Scar von NoStar5 ================================================================================ Kapitel 1: Scar - Die vernarbte Seele ------------------------------------- Kapitel 1 Man sagte doch, man solle für alles dankbar sein, was uns unser Leben schenkt, oder? Bei mir konnte das momentan definitiv nicht der Fall sein. Mein vorheriges Leben hatte mir deutlich besser gefallen. Für die meisten unter uns mochte es abschreckend klingen, ein Leben auf der Strasse dem jetzigen vorzuziehen, doch war es um einiges spannender gewesen, als dieses. Kurz gesagt: Ich langweilte mich hier zu Tode. Und das meinte ich wortwörtlich. Seit ungefähr einer Woche arbeitete ich unfreiwillig in einem kleinen Bestattungsunternehmen in London. Mein Chef, na ja, sagen wir’s mal so: Der Name Undertaker passte zu ihm wie die Faust aufs Auge, denn mit seinem zwielichtigen Erscheinungsbild sah er wirklich so aus, als würde er jemanden unter die Erde bringen. Und genau so sah auch sein Geschäft aus. Einfach nur geschmacklos. Dunkel, eng und vollgestopft mit Särgen, in denen sich mein Chef oft verkroch, um entweder zu schlafen, oder sonst was zu tun. Ich wollte es gar nicht so genau wissen. Man könnte meinen, für mich sei es eine riesige Chance, ein Neuanfang sozusagen. Von der Diebin zur Sekretärin, so etwas sah man auch nicht alle Tage. Man könnte meinen, ich wäre glücklich darüber. Man könnte meinen, aus Dank würde ich hart und ehrlich arbeiten. Dank. Was war das nur für ein scheussliches Wort! Wir Menschen bezeichnen es als positive Emotion, oder Reaktion, wenn jemand für einen etwas getan hat. Und meistens tut man dann auch etwas, was diesen jemanden wiederum zufriedenstellt. Also war Dank doch nur ein Synonym für einen äquivalenten Tausch. Ich gebe dir etwas, im Gegenzug gibst du mir etwas. So funktionierte unsere Welt. So waren auch wir Menschen. Egoistisch. Keiner tat etwas für den anderen, nur weil er ein herzensguter Mensch war. Nein, jeder verfolgte seine eigenen Ziele, und das auf unterschiedlichen Wegen. Manche nahmen den direkten Weg, solch Leute bezeichneten wir als unfreundlich, gemein, skrupellos. Aber die freundlichen, netten, hilfsbereiten… Nun, wir schweifen vom Thema ab. Was ich eigentlich sagen wollte ist, dass ich wieder zurück wollte. Zurück auf die Strasse, zurück in die Freiheit, zurück in eine Welt ohne Regeln, ohne Verpflichtungen. Es war sinnlos von hier zu fliehen, sie würden mich eh finden und wieder zurückbringen. Also musste ich hier wohl gezwungenermassen bis an mein Ende arbeiten. Was für schöne Aussichten das doch waren. Trübselig liess ich meinen Kopf auf den Schreibtisch sinken. Heute war einer der besonders langweiligen Tage. Nicht ein einziger Kunde war bis jetzt gekommen und Bestellungen oder Aufträge gab es auch keine. Nicht mal mit Undertaker konnte ich plaudern, der hatte sich wieder mal in irgendeinem Sarg verkrochen. Wie schon gesagt: es war sterbenslangweilig. Doch das sollte sich in wenigen Sekunden ändern. Ein lautes Poltern war zu hören, als die Eingangstür aufflog und gleich sechs Personen auf einmal eintraten. „Wo ist Undertaker?“ ein dunkelhaariger Junge mit Augenklappe trat vor. Ich antwortete ihm nicht, viel eher musterte ich diese illustre Runde vor mir. Alle waren auf ihre eigene Art und Weise seltsam: Seien es die beiden Herrschaften ganz links, mit ihrem asiatischen Aussehen, der Junge mit Gehstock und Augenklappe, der Herr in Schwarz neben ihm, die Dame mit ihren Feuerroten Haaren oder auch ihr Butler, der gerade dabei war, unsere kostbarste Urne zu bestaunen und den Finger danach ausstreckte. Ja, sie waren alle irgendwie seltsam. Der Junge räusperte sich. „Also?