Hass mich (nicht) von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Liebe ---------------- Erinnerungen. Sie fluteten über ihn hinweg. So viele Erinnerungen innerhalb eines Augenblickes. Als ob die Zeit stillstehen würde, für den kurzen Moment des Falls. Erinnerungen an damals, als er und Nelliel zusammengearbeitet hatten. Wann immer er in einem Kampf verletzt worden war, war sie neben ihm gewesen. Wenn er Bewusstlos gewesen war und aufwachte, saß sie in der Nähe und las etwas. Wenn er erschöpft war, blieb sie bei ihm und hielt Wache. Sie war immer da gewesen. Immer. Auch heute war sie hier, am Tag seines Endes. Die Welt verschwamm um ihn herum. Verblasste und wurde trüb. Sein Gegner, Kenpachie, der mit blutigem Schwert vor ihm stand. Das Mädchen Orihime und ihr schwächlicher Freund, die weiter hinten im Sand lagen und zu ihnen starrten. Das kleine Pinkhaarige Kind, das auf dem Felsen stand und herabblickte. Nichts war mehr von Bedeutung. Sie verloren an Farbe, an Wichtigkeit. Nur eines blieb klar in seinem Blick. Sie. Hinter allen anderen, an den Felsen gelehnt an den er sie geschleudert hatte aber doch direkt vor ihm, lag Nelliel. Wieder in ihrer Kindlichen Gestalt, ohne jede Erinnerung an ihn aber er konnte sich erinnern. Alles zog vorbei. Ihre Kämpfe miteinander, gegeneinander. Die Wortgefechte und die Stille. Früher war alles überschattet von der Drohenden Macht Aizens, nun war dieser Schatten verschwunden. Es waren gute Erinnerungen die in ihm hochstiegen, während er dem Boden näherkam. Niemals die kindliche Gestalt aus den Augen lassend, die dort an dem Felsen lehnte und zu schlafen schien. Sie erwachte. Langsam und schwerfällig öffnete sie ihre Augen. Niemand bemerkte es außer einem. Sie blickte direkt zu ihm, während sie die Augen öffnete, und in die seinen sah, die sich begannen zu trüben. Eine Sekunde, die zu einer Ewigkeit wurde. Ein Blick, der alles sagte, was nie gesagt wurde. Dann wurde die Welt schwarz. Das Nichts umfing ihn. Sie wusste nicht wo sie war, was geschehen war. Ihr Kopf tat so furchtbar weh. Doch als sie die Augen öffnete, da war da dieser unheimliche Mann. Sie wusste, das sie ihn kannte, kennen sollte, doch es fiel ihr nicht ein. Er fiel. Er blutete furchtbar und fiel nach vorne zu Boden. Er blickte sie an, die ganze Zeit bis er unten aufschlug, sah er sie an. Sein Blick war nicht angstauslösend, nicht unheimlich oder erschreckend. Sie wollte weinen unter diesem Blick, obwohl sie nicht wusste warum. Wer war dieser Mann? Wieso fühlte sie sich so traurig, wenn sie ihn ansah? Und warum sah er so furchtbar traurig aus? Es tut mir Leid. Das war es was sie in seinen Augen sah. Eine Entschuldigung und noch etwas anderes. Es machte sie glücklich und gleichzeitig so furchtbar traurig. Er liebte sie. Er hatte sie schon immer geliebt und es tat ihm leid was er getan hatte. Da waren sie wieder. All ihre Erinnerungen. Seine Ablehnung, seine Wut. Wie er sie immerzu beleidigt hatte, sie bedroht und herausgefordert hatte. Wie er sie Verraten hatte, ihre Fraktion Angriff, sie Angriff und sie hinauswarf in die kalte Wüste. Es tat ihm Leid. Sie sah es in seinen Augen. Er bat sie um Verzeihung und sie verzieh ihm. „Noi... tra...