Psiana aus der Gegenwelt von True710 ================================================================================ Kapitel 35: (K)ein Ass im Ärmel ------------------------------- Montag. Achtelfinaltag. Ich hatte kaum geschlafen, doch anstatt müde zu sein, war ich aufgedreht. Unabsichtlich weckte ich Hannah mit meinem Herumgehüpfe. Ich sprang natürlich nicht wirklich im Zimmer herum, doch alles was ich tat, tat ich mit etwas zu viel Energie, wie es schien. Dadurch wurde das Anziehen lauter, das ins Bad gehen wurde lauter, Duschen und Zähneputzen wurde auch lauter. „Nathaniel! Beruhig dich mal wieder! Es ist erst 7:30 Uhr und du bist komplett fertig. Andere wollen noch schlafen!“ Ich sah sie nur verwirrt an und legte meinen Kopf schief, während sie sich unter der Decke vergrub. Irgendwo hatte sie jedoch Recht. Selbst das Frühstück begann erst in einer halben Stunde. Da ich viel zu geladen war, um mich jetzt ruhig ins Zimmer zu setzen, scheuchte ich Psiana auf und nahm es mit nach draußen. „Komm, Psiana. Zeig mir deine Ampelleuchte! Gegen den Baum dort, los!“ Entsetzt sah ich mein Pokémon an. Weigerte es sich gerade wirklich die Attacke auszuführen? Ich wollte etwas sagen, doch mir fiel im ersten Moment nichts ein. Das hatte sich dann jedoch sowieso erledigt, da ich von jemand anderem angesprochen wurde. Als ich ein einfaches ‚Hallo‘ hörte, drehte ich mich um und sah einem Trainer, ungefähr in meinem Alter, schwarze gestylte Haare und nicht auffällig gekleidet, ins Gesicht. Den hatte ich hier noch nicht gesehen. „Nettes Pokémon hast du da. Ist es stark?“ Ich hatte ihn noch nicht einmal begrüßt. Trotzdem schien er nett zu sein. Wenigstens nicht so vorlaut wie gewisse andere Personen. Erst jetzt bemerkte ich, dass auch er mit einem Pokémon unterwegs war. Es hatte sich bisher aber auch gut versteckt. Hinter seinen Beinen lugte ein Nachtara hervor. „Hi. Ähm, ja naja, wie soll ich sagen? Ich würde es schon als stark bezeichnen.“ „Wolltest du mit deinem Psiana trainieren?“ „Ich bin nur etwas aufgeregt und zu früh aufgestanden, deshalb musste ich nochmal raus.“ „Geht mir ähnlich. Übrigens mein Name ist Marek. Ich steh ebenso im Achtelfinale wie du. Ich habe deinen Qualifikationskampf am Samstag gesehen. Du musst stark sein. Ich hoffe wir haben die Möglichkeit auch gegeneinander zu kämpfen. Aber ich muss weiter, man sieht sich.“ Ohne mich antworten zu lassen verschwand er schnellen Schrittes. Sein Nachtara folgte ihm gehorsam. Etwas komischer Typ. Zwar nett, aber komisch. Ich dachte mir nichts weiter dabei und wandte mich wieder zu Psiana, das vor mir saß und mit seinem Schwanz wedelte. Mein Elan von vorhin ist etwas verflogen. Naja, wenigstens war ich jetzt nicht mehr so aufgedreht. Ich betrat unser Zimmer und wollte Hannah zum Frühstück abholen. Mir blieb kurz der Atem stehen als ich in der Tür stand und den Knauf noch in der Hand hatte. „RAUS!!!