“ hakte er nach. Ich seufzte. „Ehrlichgesagt weiss ich es nicht so genau. Ich glaube, er…“ weiter kam ich nicht, denn lautes Klirren unterbrach mich. Mein Blick schweifte wieder zurück zu dem Butler mit Brille, Dieser lächelte mich nervös an, hinter ihm lagen Scherben auf dem Boden verteilt. Ich schloss die Augen, um meinen kommenden Wutanfall zu unterdrücken. Ganz langsam stand ich auf und lief auf ihn zu, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Er schluckte. Ich stand so, dass ich den anderen Anwesenden den Rücken zudrehte. Das war gut. So konnten sie nicht sehen, was ich tat. Ausserdem wollten wir ja nicht unnötig Kunden verschrecken, das würde sich gar nicht gut fürs Geschäft machen. Ich lächelte mein Gegenüber immer noch an, jedoch erreichte es meine Augen nicht. Mit meinem Blick liess ich ihn meine Wut spüren. Je länger ich ihn anstarrte, desto mehr schrumpfte er vor Angst in sich zusammen. Nach ein paar Sekunden fing er sogar an zu Wimmern. Wie erbärmlich. Zufrieden wandte ich mich von ihm ab und ging zurück zu meinem Arbeitsplatz. Ich konnte die verwunderten Blicke der anderen beinahe schon spüren. Ja, es war schon immer meine Spezialität gewesen, mit meinen Augen anderen Leuten klar zu machen, wer hier das Sagen hatte. Wie das funktionierte, davon hatte ich keine Ahnung. Für mich zählte nur, dass es auch wirklich wirkte. Und das tät es bei allen Menschen. Mit Ausnahme von Undertaker. Aber der war ja sowieso schon ein Ausnahmefall für sich. Wieder drehte ich mich zu den anderen um. „Wie schon gesagt, ich weiss es nicht genau. Kann ich euch stattdessen behilflich sein?“ Ich sah in die Runde. Zu meiner Befriedigung stellte ich fest, dass sich der Störenfried in eine Ecke gekauert hatte und zitterte. „Wir sind wegen ein paar ihrer Klientinnen hier.“ Der Mann in Schwarz trat nun hinter den Jungen. Es war klar, wen er mit ‚Klientinnen‘ meinte. Zur Sicherheit aber fragte ich nochmals nach. „Sie meinen Leichen von den Jack-the-Ripper-Morden?“ der Mann nickte. Unwillkürlich fing ich bei dem Gedanken an die toten Körper an, zu grinsen. Nicht weil ich so ein Fan von verstümmelten Leichen war, nein, die Umstände machten diese Mordfälle für mich so interessant. Natürlich hatte ich schon selbst Untersuchungen dazu angestellt, allerdings kam ich nicht weit, da mir die Mittel und Beziehungen fehlten, um weiterzukommen. Und wie es aussah, befanden sich diese Mittel genau vor meiner Nase. „Nun…“ doch wieder wurde ich unterbrochen. Ein Knarren war zu vernehmen. Untertaker suchte sich auch immer die schlechtesten Momente aus, um aus seinem Sarg zu kriechen. „Ach, werter Earl, es ist lange her, seit Ihr das letzte Mal hier ward.“ Der Junge nickte. „Ich denke, du weisst, um was es geht“ Mein Chef kicherte und sah dann zu mir, meinen Todesblick aber ignorierend. „Oh, wie ich sehe, habt Ihr schon Bekanntschaft mit Scar gemacht.“ Alle sahen zu verwundert zu mir. Ich seufzte nur genervt. Wie ich es doch hasste, wenn mich mein Chef so nannte. Ich versuchte ihm das nun schon die ganze Zeit über zu verstehen zu geben, hatte ihm sogar meinen richtigen Namen gesagt, doch er blieb bei diesem abscheulichen ‚Scar‘. „Hast du Informationen darüber?“ der ‚Earl‘ (ich konnte nicht glauben, dass ein so kleiner Junge schon Earl war) hatte sich wieder an den Weisshaarigen gewandt. Dieser kicherte. Ich wusste, was jetzt kam. „Ihr kennt meine Bezahlung.“ Der Junge nickte und rief bloss nach dem Mann in Schwarz, welcher anscheinend Sebastian hiess. Danach verliessen der Earl und seine Leute den Laden. Undertaker warf mir einen undefinierbaren Blick zu, der wohl bedeuten sollte, dass ich auch mitgehen sollte, weshalb ich kurz verwirrt, aber dennoch genervt aufstand und den anderen hinterherlief. „Und Sie heissen also wirklich Scar?