“ Keiner hörte Nelliels Worte. Keiner außer Nnoitra hatte überhaupt bemerkt, das sie erwacht war. Als er aufschlug und der Blickkontakt brach, war auch Nelliel wieder Bewusstlos geworden. Er hatte diesen niederen Arrancar zerfetzt, der so dumm war zu denken, er hätte eine Chance und der, als er seinen Fehler erkannt, doch nur ein wimmerndes Stück Dreck war. Um sein Leben bettelnd, um Verzeihung flehend. Etwas, das er niemals jemandem gewährt hatte. Welche Rolle spielte es schon, wer oder was der Gegner war. Im Kampf waren sie einander doch alle gleich, es gab keinen Unterschied. Jeder hatte das recht einen ehrenwerten Tod im Kampf zu finden. Nelliel war aufgetaucht, sie hatte wohl alles mitangesehen. Er hatte sich keine Gedanken darüber gemacht. Es war nichts wofür er sich schämen würde oder das ihm irgendwie Leid täte. Auch das sie ihm zum Vorwurf machte, das es einer der ihren, ein Arrancar, genau wie sie beide gewesen war, war ihm gleich. Die Frage jedoch, die sie ihm dann stellte, war seltsam. „Sag mir, warum bist du so blutrünstig, warum tötetest du jeden, selbst wenn dieser schwächer und völlig chancenlos ist?“ Das hatte sie noch nie wissen wollen. Keiner wollte das wissen. Wozu auch? Sie waren Hollows ohne Herz und Seele. Sie brauchten keinen speziellen Grund um zu töten. Dennoch versuchte sie ihn zu belehren. Das es nicht richtig sei, was er täte. Wollte einen Grund wissen. Weil es ihn stärker machte, zu kämpfen. Weil er sich nur dann lebendig fühlte. Weil es der einzige Grund war, warum er lebte. „Das ist nichts als ein künstliches Hoch. Ein niederer, schwacher Grund. Ist das alles? Ist das dein einziger Grund zum Töten?“ Das war ihre Antwort darauf gewesen und auch wieder nicht. Es hatte ihn wütend gemacht, das sie dachte, sie wäre etwas besseres. „Hör auf dir etwas vorzumachen, da ist nichts über uns, das uns erlösen würde. Egal ob wir an Aizens Seite sind oder nicht, unsere Schicksale wurden längst besiegelt. Dieser Mann gab mir mehr Kraft und dafür Kämpfe ich für ihn. Ich bin nun imstande mich selbst über die Kante zu stoßen. Es gibt kein Limit mehr. Ich werde jeden zertreten, der in meinem Weg steht. Beil dich und zerschlag mich in zwei. Ich will meinen letzten Atemzug auf beiden Beinen stehend genießen. Ich kann mir keinen besseren Weg vorstellen, um diese gottvergessene Welt zu verlassen.“ „Dann werde ich dich vor dir selbst schützen, Nnoitra. Bis du einen besseren Grund findest, um zu leben.“ Sie hatte gelächelt. Er wusste nicht warum aber sie lächelte und irgendwie hatte er sich besser gefühlt damals. Sehr viel besser. Wie merkwürdig, das er sich ausgerechnet jetzt, wo er starb, daran erinnerte. Es war schon so lange her. Die Farben begannen zu verblassen. Die Worte blieben. Es tat gut. Die Erinnerung an diesen Moment, es machte die Sache leichter. Dunkelheit. Absolute Dunkelheit. War so der endgültige Tod? Ein ewiges, dunkles Nichts? Hier war wirklich nur Leere. Keine Geräusche, kein Licht, nichts war zu sehen, zu hören oder zu fühlen. Nichts. Ein dunkles Nichts. Nur seine Gedanken waren da. Irgendwie hatte er sich das Sterben anders vorgestellt. Hätte er nicht eigentlich in der Hölle landen müssen, einem Ort ewiger Strafe? So sah es hier nun wirklich nicht aus. Hier sah es nach überhaupt nichts aus. Dämliche Shinigami. Erzählten was von Wiedergeburt in ihrer tollen Stadt oder der furchtbaren Hölle. Das hier war ja wohl eindeutig weder das eine noch das andere. Trottel. Erzählten nur Scheiße. Die hatten wohl keine Ahnung und sich da was nettes ausgedacht. Oder war es weil er ein Arrancar war? Vielleicht wurden die nicht wiedergeboren oder landeten in der Hölle? War das der Ort an den Arrancar kamen, wenn sie vernichtet wurden? Na hoffentlich nicht? Auf ewig allein mit seinen Gedanken, das würde er nicht aushalten. Da wurde er am Ende noch genauso bekloppt wie Szayel. Widerliche Vorstellung. Schade das er sich nicht selbst bewusstlosen schlagen konnte. Das wäre jetzt echt hilfreich gewesen. Körperlos zu sein, war scheiße. Wie lange war er wohl schon hier? Waren es Tage? Jahre? Oder vielleicht erst wenige Minuten. Er hatte irgendwie das Zeitgefühl verloren. Er begann wider zu zählen. 