Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 61: Beleidigungen ------------------------- „Und, wie ist dein Eindruck von ihm?“, fragte Hermine grinsend nach, als sie, Ron und Harry sich auf den Weg zum Abendessen machten. „Von wem?“, versuchte Harry möglichst unschuldig zu tun. „Na von wem wohl“, verdrehte Hermine die Augen. „Von Stephen Cornfoot natürlich.“ Möglichst lässig zuckte Harry die Achseln und versuchte so seine Unsicherheit zu überspielen. „Er ist ziemlich selbstsicher.“ „Uund?“, sah Hermine ihn erwartungsvoll an. „Und er fliegt ganz passabel.“ „Ach Mensch, Harry!“, beschwerte sich die Hexe ungeduldig. „Du weißt genau, worauf ich hinaus will.“ „Er ist ganz okay.“ „Nur okay?“ 'Sexy.', dachte Harry und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. „Jaaa“, druckste Harry herum. „Er sieht nicht schlecht aus. Was bist du eigentlich so darauf fixiert, mich mit ihm zu verkuppeln?“ „Du bist dir doch nicht sicher, ob du auf Männer stehst, oder?“, argumentierte Hermine verteidigend. „Was wäre da effektiver, als einfach mal ein bisschen mit einem attraktiven Mann zu flirten und zu gucken, was dabei herauskommt?“ „Ich... jaaa, vielleicht“, gab Harry kleinlaut zu. Er musste eingestehen, dass Hermines Idee nicht gerade unlogisch klang. Aber er hatte sich in Cornfoots Gegenwart so unsicher gefühlt wie ein kleines, verschüchtertes Schulmädchen. Wie sollte er da denn überhaupt etwas gescheites von sich geben? „Du hast bei deinem grandiosen Plan nur leider vergessen, dass ich eine Niete im Flirten bin“, murrte Harry also vor sich hin. „Bei Cho hat es doch auch irgendwie geklappt“, winkte Hermine lässig ab. „Und außerdem wirkt Cornfoot auf mich, als würde er eh lieber den ersten Schritt machen. Das erleichtert das Ganze doch um einiges, oder nicht?“ „Schon möglich“, zuckte Harry mit den Schultern. Vielleicht hatte Hermine ja Recht. Er war sich immer noch nicht sicher, ob nur Severus so anziehend auf ihn wirkte, oder ob er wirklich Interesse an Männern hatte. Das konnte er nur herausfinden, wenn er sich ein wenig ausprobierte. Außerdem konnte er so vielleicht Severus schneller aus seinem Kopf bekommen.   „Guten Abend, Sir“, grüßte Harry höflich, als er das Büro des Direktors betrat. „Guten Abend, Harry“, lächelte Dumbledore seinem Schüler zu und deutete ihm sogleich Platz zu nehmen. „Ich hoffe, du hast dich im Schulalltag wieder gut eingefunden.“ „Ja, Sir“, nickte Harry zuversichtlich und setzte sich in den Sessel vorm Schreibtisch. „Kommst du beim Unterrichtsstoff mit?“ „Größtenteils ja. Bei einigen Fächern werde ich noch ein wenig nachholen müssen, aber ich bin fast wieder auf dem aktuellen Stand.“ „Das freut mich zu hören“, erwiderte der Direktor, bevor sein Blick ein wenig forschender wurde. „Wenn ich das richtig sehe, pausiert der Okklumentikunterricht noch weiterhin?“ „Ähm... ja“, zögerte Harry und wurde ein wenig unruhig. „Es ist momentan etwas... schwierig.“ „Mit anderen Worten, der Okklumentikunterricht endet nun mit der gleichen Begründung, wie im letzten Jahr“, sagte Dumbledore mit seinem wissenden Blick, was Harry langsam nervös werden ließ. Was musste Dumbledore auch immer so dreinschauen, als sei er über alles im Bilde? Mochte sein, dass er von seinem Streit mit Severus gehört hatte, aber er konnte ja wohl kaum wissen, worum es da ging. Oder? Nein, das war unmöglich, Dumbledore bluffte sicherlich nur. So selbstsicher wie möglich erwiderte Harry also: „Wir haben gerade ein paar Meinungsverschiedenheiten, aber ich glaube nicht, dass Snape vorhat, den Unterricht gar nicht mehr durchzuführen. Es wird nur ein wenig länger dauern als geplant.