“ Kaum war ich draussen angelangt und hatte die Türe geschlossen, löcherte mich Earl Phantomhive mit Fragen. Ich schmunzelte bei dem Gedanken, dass er doch nicht so Reif war, wie er vorgab. In Wahrheit war er im Innern doch immer noch ein Kind, welches unstillbare Neugier besass. „Nein, nur der Chef nennt mich so.“ meinte ich freundlich. Er streckte mir seine Hand entgegen. Ich schlug ein. „Earl Ciel Phantomhive, Oberhaupt der Familie Phantomhive.“ Stellte er sich vor. „Lucia Scarlett. Freut mich!“ Sebastian hatte nicht viel Zeit. Er musst Undertaker unbedingt etwas fragen, noch bevor sein junger Herr Verdacht schöpfte, dass er nicht sofort seine Aufgabe erfüllte. Er lehnte ich zu dem Mann hinüber. „Sagt mir, weshalb spüre ich im Körper des Mädchens nur eine halbe Seele?“ fragte er den Weisshaarigen mit unüberhörbarem Interesse. Der Angesprochene lächelte, wobei es eher nach einer Grimasse aussah. „Nun, sagen wir mal, einem Shinigami ist ein kleiner Fehler unterlaufen.“ Freut  mich, dass ihr euch trotz meiner nicht so gelungenen Kurzbeschreibung hierher verirrt habt. Ich hoffe, dass euch das erste Kapitel gefallen hat un würde mich sehr über Reviews freuen! ;-) Man liest sich! Lg No Kapitel 2: Scar - Der makellose Körper -------------------------------------- Kapitel 2 Schon nach wenigen Minuten ertönte ein lautes Lachen aus Undertakers Laden. Kurz darauf kam der Mann in Schwarz zu uns und bat uns hinein. Mein Chef erzählte ihnen alles über unsere ‚Patientinnen‘. Es war nichts, was ich noch nicht gewusst hatte: Aufgeschnittene Kehle, Verstümmelungen und fehlende Gebärmutter. Keiner der Anwesenden verzog bei diesen Informationen das Gesicht, nicht einmal ich. Gut, ich war ja nicht gerade die Norm. Mein Leben hatte sich zwar enorm verändert, seit ich bei Undertaker arbeitete, doch Leichen sah ich sowohl damals, als auch jetzt jeden Tag, mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass ich inzwischen nicht mehr für die Tode der eingelieferten Klienten verantwortlich war. Na ja, oder zumindest für die Minderheit. Spielte jetzt sowieso keine grosse Rolle. „Wäre es nicht von Vorteil, junger Earl, wenn euch Miss Scarlett belgeiten würde?“ Der Asiate hatte das Wort ergriffen und riss mich somit aus meinen Gedanken. Ich blinzelte mehrere Male und drehte den Kopf zu ihm. „Wie meinen, Herr…“ Doch weiter kam ich nicht, denn der Junge fiel mir ins Wort. „Lau, was willst du damit sagen? Glaubst du tatsächlich, ich wäre auf die Hilfe von so jemandem wie ihr angewiesen?“ Oha, ich hatte gedacht, Ciel wäre doch ganz nett, doch anscheinend war der Wachhund der Königin doch etwas bissig. Lau für seinen Teil lächelte wissend. „Natürlich nicht, Earl. Doch haltet euch doch vor Augen, was für eine einmalige Gelegenheit sich durch sie offenbaren würde. Mit den ganzen Informationen, die sie hat, könnte sie von grossem Nutzen für euch sein. Ausserdem ist es ihr durch ihre Arbeit hier auch wahrscheinlich erlaubt, Tatorte zu betreten, die schon von Scotland Yard abgesichert worden sind.“ Langsam fand ich den Mann echt sympathisch. Ich nickte heftig, um seine Aussage zu bekräftigen. Wenn Lau den Jungen überzeugen konnte, dann würde vermutlich selbst Undertaker nachgeben und mich mit ihnen gehen lassen. Und dann hiess es: Auf Wiedersehen, langweilige Arbeit und Hallo Freiheit! „Junger Herr, ich muss Herrn Lau zustimmen. Sie könnte uns viel Zeit ersparen.“ Der Mann in Schwarz ergriff jetzt auch noch für mich Partei, ich musste unwillkürlich grinsen. Ciel jedoch verzog leicht angesäuert das Gesicht und starrte für lange Zeit seinen Butler an. Dieser beugte sich nun zu seinem Herrn hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ein abfälliges Schnauben konnte sich der Earl nicht verkneifen, als sich der Mann in Schwarz wieder aufrichtete. „Mach doch was du willst, Sebastian.