1, 2, 3,.... Sinnlos, zwecklos, hoffnungslos. Aber irgendwas musste er einfach tun. Irgendwie musste er seine Gedanken beschäftigen. Er wollte nicht denken, nicht erinnern. Immer wenn er es tat, wanderten seine Gedanken zu ihr und diese Gedanken schmerzten. Er brauchte etwas um sich abzulenken. Irgendetwas. Er hatte versucht an nichts zu denken aber das funktionierte überhaupt nicht. Er hatte versucht zu schlafen aber auch das war unmöglich gewesen. Kämpfen oder trainieren fiel mangels eines eigenen Körpers, einer Waffe und generell wegen der fehlenden Umgebung, auch aus. 1087, 1088, 1089, 1099... Verdammt. Schon wieder verzählt. 1, 2, 3... 3. Nelliel... Dieser Blick. Dieser Blick ganz zuletzt, bevor es dunkel wurde. Was er wohl bedeutet hatte? Vielleicht hatte sie ihm ja vergeben. Nein wohl kaum. Dafür hatte er zu viel Unheil angerichtet. Sie zu oft verletzt. Vermutlich war sie froh darüber, das er jetzt tot war. Möglicherweise war dies hier ja doch die Hölle. Eine Hölle in der auf ewig allein mit seinen Gedanken war. Wo er für immer an seinen Taten verzweifeln konnte, ohne jemals Erlösung zu finden. 2000794, 200795, 200796.... Seine Nase juckte! Seine verdammte, nicht existierende Nase juckte! Das war.. verflucht das war zum wahnsinnig werden! Er war körperlos und trotzdem juckte es und er konnte sich ums verrecken nicht mal kratzen! Er hätte nicht für Ablenkung von seinen Gedanken beten sollen. Irgendwann hörte es auf, danach war lange Zeit wieder nichts als die Leere, auch wenn er ab und zu das Gefühl hatte, da wäre etwas. Als wäre Nellliel hier, auch wenn er nichts sehen oder hören konnte. Das Gefühl blieb. Fast vermisste er das jucken wieder, das hatte immerhin seine Gedanken beschäftigt. Es wurde kälter. Zuerst dachte er es wäre nur Einbildung aber es wurde tatsächlich kälter. Saukalt sogar. Er fror ja wirklich nicht leicht, die vielen Wanderungen in der Wüste außerhalb des Palastes härteten ab. Aber das hier war etwas völlig anders. Diese Kälte war nicht mehr normal. Er wollte sich zusammenkauern, wollte sich die Arme reiben aber es ging nichts. Er konnte nur hier sein und in Gedanken zittern. Wie erniedrigend. Wenigstens sah ihn keiner. Welch ein schwacher Trost. So kalt. Es war so furchtbar kalt. Es war keine äußerliche Kälte. Es war innerlich. Es war die Leere dieses Raums. Dieses dunklen Nichts. Sie war überall. Alles wurde bedeutungslos. Alles verblasste. Das Nichts griff nach ihm. Die Kälte durchdrang ihn. Aufgeben wurde eine verlockende Option. Nein. NEIN! Nicht in diese Dunkelheit. Nicht in diese Kälte. Nelliel. Er hatte sie doch gespürt. Nur ganz schwach, nur eine Ahnung aber sie war es gewesen. Sie musste es gewesen sein. Irgendwo dort in der Finsternis. Ein Wispern, ein Raunen. Vielleicht war es töricht. Vermutlich war es nur Einbildung aber er klammerte sich daran. Mit allem was er noch hatte, voller Verzweiflung klammerte er sich an diesen winzigen Schimmer. Diese Ahnung, diese Gefühl das Nelliel dort in seiner Nähe war. Das Nichts konnte ihn mal sonst wo. Er würde nicht aufgeben. Nicht nachgeben. Nicht solange da noch etwas war. „Nnoitra? Nnoitra wach auf!