“ Analytisch sah Dumbledore über seine Brille hinweg zu Harry. „Ihr wisst beide, dass dieser Unterricht sehr wichtig ist.“ „Ja, Sir“, nickte Harry ernst. „Mir ist es bewusster, als jemals zuvor.“ Da, schon wieder. Dumbledore sah ihn an, als wisse er genau, worauf Harry anspielte. Aber das konnte nun wirklich nicht mehr sein, er konnte unmöglich vom Vorfall beim Mantikor wissen. Also alles ein reiner Bluff. Langsam nickend ließ der Direktor seine verschränkten Hände sinken und sagte etwas munterer: „Nun gut, dann wollen wir das auch nicht weiter ausdiskutieren. Sprechen wir stattdessen von unserem eigenen Unterricht. Kannst du mir zusammenfassend sagen, was wir bisher herausgefunden haben?“ Erleichtert entließ Harry die angehaltene Luft und entspannte sich. „Ja, Sir, ähm... Voldemorts Mutter war in den Muggel Tom Riddle verliebt, aber ihr wurde von ihrem Vater und ihrem Bruder der Kontakt zu Muggeln verboten, weil sie sie für Abschaum hielten. Irgendwann ist Merope geflohen, hat die letzten Erbstücke der Familie gestohlen, darunter auch diesen Ring dort“, nickte er zu der Vitrine herüber, in dem Slytherins Ring, nun mit zerbrochenem Stein, lag, „und hatte Riddle unter einen Liebestrank gesetzt. Sie heiratete ihn und wurde schwanger, aber dann verließ Riddle sie und kehrte zu seinen Eltern zurück. Merope bekam ihren Sohn in einem Waisenhaus und starb bei der Geburt. Seitdem lebte Voldemort dort und die anderen Kinder hatten Angst vor ihm. Als er erfuhr, dass er ein Zauberer ist, war er nicht überrascht, erzählte Ihnen, was für Dinge er tun konnte. In Hogwarts war er ein beliebter Musterschüler und lernte dort Schüler kennen, die später die ersten Todesser werden sollten. Als er herausfand, wo seine Mutter gelebt hatte, besuchte er seinen Onkel Morfin, tötete seinen Vater und seine Großeltern, jubelte den Mord seinem Onkel unter und stahl ihm den Ring. Und... er hat einen Lehrer einmal danach gefragt, was ein... Horkrux ist, aber die Erinnerung war manipuliert.“ „Sehr gut, Harry“, nickte Dumbledore. „Ich hoffe, die vielen Details, die in den Erinnerungen so wichtig waren, sind bei dir ebenfalls hängen geblieben. Kleine Nebensächlichkeiten, die das Wesen von Voldemort so gut beschreiben und ihn damit ein wenig mehr berechenbar machen.“ „Daran erinnere ich mich zu gut“, erwiderte Harry bestätigend. „Gut“, sagte Dumbledore und legte wieder seine Fingerkuppen aneinander. „Das waren alles noch Dinge, bei denen ich dir mit Sicherheit sagen konnte, was warum und wie geschah, doch nun sind wir beim erwachsenen Voldemort angekommen und ab hier können wir nur noch Vermutungen anstellen.“ Interessiert nickte Harry und hörte aufmerksam zu. |„Nun werden die Verhältnisse undurchsichtiger und merkwürdiger. Wenn es schon schwierig war, Zeugnisse über den jungen Riddle zu finden, so war es fast unmöglich, jemanden aufzutreiben, der bereit war, sich an den erwachsenen Voldemort zu erinnern.“|(1) „Verständlich“, murmelte Harry. „Nicht wahr?“, lächelte Dumbledore ihm bestätigend zu. |„Nach seinem, wie zu erwarten war, grandiosen Schulabschluss, hatten alle erwartet, dass Voldemort sich einen bedeutenden und wichtigen Beruf aussuchen würde. Viele Lehrer boten ihm dabei ihre Hilfe an, wollten für ihn Treffen mit wichtigen Ministeriumsangestellten arrangieren, doch schon bald sprach sich herum, dass Voldemort sich für einen Job bei Borgin und Burkes entschieden hatte.“ „Bei Borgin und Burkes?“, runzelte Harry verwundert die Stirn.