“ Erst ein paar Sekunden später bemerkte ich, dass ich immer noch wie angewurzelt dastand. Hastig drehte ich mich um und knallte die Tür zu. Ok, wir waren Jugendliche im besten Alter und hatten keine Probleme mehr uns mal in Unterwäsche zu sehen. Das kam auf so einer Reise einfach vor. Allerdings war sie anscheinend gerade aus der Dusche gekommen und war erst dabei ihre Unterwäsche anzuziehen. Hätte ich sie nackt von vorne gesehen, hätte sie mich wahrscheinlich mit einem Agenten-Spezialgriff sofort umgebracht. Zum Glück stand sie mit dem Rücken zu mir. Immerhin nette Rückansicht. „Bin fertig …“ Ihr Ton war ziemlich eindeutig. Genervt ließ sie mich wissen, dass ich nun das Zimmer betreten konnte. Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf. „Sorry. Ich glaube das nächste Mal sollte ich wohl besser anklopfen“, suchte ich inständig nach einer Ausrede. „Oh ja, Nathaniel Gardner! Das nächste Mal solltest du auf jeden Fall anklopfen!“ „Ich geb dir dafür Frühstück aus, ja?“ „Bist du jetzt völlig von der Rolle? Das kostet hier doch sowieso nichts.“ „Oh … ja, stimmt. Willst du trotzdem mit mir frühstücken?“ Dass sie mir die Tür gegen mein Bein donnerte und genervt auf den Flur hinaustrat war wohl als ein ‚Ja‘ zu bewerten. Ich sagte nichts und folgte ihr zusammen mit Psiana einfach. Am Frühstückstisch war sie schon wieder gelassener drauf. Lag das am Essen? Sie fing ein ganz normales Gespräch mit mir an, so, als wäre nichts gewesen. Doch ich musste sie nochmal darauf ansprechen, um zu sehen, ob sie es wirklich nicht schlimm fand. „Hannah, sorry nochmal wegen vorhin. Ich hab nicht nachgedacht und bin einfach ins Zimmer gestürmt.“ „Macht nichts. Ich muss mich entschuldigen. Ich hab etwas übertrieben reagiert. Passiert halt mal. Dir hat’s doch gefallen“, den letzten Kommentar betonte sie absichtlich etwas anzüglich. Ich verschluckte mich an meinem Brötchen. Was zur Hölle …?! Ich war hier fast am Ersticken und Hannah lachte sich einen ab. Immerhin wusste ich dadurch, dass sie es nur aus Spaß gesagt hat. Nachdem ich nicht mehr unter Atemnot litt, musste ich deshalb auch darüber lachen. „Wann hast du deinen Kampf?“ „Abends. 18:00 Uhr auf dem Eisfeld.“ Der letzte Bissen meines Frühstücks verschwand in meinem Mund. Nun hieß es warten. Ich könnte ein anderes Achtelfinale ansehen. Die ersten Vier fanden um 13:00 Uhr statt, die zweiten vier um 18:00 Uhr. Doch darauf hatte ich auch nicht wirklich Lust. Irgendwie würde die Zeit schon vorübergehen … irgendwie. „In der roten Ecke begrüßen wir aus dem fernen Eiland 2 Nathaniel Gardner! Und in der grünen Ecke steht heute Steven McIntyre aus Erzelingen. Der Kampf findet im Modus 3vs3 statt. Lasset das Achtelfinale beginnen!“ Der Stadionsprecher sagte unseren Kampf an. Nachdem er meinen Namen verlauten ließ betrat ich zusammen mit Psiana unter dem Jubel der Zuschauer das Kampffeld. Mein Gegenüber tat es genauso. Bei ihm wurde die Menge natürlich etwas lauter, immerhin kam er aus Sinnoh. Ich betrachtete das Kampffeld. Eine Eiswüste komplett aus Eis mit Eisfelsen, Eisboden, Eiszapfen und was es nicht noch alles aus Eis gab. Ich würde hier ganz klassisch vorgehen und Frosdedje den Heimvorteil ausnutzen lassen. Mal sehen, was mein Gegner geplant hatte. „Ich wähle Laschoking!“ „Los, Frosdedje!“ „Der erste Kampf lautet Frosdedje gegen Laschoking. Das könnte Spannung versprechen, liebes Publikum.