Blau in Grau von LSiomha ================================================================================ Kapitel 3: Widerspruch, Widerstand ---------------------------------- »Wer ist Uchiha Itachi?« Kisame hob den Kopf. »Wer?«, fragte Akebino nach. Ameyuri wedelte mit einem Zettel durch die Luft. »Uchiha Itachi«, wiederholte sie genervt. »Was ist mit ihm?« Nicht, dass Kisame befürchtete, ihm wäre etwas passiert. Seit sie an der gleichen Station ausstiegen, hatte er Itachi stets bis zur Uni begleitet, natürlich wieder mit Abstand. Es schien ihm wirklich wichtig, Kisames Schutz so unauffällig wie möglich wirken zu lassen. Eigentlich konnte ihm nichts zugestoßen sein, und wenn doch, so war das sicherlich nicht der Grund für die Frage nach Uchihas Identität. Angesichts der Umstände kam da nur etwas ganz Anderes in Frage, etwas, was Kisame bereits vermutet hatte. »Entweder, er ist ein wirklich Terrorist, oder ihn kann einfach keiner leiden.« Ringo Ameyuri schnaubte und schmiss den Zettel zurück auf ihren Tisch. Mit einem leisen Stöhnen erhob sich Kisame und trottete zu ihr heran. Für seinen Geschmack war es eine Unverschämtheit, nach 20 Uhr noch arbeiten zu müssen, wenn man schon seit dreizehn Stunden auf den Beinen war, doch das war wohl die Pflicht eines Teamleiters. Oder das Verschulden der Universität, die ihre Pforten so lange geöffnet hielt. Wie dem auch sei, Kisame hatte damit gerechnet, dass bis zum Ende der Woche einige Hinweise bei ihnen eintrudeln würden ‒ nicht jedoch, dass die Menge der Briefe bereits nach zwei Tagen das Potenzial hatte, sie alle zu begraben. Definitiv zu viele, als das Ameyuri, die Kisame zur Kummerkastentante erklärt hatte, allein damit fertig wurde. Und nun saßen sie hier zu viert rum, Ringo blätterte sich lustlos durch die Zettel, Choujurou überflog die Texte sogar und Kisame und Akebino flößten sich im Dauertakt Koffein ein, ohne auch nur einen Finger zu krümmen. Ein Glück, dass der Automat direkt vor der Tür stand. »Viele Freunde hat er wirklich nicht«, gab Kisame zu, während er sich an ihren Tisch gesellte. Akebino schnaubte. »Kennst du ihn denn?« »Nicht wirklich.« Allerdings genug, um dieses offensichtliche Defizit festzustellen. Zumindest hier an der Uni. »Ich dachte, dass hier wäre jetzt Terroristen-freie Zone?« »Der Kerl ist ein doppeltes M – Milchbubi und Masochist«, klärte er seine Kollegen auf und gähnte. »Von aggressivem Verhalten nicht die geringste Spur.« Was an sich eine unsinnige Behauptung war, denn dem Klischee eines Attentäters entsprach Uchiha haargenau: schweigsam, unsozial, undurchsichtig. Trotzdem war er keiner, zumindest konnte Kisame es sich nicht vorstellen. »Ich dachte, du kennst ihn nicht?« Ameyuri blinzelte ihn argwöhnisch an. »Klingt eher, als hättest du ihn gefickt.« Als ob man jemanden kennen musste, um mit ihm zu schlafen… Kisame verdrehte die Augen. Bei jeder Gelegenheit fing sie davon an, nur weil sie einmal gesehen hatte, wie er sich mit einer seiner männlichen Affären traf… Außerdem gehörte Itachi nicht zu der Sorte Mann, die er sich gerne in sein Bett holte. Sicher, er war attraktiv, doch sein extrem widerstandsloses Verhalten machte ihn für Kisame ungefähr so reizvoll wie ein Brett. »Wir fahren zusammen mit der Bahn.« Ihr Gegenüber seufzte entnervt. »Und wie kommst du auf ihn?« »Weil sein verdammter Name fast überall drinsteht!«, raunzte sie zurück und verschränkte die Arme. »Ich muss den Scheiß nicht mal durchlesen. Ich seh seinen Namen und weiß, dass Anonymous Schiss in der Hose hat!