Via Inquisitoris - Cum tacent clamant von Hotepneith ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Dolores d´Arberville suchte rasch in einem Notizbuch, schrieb die Namen und Kontaktdaten, Telefonnummern zumeist, auf, immer einen Blick auf ihre Besucherin werfend. „Bitte, Inquisitor.“ „Danke.“ Sarah schob den Zettel nach einem Blick in ihre Handtasche. Hier besaßen offenbar mehr Vampire Telefon als in Rumänien, gut. Das konnte ihre Arbeit erleichtern. „Glauben Sie wirklich, dass das einer von uns war? Drei Morde? Ich meine, überhaupt Gebissene zu erschaffen ist ein todeswürdiges Verbrechen.“ „Nun, es kommt vor, auch bei Schülern in den kritischen Jahren, sonst wäre das Amt des Kadash ja sinnlos.“ Dieses Wort, so einfach ausgesprochen … Dolores hätte hast geseufzt. „Ich vermute, Sie haben auch Kontakte zur menschlichen Polizei.“ „Ja. Dort wird auch ermittelt. - Wie jagen Sie in Houston?“ „Unauffällig“, beteuerte die Vampirin unverzüglich. „Was sich in den letzten Jahren durch die permanente Videoaufzeichnung vieler Straßen als zunehmend schwierig erwiesen hat. Ich halte mich oft an Gäste meines Clubs. Auch ein Grund, keinen Schüler zu nehmen.“ „Ich habe auch in meinem Hotel überall Kameras bemerkt. - Zu den Gästen in Ihrem Club. Menschen oder Vampire?“ „Menschen, in aller Regel, glaube ich. Wenn unser Volk sich trifft, dann wechseln wir zwischen Austin, das ist, aber das werden Sie wissen, die Hauptstadt von Texas, bei Andrew Hamilton, oder bei Frederick Brunswick, auf seiner Ranch.“ „Brunswick? Wie die deutsche Stadt Braunschweig?“ „Ja, es gibt heute noch fast zwanzigtausend Texaner die deutsch sprechen. Im Norden sind es viele englisch und irischstämmige Einwanderer gewesen, im Süden auch, wie meine Wenigkeit, Spanier. Texas kam erst 1845 zu den Vereinigten Staaten, war davor kurz selbstständig und gehörte zuvor zu Mexiko. Verzeihung, Inquisitor, ich wollte Sie nicht belehren.“ Sie sollte die Sache wohl entschärfen, dachte Sarah. Sie klang vermutlich anders als sie wollte. Sie hatte solchen Durst – ein Vampir in ihrem Alter benötigte in solch einer Lage die Anleitung seines Meisters, aber ihr Vater war weit, sie hatte das Amt und die Pflicht ... Selten zuvor hatte sie derart deutlich zu spüren bekommen, dass sie eigentlich zu jung war für die Bürde. Auch, wenn ihr Amtsvorgänger und der Hohe Rat – von Lord John ganz zu schweigen – ihr das zutrauten. Durch musste sie schließlich ganz allein. So zwang sie sich zu einem Lächeln. „Oh, man kann immer dazu lernen, Miss d´Arberville.“ Die Vampirin atmete ein wenig auf und gab das Lächeln zurück. „Dolores, bitte.“ „Gern, Dolores. Was meinten Sie mit: Ihre Gäste seien Menschen in aller Regel, glauben Sie? Den Unterschied spüren wir doch alle.“ Die Nachtclubbesitzerin sah auf ihren Schreibtisch. Tja, wie sollte sie das sagen? „Das ist ein wenig schwierig, denn ich habe versprochen zu schweigen. - Es sind Menschen, aber sie glauben, dass sie Vampire sind.“ Was sollte diese Geheimnistuerei, sie musste nur an diese Mädchen in Whitby denken, die einen echten Vampir beschwören wollten, der sich leider nicht nur als Mensch sondern als Mörder entpuppte. Das gab es doch in mehreren Ländern. „Sie spielen Vampir? Nun, das machen so einige.“ Sarah holte Atem, ehe sie langsam meinte: „Sehen Sie, Dolores, ich habe mittlerweile eine ganze Serie an blutleeren Menschen in den USA. Und ich will den Täter fassen, gleich ob Vampir oder Mensch, ehe unser gesamtes Volk entdeckt wird. Das ist meine Aufgabe, mein Auftrag durch den Hohen Rat. Also, wer spielt Vampir und warum?