“ Die Kälte blieb. Ließ nicht locker und machte die Gedanken träge. Manchmal hatte er das Gefühl, etwas würde ihn, zumindest für einen kurzen Moment, wärmen. Aber es verging zu schnell, als das er sich wirklich sicher war. Manchmal dachte er auch Stimmen zu hören. Weit weg und viel zu leise um etwa zu verstehen. Vielleicht nur Einbildung. Wahnvorstellungen, geboren aus dem verzweifelten Wunsch das dort irgendetwas in der Dunkelheit sein möge. Das er nicht völlig allein war. Das es vielleicht sogar ihre Stimme war, die er hörte. Die ihm Hoffnung gab, so wie sie es damals, vor all den Jahren in der Wüste getan hatte, als sie ihm die Hoffnung gab, ein neues Schicksal zugeteilt zu bekommen. „Er fühlt sich so kalt an.“ Kalt. Ja ihm war kalt, verdammt kalt. Wer sprach da überhaupt und wo war derjenige? Die Stimme klang so scheußlich verzerrt und schien weit entfernt zu sein und sie klang besorgt. Hm. Wahrscheinlich wieder eine Halluzination, als ob es da draußen noch irgend wenn geben würde, der ihn nicht verachtete und oder hasste. „Wach doch endlich auf.“ Aufwachen? War er nicht wach? Da waren noch andere Geräusche, es war ihm gar nicht aufgefallen, erst jetzt wo seine Sinne sich klärten. Das rascheln von Stoff, um Felsen pfeifender Wind, Sand, der durch die Luft wirbelt und auf dem sich Personen bewegten. Und ein... Schnarchen! Ein verdammt lautes Schnarchen! „Vielleicht sollten wir ihm mal auf den Kopf hauen? Bei Dondochakka hilft das immer. Siehst du!“ Eine andere Stimme. Weniger vertraut aber bekannt. Dann ein ziemlich heftiges rumpeln und plötzlich wurde aus dem Schnarchen ein sirenenartiges Jammern und Klagen. „Aahhhhhh. Bruder warum haust du mich? Baahaaaaaaa...“ Wer immer das auch war, er war laut, nervig und eine furchtbare Heulboje. Der ging ihm jetzt schon auf den Keks. Der Versuch die Augen oder besser, das Auge zu öffnen, blieb bei einem Versuch. Sein Körper wollte nicht so wie er wollte. Fühlte sich kraftlos und müde an. Er glitt wieder ab, die Stimmen und Geräusche wurden dumpf und verloren sich in der Ferne. Nnoirtra schlief. Zum ersten mal seit Tagen war es ein richtiger Schlaf. Die drei Hollows die sich ebenfalls in der Trümmerhöhle befanden, merkte nichts davon. Als Nnoitra das nächste mal erwachte, fühlte er sich weitaus besser. Die Kälte war zurückgewichen, seine Gedanken nicht länger benebelt und er hatte höllische Schmerzen. Was eigentlich nur bedeuten konnte, das er noch lebte. Jetzt stellte sich die Frage, warum lebte er noch? „Hm?“ Das... nein es konnte nicht sein! Oder doch? Dann war dieses Gespräch, wenn man das so nennen konnte, das er gehört hatte, keine Einbildung gewesen! Jetzt wo er sich darauf konzentrierte, konnte er es auch spüren. Dieses Reiatsu direkt neben ihm. Das war Nelliel! „Was ist Nel?“ Der andere. Es musste einer von diesen beiden Spinnern sein, die Nels Fraktion darstellten. Verdammt, was war bloß passiert? Das letzte woran er sich erinnern konnte, war das dieser Shinigami ihn mit seinem Schwert aufgeschlitzt hatte. Und daran, das Nelliel ihn angesehen hatte. Aber das konnte auch nur Wunschdenken sein. Seine Erinnerungen daran waren allgemein recht verschwommen und wirr. „Weiß nicht. Ich glaub Nnoitra hat Schmerzen.“ Scheiß auf die Schmerzen! Das war eindeutig Nelliel da neben ihm. Verflucht warum war es plötzlich so schwer, das Auge zu öffnen? Er wollte sehen, er wollte wissen was da passierte, wo er war und er wollte sie sehen. „Vielleicht tut ihm das gruselige Loch da weh.“ Trottel. Nels Fraktion bestand aus Trotteln. Gruseliges Loch, Tze. Ein Hollowloch war ein Hollowloch, konnte er doch nichts dafür, das es in seinem Gesicht war! Besser da als... unten. „Können Hollowlöcher den wehtun?“ Ihre Stimme klang so kindlich und sie schien die Frage tatsächlich ernst zu meinen. Wenigstens schien sie sich zu erinnern. Sie hatte wohl doch nicht wieder ihr Gedächtnis verloren, nachdem sie sich wider in ein Kind verwandelt hatte. „Keine Ahnung, ich weck ihn mal mit einem gezielten Schlag auf den Kopf auf, dann können wir fragen.