« »Wärst du vielleicht etwas genauer…« Kisame ignorierte das Gezänk und griff sich wahllos ein paar Blätter, überflog routiniert die Worte. Uchiha Itachi… die Schreibweise des Namens kam ihm bekannt vor, doch ihm fiel nicht ein, woher. Uchiha… egal. Er brauchte nicht lange, um seine Kollegin zu verstehen. Angst schien das Hauptmotiv zu sein, was hinter diesen Briefen stecke, Angst und vielleicht auch Wut. Einer wollte gesehen haben, wie er sich oft in einem weniger genutzten Gebäude zurückzog, ein Anderer ihn dabei, wie er sich am Tatort herumgedrückt habe, und der Nächste erzählte, dass der Uchiha beunruhigend häufig die Laboratorien frequentierte, um dort höchstwahrscheinlich etwas Explosives zusammenzubasteln. Er seufzte. In seinen Augen war das gequirlte Scheiße, doch irgendwoher mussten diese Vermutungen ja auch kommen, und wenn man die doch beachtliche Menge der Briefe betrachtete, konnte Kisame sie auch nicht als unbegründet abstempeln und in den Container kehren. Auch wenn sie unwahrscheinlich alle im Zusammenhang mit dem Uchiha geschrieben worden waren. »Choujurou?« Der Angesprochene schreckte hoch, als Kisame ihn rief, dann blinzelte er ihn müde an. »Ja?«, kam es langezogen und eindeutig erschöpft zurück. »Such mir mal Uchiha Itachis Daten raus«, wies er ihn an. Man war so freundlich gewesen, ihnen Zugang zu den Daten aller Studenten sowie des Lehrkörpers zu gewähren, um ihnen die Arbeit zu erleichtern. »Und sabber gefälligst nicht auf die Tastatur, wenn du schon pennst.« »Kommt sofort.« Zufrieden lauschte Kisame dem geschäftigen Klackern der Tastatur. »Was hast du vor, Hoshigaki?«, brummte Akebino. Offenbar hatten er und Ameyuri ausdiskutiert. »Ich werde mit ihm reden, schätze ich. Nur reden«, fügte er an, als er das anzügliche Zwinkern seiner Kollegin bemerkte. Sie grinste. »Sicher?« »Kümmer dich um deinen eigenen Kram.« »Um den Schrott?«, meinte sie und deutete auf die überquellende Ablage. Sie rümpfte die Nase. »Vergiss es, ich bin doch keine Psychologin!« Kisame widerstand der Versuchung, ihr einen Vortrag über indirekte Anweisungen zu halten und lehnte sich ermattet zurück. Irgendwie verspürte er gerade das dringende Bedürfnis nach einer Zigarette, in der Hoffnung, dass sie ihn mehr befriedigen würde als der lasche Automatenkaffee. Andernfalls würde er seine Kollegen nicht mehr viel länger aushalten, von seiner Produktivität ganz zu schweigen. Dummerweise herrschte im ganzen Haus Rauchverbot. Ein mechanisches Surren und Rattern ertönte, und es dauerte nicht lange, bis der Drucker die ersten Seiten ausspuckte. Offenbar war Choujurou erfolgreich gewesen. Jener stand nun auf, holte das Material heran und gesellte sich zu ihnen. »Hier«, meinte er und drückte Kisame den Stapel in die Hand, wobei obendrauf etwas lag, was ganz nach einem Stammdatenblatt aussah. »Das ist alles.« »Alles klar«, brummte er. »Kannst gehen.« Choujurou nickte ihm dankbar zu, ehe er wieder gähnte. »Und schlaf dich aus.« »Mach ich…« Er sah zu den anderen beiden. »Ihr auch, ab mit euch. Wir sehen uns morgen.« »Na dann…« Akebino sah noch einen Moment unentschlossen an, doch die Frau neben ihm schien keinerlei Bedenken zu haben. Rasch kehrte sie ihren Arbeitsplatz in ihre Tasche zurück, die Briefe selbstverständlich ausgenommen, packte ihren Laptop ein und rauschte kurz darauf mit der Jacke über dem Arm zur Tür hinaus. »Dann bis morgen.« Kisame gab ein bestätigendes Brummen von sich. Er selbst machte jedoch keinerlei Anstalten, die Arbeit zu beenden, sondern saß, ohne es wirklich zu realisieren, noch einige Stunden länger in dem Büro, las sich durch die Briefe und Berichte, und suchte nach einer Erklärung. Er wurde nicht fündig. Zumindest nicht genug, um sich entspannt zurücklehnen zu können und die Angelegenheit ad acta legen zu können. Tatsächlich war Kisame nur noch verwirrter als am Anfang. Itachi Uchiha wurde schriftlich nirgends im Zusammenhang mit dem Attentat erwähnt, doch trotzdem schien er laut