“ Das war der Inquisitor, der Kadash. Die Vampirin wickelte unbewusst eine ihrer langen Haarsträhnen um den Finger, als sie leise erwiderte: „Sie spielen es nicht, sie leben es. Andrew, das ist ihr Anführer in den USA, ist mein Gast hier. Es ist eine, ja, geheime, Gruppe von Menschen, die zum Teil oder sogar ganz auf menschliche Nahrung verzichten und sich nur von Blut ernähren. Sie gibt es wohl weltweit. Er erklärte mir, Inquisitor, dass sie sich oft gar nicht anders mehr ernähren können.“ Dolores blickte auf. „Ich vermute, es sind Menschen, die aus irgendeinem Grund sich jetzt so verwandeln, wie es einst unsere Ahnen taten, als sie sich von der menschlichen Abstammungslinie lösten. Natürlich sind sie noch nicht so weit, gerade auch in Magie und mit Bannkreisen, aber … Sie fühlen sich anders an in ihrer Ausstrahlung als Menschen. Jedenfalls hat mir Andrew versichert, da ich doch nachfragte, unter dem Vorwand, mein Haus solle nicht für Verbrechen benutzt werden, dass dies nie der Fall sei. Sie trinken es von ihnen sozusagen der Reihe nach, gegenseitig und nie ohne Einwilligung oder auch nur von einem Außenstehenden, schon, um sich nicht zu verraten.“ Das klang eigenartig – und in Bezug auf die Mordserie durchaus nachdenkenswert. Entweder spielten diese Menschen etwas, oder nicht, hatten mit den Morden zu tun oder nicht. Das sollte sie jedoch lieber selbst überprüfen, ehe das FBI darauf kam, für den Fall, dass es sich doch um angehende Vampire handelte. Das wäre dann sowieso eine Aufgabe für den Rat darüber einmal nachzudenken. „Ich möchte mit ihm sprechen, falls er heute hier ist, sofort, sonst morgen. Bevor die menschliche Polizei doch etwas mitbekommt.“ Dolores seufzte wieder. „Ich weiß nicht, wie ich ihn erreichen könnte, falls er nicht hier ist. Ich habe ihm überdies doch versprochen zu schweigen.“ „Dann nennen Sie ihm einen Vorwand.“ „Ja, aber welchen? Er kommt doch schon fünf Jahre her, oder länger. Er vertraut mir.“ „Kommen Personen aus seiner Gruppe auch her?“ „Ja, immer wieder einmal. Manche öfter, manche nur einmal. Hier können sie Blut trinken und es fällt nicht auf, da alle ja diese Becher haben, gleich, wie der Inhalt ist.“ Blut trinken, ja, was hatte sie Durst. Sarah zwang sich zur Ruhe. „Sagen Sie ihm, dass ich eine Beraterin des FBI bin und zu Ihnen geschickt wurde, um etwas über das Vampirverhalten zu erfahren. Schließlich leiten Sie erwiesenermaßen einen Club „Friends of Night“. Erklären Sie ihm, dass es um die drei toten Frauen geht.“ Das war schließlich ebenso in Presse und Fernsehen erschienen, auch, wenn Matho offenbar recht hatte, und keiner großartig wegen drei Morden in Panik verfiel. „Sagen Sie ihm, dass ich ihm absolute Vertraulichkeit zusichern würde, wenn niemand dieser so genannten Vampire etwas mit der Sache zu tun hat. Auch die … äh … Kollegen vom FBI nicht.“ „Na schön, ich habe wohl keine Wahl.“ Miss d´Arberville wusste um die Regel der Unauffälligkeit. „Zumal ich vermute, dass die menschliche Polizei auch schon mal einen Blick in das Telefonbuch geworfen hat.“ Und daher ihren Club und dessen Besucher kannte. „Ja. Allerdings muss ich sagen, dass ich auf anderen Wegen von Ihnen erfuhr.“ Sarah lächelte erneut. „Die Agents waren jedoch bereits durchaus mit dem Namen vertraut. Sie, Dolores, wurden schon überprüft.