“ Mit diesen Worten verliess Ciel unseren Laden, dicht gefolgt von den anderen. Nur der Butler war noch da und grinste breit. Wie sein Herr wenige Minuten zuvor, streckte er mir seine Hand entgegen. „Sebastian Michaelis, Butler der Familie Phantomhive.“ Mein Chef, der sich nun auf einem der Särge niedergelassen hatte, quittierte das Ganze nur mit einem gelangweilten Seufzer. Sebastian sah zu ihm. „Mein junger Herr hat es zwar nicht direkt angeordnet, doch ich denke, dass Miss Scarlett ihm, wie Herr Lau zuvor schon erwähnte, von grossem Nutzen sein könnte.“ Verwirrt blickte ich zwischen Undertaker und Sebastian hin und her. Woher kannte dieser gruselig grinsende Butler meinen Namen? Ich hatte mich ihm doch noch gar nicht vorgestellt. Na ja, vielleicht hatte er ihn aufgeschnappt, als dieser Lau dem Earl seinen Vorschlag gemacht hatte. Mein Blick blieb an meinem Chef haften. Erwartungsvoll sah ich ihn an. Dieser jedoch gähnte nur und wedelte mit seiner Hand, als Zeichen, dass wir beide gehen konnten. Jetzt war ich endgültig verwirrt. Die ganze Woche über hatte ich versucht zu kündigen, und jedes Mal war ich mit einem simplen ‚Nein‘ abgespeist worden. Und jetzt kam einfach so mir nichts, dir nichts ein ominöser Butler, der einfach nur lieb fragte, und schon liess er mich gehen? Versteh einer mal diesen alten Kauz! Ich hielt es hier nicht mehr aus. Es war keine halbe Stunde vergangen, seit wir im Anwesen der Phantomhives angekommen waren, und ich wollte jetzt schon wieder zurück zu Undertaker. Im grossen und ganzen war es in dieser riesigen Villa recht angenehm, doch kleine Feinheiten waren es, die es mir hier fast unerträglich machten. Vor wenigen Minuten zum Beispiel, hatte ich das über alle Massen inkompetente Personal des Earls kennengelernt. Verwunderlich war, dass es anscheinend nur (abgesehen von Sebastian) drei Leute gab, die sich um das riesige Anwesen kümmerten. Wobei, man sollte sich eigentlich fragen, wie hier alles so ordentlich bleiben konnte, wenn dieses Haus und der Garten in der Obhut solcher Trottel war. Gut, man sagte ja, man solle sich kein vorschnelles Bild von anderen Menschen machen, doch bei diesen Leuten hatten mir nur ein paar Sekunden gereicht um zu wissen, dass sie allesamt hoffnungslose Fälle waren. Den Koch, Bart, hatte ich bis jetzt dreimal davon abhalten müssen, das Abendessen mit einem Flammenwerfer zu grillen, wobei fast die gesamte Küche abgebrannt wäre. Das Hausmädchen, Maylene, war unglaublich tollpatschig. Sie zerbrach alle paar Minuten mindestens fünf Teller, dessen Geräusche bei mir ständig unangenehme Kopfschmerzen verursachten. Was mich aber vor allem an ihr störte, war, dass sie sich anscheinend meinen Namen nicht merken konnte. Die ganze Zeit über nannte sie mich Lucy. Ich hatte ihr schon mehrmals gesagt, dass ich Lucia hiess und es hasste, wenn mich jemand anders nannte, doch das hatte sie geflissentlich ignoriert. Und dann gab es noch Finnian, den Gärtner. Ihn mochte ich bis jetzt am liebsten. Zwar hatte er eine übermenschliche Kraft, weshalb er mir beim Händeschütteln fast meinen Arm gebrochen hätte, doch war er unkompliziert und einfach gestrickt. Das gefiel mir. Mit ihm konnte man sich gut unterhalten, ohne dass er einem irgendwann auf die Nerven ging. Er war einfach ein guter Zeitgenosse. Bei Sebastian hingegen hatte ich schon nach kurzer Zeit Komplexe bekommen. Er konnte einfach alles. Sei es Kochen, Musizieren, Arbeiten, oder auch nur höflich sein. Er bekam alles mit so einer Perfektion hin, dass es schon fast an ein Wunder grenzte. Er erledigte seine Aufgaben mit aussergewöhnlicher