zahlreichen Mitstudenten mindestens ebenso verdächtig zu sein wie der Student, den man inoffiziell als Täter abgestempelt hatte. Und das ließ nur einen Schluss zu; irgendjemand hatte Itachis Rolle in der Angelegenheit komplett aus den Akten herausradiert. Höchstwahrscheinlich die Polizei selbst, denn einem Anderen wäre es bei einem so öffentlichen Fall kaum gelungen, und Kisame fragte sich, warum. So wichtig konnte Uchiha für den Fall nicht sein, die Lücken wären viel zu auffällig… und ernsthaft verdächtigt haben konnte man ihn auch nicht, schließlich war Itachi noch an der Uni. Doch warum sich dann die Mühe machen? Die Nacht war definitiv zu kurz gewesen, und Kisame konnte nur mühsam den Frust darüber herunterschlucken, mehrere Stunden an diesen Fall verschwendet zu haben. Wehe, der Uchiha sorgte nicht für Klarheit, andernfalls würde die Schwuchtel mit seiner weniger zuvorkommenden Seite Bekanntschaft machen. Schließlich war Kisame kein hobbyloser Schutzengel, der aus sich Langeweile für demütige Pisser einsetzte, sondern ein Mensch mit der Lizenz zu brachialer Gewalt und einem sehr kurzen Geduldsfaden. Das jener zudem noch überaus angespannt war, schien man ihm direkt anzusehen. Uchiha schien es jedenfalls zu bemerken, als er neben ihn trat, und zog fragend die Stirn in Falten. Kisame klopfte die Asche von seiner Zigarette, blies den weißen Rauch in die kühle Morgenluft. Es war schon die dritte an diesem Morgen, und er fühlte sich immer noch nicht besser. »Wir müssen reden«, brummte er und fixierte das schmale Gesicht, das wie so oft leicht gesenkt war. Der Uchiha wirkte zu Recht misstrauisch. »Ist etwas passiert?« »Noch nicht«, erwiderte er trocken und nahm einen weiteren Zug. »Worum geht es?« »Nicht hier.« Itachis Blick huschte kurz an ihm vorbei, und Kisame ahnte, wen er da fixierte. Zweifellos war er mit dieser Bedingung einverstanden. »Wann?« »Später.« »Dann habe ich keine Zeit.« Kisame schnaubte. »Mach mir nichts vor. Zufällig weiß ich nämlich, dass deine zweite Vorlesung ausfällt.« Wenn er sich ertappt fühlte, dann verbarg Itachi das ziemlich gut. Dann seufzte er leise. »Und wo?« »Ich hab gehört, in der Mensa gibt es schön starken Kaffee.« »Ist aber nicht der beste Ort für ein Gespräch. Aber da ist ein Café gleich neben dem Campus…« »Mich interessiert aber nicht, was du willst«, sagte Kisame und ließ den Zigarettenstummel fallen, um ihn auszutreten. »Ich kann nicht einfach abhauen, hab schließlich meinen Job zu erledigen.« Der junge Mann neben ihm schwieg, schien ihm nicht mehr widersprechen zu wollen. »Also dann. Ich komme halb zwölf rüber. Wehe, du versetzt mich, sonst lasse ich dich über die Lautsprecher ausrufen.« »Ich habe Sie schon verstanden«, fuhr Itachi auf, und Kisame war milde überrascht, als er den genervten Tonfall wahrnahm. Offenbar passte es ihm doch nicht, wenn man so willkürlich mit ihm umsprang. Gab also doch noch Hoffnung für ihn. Kisame konnte nicht anders, als ihn breit anzugrinsen. »Dann ist ja alles bestens.« Die Mensa war so groß, dass sie schon wieder unübersichtlich war, und Kisame hatte leise Zweifel, ob er Itachi auch in der Hauptbetriebszeit finden würde. Doch bis dahin war es noch etwas Zeit, und die Tische nur vereinzelt besetzt, weshalb es keine Herausforderung werden sollte. Er bestellte zwei Kaffee, und weil er nicht wusste, wie der Uchiha seinen mochte, packte er auch noch Zucker und Sahne auf das Tablett. Wider sein Erwarten saß Itachi nicht in der hintersten Ecke, sondern am Fenster. Ein aufgeschlagenes Buch lag vor ihm, und während er auf der einen Hand das Kinn abstützte, spielte die andere abwesend mit dem Lesezeichen. Er schien so in seine Literatur vertieft, dass er Kisame erst bemerkte, als dieser den Becher vor seiner Nase abstellte. Überrascht sah er von seinem Buch auf, von dem Kisame feststellte, dass es sich nicht um ein Lehrbuch oder Ähnliches zu handeln schien, sondern um einen Roman. Seltsam, er hätte wetten können, es mit einem Vollblutstreber zu tun zu haben. »Bedien dich ruhig«, meinte er und schob ihm das Tablett rüber, ehe er seinen eigenen Kaffee auf den Tisch abgestellte und sich dem Uchiha gegenüber setzte. »Danke.