Scar von NoStar5 ================================================================================ Kapitel 2: Scar - Der makellose Körper -------------------------------------- Kapitel 2 Schon nach wenigen Minuten ertönte ein lautes Lachen aus Undertakers Laden. Kurz darauf kam der Mann in Schwarz zu uns und bat uns hinein. Mein Chef erzählte ihnen alles über unsere ‚Patientinnen‘. Es war nichts, was ich noch nicht gewusst hatte: Aufgeschnittene Kehle, Verstümmelungen und fehlende Gebärmutter. Keiner der Anwesenden verzog bei diesen Informationen das Gesicht, nicht einmal ich. Gut, ich war ja nicht gerade die Norm. Mein Leben hatte sich zwar enorm verändert, seit ich bei Undertaker arbeitete, doch Leichen sah ich sowohl damals, als auch jetzt jeden Tag, mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass ich inzwischen nicht mehr für die Tode der eingelieferten Klienten verantwortlich war. Na ja, oder zumindest für die Minderheit. Spielte jetzt sowieso keine grosse Rolle. „Wäre es nicht von Vorteil, junger Earl, wenn euch Miss Scarlett belgeiten würde?“ Der Asiate hatte das Wort ergriffen und riss mich somit aus meinen Gedanken. Ich blinzelte mehrere Male und drehte den Kopf zu ihm. „Wie meinen, Herr…“ Doch weiter kam ich nicht, denn der Junge fiel mir ins Wort. „Lau, was willst du damit sagen? Glaubst du tatsächlich, ich wäre auf die Hilfe von so jemandem wie ihr angewiesen?“ Oha, ich hatte gedacht, Ciel wäre doch ganz nett, doch anscheinend war der Wachhund der Königin doch etwas bissig. Lau für seinen Teil lächelte wissend. „Natürlich nicht, Earl. Doch haltet euch doch vor Augen, was für eine einmalige Gelegenheit sich durch sie offenbaren würde. Mit den ganzen Informationen, die sie hat, könnte sie von grossem Nutzen für euch sein. Ausserdem ist es ihr durch ihre Arbeit hier auch wahrscheinlich erlaubt, Tatorte zu betreten, die schon von Scotland Yard abgesichert worden sind.“ Langsam fand ich den Mann echt sympathisch. Ich nickte heftig, um seine Aussage zu bekräftigen. Wenn Lau den Jungen überzeugen konnte, dann würde vermutlich selbst Undertaker nachgeben und mich mit ihnen gehen lassen. Und dann hiess es: Auf Wiedersehen, langweilige Arbeit und Hallo Freiheit! „Junger Herr, ich muss Herrn Lau zustimmen. Sie könnte uns viel Zeit ersparen.“ Der Mann in Schwarz ergriff jetzt auch noch für mich Partei, ich musste unwillkürlich grinsen. Ciel jedoch verzog leicht angesäuert das Gesicht und starrte für lange Zeit seinen Butler an. Dieser beugte sich nun zu seinem Herrn hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ein abfälliges Schnauben konnte sich der Earl nicht verkneifen, als sich der Mann in Schwarz wieder aufrichtete. „Mach doch was du willst, Sebastian.“ Mit diesen Worten verliess Ciel unseren Laden, dicht gefolgt von den anderen. Nur der Butler war noch da und grinste breit. Wie sein Herr wenige Minuten zuvor, streckte er mir seine Hand entgegen. „Sebastian Michaelis, Butler der Familie Phantomhive.“ Mein Chef, der sich nun auf einem der Särge niedergelassen hatte, quittierte das Ganze nur mit einem gelangweilten Seufzer. Sebastian sah zu ihm. „Mein junger Herr hat es zwar nicht direkt angeordnet, doch ich denke, dass Miss Scarlett ihm, wie Herr Lau zuvor schon erwähnte, von grossem Nutzen sein könnte.