“ Er hörte wie sich jemand näherte und sammelte alles an Kraft was er hatte, um etwas zu sagen. „Wenn du mir auf den Kopf schlägst, schlag ich dir deinen ein.“ Scheiße klang seine Stimme schwach und kratzig! „Ahh! Er ist wach!“ Ein doppelter panischer Schrei hallte durch die Höhle, als Pesche und Dondochakka erschrocken einen Satz weg von dem improvisierten Krankenlager machten. Blinzelnd öffnete Nnoitra sein Auge. Er war wirklich in einer Höhle aber es war dunkel draußen, das konnte er erkennen. Sie waren also nicht innerhalb von Las Noches. Plötzlich tauchte Nelliels Gesicht vor ihm auf und strahlte ihn freudig an. „Nnoitra!“ Stürmisch sprang ihm Nelliel auf die Brust und umarmte ihn, was ein sehr angenehmes Gefühl zur Folge hatte. Ihre erwachsene Gestalt wäre ihm zwar lieber gewesen, auch wenn das vermutlich einige gebrochene Rippen mehr bedeutet hätte, aber das hier war auch völlig in Ordnung. Nnoitra fühlte sich seit sehr, sehr langer Zeit wieder glücklich. Trotz der Tatschen, das ihm alles wehtat, er in einer kalten Höhle lag und zwei schwächliche Jammerlappen ihm mit Angriff drohten, wenn er Nel etwas tun sollte. Das sie es ihm wirklich verziehen hatte. Alles. Einfach so. Als ob er sie nicht Jahrelang beleidigt, fast umgebracht und in die endlose Wüste vertrieben hätte. Als ob er bei ihrem erneuten Treffen nicht wieder auf sie losgegangen wäre, wenn auch aus anderen Gründen. Es kümmerte sie nicht groß. Sie war nicht wütend auf ihn oder hasste ihn deswegen. Es war fast schon unwirklich. Die ganze Situation war so, abstrakt. Vermutlich war es ein Segen, das er sich kaum und wenn, nur unter Anstrengung und Schmerzen bewegen konnte. Er wüsste nicht was er getan hätte, wäre er völlig gesund gewesen. Seine Gefühle spielten völlig verrückt. Es wäre wirklich für alle besser gewesen, er hätte nie welche entwickelt. Gefühle waren furchtbar verwirrend. Manchmal überkam ihn die Angst, das Feinde auftauchen und sie angreifen könnten. Wilde Hollows, Aizen, Aizens Schergen oder Shinigami. In diesen scheiß Zustand könnte er nichts tun und müsste tatenlos zusehen. Ein Gedanke, den er kaum ertrug. Manchmal überkamen ihn die Schuldgefühle, wegen dem was er getan hatte und er wollte aufspringen, alles niedermetzeln, einfach seiner Wut auf sich selbst freien lauf lassen. Und in manchen Moment wollte er Nel einfach an sich drücken und... weinen. Würg. Er und weinen. Das war so bizarr, das er sich selbst für diesen Gedanken erschlagen wollte. Da hatte er sich all die elenden, verdammten Jahre zusammengerissen und dann dachte er an sowas, nur weil ihm Nel die Wundverbände wechselte. Erniedrigenderweise schien sie immer zu wissen, wenn er wieder in dieser Stimmung war, denn dann strich sie ihm immer durch die Harre und redete beruhigend auf ihn ein. Nicht das es ihm nicht helfen oder gefallen würde, das tat es nämlich leider sehr. Aber es verstärkte diesen Drang nur noch und machte es so viel schlimmer für ihn. Oft hatte er auch den Wunsch, diesen beiden Plagen, die auf ihn einquatschten, eine reinzuhauen. Vor denen hatte er keine ruhige Minute. Spielten die Leibgarde für Nelliel, obwohl die sich jawohl gut zu verteidigen wusste und keinen Schutz brauchte. Schon gar nicht vor ihm. Meist war sie zwar in Kindergestalt und damit schutzlos aber sie schien ein gewisses Maß an Kontrolle darüber zu haben, sich wieder in eine Erwachsene zu verwandeln. In den Momenten, in denen sie als Erwachsene neben ihm saß, war es doppelt schwer, ihr nicht um den Hals zu fallen und den Kopf zwischen ihren Monsterbrüsten zu vergraben. „Deine Wunden verheilen gut, in ein paar Tagen solltest du dich wieder völlig normal bewegen können.