“ „Schade wäre es schon, nach mehr als hundert Jahren aus Houston wegzumüssen. - Kommen Sie, Inquisitor, gehen wir hinunter in den Club. Oh, wie soll ich Sie Andrew vorstellen, wenn er da sein sollte?“ „Nennen Sie mich Sarah.“ Die Inquisitorin folgte der Nachtclubbesitzerin aus dem Büro, in den Flur, wo Dolores die unauffällige Tür öffnete. Eine Holztreppe führte in das Erdgeschoss. Dort befand sich ein kleines Büro, offenkundig dafür gedacht, direkt im Club Abrechnungen machen zu können, denn nur Belege, Ordner und ein großer Taschenrechner befanden sich auf dem Schreibtisch darin. Eine Wand war aus Glas und bot einen ungehinderten Blick in den Clubraum, wo diverse Gäste sich an Tischen, in Nischen und an der Theke versammelten, die Meisten schwarz gekleidet, einige in Garderobe aus dem 19. Jahrhundert oder auch früher. Einige trugen sogar Vampirzähne. „Ein Einwegspiegel“, erklärte Dolores. „Ich mache hier die Abrechnungen, während ich meine Kunden im Auge behalte. Sie wissen ja, Mord wird in den USA manchmal weniger streng bestraft als Steuerhinterziehung. Deswegen mache ich das hier und sofort. Außen befindet sich scheinbar eine Tapete. Bislang hat noch niemand etwas bemerkt. Hier ist eine Tür, damit ich jederzeit hinausgehen kann. - Hm. Andrew sitzt nicht an dem großen Tisch dort in der Nische. Es mag gut sein, dass er heute gar nicht kommt oder später.“ „Natürlich. - Geht es bei Ihnen hier jeden Abend so zu?“ „Sie sollten mal am Samstag Abend hier sein. Ja, es ist in Mode.“ Die Besitzerin klang stolz. „Ich habe so einen ähnlichen Laden schon in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts aufgemacht, der lief zehn Jahre, danach musste ich nicht nur umdekorieren sondern gründlich umbauen, aber seit zehn Jahren sind Vampire wieder IN. Was mir, zugegeben, entgegen kommt.“ „Sie haben immer ein Motto?“ „Ja, seit ich Clubs besitze. Nun, immer nur einen zu einer Zeit. Früher waren das eher Tanzbars, noch früher hatte ich sogar mal einen Saloon, drüben in Arizona. Unsereins muss ja immer wieder weichen, um das Alter zu verbergen.“ Das war nur mal so zur Vorsicht ergänzt, um der Inquisitorin zu zeigen, dass sie die Regel der Unauffälligkeit ernst nahm. Auf eine Rüge des Hohen Rates oder gar mehr konnte sie verzichten. „Oh, da kommt Andrew!“ Sarah trat neben die Inhaberin an den Spiegel. „Wer ist er?“ „Der weißhaarige Mann in dem schwarzen Cape mit hochgestelltem Kragen, der gerade dort einen Becher nimmt.“ Wie alle Becher hier im Raum wirkten sie alt und aus Metall. „Warum stehen die Becher so abseits der Theke? Sind keine Getränke darin?“ „Nein. An der Theke holen sich die Leute mit ihrem eigenen Becher ihr Getränk, das wird elektronisch auf einen Chip im Becher kopiert, am Ende wird am Ausgang dieser eingelesen und sie bezahlen mit der Kreditkarte. Das hat sich als am Praktischsten erwiesen und ich spare jede Menge Personal. Und jemand wie Andrew hat sein eigenes Getränk dabei. Wenn er sitzt, gehe ich zu ihm, aber lassen Sie mich ihm das erst erklären. Bitte.“ „Natürlich, Dolores. Ich möchte nur Informationen. Wenn er und keiner seiner Freunde etwas damit zu tun hat, werde ich sie auch wieder … vergessen.