|(1) Der großartige, einflussreiche und machtgierige Tom Riddle hatte sich ausgerechnet für einen solch niedrigen und irgendwie schmutzigen Job entschieden? „Ich denke du wirst es besser verstehen, wenn wir uns die nächste Erinnerung angesehen haben“, verstand Dumbledore sofort, was für Bedenken Harry hatte. |„Sie stammt von der Hauselfe Hokey, die für die reiche, alte Dame Hepzibah Smith gearbeitet hat. Voldemort besuchte sie hin und wieder, um ihr im Namen von Mr Burke einige wertvolle Antiquitäten abzukaufen. Denn im Verhandeln war keiner so gut wie er.“ „Darauf hätte ich wetten können“, knurrte Harry leise und erhielt ein kleines Lächeln vom Direktor, der nun eine Phiole hervorholte, während das Denkarium langsam auf den Schreibtisch zuschwebte. „Ich hoffe, du bist es noch nicht leid, in anderer Leute Gedächtnisse einzutauchen“, sagte Dumbledore, während er die Erinnerung ins Denkarium fließen ließ, wo sie silbrig-blau vor sich hinglitzerte. „Nach dir, Harry.“|(1) Ohne zu zögern beugte Harry sich über die Schüssel und ließ sich in ein Wohnzimmer ziehen, das so sehr mit Antiquitäten zugestellt war, dass man es kaum noch durchqueren konnte. |„Beeil dich, Hokey!“, rief eine dicke, alte Frau gebieterisch. „Er wollte um vier kommen und er hat sich noch nie verspätet!“ Harry sah dabei zu, wie eine kleine Elfe herbeieilte und ihrer Herrin dabei half, sich für ihren Besuch zu stylen, ehe es bereits an der Tür klingelte. Hektisch schickte die Hepzibah ihre Hauselfe Richtung Eingang, die nach kurzer Zeit mit einem jungen Mann im Schlepptau zurückkam. Voldemort trug einen schlichten schwarzen Anzug, seine Haare waren länger als noch zur Schulzeit und seine Wangen waren hohl geworden. Obwohl Harry bereits erkannte, dass er sich langsam zu dem Monster entwickelte, das er einst werden sollte, sah er besser aus als je zuvor. „Ich habe Ihnen Blumen mitgebracht“, schmeichelte Voldemort sich sofort bei der Dame ein, was eigentlich gar nicht mehr nötig war. Die Frau war so schon hin und weg von ihm. „Sie ungezogener Junge, das wär doch gar nicht nötig gewesen!“, kicherte sie schulmädchenhaft und sie begab sich zusammen mit Tom zum Sofa. Voldemort begann sofort vom Geschäft zu sprechen, doch Hepzibah Smith schien daran wenig interessiert zu sein. Stattdessen wolle sie Voldemort etwas ganz besonderes zeigen und schickte ihre Hauselfe, damit diese ihr zwei Kästchen brachte, die sie schon am Tag zuvor herausgesucht hatte. „Ich habe Ihnen etwas zu zeigen, das ich Mr Burke noch nie gezeigt habe!“, erzählte Hepzibah aufgeregt. „Können Sie ein Geheimnis für sich behalten, Tom? Wollen Sie mir versprechen, dass Sie Mr Burke nicht sagen, dass ich es habe?“ Nun war auch Harrys Neugierde geweckt. Die Hauselfe kam mit den beiden Kästchen zurück, die Hepzibah ehrfürchtig in die Hand nahm. Behutsam öffnete sie das größere. „Ich frage mich, ob Sie wissen, was das ist, Tom? Nehmen Sie es heraus, werfen Sie in Ruhe einen Blick darauf!“, flüsterte Hepzibah und spannte Harry dadurch noch mehr auf die Folter. Vorsichtig griff Voldemort in das Kästchen und holte einen goldenen Becher heraus. In seine Augen trat ein rotes Funkeln und Harry wurde mulmig zumute. Das konnte nichts gutes bedeuten. „Ein Dachs“, murmelte Voldemort. „Es gehörte also...?“ „Helga Hufflepuff, wie Sie ganz genau wissen, Sie schlauer Junge!