“ Sie saß neben ihm, in ihrer Erwachsenen Form, wechselte erneut die Verbände. Dieser Shinigami mit der gruseligen Gesicht hatte ganze Arbeit geleistet. Hatte es zwar nicht geschafft ihn umzubringen aber an der Schwelle hatte er gestanden. Da würden viele Narben zurückbleiben. „Warum?“ Aus dem Augenwinkel bemerkte Nnoitra wie Nel sich überrascht aufrichtete. Es war das erste mal das er ein direktes Gespräch mit ihr anfing. In den ganzen Tagen davor hatte er verbissen geschwiegen. „Hm, ich denke du hast gute Selbstheilungskräfte und mein Speichel hilft sicher auch.“ Nel wusste nicht genau was er meinte aber es war gut, das er endlich redete. „Nein. Nicht das. Warum? Warum hilfst du mir? Nach allem was ich getan habe, warum hasst du mich nicht?“ Er verstand es nicht. Müsste sie ihn nicht verachten? Müsste sie ihn nicht meiden? So viele Fehler hatte er gemacht, ihr soviel angetan, auch wenn es nur war, um sie zu schützen. „Ich fürchte das kann ich nicht. Du warst unfreundlich, beleidigend und verletzend aber ich hab dich trotzdem geliebt. Das tu ich immer noch.“ Es war schwer zu beschreiben. Vor allem war es unsinnig und gefährlich. Da hatten ihre Brüder schon Recht. Aber sie konnte einfach nicht anders und Nnoitra würde ihr nichts antun, das wusste sie einfach. „Warum?“ Vorsichtig drehte er sich ihr zu, sah sie an. Ihre Augen waren noch immer so schön. „Ich weiß es nicht. Weiß du es? Du liebst mich doch auch, oder?“ Dieser Blick. So hoffnungsvoll, das er alles sagen würde. Aber er schämte sich dafür. Senkte den Blick wieder. Nelliel verstand es. Er musste nichts dazu sagen. „Du wolltest mich beschützen nicht war? Damals. Ich fürchte ich war nicht unbedingt unauffällig und habe zuviel durchblicken lassen. Glaub nicht ich wüsste nicht, was Aizen getan hätte, wenn er es rausgefunden hätte. Aber ich konnte das nicht verhindern. Diese Gefühle sind so übermächtig und selbstgefärdend, oft habe ich einfach nicht mehr nachgedacht.“ Er versuchte es zurückzuhalten. Dieses Verdammte Gefühl in seiner Brust, als würde es einen von innen zerreißen. Was sie ihm gesagt hatte gerade. Es machte ihn glücklich, traurig, ließ ihn hochleben und stürzte ihn in Verzweiflung. Gefühle waren selbstzerstörerisch. Gefährlich, unberechenbar und schmerzhaft. „Nnoitra? Geht es dir nicht gut, hast du wieder Schmerzen?“ Erschrocken beugte Nel sich vor, als Nnoitra zusammenzuckte, sich krümmte und sein Auge zusammenkniff. Er verkrampfte völlig, irgendetwas stimmte nicht. „Es war gelogen, ich finde dich nicht fett.“ Sie stutzte. Was hatte er gesagt? Er fand sie nicht fett? Wieso dachte er nach all der Zeit und nach diesem Gespräch ausgerechnet daran? Dann verstand sie. Es war ein ja auf ihre Frage. Ob er sie liebte, ob er sie beschützt hatte, ob es ihm leid tat, was er ihr zugemutet hatte. Und es war eine Bitte. Auf einen neuen Anfang. Einen zweiten Versuch. Dondochankas Mund ging gehen Boden ohne das er etwas sagte, eine Seltenheit. Pesche kippte hintenüber und blieb reglos liegen auch für ihn war es ein ziemlicher Schock. Zu sehen, wie ihre kleine, große Schwester denjenigen liebevoll umarmte, der sie zweimal fast umgebracht und über Jahre gemobbt hatte, war schon erschreckend aber wenn derjenige das auch noch Kommentar und kampflos zuließ und stille Tränen dabei vergoss, dann zweifelte man schon an seinem Verstand. Die Wunden waren abgeheilt. Er konnte sich wieder