“ Verwirrt blickte ich zwischen Undertaker und Sebastian hin und her. Woher kannte dieser gruselig grinsende Butler meinen Namen? Ich hatte mich ihm doch noch gar nicht vorgestellt. Na ja, vielleicht hatte er ihn aufgeschnappt, als dieser Lau dem Earl seinen Vorschlag gemacht hatte. Mein Blick blieb an meinem Chef haften. Erwartungsvoll sah ich ihn an. Dieser jedoch gähnte nur und wedelte mit seiner Hand, als Zeichen, dass wir beide gehen konnten. Jetzt war ich endgültig verwirrt. Die ganze Woche über hatte ich versucht zu kündigen, und jedes Mal war ich mit einem simplen ‚Nein‘ abgespeist worden. Und jetzt kam einfach so mir nichts, dir nichts ein ominöser Butler, der einfach nur lieb fragte, und schon liess er mich gehen? Versteh einer mal diesen alten Kauz! Ich hielt es hier nicht mehr aus. Es war keine halbe Stunde vergangen, seit wir im Anwesen der Phantomhives angekommen waren, und ich wollte jetzt schon wieder zurück zu Undertaker. Im grossen und ganzen war es in dieser riesigen Villa recht angenehm, doch kleine Feinheiten waren es, die es mir hier fast unerträglich machten. Vor wenigen Minuten zum Beispiel, hatte ich das über alle Massen inkompetente Personal des Earls kennengelernt. Verwunderlich war, dass es anscheinend nur (abgesehen von Sebastian) drei Leute gab, die sich um das riesige Anwesen kümmerten. Wobei, man sollte sich eigentlich fragen, wie hier alles so ordentlich bleiben konnte, wenn dieses Haus und der Garten in der Obhut solcher Trottel war. Gut, man sagte ja, man solle sich kein vorschnelles Bild von anderen Menschen machen, doch bei diesen Leuten hatten mir nur ein paar Sekunden gereicht um zu wissen, dass sie allesamt hoffnungslose Fälle waren. Den Koch, Bart, hatte ich bis jetzt dreimal davon abhalten müssen, das Abendessen mit einem Flammenwerfer zu grillen, wobei fast die gesamte Küche abgebrannt wäre. Das Hausmädchen, Maylene, war unglaublich tollpatschig. Sie zerbrach alle paar Minuten mindestens fünf Teller, dessen Geräusche bei mir ständig unangenehme Kopfschmerzen verursachten. Was mich aber vor allem an ihr störte, war, dass sie sich anscheinend meinen Namen nicht merken konnte. Die ganze Zeit über nannte sie mich Lucy. Ich hatte ihr schon mehrmals gesagt, dass ich Lucia hiess und es hasste, wenn mich jemand anders nannte, doch das hatte sie geflissentlich ignoriert. Und dann gab es noch Finnian, den Gärtner. Ihn mochte ich bis jetzt am liebsten. Zwar hatte er eine übermenschliche Kraft, weshalb er mir beim Händeschütteln fast meinen Arm gebrochen hätte, doch war er unkompliziert und einfach gestrickt. Das gefiel mir. Mit ihm konnte man sich gut unterhalten, ohne dass er einem irgendwann auf die Nerven ging. Er war einfach ein guter Zeitgenosse. Bei Sebastian hingegen hatte ich schon nach kurzer Zeit Komplexe bekommen. Er konnte einfach alles. Sei es Kochen, Musizieren, Arbeiten, oder auch nur höflich sein. Er bekam alles mit so einer Perfektion hin, dass es schon fast an ein Wunder grenzte. Er erledigte seine Aufgaben mit aussergewöhnlicher Geschwindigkeit, sodass er anderen immer um mindestens zwei Schritte voraus war. Er war bisher immer gut gelaunt, hatte immer sein gruseliges Grinsen aufgesetzt und war immer nett und zuvorkommend zu den anderen Angestellten. Und meine Laune war schon nach nicht mal einer halben Stunde im Keller. Wobei, er wäre sicher auch nicht mehr so gut gelaunt, wenn er diese