“, freute Hepzibah sich und kniff Voldemort tatsächlich in seine Wange. Merkte sie denn gar nicht, wie gierig Voldemort auf den Becher starrte? Hatte sie die roten Augen nicht gesehen? Während sie eifrig weiter brabbelte, nahm sie Voldemort den Becher wieder ab und bemerkte den Schatten nicht, der über sein Gesicht huschte. Nachdem sie Hokey das Kästchen mit dem Becher gegeben hatte, griff sie nach dem etwas flacheren und öffnete nun dieses. „Ich glaube, das hier wird Ihnen noch besser gefallen, Tom“, flüsterte die Frau erneut und Harry schluckte, als er erkannte, was da im Kästchen lag. Das Medaillon von Slytherin. Das Medaillon, das Voldemorts Mutter mitgenommen hatte, als sie ihre Familie verließ. Ohne zu fragen, nahm Voldemort das Medaillon aus der Schachtel und betrachtete es gebannt, während Hepzibah erneut zu reden begann. „Und Burke hat es offenbar einer zerlumpten Frau abgekauft, die es wohl gestohlen hatte, aber nicht ahnte, wie viel es wirklich wert war...“ 'Oh nein.', dachte Harry, als er sah, wie Voldemorts Augen unverkennbar rot aufleuchteten. „Ich vermute, Burke hat sie mit ein paar Münzen abgespeist, aber was soll man machen... schön, nicht wahr?“ Hepzibah griff nach dem Medaillon, um es wieder einzupacken und kurz dachte Harry, Voldemort würde es nicht loslassen, doch da war es schon durch seine Finger geglitten. Als die Hexe wieder aufsah, verschwand ihr Lächeln. „Alles in Ordnung mit Ihnen, mein Lieber?“|(1) Mit einem mulmigen Gefühl tauchte Harry wieder im Büro des Direktors auf. |„Hepzibah Smith starb zwei Tage nach dieser kleinen Szene“, durchbrach Dumbledores Stimme Harrys Gedanken. „Hokey die Hauselfe wurde vom Ministerium überführt, dem abendlichen Kakao ihrer Herrin versehentlich Gift beigemischt zu haben.“ Humorlos musste Harry auflachen. „Unmöglich!“ „Ich sehe, wir sind einer Meinung“, nickte Dumbledore und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. „Voldemort ist bei diesem Mord genauso vorgegangen, wie bei dem seines Vaters: Er hat mit Gedächtnismanipulation gearbeitet.“ Nickend verarbeitete Harry die neuen Informationen. Dumbledore fuhr indessen fort: „Nur dieses Mal tötete Voldemort nicht aus Rache, sondern aus Habgier. Nach diesem Vorfall war es lange Zeit still um Voldemort. Er arbeitete im Hintergrund und es gab lange Zeit nur Gerüchte darüber, was er die nächsten Jahre machte. Die nächste Erinnerung ist 10 Jahre jünger als die von Hokey.“|(1) Erneut füllte Dumbledore eine Erinnerung ins Denkarium und sogleich tauchten sie darin ein. Sie standen in Dumbledores Büro, welcher auf jemanden zu warten schien. Als sich die Tür öffnete und Voldemort den Raum betrat, erschrak Harry. Jetzt war es eindeutig, Tom Riddle existierte nicht mehr. Seine Züge waren seltsam verwaschen, die Nasenlöcher zu Schlitzen geworden und seine Augen blutig, während seine Haut schneeweiß war. Dumbledore schien wenig überrascht über diese Veränderungen, begrüßte Voldemort höflich und bot ihm was zu trinken an. |„Nun, Tom... was verschafft mir die Ehre?“ Voldemort antwortete nicht gleich, sagte erst nach einer kurzen Pause: „Man nennt mich nicht mehr Tom. Inzwischen bin ich unter dem Namen...“ „Ich weiß, unter welchem Namen Sie bekannt sind“, fiel Dumbledore ihm ins Wort. „Aber ich fürchte, für mich werden Sie immer Tom Riddle bleiben. Das ist eine der lästigen Eigenheiten von alten Lehrern, fürchte ich, dass sie die frühen Anfänge ihrer Schützlinge nie ganz vergessen.“|(1) Anerkennend runzelte Harry die Stirn. Das war gut gekontert. Obwohl seine Worte so freundlich klingen sollten, war Dumbledores Weigerung, Voldemort bei seinem neuen Namen zu nennen, mehr als dreist und die Stimmung wurde sofort kühler. Genauso zurückhaltend ging die Unterhaltung weiter. Voldemort bewarb sich als Lehrer an der Schule, doch Dumbledore verweigerte ihm die Stelle. Stattdessen band er ihm sogar noch auf die Nase, dass er von der Gründung der Todesser gehört hatte und dass er wusste, dass sich jetzt gerade einige von ihnen in Hogsmeade aufhielten und auf Voldemort warteten. |„Reden wir offen miteinander“, begann Dumbledore. „Warum sind Sie heute Abend hierher gekommen, umgeben von Gefolgsleuten, und ersuchen um eine Stelle, von der wir beide wissen, dass Sie sie nicht haben wollen?