriet alles ins Wanken. Ich sagte mir also selbst, dass es nur um die Aufmerksamkeit ginge, die ich nie hatte, nicht um Liebe oder dergleichen. Man, man, man, umso älter man wird, umso komplizierter wird das Leben. Und es fühlte sich so an, als wäre ich in den paar Monaten, seit dem Start meiner Sevii-Reise, um zehn Jahre gealtert. Wir kamen an einer kleinen Felswand an. Nur ein paar Meter hoch, doch wir mussten da hochklettern. Mit gemeinsamer Hilfe war das kein großes Problem. Doch nun standen wir vor einem anderen Problem: Wir hatten kein Fahrrad. Vor uns lag ein größeres Tal über dem sich eine Fahrradbrücke erstreckte. Konnte man, oder besser gesagt durfte man diese Brücke nur mittels eines Fahrrades überqueren? Naja gut, von dumm herumstehen wurden wir auch nicht schlauer. Bevor man auf die Brücke konnte, musste man eine Art Mautstelle passieren, die kontrollierte, ob jeder auch schön auf seinen Drahtesel unterwegs war. Wir fragten bei der Mautstelle nach, ob man sich auch Fahrräder ausleihen könne. Logischerweise konnte man sich Fahrräder ausleihen und wir wurden fast verlegen wegen unserer Sorge, wie wir nun nach Ewigenau kämen. Die Leihgebühr war nicht teuer und so konnten wir uns bald auf einen fahrbaren Untersatz schwingen und drauf losradeln. Eigentlich wollte ich mit einem coolen Mountainbike über das Tal heizen, doch Psiana brauchte auch seinen Platz, weswegen ich mir ein Fahrrad mit Körbchen vorne dran leihen musste. Ein Schild sagte uns, dass wir nun elf Kilometer auf dieser Brücke unterwegs wären. „Nathaniel, nicht so schnell! Ich brauch sowieso Mal ne Pause.“ „Ne Pause? Wir sind nicht Mal zwei Kilometer gefahren.“ „Ja und, trotzdem.“ Was für ein Argument. Das Schlimme daran, es zieht immer und man konnte kein vernünftiges Gegenargument bringen. Das kannte ich aus meiner Schule auf Eiland 2. Sobald ein Mädchen sowas sagte, gaben die Jungs aus meiner Klasse reihenweise nach. Ich dachte, ich würde nie drauf reinfallen und standhaft bleiben, doch hatte ich eine Chance? Wir machten also eine Pause, stiegen von unseren Fahrrädern und genossen den Ausblick über das Tal. Wirklich ein atemberaubender Ausblick. Man konnte ewig weit in die Ferne sehen, fast wie an meinem Kap Kante. Es ging mindestens 100 Meter in die Tiefe. Dort unten konnte man vereinzelt Wanderer sehen, die nicht die Brücke gewählt hatten. Wir gönnten uns einen verspäteten Nachtisch. Hannah hatte etwas Gebäck dabei, das wir nun genießen konnten. Psiana balancierte derweil auf der Brüstung der Brücke und schaffte es sich auf dem 20 Zentimeter breiten Eisengeländer hinzusetzten. Aber ich machte mir keine Sorgen, Katzen können so etwas. Ich sah hin und wieder zu Hannah, die irgendwie nervös schien und sich andauernd hektisch umsah. Ich wusste, was früher oder später kommen würde beziehungsweise wer kommen würde. Doch ich wollte wissen was er zu meinem Kampf in der Erzelingen-Arena sagen würde. Ein Fahrrad, das auf den Boden fiel, riss mich aus meinen Gedanken. Jetzt war es bereits zu spät, denn wer sonst außer Dwayne würde zufällig so nah neben uns ein Fahrrad umfallen lassen. Auch Psiana drehte sich um und nahm vorerst neben mir Platz, anstatt das ganze von der Brüstung aus zu beobachten. „Hey Hannah. Wie geht’s meiner Kleinen heute denn so?“ „Sehr gut, Dwayne. Sag Mal woher kommst du und wo willst du hin?“ Als würde sie das nicht wissen. Was für eine schlechte Frage. Schon als sie sich so komisch umsah wusste ich, dass sie auf die Ankunft von Dwayne wartete, so als hätten sie es geplant. „Ich hab genau das gleiche Ziel wie ihr.“ „Super. Wie wäre es wenn du mit uns fährst, was sagst du Nathaniel?“ Waaaas?! So ein schöner Tag, so eine schöne Landschaft, alles war nur auf Entspannung und Genießen ausgelegt, und jetzt?! Jetzt würde uns Dwayne begleiten. Ich hatte echt keine Lust darauf, aber was sollte ich schon sagen? Dann hatte ich jetzt eben noch mehr Zeit die Landschaft zu genießen, anstatt die Fahrt mit Hannah. „Von mir aus …“, sagte ich gleichgültig. „Cool, dann ist das beschlossene Sache.“ „Sehr gut.