scheussliche Hausmädchenuniform tagen müsste. Ich verstand einfach nicht, wie Maylene diesen Fummel ständig tragen konnte, ohne sich zu beschweren. Der Kragen war so hoch und eng geschnitten, dass ich fürchtete an Luftmangel zu sterben und die ganzen Rüschen die an meiner Haut kratzten, machten die Sache auch nicht gerade besser. Gerade stand ich in der Küche und half Bart, das Abendessen vorzubereiten. Gut, vielmehr überwachte ich ihn, damit er auch nicht nur in die Nähe eines Flammenwerfers kam. Eine ziemlich nervenaufreibende Arbeit, wenn man sich in der Küche nicht auskannte und in jeder Schublade etwas vermutete. Er hingegen hatte die Ruhe weg. Alle fünf Minuten zündete er sich eine neue Zigarette an und summte ein Kinderlied. Immer und immer wieder. Der Koch verstummte, als ich ihn unbewusst wütend anzischte. Kurz sah er mich geschockt an, bis er entschuldigend lächelte. „Sorry, ich bin es normalerweise gewohnt, alleine zu Kochen. Sag einfach, wenn ich dich nerve, ja?“ Zur Antwort nickte ich nur knapp und machte mich daran, weiter Kartoffeln zu schälen, als ich sein Seufzen vernahm. Ich hob den Kopf und sah ihn verwirrt an. „Ist was?“ fragte ich langsam. Mein Gegenüber kratzte sich am Kopf. „Ich hab den Eindruck, dass es dir hier irgendwie nicht so gefällt, oder?“ Er hatte ins Schwarze getroffen. Ich lächelte ihn zuckersüss an. „Na ja, weisst du, es ist für mich noch alles so neu hier und ich bin wirklich schüchtern.“ Bei meinen Worten hätte ich selbst brechen können, obwohl ich es ja gewohnt war. So machte ich es immer. Bei den meisten Menschen spielte ich das kleine, niedliche, naive Mädchen, das kein Wässerchen trüben konnte. Diese Schmierenkomödie war schon seit langem eine meiner Grundstrategien. Auf diese Art nahm einen keiner richtig ernst, und das nutzte man dann in manchen Situationen schamlos aus. So etwas wie Skrupel kannte ich nicht. Ich lebte damals wie heute immer nach dem Gesetz: ‚Der Stärkere überlebt‘ Barts Wangen hatten einen leichten Rotschimmer angenommen, als er schüchtern zurücklächelte. Was für ein Naivling er doch war. Aber so waren die meisten, bei denen ich diese Show abgezogen hatte, sie glaubten mir aufs Wort. Ich war so in meinen Gedanken vertieft gewesen, dass ich zusammenzuckte, als der Koch einen Topf fallen liess und ich somit mit meinem Messer abrutschte und mir in den Finger schnitt. Leider kam ich nicht umhin, einen leisen Fluch auszustossen, als ich sah, wieviel Blut aus meiner Fingerkuppe quoll. Der Blonde drehte sich zu mir um und blickte mich besorgt an. Sofort versteckte ich meine Hand hinter dem Rücken. Es war zwar nur ein kleiner Schnitt, und doch befürchtete ich, dass der Mann vor mir ein riesiges Theater darum veranstalten würde, wenn er das Blut sehen würde, welches langsam von meinem Finger herabtropfte. „Ist alles in Ordnung?“ fragte er besorgt. Ich lächelte breit und nickte. „Ja ja, alles bestens, Bart.“ Der Koch entspannte sich sichtlich und drehte mir wieder den Rücken zu, um sich am Herd zu schaffen zu machen. Erleichtert zog ich die Hand hinter meinem Rücken hervor und legt meinen Finger an die Lippen, um das Blut zu entfernen. Es schmeckte ungewöhnlich stark metallisch. Ich senkte meine Hand wieder, um mir den Schnitt genauer anzusehen, und erschrak. Die Wunde war spurlos verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)