“ „Eine Stelle, die ich nicht haben will? Im Gegenteil, Dumbledore, ich will sie sehr gerne haben.“ „Oh, Sie wollen nach Hogwarts zurückkehren, aber Sie wollen genauso wenig unterrichten wie damals, als Sie achtzehn waren. Worauf sind Sie aus, Tom? Warum versuchen Sie es nicht einmal mit einer offenen Bitte?“ Voldemort wurde immer wütender während der Unterhaltung, bis er aufgebracht aufsprang. „Ist das Ihr letztes Wort?“ „Das ist es“, sagte Dumbledore und erhob sich ebenfalls. „Dann haben wir uns nichts mehr zu sagen.“ „Nein, nichts. Die Zeiten sind längst vorbei, da ich Ihnen mit einem brennendem Schrank Angst machen und Sie zwingen konnte, für Ihre Verbrechen zu bezahlen. Aber ich wünschte, ich könnte es, Tom... ich wünschte, ich könnte es.“|(1) Harry tauchte aus der Erinnerung auf und es war, als hätte Voldemort gerade erst das Büro verlassen. „Warum wollte er nach Hogwarts zurück?“, fragte Harry sofort nach, während Dumbledore sich noch setzte. „Das, Harry, kann ich dir leider erst sagen, wenn ich Horace Slughorn die unverfälschte Erinnerung entlockt habe. Zumindest hoffe ich, dass sie der Schlüssel zu diesem Rätsel sein wird.“ Überlegend biss Harry sich auf die Lippe. „Ist diese Sache mit dem Horkrux so entscheidend?“ Ein vielsagendes Glitzern trat in Dumbledores Augen, welches Harry nicht ganz einzuordnen wusste. „Sie ist unsere einzige Chance, Voldemort zu besiegen.“   „Vergiss nicht die Schirmnusskerne reinzumachen“, flüsterte Hermine Harry unauffällig beim Tränkeunterricht zu. Mit einem einfachen Nicken zeigte Harry, dass er sie gehört hatte und verhinderte seinen Fehler beim Brauen. Es war verdammt schwer sich im Unterricht auszutauschen, wenn Severus ihm bei jedem Pieps Punkte abzog. Sogar bei Partnerarbeit durfte er nicht reden. Grimmig sah Harry zum besagten Tränkelehrer auf, der seinem Blick offenbar spürte und genauso düster zurücksah. Sein Blick war so intensiv, als wolle er Harry mit seinen bloßen Gedanken Schmerzen zufügen. Kaum hörbar schnaubte Harry auf und sah wieder zu seinem Trank. Auf das Niveau ließ er sich bestimmt nicht herab. |„Ihnen mangelt es an Feingefühl, Potter. Sie haben keinen Sinn für feine Unterschiede. Dies ist einer der Mängel, aufgrund deren Sie ein so jämmerlicher Zaubertrankmischer sind.“|² Grummelnd runzelte Harry die Stirn. Warum musste er ausgerechnet jetzt an seine erste Okklumentikstunde denken? Das machte das ganze nicht gerade besser. Mit immer schlechterer Laune ließ er die Nusskerne in den Trank gleiten. „Und so kommen Sie zu gar keinem Ergebnis. Sie sollten mal überlegen, ob Sie nicht vielleicht einen brauchbaren Trank zustande kriegen würden, wenn Sie besser mit den Zutaten umgehen würden.“ Knurrend schmiss Harry den Schöpflöffel auf sein Schneidebrett und rieb sich entnervt die Stirn. Jetzt verpasste ihm seine eigene Laune schon Kopfschmerzen. Kein Wunder, schließlich dachte er ständig an vergangene Schimpftiraden von Snape und quälte sich damit praktisch selbst. |„Sie sind faul und schlampig, Potter!“|(3) Erneut zog sich ein ziepender Schmerz durch Harrys Schläfe und verwirrt ließ er seine Hand dorthin schnellen. Warum sprangen denn nur seine Gedanken so unkontrolliert umher? Und war dieser plötzliche Kopfschmerz normal? Schnell ließ Harry seine Hand wieder sinken und versicherte sich, dass keiner diese Bewegung gesehen hatte. Vor allem Hermine würde sofort wieder falsche Schlüsse ziehen. Während Harry sich umsah, traf er erneut auf den Blick des Tränkemeisters, der ihn sofort fesselte. Hatte Snape ihn die ganze Zeit angestarrt? Und was war das für ein fieses Glitzern in seinen Augen? Es sah aus, als würde er etwas planen. „Denk doch mal nach, Potter!