“ Nun, das kaum, denn wenn die Andeutungen der Nachtclubbesitzerin wirklich stimmten, dass es sich um weiterentwickelte Menschen handelte, musste sie selbst den Rat davon in Kenntnis setzen. Das war noch nie vorgekommen, oder? Sie betrachtete wohlweislich aus Distanz wie Dolores zu dem Unbekannten ging, ihn begrüßte und sich setzte, um leise mit ihm reden zu können. Andrew war weißhaarig und schien die Siebzig bereits überschritten zu haben. In der Mitte seines Kopfes trug er keine Haare mehr, so dass seine Frisur fast wie ein Kranz wirkte. Hier im Halbdunkel des Clubs fiel Sarah auf, dass er auch eine weiße, fast durchschimmernde Haut hatte. Er musste die Sonne meiden, auch, wenn ihn keine Ausstrahlung als Vampir verriet. Eher wie ein Mensch - und doch sprang ihr Beuteschema nicht an. Was war er? Hatte Dolores recht und es gab Mutanten? Neue Wesen zwischen den Arten? Entwickelten diese sich immer wieder und weiter? Existierten Vampire, reine Vampire, die sich nicht diesem Volk zugehörig fühlten, weil sie gar nicht wussten, dass es das gab? Allein das war überlegenswert. Sarah bemerkte, dass sich Dolores aufrichtete und Andrew sie musterte, wartete jedoch höflich bis der Mann winkte. „Guten Abend“, sagte sie. „Unsere Freundin Dolores hier meinte, obwohl Sie für das FBI arbeiten, hätten Sie eine gewisse Toleranzgrenze.“ Er klang ruhig, ließ sie jedoch nicht aus den Augen. „Ja, ich verfüge über ein recht anpassungsfähiges Gedächnis“, gab die Inquisitorin zu. „Allerdings nur unter der Bedingung, dass das nicht bedeutet, dass ich ein oder mehrere Morde verschweigen muss. Übrigens: ich arbeite nicht für sie, ich berate sie.“ „Nun, setzen Sie sich doch. Danke, Dolores, meine Liebe.“ Die Barbesitzerin verschwand dann auch, ehe Andrew seinen Becher zu seiner Besucherin schob. „Hier. Trinken Sie.“ Blut, so nahe bei ihr und das bei ihrem Durst … Aber, was wollte er? „Blut“, murmelte sie und warf einen Blick hinein. „Was soll ich damit?“ „Trinken. Keine Sorge, es ist mein eigenes, und ich bin gesund.“ Das Lächeln wirkte ein wenig verzerrt. Sarah starrte den Mann an. „Äh, Ihnen ist bewusst, dass den allermeisten Menschen auf Blut hin schlecht wird?“ „Natürlich. Ich möchte Sie nicht quälen, Teuerste, aber sagen wir, einen kleinen Schutz einbauen.“ Blut! Sie musste sich zwingen logisch zu denken. „Was meinen Sie?“ „Ich würde, falls Sie mich oder einen meiner Freunde anklagen würden Blut zu trinken, aussagen, dass Sie es ebenfalls taten. Und Sie würden unter einem Lügendetektor das nicht verschweigen können.“ Oh doch, denn ein Lügendetektor würde bei ihr nicht anspringen – und den Vampir verraten. Aber sie brauchte ihn und seine Aussagen, als Beraterin, aber vor allem als Kadash. So lächelte sie etwas. „Dann hoffe ich mal, dass mir nicht schlecht wird.“ Sie nahm den Becher und trank durstig. Blut, endlich, wenn auch knapp einen Becher voll, aber das würde ihr reichen. Und er war gesund, in der Tat. Erst, als sie absetzte und sich ein wenig mit den Fingern die Lippen abfuhr, fragte sie: „Ich gehe davon aus, dass es sich wirklich um Ihr eigenes Blut handelte.“ „Ja. Ich bin so weit gesund, sonst hätte ich es Ihnen nicht angeboten. Natürlich desinfiziere ich die Schnittstelle, ehe sich es abnehme. Hygiene immer. - Geht es?“ fragte er plötzlich fast besorgt. „Ja, danke. Es ist nur ein eigenartiges Gefühl ...“ Wenn das Blut eines Fremden in die eigenen Adern strömte, aber das kannte sie schon lange. Und es versprach Leben, Kraft. „Warum tragen Sie Ihr eigenes Blut außerhalb des Körpers?“ „Ich habe ein Fläschchen für einen Freund dabei, aber der scheint heute nicht zu kommen. - Das machen wir immer so. Wir tauschen unser Blut. Der, der es benötigt, trinkt es, der Andere ebenso.