schmerzfrei bewegen und seine Stimme klang nicht mehr wie ein Reibeisen. Nur die Narben waren geblieben. Große und tiefe Narben, die sich über seinen kompletten Oberkörper zogen, als hätte man ihn in zwei gespalten. Was so gesehen auch tatsächlich passiert war. Wie er das überlebt hatte, war allen noch immer ein Rätsel. Die Situation, so skurril sie auch war, hatte sich eingependelt. Er und Nel hatten sich ausgesprochen, soweit man das sagen konnte. Viele Worte waren nicht nötig gewesen. Pesche und Dondoschaka waren ziemlich verstört gewesen und auch ziemlich verunsichert. Anders als Nel konnte sie ihm nicht so leicht verzeihen, was er und Szayel getan hatten. Allerdings waren sie recht kindliche und dümmliche Gemüter, die sich schnell damit abfanden, das Nnoitra ab jetzt sozusagen zur Familie gehörte. Nnoitra selbst hatte auch gewisse Probleme mit diese >Familie<. Die beiden Spinner gingen ihm die meiste Zeit ziemlich auf den Keks und oft genug unterdrückte er den Wunsch, ihnen einfach die Hälse umzudrehen oder ihnen die Zungen rauszureißen, damit sie endlich still waren. Tia und ihre drei Kampflesben waren die einzigen, die lebend aus der realen Welt zurückkehrten und sie konnten nur grob berichten, was passiert war. Anscheinend war der Arsch Aizen tatsächlich besiegt und eingesperrt worden. Von diesem schwächlichen Wurm mit den orangen Haaren. Wie der Bursche das geschafft hatte, war ihm ein Rätsel. Aber damit hatten sie eine Sorge weniger. Die Shinigami würden sie wohl auch in Ruhe lassen, solange sie keinen Ärger machten, auch das war gut. „Waahhhhh!“ Schreiend rannte die kleine Nel durch die Wüste, verfolgt von drei Hollows. Sie mochte ihr Gedächtnis wieder haben und konnte sogar ihre eigentlich Gestalt annehmen aber Fangen spielen mit ihren Brüdern, war immer noch ihr liebster Zeitvertreib. Nun ja, womöglich inzwischen ihr zweitliebster. Aber der einzige, bei dem ihre Brüder und dieser Riesenwurm, den sie Haustier nannten, mitspielen konnten. Nnoitra spielte nicht mit. Tat er nie. Es war albern. Aber zusehen war witzig. „Los Bruder, je mehr mitmachen desto lustiger ist es.“ Pesche hatte sich aus der Hetzmeute gelöst und war zu den Felsen gelaufen, in denen sie sich ihren Unterschlupf gebaut hatten. „Ich bin nicht dein Bruder.“ Als ob es noch irgendetwas bringen würde, das zu sagen. Dieser Hohlkopf hatte es doch ohnehin nach Zwei Sekunden wieder vergessen. „Stiefbruder? Schwager? Äh... Vater?“ Dieser Drang ihn zu erwürgen wurde wieder stärker. „Pesche ich kann dich vielleicht nicht töten aber ich kann dich zu Brei schlagen.“ Auch wenn er es sehr gerne tun würde, Nel hing an diesen beiden Trottel. Er würde sie also nicht umbringen. „Dann kriegst du Ärger mit Schwesterchen Nel.“ Pesche wusste das auch und wurde deshalb immer mutiger. „Nicht wenn es einen medizinischen Grund hat.“ Nnoitra war eine Idee gekommen. Eine hinterhältige Idee. „Hä?“ Langsam wich Pesche zurück. Dieses unheilvolle grinsen kannte er von früher. Das konnte nichts gutes bedeuten. „Schläge auf den Hinterkopf sollen ja das Denkvermögen erhöhen.“ Langsam stand Nnoitra auf und hob seine Waffe. „A A Ach wirklich?“ Pesche machte sich zur Flucht bereit. „Bei dir werden eine Menge Schläge notwendig sein.“ Es war schwer zu sagen ob Pesche deshalb panisch um sein Leben rannte und schrie, weil er genau wie Nelliel >masochistisch< war oder ob er tatsächlich Todesängste hatte. Nnoitra jedenfalls fand tatsächlich Gefallen an diesem Spiel, als er den Ärmsten quer durch die Wüste jagte und mit seiner Sense nach ihm schlug. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)