“ Wieder zuckte Harry bei dem Schmerz zusammen, brach den Blickkontakt jedoch nicht. Ein kaum wahrnehmbares Schmunzeln huschte aus Severus' Lippen und mit einem Mal wusste Harry, was los war. Das konnte doch nicht...! Ein weitere Blick auf Snapes Hände und Harry war sich sicher, denn in der einen Hand hielt Severus seinen Zauberstab. Zwar ruhte sie unauffällig auf dem Pult, aber Harry war sich sicher, dass er gerade Legilimens verwendete. „Schnell erkannt, Potter. Sie sind schlauer als jeder Fuchs.“ Feindselig starrte Harry zurück. Snape pickte sich tatsächlich Erinnerungen aus Harrys Hirn und zwang sie in Harrys gegenwärtiges Denken. Harry wusste gar nicht, dass man die Erinnerungen so präzise kürzen konnte, dass nur einzelne Sätze aufgerufen wurden. Würde Severus diese Fähigkeit nicht gerade dazu nutzen, um ihn nonverbal zu beleidigen, hätte es den Gryffindor vielleicht sogar beeindruckt. Doch jetzt war er einfach nur fassungslos darüber, wie skrupellos Severus seine Schwäche ausnutzte. „Harry, das bringt doch nichts“, murmelte Hermine ihm zwischen die Zähne hindurch zu. „Wenn du ihn weiter so anstarrst, wird er dir dafür auch noch Punkte abziehen.“ Durch Hermines Worte aus seinen Gedanken gerissen, blinzelte er kurz verwirrt und sah zu ihr herüber. „Aber...“, begann er zu protestieren und wollte seinem Ärger über Severus' neueste Gemeinheit Luft machen, als er bereits schnarrend unterbrochen wurde. „10 Punkte Abzug für Gryffindor, Potter.“ Harrys Blick schnellte sofort zurück zum Slytherin, dessen Augen siegessicher glitzerten. Knurrend dachte Harry 'Du miese, kleine, widerwärtige Fledermaus' und hoffte, dass Severus diese Beleidigungen ebenfalls lesen konnte, denn das war seine derzeit einzige Möglichkeit, sich irgendwie zur Wehr zu setzen. Wie konnte dieser Bastard es wagen?! Wie dreist musste man sein, um solch ein hinterhältiges Spiel mit einem zu spielen?! Die restliche Stunde fiel Harry das Brauen des Trankes deutlich schwerer, doch er versuchte sich so wenig wie möglich anmerken zu lassen. Wenn das denn überhaupt was brachte, denn Harry war nicht sicher, wie viel Severus aus seinen Gedanken entnehmen konnte. Der Slytherin hingegen vertrieb sich die Stunde damit, Harry weitere Erinnerungen zu zeigen und ihn damit innerlich zum Kochen zu bringen. Der Gryffindor bemühte sich, das Flussgras präzise der Länge nach durchzuschneiden, doch seine Hände zitterten bereits vor Wut. |„Bringen Sie Ihren Zorn unter Kontrolle, disziplinieren Sie Ihren Geist.“|(4) Mit einem unterdrückten Wutschrei, schmiss Harry sein Messer auf den Tisch, was zum Glück durch Nevilles Missgeschick mit dem Messbecher unterging und so beachtete ihn niemand. Niemand außer Ron, Hermine und Severus natürlich. „Was ist denn jetzt schon wieder?“, flüsterte Ron und zog die Stirn kraus. „Später!“, zischte Harry ihm zu und sein Freund merkte sofort, dass man Harry gerade lieber in Ruhe lassen sollte. Das hielt den Rotschopf allerdings nicht davon ab, einen irritierten Blick mit Hermine zu wechseln. Nach einer gefühlten Ewigkeit in dieser Hölle, klingelte es endlich zur Pause und Harry war der erste, der seine Sachen zusammensammelte. „Die Tränkeproben bringen Sie beschriftet nach vorne“, wies Snape die Klasse wie üblich an und ließ Harry endlich aus den Augen, welcher tief durchatmete. Eilig schöpfte er etwas von seinem unfertigen Trank ab, von dem er nicht einmal wusste, ob er bis hierhin gelungen war oder nicht, ging rasch nach vorne und knallte Snape die Phiole aufs Pult. Severus sah zu ihm auf, weiterhin mit einem boshaften Glitzern in den Augen. Harry brachte so viel Hass in seinen Blick wie er nur konnte und sah zu, dass er den Klassenraum so schnell wie möglich verlassen konnte. Erst draußen fiel ihm auf, dass er gar nicht auf seine Freunde gewartet hatte, die nun eilig auf ihn zukamen. „Hättest du die Güte uns zu sagen, was mit dir los ist?