“ „Und warum? Kaum aus Spaß.“ „Notwendigkeit. - Ich bin jetzt vierundsiebzig und in meinen ersten Jahren habe ich gegessen, wie, nun, wie jeder Teenager. Als ich so gegen dreißig wurde, fiel mir auf, dass ich immer mehr Nahrungsmittel nicht vertrug. Ich vermutete zuerst eine Nahrungsmittelallergie, aber es nahm zu und die Ärzte fanden nichts. Irgendwann ernährte ich mich nur noch von rohem Fleisch und Wasser. Keine besonders leckere Diät, vor allem, wenn man mal mit anderen Leuten essen möchte. Ich möchte Sie nicht mit meinen Irrwegen durch den Ärztedschungel langweilen, aber es war hart. Endlich stieß ich, in New York, auf eine Anzeige, dass ein Betroffener Leidensgenossen zur Gründung einer Selbsthilfegruppe suchte. Ich ging hin. Sie hatten einen Arzt dabei, der uns erklärte, dass vermutlich viele von uns einen Gendefekt in sich tragen, der die Verarbeitung von bestimmten Vitaminen und Mineralien verhindert, wie zum Beispiel Vitamin A und E. Um möglichst viel davon zu bekommen, verfallen die Meisten früher oder später auf die konzentrierteste Form in der es das gibt, Blut. Man nennt diese Krankheit Porphyrie oder genauer, Porphyria erothropopoetica. Im Mittelalter oder früher wurden solche Menschen leicht zu Vampiren gestempelt und gejagt, verbrannt. Nun ja, ein Wesen, das keine Sonne verträgt, sich von Blut ernährt und auf Knoblauch reagiert ...“ Andrew zuckte die Schultern. „Der Arzt erzählte uns damals, dass es sich wohl um rezessive Erbanlagen handelt, die nur ab und an zum Vorschein kommen, wenn mehrere Genanlagen bei einem Kind von den Eltern vererbt werden. Natürlich passierte das gern auch in Adelskreisen, die oft Verwandte heirateten. Es gibt sogar ein Bild von einem Gueldrys aus dem 19. Jahrhundert mit dem Titel: Die Blutkranken, wo die Fütterung der Kranken mit Rinderblut gezeigt wird. - Zu diesem Zeitpunkt waren die Meisten von uns erleichtert. Wir waren nicht verrückt – nur krank. Und so gründeten wir aus dieser Selbsthilfegruppe andere im Land. Wir geben uns gegenseitig unser Blut, diejenigen, die mehr, nennen wir es, normale Nahrung zu sich nehmen, spenden mehr, die anderen weniger. Mit Hilfe des durchaus praktischen Internets erfuhren wir später, dass es solche Menschen auch in anderen Ländern gibt. Wie immer, selten, aber doch. Ich bin der Leiter hier für die westlichen Bundesländer der USA und auch Kanadas. Und ich kann Ihnen versichern, dass keiner von uns gegen den Willen einen Menschen anzapft, oder was auch immer Sie glauben, Sarah, war Ihr Name? Wir sind zu froh eine Möglichkeit zu haben, die uns normal erscheinen und weiter leben lässt. Darf ich fragen, warum sich das FBI für uns interessiert?“ „Sollten Ihnen die drei ermordeten Frauen der letzten Monate entgangen sein? Sie wurden ohne Blut aufgefunden.“ „Oh, die draußen in der Wüste?“ „Fast, am Rand von kleinen Städten.“ „Ich hielt sie, so, wie das im Fernsehen kam, für die Opfer eines verrückten Serienmörders. Das mit dem „ohne Blut“ … Hm. Jetzt verstehe ich, wie Sie auf diesen Club kamen. Aber ich versichere Ihnen nochmals, dass das keiner von uns wäre. Wir würden ihn sofort aus unserem Bluttausch verbannen. Und der hätte dann ein Problem. Moment. Sie glauben, das könnte passiert sein und jemand halte sich an Fremde? Nein, das glaube ich nicht. Alle meiner Bekannten, um es so auszudrücken, melden sich regelmäßig bei mir, denn der Austausch läuft über mich.