“ Ich hoffte, dass der Stadionsprechen nicht den ganzen Kampf kommentierte, sondern nur ab und zu etwas sagen würde. Aber über solche Banalitäten sollte ich mir jetzt keine Gedanken machen. Der Schiedsrichter verkündete nochmal die Regeln. Ein interessanter Fakt war, dass man jederzeit seine Pokémon tauschen durfte. Das sollte ich nicht außer Acht lassen. Dann senkte er ruckartig seine Fahnen und signalisierte dadurch, dass der Kampf beginnen könne. „Laschoking, beginne mit Psychokinese!“ „Blizzard, Frosdedje!“ Das war eine gute Abwehrmaßnahme. Laschoking konnte meinen Eisgeist nicht in seiner Psychokinese gefangen nehmen, noch dazu setzte ihm der Blizzard ordentlich zu. Und jetzt würde ich sogleich meinen Typenvorteil nutzen. „Frosdedje, schicke eine Spukballsalve auf Laschoking!“ „Schutzschild, Laschoking!“ Laschoking konnte durch den Blizzard nicht sehen, wo sich mein Pokémon befand. Aus unterschiedlichen Positionen flogen Spukbälle auf es zu. Die ersten Beiden hielt das Schutzschild noch auf. Doch dann verebbte es und Frosdedje landete einen Treffer nach dem anderen. Solange bis der Blizzard nachließ. „Frosdedje, jetzt den Donner!“ Laschoking war von der Spukballlawine bereits ziemlich am Ende. Gegen den Donner hatte es keine Chance mehr. Eine schnelle erste Runde. „Laschoking, zurück!“ „Ja, liebe Damen und Herren, unser Nathaniel scheint den langen Weg nicht umsonst auf sich genommen zu haben. Warten wir ab, wie Runde zwei verläuft.“ „Mamutel, du bist an der Reihe!“ Jetzt wollte er wohl ebenfalls ein Eis-Pokémon auf dem heimischen Eisfeld einsetzen. Ich musste mich nur vor möglichen Gesteinsattacken in Acht nehmen, ansonsten sollte es zu schaffen sein. „Wir beginnen mit einem Erdbeben, los!“ Gute Wahl. Frosdedje musste den ersten Treffer einstecken. Noch dazu sprang an vielen Stellen das Eis auf. Darunter war zwar immer noch Eis, doch der rauere Untergrund könnte Mamutel etwas mehr Halt geben. „Mit beginnen mit Gifthieb, Frosdedje!“ „Ausweichen, Mamutel und dann Antik-Kraft!“ Mein Geisttyp war flott unterwegs auf dem Eis. Mamutel konnte nicht wirklich ausweichen, fiel bei dem Versuch sogar hin, musste dadurch einen Gifthieb einstecken und konnte seine Antik-Kraft ebenfalls nicht gegen Frosdedje einsetzen. War wohl nichts mit dem Halt. Glück musste man haben. „Aurasphäre aus nächster Nähe, los!“ „Mamutel, steh auf und dann nochmal Antik-Kraft!“ Das war etwas leichtsinnig von meinem Gegner. Bis Mamutel überhaupt wieder einen festen Stand hatte, wurde es schon von der sehr effektiven Aurasphäre getroffen und wieder zu Boden geworfen. Die anschließende Eiszeit meines Frosdedjes ließ Mamutels Fell am Boden festfrieren, sodass es nicht mehr aufstehen konnte. Zwei weitere Aurasphären gaben dem Mammut den Rest. „Nathaniels Frosdedje schaltet auch den zweiten Gegner, immerhin ein kräftiges Mamutel, scheinbar ohne Anstrengung aus. Wird das kleine Pokémon den Kampf ganz alleine entscheiden können?“ Ich ließ Frosdedje weiterhin im Kampf. Ihm schien dieses Eisfeld sehr zu liegen. Mal sehen, ob mein Kontrahent ein Ass im Ärmel hatte, um diesen aussichtslosen Rückstand noch zu seinen Gunsten umzubiegen. „Camerupt, ich wähle dich!