“, fragte Hermine nach. „Snape, was denn sonst?“, knurrte Harry als Antwort und ignorierte die Anklage in Hermines Stimme. „Da musst du schon ein wenig präziser werden“, zog Ron seine Augenbrauen hoch. „Er benutzt Legilimentik, um mich nonverbal zu beleidigen!“, rief Harry aufgebracht aus und lief schnellen Schrittes die Gänge entlang. „Das geht?“, fragte Ron erstaunt nach. „Natürlich geht das“, belehrte Hermine ihn sofort, die Probleme hatte, mit den anderen beiden Schritt zu halten. „Es ist zwar fortgeschrittene Legilimentik, aber man kann sein Opfer zwingen, Dinge zu sehen oder zu hören, die einen laut ausgesprochenen Kommentar ersetzen können.“ „Also kann man sich durch Legilimentik unterhalten, wenn es beide beherrschen?“, überlegte Ron weiter. Harry hatte inzwischen die Hände in den Hosentaschen vergraben und zu Fäusten geballt, während er nur mit halbem Ohr zuhörte, was die anderen beiden zu sagen hatten. „Nicht direkt“, erklärte die Hexe weiter. „Wer Legilimentik auf höchstem Niveau beherrscht, könnte eigene Gedanken in den Kopf des anderen pflanzen und dann wäre so eine Art Unterhaltung möglich. Aber ich bezweifle, dass es viele Zauberer gibt, die das können. Viel einfacher ist es, sich Erinnerungen an vergangene Gespräche herauszusuchen, um den anderen zu zwingen, sich diese anzuhören. Das heißt, man würde nicht direkt miteinander sprechen, sondern nur alte Gespräche so zusammenbasteln, dass sich ein neuer Dialog ergibt.“ „Ja“, platzte Harry bissig dazwischen. „Es ist wirklich sehr schön, wie hochinteressant ihr mein Problem findet. Schreib doch am besten eine Arbeit darüber, Hermine.“ Die Augen der Hexe wurden zu Schlitzen und ebenso bissig antwortete sie: „Du hättest dieses Problem gar nicht erst, wenn du letztes Jahr gelernt hättest, Okklumentik anzuwenden.“ „Ach, jetzt ist es also auch noch meine eigene Schuld, dass Snape mich schikaniert?“, beschwerte Harry sich. „Es ist nicht richtig, was er da tut, das habe ich nie bestritten! Im Gegenteil, ich finde es sogar ziemlich kindisch. Aber er hätte gar nicht erst damit Erfolg, wenn du das getan hättest, was dir letztes Jahr alle gepredigt haben“, meinte Hermine in ihrem ich-habs-dir-doch-gesagt-Ton. „Und im übrigen benimmst du dich gerade auch nicht viel erwachsener als er, denn sonst würdest du deine Laune nicht an uns auslassen.“ Protestierend öffnete Harry den Mund, brauchte allerdings einen Moment, um Worte zu finden. „Ich hab doch nicht... ich wollte doch... warum könnt ihr mir nicht einfach zustimmen und mit mir über Snape herziehen? Das ist wesentlich hilfreicher, als eure Diskussion darüber, ob das, was er mir da antut, möglich ist, oder nicht.“ „Weil es niveauloser wäre?“, warf Ron schief grinsend ein. „Aber ich würde mich damit wesentlich besser fühlen“, beschwerte Harry sich nun schon fast im jammerndem Tonfall. „Okay, okay“, seufzte Ron betont auf und sagte dann gespielt empört: „Diese miese Schlange.“ „Jaa!“, jammerte Harry, drehte sich zu Ron um und als er den amüsierten Gesichtsausdruck seines Freundes sah, ergänzte er halb lachend, halb jammernd: „Dankeschön.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)