“ „Aus reiner Neugier, nicht dienstlich, Andrew: wie halten Sie das Blut flüssig?“ Immerhin stockte es auch, wenn Vater es in Flaschen füllen ließ um bei fälligen Besuchen von Menschen harmlos eine Weinflasche für sich öffnen zu können. Lord John hatte sich dann von Belena Serum der Blutbank besorgen lassen. „Ich nehme Marcumar, ein Blutverdünnungsmittel. Leider reicht das nicht sonderlich, also, tagelang, aber es hätte genügt, wenn mein Freund hier rechtzeitig angekommen wäre. So muss er jetzt warten, bis ich mich ein wenig erholt habe und wieder Blut abnehmen kann.“ Andrew lächelte plötzlich und zum ersten Mal offen. „Sie scheinen überhaupt nicht erschüttert, Sarah. Wissen Sie, dass das selten ist? Früher, ehe ich wusste, dass es an meinen Genen liegt, haben mich Leute oft angewidert angesehen. Nun, würden sie heute wohl auch noch, wenn sie meine Ernährungsweise kennen würden. Es gibt übrigens auch manche Menschen, die Bluttausch und Trinken als eine Art Religion leben, aber, soweit ich weiß, auch dort läuft alles stets nur freiwillig ab, da es sonst dem Opfer den Wert nehmen würde. Mir fällt momentan nur ihre Website nicht ein, aber es gibt dazu auch Bücher.“ „Ich hörte bereits von solchen Defekten.“ Waren sie das oder nicht eher die erste Stufe zur Weiterentwicklung? Waren die eigenen Vorfahren, damals, zur Zeit des Homo erectus, genau so entstanden? „Ich war auch neulich erst in Rumänien, glauben Sie mir, was man da alles so über Vampire hört ...“ Sie legte rasch die Hand vor den Mund, da ihr einfiel, dass sie sich nicht verleiten lassen sollte ihre Fangzähne zu zeigen. Immerhin ging es ihr deutlich besser. Statt fünfhundert Milliliter Blut, der vollen Ration, war das gerade mal die Hälfte, aber das würde schon erst einmal reichen. Andrew deutete es falsch. „Wird Ihnen jetzt doch schlecht?“ „Es geht schon. Ich werde nur an die frische Luft gehen. Draußen wartet auch jemand auf mich.“ „Lassen Sie mich raten, ein Kerl mit drei Buchstaben?“ „Ja.“ „Was werden Sie ihm sagen?“ „Andeutungsweise was Sie mir sagten. Und, dass es wohl keiner von Ihnen war.“ Zumal bei fünfunddreißig toten Frauen kreuz und quer durch die USA, das wäre doch in einer solchen Gruppe, die notgedrungen engen persönlichen Kontakt hielt, aufgefallen, wäre jemand dauernd auf Reisen. „Danke, Sarah.“   Dolores d´Arberville wartete ein wenig unruhig abseits, kam aber heran. „Nun, In … Sarah?“ „Bringen Sie mich bitte zum Haupteingang. Ich hoffe, das war es hier.“ Die Vampirin versuchte nicht ihre Erleichterung zu verbergen. „Ich hoffe es. Nichts gegen Sie persönlich, aber ...“ Ja, das war klar. Niemand wollte den Kadash im Haus. Nun ja, wenn man von Donna Inanna absah aber diese Meistervampirin war auch für ihren eigenwilligen Geschmack bekannt. So nahm Sarah nur das Telefon. „Daniel? Ich komme vorn raus, ja, danke. Bis gleich.“   Im Auto wartete der FBI-Agent kaum bis sie angeschnallt war ehe er losfuhr. „Nichts, oder?“ „Ich fürchte. Mehr ein Spiel als Ernst. Aber Sie haben was?“ „Sieht man es so? Matho rief an und gab mir einige Aufträge für die Nacht, während ich Sie gleich ins Hotel fahre. Morgen um zehn möchte er dann Profiling machen. Er glaubt, er kann dann sagen, wer es war, oder zumindest eine Richtung angeben. Das wäre ja schon mal schön, denn in gut drei Wochen ist Vollmond.“ „Darf ich fragen nach was Sie suchen sollen?“ „Einen forensischen Zahnarzt befragen und noch ein paar Mediziner.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)