“ Dwayne sprach es etwas anzüglich aus und packte dabei Hannahs Hüften. Ihre Gesichter kamen sich verdächtig nahe. Mir brannten kurz die Sicherungen durch. Ich dachte nur daran, Psiana jetzt Psychokinese einsetzten zu lassen, doch Psiana tat was ich dachte. Es packte Dwayne und ließ ihn über die Brücke hin zum Abgrund schweben. Unter ihm war nur noch Luft. Erst in guten 100 Metern würde er wieder Erde spüren, und wie er sie spüren würde, würde es nach mir gehen. Doch zuerst nutzte ich die Chance, um etwas zu sagen. „Jetzt pass Mal auf Dwayne. Wenn du mit solchen Sachen nicht aufhörst und Hannah in meiner Gegenwart dumm anmachst, dann hab ich keine Probleme damit dich ins Jenseits zu schicken.“ Mein Blick war voller Wut. Ich konnte ihn einfach nicht ausstehen. Ich schielte kurz zu Hannah, doch die schien ziemlich belustigt über die Situation zu sein. „Dann hättest du mich im Pokémon-Center schon abkratzen lassen sollen.“ Der Kerl trieb es wirklich auf die Spitze. Ich wurde noch wütender. Noch ein kurzer Blick zu Hannah verriet mir, dass sie jetzt auch den Ernst der Lage kapiert hatte und schaute etwas besorgt zu Dwayne. Wieder dachte ich nur, Dwayne zehn Meter fallen zu lassen und ihn dann wieder per Psychokinese schweben zu lassen. Und wieder las Psiana meine Gedanken und ließ Dwayne fallen, um in kurz darauf wieder schweben zu lassen. Als Dwayne für kurze Zeit verschwand stürzte Hannah ans Geländer und schrie Dwaynes Namen. Auch Dwayne ließ einen kurzen Aufschrei verlauten. Psiana hatte ihn gefangen und ließ ihn auf der Brücke wieder zu Boden. „Pass auf, Dwayne … pass einfach auf …“ Ich wusste nicht was das für ein Gefühl in mir war. Es schien eine Mischung aus Wut, Macht und Enttäuschen darüber zu sein, dass Hannah diesen Kerl mochte und mit ihm diese Brücke entlang fahren wollte. Auch wenn es nur diese Brücke war. Dwayne sah mich derweil entsetzt an, während ich nur einen finsteren Blick für ihn übrig hatte. Hannah kniete sich zu ihm und flüsterte irgendwas in sein Ohr, von wegen er solle mich lieber in Ruhe lassen. Dwayne hatte jedoch nicht vor ihrem Rat zu folgen. Wütend sprang er auf und wollte mir an den Hals springen. Als würde ich genau erahnen was passierte drehte ich mich einfach um, ohne zu wissen, ob mich in den nächsten Sekunden ein Kerl von hinten anspringen und auf mich einschlagen würde. Doch es geschah genau das, was ich wollte. Kurz bevor er mich erreichte wurde er erneut von Psianas Psychokinese erfasst und sanft vor sein Fahrrad abgesetzt. Ich hatte derzeit mein Fahrrad erreicht, schwang mich auf den Sattel und drehte mich zu Dwayne. „Ich hab gesagt, pass auf!“ „Lass es bleiben, Dwayne.“, hauchte Hannah zu Dwayne, damit ich es nicht hören konnte. Psiana sprang in den Korb meines Fahrrades, der vorne am Lenker befestigt war. Somit konnte die Fahrt von mir aus weitergehen. Ich würde die restlichen Kilometer sowieso kein Wort mehr reden, sei es nicht unbedingt nötig. Ich wollte die wunderbare Landschaft betrachten und die Fahrt so gut es ging genießen. Keiner, nicht Mal ich selbst, hatte mit so einer extremen Reaktion von mir gerechnet. Die Stimmung war dementsprechend gedrückt. Wobei ich die Bedrückung zwar spüren konnte, selbst jedoch keine fühlte. Ich gab mich damit zufrieden, dass die anderen beiden miteinander plaudern werden, während ich mich auf andere Dinge konzentrierte. Doch sie tauschten kein Wort aus. Es war still. Doch plötzlich durchbrach Dwayne die Stille. Er quatsche mich an, als sei nichts gewesen. „Hey Nathaniel. Ich hab deinen Kampf von heute Morgen gesehen. Du hast Veit ja ganz schön zerlegt.“ „Ja, kann schon sein“, da war sie wieder, die Gleichgültigkeit in meiner Tonlage. Fast hätte ich dich vorhin auch zerlegt, fügte ich gedanklich an. Doch meine Antwort, die ich gegeben hatte, sollte eigentlich stark genug signalisieren, dass ich keine Lust auf Konversation hatte, schon gar nicht mit Dwayne. Aber was machte er? Er laberte einfach weiter. „Starker Kampf von dir. Wie wäre es, wenn du mal gegen mich kämpfst, ich fordere dich heraus.“ Auch das noch. Sollte ich ihm den Gefallen tun? Wobei, vielleicht konnte ich ihm so endlich klar machen, dass mit mir nicht gut Kirschen essen ist. Wenn ich ihn in einem Pokémon-Kampf fertig machte, würde er mich sicherlich in Ruhe lassen. „Geht klar. Nach dem Fahrradweg kämpfen wir.“ Womöglich nahm er jetzt meinen gelangweilten und abneigenden Tonfall wahr und gab keine Antwort darauf. Somit wurde es wieder still und ich konnte mich wieder der Landschaft und dem Wetter widmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)