Geschwindigkeit, sodass er anderen immer um mindestens zwei Schritte voraus war. Er war bisher immer gut gelaunt, hatte immer sein gruseliges Grinsen aufgesetzt und war immer nett und zuvorkommend zu den anderen Angestellten. Und meine Laune war schon nach nicht mal einer halben Stunde im Keller. Wobei, er wäre sicher auch nicht mehr so gut gelaunt, wenn er diese scheussliche Hausmädchenuniform tagen müsste. Ich verstand einfach nicht, wie Maylene diesen Fummel ständig tragen konnte, ohne sich zu beschweren. Der Kragen war so hoch und eng geschnitten, dass ich fürchtete an Luftmangel zu sterben und die ganzen Rüschen die an meiner Haut kratzten, machten die Sache auch nicht gerade besser. Gerade stand ich in der Küche und half Bart, das Abendessen vorzubereiten. Gut, vielmehr überwachte ich ihn, damit er auch nicht nur in die Nähe eines Flammenwerfers kam. Eine ziemlich nervenaufreibende Arbeit, wenn man sich in der Küche nicht auskannte und in jeder Schublade etwas vermutete. Er hingegen hatte die Ruhe weg. Alle fünf Minuten zündete er sich eine neue Zigarette an und summte ein Kinderlied. Immer und immer wieder. Der Koch verstummte, als ich ihn unbewusst wütend anzischte. Kurz sah er mich geschockt an, bis er entschuldigend lächelte. „Sorry, ich bin es normalerweise gewohnt, alleine zu Kochen. Sag einfach, wenn ich dich nerve, ja?“ Zur Antwort nickte ich nur knapp und machte mich daran, weiter Kartoffeln zu schälen, als ich sein Seufzen vernahm. Ich hob den Kopf und sah ihn verwirrt an. „Ist was?“ fragte ich langsam. Mein Gegenüber kratzte sich am Kopf. „Ich hab den Eindruck, dass es dir hier irgendwie nicht so gefällt, oder?“ Er hatte ins Schwarze getroffen. Ich lächelte ihn zuckersüss an. „Na ja, weisst du, es ist für mich noch alles so neu hier und ich bin wirklich schüchtern.“ Bei meinen Worten hätte ich selbst brechen können, obwohl ich es ja gewohnt war. So machte ich es immer. Bei den meisten Menschen spielte ich das kleine, niedliche, naive Mädchen, das kein Wässerchen trüben konnte. Diese Schmierenkomödie war schon seit langem eine meiner Grundstrategien. Auf diese Art nahm einen keiner richtig ernst, und das nutzte man dann in manchen Situationen schamlos aus. So etwas wie Skrupel kannte ich nicht. Ich lebte damals wie heute immer nach dem Gesetz: ‚Der Stärkere überlebt‘ Barts Wangen hatten einen leichten Rotschimmer angenommen, als er schüchtern zurücklächelte. Was für ein Naivling er doch war. Aber so waren die meisten, bei denen ich diese Show abgezogen hatte, sie glaubten mir aufs Wort. Ich war so in meinen Gedanken vertieft gewesen, dass ich zusammenzuckte, als der Koch einen Topf fallen liess und ich somit mit meinem Messer abrutschte und mir in den Finger schnitt. Leider kam ich nicht umhin, einen leisen Fluch auszustossen, als ich sah, wieviel Blut aus meiner Fingerkuppe quoll. Der Blonde drehte sich zu mir um und blickte mich besorgt an. Sofort versteckte ich meine Hand hinter dem Rücken. Es war zwar nur ein kleiner Schnitt, und doch befürchtete ich, dass der Mann vor mir ein riesiges Theater darum veranstalten würde, wenn er das Blut sehen würde, welches langsam von meinem Finger herabtropfte. „Ist alles in Ordnung?“ fragte er besorgt. Ich lächelte breit und nickte. „Ja ja, alles bestens, Bart.“ Der Koch entspannte sich sichtlich und drehte mir wieder den Rücken zu, um sich am Herd zu schaffen zu machen. Erleichtert zog ich die Hand hinter meinem Rücken hervor und legt meinen Finger an die Lippen, um das Blut zu entfernen. Es schmeckte ungewöhnlich stark metallisch. Ich senkte meine Hand wieder, um mir den Schnitt genauer anzusehen, und erschrak. Die Wunde war spurlos verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)