“ Jetzt wollte er es anscheinend wissen. Mit Camerupt stand uns nun ein Feuer-Pokémon gegenüber, das zwar den Typenvorteil hatte, sich jedoch ebenfalls schlecht auf diesem Untergrund bewegen konnte. Doch ich würde sagen, die Bewegungsfreiheit auf diesem Feld war wichtiger, als man glaubte. Also sah ich keinen Grund, wieso mein Eisgeist diesen Kampf verlieren sollte. „Camerupt, wir beginnen mit Eruption!“ „Frosdedje, Blizzard! Dann Eishieb!“ Frosdedje musste zwar kleinere Treffer der Eruption einstecken, doch der Blizzard schwächte die Attacke gut ab. In der Deckung des eisigen Sturm konnte mein Pokémon auch den Eishieb ins Ziel bringen. „Camerupt, durchbreche das Ganze mit deinem Flammenwurf!“ „Eisstrahl, schnell!“ Mein Frosdedje war gut trainiert, weshalb der Flammenwurf nur ganz langsam den Eisstrahl zurückdrängen konnte. Ich besann mich auf eine ähnliche Situation, die ich bereits erlebt hatte und versuchte so, den Kampf endgültig zu beenden. „Spukball, Frosdedje!“ „Weich aus, Camerupt und dann Feuersturm!“ Sein schwerfälliges Pokémon fiel natürlich hin. Am Boden liegend, schickte es jedoch seinen Feuersturm los. Der Spukball spaltete den Flammenwurf und trennte dem Feuersturm sozusagen einen Arm ab. Camerupt musste den Spukball einstecken, Frosdedje den Feuersturm. „Schnell, Frosdedje, Aurasphäre solange es noch am Boden liegt!“ „Camerupt, Hitzekoller!“ Es reagierte schnell, lag zwar immer noch am Boden, doch feuerte einen gewaltigen Hitzekoller ab. Die Aurasphäre verschwand in dem glühend roten Strahl, der Frosdedje ziemlich zusetzte. Beide Pokémon waren ausgepowert. Womöglich würde der nächste Treffer entscheiden. „Lass es uns beenden, Frosdedje! Eiszeit und dann Aurasphäre!“ „Nichts da, wir werden es beenden! Camerupt, Eisenschädel, los!“ Camerupts Kopf begann metallisch zu glänzen während es auf Frosdedje zu rannte. Doch durch die Eiszeit-Attacke wurde Camerupt immer langsamer und langsamer, bis es zwei Meter vor Frosdedje völlig zum Stehen kam. Die Aurasphäre aus nächster Nähe gab dem Feuer-Boden-Typ natürlich den Rest. Besiegt blieb es in der Mitte des Kampffeldes liegen. „Liebe Leute, wir sind hier Zeuge einer Demonstration geworden, die es in dieser Art noch nicht allzu oft gegeben hat. Nathaniels Frosdedje schaltet auf dem heimischen Eisfeld alle drei Pokémon von Steven aus. Welch ein Match! Nathaniel steht somit im Viertelfinale!“ Die Zuschauer standen auf und jubelten mir zu. Ich umarmte mein Pokémon freudig, das mittlerweile vor mir stand. Ich war stolz auf dessen Stärke und stolz auf diese Leistung. Ich rief es zurück, winkte dem Publikum kurz zu und verschwand mit Psiana in den Katakomben. Hannah rannte mir entgegen, die den Kampf in einer Lounge auf TV verfolgt hatte und beglückwünschte mich. So richtig froh über meinen Sieg war ich jedoch gar nicht. Es fühlte sich wie jeder andere Sieg, den ich bisher auf meiner Reise eingefahren hab, an. So selbstverständlich, nichts Großes eben. Ich hoffte, dass ich das nicht alles etwas zu einfach nahm. Mein nächster Kampf war auf dem Wasserfeld. Mein Sieg im Achtelfinale war vorgestern. Nach einem Tag Pause ging es nun im Viertelfinale gegen ein Mädchen, das etwas angsteinflößend aussah. Sie verzog keine Miene. Ansonsten sah sie jedoch normal aus. Ihr Blick allein signalisierte ihren puren Willen. Der Stadionsprecher stellte mir meine Kontrahentin als Kyra Porter vor. Einem 18-jährigen Mädchen, das aus Sonnewik kam. Danach hielt er seine obligatorische Ansprache. Für mich war jedoch nur das Zeichen des Schiedsrichters wichtig. Einen taktischen Plan hatte ich mal wieder nicht. Ich stand vor einem riesigen Wasserbecken, in dem sich in der Mitte eine kleine Insel befand. Vier künstliche Flächen, in Form von schwimmenden, runden Platten befanden sich zudem noch in den Ecken. Despotar würde ich schon mal nicht einsetzen. Dazu war sein Aktionsradius zu sehr eingeschränkt, da ich nicht wusste, ob die schwimmenden Platten es aushalten würden. Ich würde klassisch anfangen, ähnlich wie auf dem Eisfeld. „Kabutops, du bist an der Reihe!“ „Sumpex, ich wähle dich!“ „Den ersten Kampf würden zwei starke Wasser-Pokémon gegeneinander austragen. Ich habe das Gefühl, dass wir ein gutes Viertelfinale zu sehen bekommen.“ Solange ich als Sieger hervorgehen sollte, war mir das Niveau dieses Kampfes ziemlich egal. Dass es nicht ganz so eindeutig, wie vorgestern ausgehen würde, war mir bewusst. Dazu sah diese Kyra schon viel zu verbissen aus. Dementsprechend legte sie sofort los. „Sumpex, Hammerarm!“ Das ging gleich gut los. Dieses Sumpex war verdammt schnell unterwegs und brachte seine erste Attacke sofort ins Ziel. Ein schlechter Auftakt für mich. Kabutops war ebenfalls mehr als überrascht und dadurch auch irgendwie verunsichert. Ich musste ihm die Sicherheit zurückgeben. „Kabutops, das war doch gar nichts für uns! Du bist schneller als dieses Sumpex! Wasserdüse, los!“ „Schutzschild, schnell! Dann Schlammwoge!“ Ich nahm das Ganze definitiv auf die leichte Schulter. Die Wasserdüse prallte einfach am Schutzschild ab, während die Schlammwoge mein Pokémon von der mittigen Insel einfach ins Wasser spülte. Und dieses Mädchen hörte einfach nicht auf. Sie befahl einen Lehmschuss auf mein an der Wasseroberfläche treibendes Kabutops, das dadurch erneut einen effektiven Treffer hinnehmen musste. Langsam wurde es mir zu bunt. „Kabutops, tauch auf und dann Kraftkoloss!“ „Lehmbrühe, Sumpex!“ Auch Kabutops war nun sauer und tauchte in einer mächtigen Energiekugel auf und schoss auf Sumpex zu. Die Lehmbrühe konnte den Energieball nicht durchdringen, wodurch das Lehmhüpfer-Pokémon seinen ersten Treffer einstecken musste. Doch es schlug sofort zurück. „Sumpex, Eisenschweif!“ „Kabutops, ebenfalls Eisenschweif!“ Sumpex war einen Tick schneller. Während mein Pokémon schon getroffen war, streifte Kabutops Eisenschweif knapp an Sumpex vorbei. „Aquahaubitze!“ Mehr musste sie nicht sagen. Ihr schneller Lehmhüpfer schoss einen Wasserstrahl ab, den ich so noch nicht gesehen hatte. Als die Attacke abklang, stand mein fossiles Pokémon nicht mehr auf der schwimmenden Platte, auf der es gerade noch stand, sondern trieb kampfunfähig im Wasser umher. „Meine Damen und Herren, dieses Sumpex hat in der ersten Runde gut ausgeteilt und geht somit als Sieger hervor. Nathaniel, der das Achtelfinale mit nur einem Pokémon gewonnen hatte und somit vielleicht als leichter Favorit in dieses Match gegangen ist, muss nun schauen, dass er in den Kampf findet. Wir dürfen auf die zweite Runde gespannt sein!“ Nachdem der Stadionsprecher seine Ansage beendet hatte, jubelte das Publikum. Es freute sich auf die zweite Runde, genauso wie ich. Mal sehen, ob man Sumpex aus der Luft attackieren konnte. „Noctuh, auf geht’s!“ „Sumpex, wir beginnen mit einer Steinkante, los!“ Diese Kyra legte erneut los wie die Feuerwehr. Es war zwar keine offizielle Regel, doch es gehörte zu den guten Kampfmanieren, dass man nach einem Einzelsieg dem jeweils anderen im nächsten Einzelkampf die erste Attacke ausführen lässt. Davon hatte dieses Mädchen anscheinend noch nichts gehört. Womöglich war sie auch einfach nur zu sehr auf diesen Kampf fixiert und hatte es vergessen. Meine Eule war jedenfalls gefasst und konnte ausweichen. Danach brachte es auch noch eine Sondersensor-Attacke an. „Sumpex, Schlammwoge!“ „Weiche erneut aus, Noctuh!“ Noctuh versuchte auszuweichen, doch die Schlammwoge war zu groß und traf mein Pokémon trotzdem. Dieses Viertelfinale glitt mir langsam aber sicher aus der Hand. „Nachtnebel, Noctuh!“ „Steinkante, schnell!“ Der Nachtnebel traf Sumpex zwar, allerdings wog der Treffer der Steinkante weitaus schwerer, da sehr effektiv. Noctuh war sichtlich gezeichnet, weshalb ich auf eine Art Sicherheitstaktik umstieg. Gegner einschläfern, ihm die Energie aussaugen und mir hinzufügen. Simpel. Jetzt musste sie nur noch klappen. „Setz Hypnose ein, Noctuh!“ „Tauch unter, Sumpex! Dann Lehmbrühe!“ Meine Taktik fiel im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Während Noctuhs Augen beängstigend aufs Kampffeld hinunter sahen, tauchte das vermeintliche Opfer einfach unter, um uns dann mit seiner braunen Brühe erneut zuzusetzen. Es sah gar nicht gut aus für mich. „Nochmal Hypnose, los jetzt!“ „Dasselbe Spiel nochmal, doch dann beenden wir das Ganze mit einer Aquahaubitze!“, gab sie verbissen aber dennoch selbstsicher von sich. Ein solcher Spruch kam sonst eigentlich immer von mir. Doch ich musste zugeben, dass ich mich wohl etwas mit der Hypnose verzockt hatte. Es war kein schöner Anblick, wie Sumpex aus dem Wasser gesprungen kam und abermals einen gewaltigen Wasserstrahl abschoss und damit mein Noctuh vom Himmel holte. Ich hatte noch keines ihrer Pokémon besiegt und ich hatte nur noch eines. In dieser Situation befand sich vorgestern auch Steven. Absolut unschön … „Was für ein Finish. Die hübsche Kyra kennt kein Pardon und besiegt auch Nathaniels zweites Pokémon. Hat unser weithergereister Herausforderer noch ein Ass im Ärmel?“ Ja. Im Gegensatz zu Steven habe ich auf jeden Fall ein Ass im Ärmel. Und es blieb mir wohl keine andere Möglichkeit. „Bereit, Psiana?“ Es sah zu mir auf. Anstatt etwas zu sagen, legte es einen Blick auf, den ich zuvor noch nicht von ihm gesehen hatte. Es hatte gerade wirklich Lust zu kämpfen und mir aus der Patsche zu helfen. Es war dieser entschlossene Blick, der mir zusichern sollte, dass wir übermorgen im Halbfinale kämpfen würden. Es sah zurück aufs Kampffeld, nahm sich selbst in seine Psychokinese auf und schwebte auf die Landmasse in der Mitte des Kampffeldes. „Ok, liebe Zuschauer. Das war ja schon mal ein cooler Vorgeschmack auf Psianas Kräfte, doch kann es wirklich drei Pokémon von Kyra besiegen? Wir werden sehen!“ „Psiana, Spukball, los!“ Sofort ein Treffer. Sumpex hatte keine Möglichkeit auszuweichen. Es hatte aber auch schon zwei Kämpfe hinter sich, das sah man ihm an. Kyra befahl ihm einen Eisenschweif, der allerdings ins Leere ging, da Psiana ebenfalls enorm schnell war und beim Lehmhüpfer-Pokémon ganz eindeutig die Kräfte schwanden. „Psiana, Psychokinese! Danach gleich Dunkelklaue!“ Als Sumpex in der Psychokinese gefangen war, konnte man sein schmerzverzerrtes Gesicht sehen. Man glaubte gar nicht, was diese Psychokräfte alles anrichten konnten. Danach entließ Psiana Sumpex nicht gerade sanft aus der Attacke. Mit hohe Geschwindigkeit ließ es seinen Gegner direkt vor ihm auf die Insel klatschen. Die anschließende Dunkelklaue gab dem Wasser-Boden-Pokémon den Rest. „Was zur Hölle, meine Damen und Herren?! Psiana macht kurzen Prozess mit Sumpex und musste nicht einen Treffer einstecken. Ist Nathaniel somit zurück im Geschäft?“ Das wusste wohl noch keiner. Kyra war noch mit einem Pokémon vor und ich konnte nicht glauben, dass ihre anderen Pokémon sonderlich schwächer waren als dieses Sumpex. Dementsprechend rief sie ein Seedraking aufs beziehungsweise ins Kampffeld. Nicht gerade der leichteste Gegner. „Eisstrahl, Seedraking!“ „Psiana, nimm deine Ampelleuchte!“ Die beiden Attacken prallten aufeinander und endeten in einer Eisexplosion. Überall trieben kleine Eisbrocken umher. Doch das sollte keinen Einfluss auf den Kampf nehmen. Gedanken konnte ich mir sowieso keine darüber machen, da Kyra sofort weitermachte. „Los, Seedraking, Hydropumpe!“ „Blitzkanone, Psiana!“ Ich hatte die bessere Wahl getroffen. Die Elektroattacke spaltete die Hydropumpe und traf ins Schwarze. Nach dem schnellen Sieg über Sumpex lag das Momentum nun wohl auf meiner Seite. Ich bekam mehr und mehr Kontrolle über den Kampf. Es lief bedeutend besser. Natürlich musste ich trotzdem noch höllisch aufpassen. Kyras Seedraking konnte mit einem starken Drachenpuls einen Treffer landen, während Psiana einen Spukball ins Ziel brachte. Keiner wollte hier verlieren und das konnte man sehen. „Seedraking, nimm Drachenwut!“ „Spring nach vorne und benutze deinen Nassschweif!“ Ein Raunen ging durch das Stadion. Psiana sprang quasi in die Attacke hinein. Doch bevor es von der Drachenwut erfasst wurde, setzte es elegant zum Salto an, durchdrang mit seinem Nassschweif den Strahl und konnte einen Treffer landen. Schnell versuchte meine rosa Katze wieder an Land zu gelangen, bevor Seedraking zu einer neuen Attacke ansetzte. Als es gerade das Ufer erklommen hatte, wurde Psiana von einer kochend heißen Siedewasser-Attacke erwischt und über die Insel geschleudert. Seedraking hielt weiter drauf, doch Psiana konnte sich mithilfe einer Psychokinese befreien. Zuerst wurde nur der Wasserstrahl abgelenkt, doch gleich danach fand sich auch Seedraking von einem blauen Schimmer umringt und musste unglaubliche Schmerzen erleiden. „Lass es uns mit einer Blitzkanone beenden, Psiana!“ Das war zu viel für Seedraking. Während es noch hilflos in der Luft schwebte, schlug die Blitzkanone ein. Daraufhin fiel es kampfunfähig ins Wasser zurück. „Das ist ja unglaublich! Psiana hat das Ruder herumgerissen und besiegt auch Seedraking. Kann es auch den allesentscheidenden letzten Kampf siegreich gestalten? Lassen wir uns überraschen!“ „Yanmega, ich wähle dich für diesen letzten Kampf! Starte mit Aero-Ass!“ „Psiana, Dunkelklaue!“ Sofort ein Treffer. Allerdings von Yanmega. Psianas Dunkelklaue ging ins Leere. Wieder so ein schnelles Pokémon. Doch wie bereits erwähnt, ist auch Psiana nicht gerade langsam. „Yanmega, Antik-Kraft!“ „Ausweichen, Psiana!“ „Silberhauch!“ Yanmegas Antik-Kraft konnte mein Kätzchen noch entfliehen, doch der Silberhauch traf. Langsam musste ich aufpassen, dass Psiana nicht das gleiche Schicksal ereilt wie Sumpex. Es wurde langsam auch müde und schwächer. „Spukball, Psiana, schnell!“ „Wir schlagen mit Käfergebrumm zurück!“ Der Spukball traf, das Käfergebrumm jedoch auch. Wieder eine Käferattacke die ihr Ziel fand. Ich sah, wie Psiana keuchend auf der Insel stand und diesem hässlichen Geräusch, das von Yanmega ausging, standzuhalten versuchte. Als ich eigentlich mit dem Ende rechnete, beging Kyra den alles entscheidenden Fehler. Anstatt es mit einer weiteren Käferattacke zu beenden, befahl sie den Sonnentag. Das war meine Rettung. „Psiana, schnell, Morgengrauen!“ Durch den Sonnentag wurde Psianas Morgengrauen noch viel effektiver. Kyras Gesichtsausdruck war unbezahlbar. Aufgrund ihrer Schockstarre reagierte sie zu spät. „Yanmega, schnell, Solarstrahl, schnell schnell schnell!“ „Ausweichen, dann Blitzkanone!“ Psiana war fast wieder im Vollbesitz seiner Kräfte und wich dem Solarstrahl gekonnt aus. Die anschließende Blitzkanone fand auch ihr Ziel. Jetzt war ich mir sicher. Ich würde im Halbfinale kämpfen. „Yanmega, Antik-Kraft!“ „Erneut ausweichen, dann Psychokinese und dann Nassschweif!“ Psiana wich der Antik-Kraft gar nicht mehr aus. Es lief genauso ab, wie gegen Seedraking. Erst wurde die Attacke mithilfe von Psychokinese abgelenkt, dann nahm es Yanmega darin gefangen, ließ es etwas zappeln und bereitete ihm ziemliches Unbehagen, um es dann unsanft auf die Insel zu schleudern. Der Nassschweif tat sein Übriges. „Yanmega ist unfähig diesen Kampf fortzuführen, der Sieger lautet Psiana und damit steht der Gewinner dieses Matches fest. Es ist Nathaniel von Eiland 2.“ „Ihr habt es gehört, meine Damen und Herren! Nathaniel biegt das gesamte Match mit seinem Psiana um und gewinnt am Ende doch noch gegen Kyra. Was für ein spannendes Viertelfinale! Unglaublich!“ Unter dem tosenden Jubel der Zuschauerkulisse sank ich auf meine Knie und sah auf die Insel. Psiana saß seelenruhig da und wedelte, wie immer, mit seinem Schweif. Ich musste lächeln, dann lachen. Ich stand im Halbfinale. Und das nur wegen diesem Psiana. Es verdeutlichte mir, dass ich es ohne diesem Pokémon wahrscheinlich gar nicht bis hierher geschafft hätte. Welch ein Trainer wäre ich wohl geworden, wenn ich dieses einschneidende Erlebnis in der Gegenwelt nicht gehabt hätte? Diese Frage würde wohl niemand beantworten können. Ich streichelte meiner Katze, die sich mittlerweile schon wieder bei mir befand, über den Kopf und blickte in das rosa Gesicht mit lila Augen. Was konnten wir gemeinsam noch alles erreichen und was würde uns noch erwarten? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)