« Und Kisame wurde Zeuge, wie sich die Schwuchtel ernsthaft alle drei Zuckertütchen in den Becher entleerte und schließlich auch noch die zwei Sahnenäpfchen hinzugoss, ehe sie bedächtig mit dem Plastikstäbchen umrührte. Er selbst trank seinen Kaffee bevorzugt schwarz, und es würde ihn wundern, wenn das Gemisch in Itachis Becher überhaupt noch ansatzweise den originalen Geschmack aufwies. Kurz weilte die Stille zwischen ihnen, und während Itachi hochkonzentriert umrührte, musterte Kisame ihn unbemerkt. Ihm fiel auf, dass die dunklen Schatten hinter der Brille nicht mehr so stark ausgeprägt waren, als noch in der Woche zuvor, und überhaupt machte er einen gesünderen Eindruck. »Du hast ja lange Haare«, stellte er plötzlich fest. Und wie lang die waren. Er musste sie immer unter dem Mantel getragen haben, den Zopf verborgen vom Schal. Itachi sah ihn verdutzt an, hatte nicht mit so einer Bemerkung gerechnet. »Finden Sie das jetzt weibisch?«, fragte er verunsichert. »Nö. Wenn es einem steht, warum denn nicht?«, stellte er die Gegenfrage. »Aha…« Machte der sich ernsthaft Gedanken darüber, wie Kisame seine Haare fand? »Sieht gut aus«, fügte er daher noch an. Und er meinte, ein Lächeln über die schmalen Lippen huschen zu sehen. »Was ist eigentlich mit deiner Tasche passiert?«, nahm er das Gespräch wieder auf, nachdem Itachi mit seiner Umrühraktion fertig war. »Wie bitte?« »Mit deiner alten«, half Kisame ihm auf die Sprünge. »Kaputtgegangen oder so?« Dabei waren diese Dinger mit LKW-Plane extrem robust, er hatte seit Jahren auch so eine ähnliche. »Ach so«, murmelte Uchiha und klappte das Buch zu, legte es zur Seite. »Nein, gestohlen.« Und das sagte er einfach so, als wäre es nicht weiter wichtig. »Weißt du, wer das war?« »Ich denke schon.« Kisame merkte, wie die Verärgerung in ihm hochkroch. »Und du unternimmst nichts dagegen«, vermutete er, auch wenn er glaubte, die Antwort bereits zu wissen. Das konnte doch nicht wahr sein! War der Kerl wirklich ein Masochist, oder hatte er einfach zu viel Taschengeld? »Was würde das auch bringen?«, gab er teilnahmslos zurück und legte die Finger abwesend um den warmen Becher. »Bis auf einen Block, einen Kuli und Taschentücher war sie sowieso leer.« Er machte eine kleine Pause. »Ich hefte meine Notizen jeden Abend aus, und Wertsachen trage ich stets bei mir.« Das klang ganz danach, als würde der Uchiha jeden Tag damit rechnen, dass etwas Derartiges passieren könnte. »Und was machst du, wenn man dir die Jacke klaut?«, fragte Kisame gehässig, »Oder die Hose?« »Alles ist zu ersetzen«, kam es leise zurück. Kisame hatte dafür nur ein entrüstetes Schnauben übrig. Solange es sich um materielle Dinge handelte, mochte das vielleicht stimmen. Aber die eigene Gesundheit ließ sich nicht umtauschen… von der persönlichen Würde ganz zu schweigen. Doch er ging nicht darauf ein, schließlich hatte er nicht ewig Zeit, und Itachi schien auch nicht interessiert zu sein, die Diskussion in diese Richtung weiterzuspinnen. »Bist du eigentlich wirklich schwul?« Itachi zog verwirrt die Brauen zusammen und sah von der Tischplatte zu ihm auf. »Glauben sie nicht, ich würde es dementieren, wenn es nicht der Fall wäre?« »Ganz ehrlich? Nein.« Dabei passierte es eigentlich recht selten, dass Kisame jemanden nicht einzuschätzen vermochte. Irgendwo waren sich die Menschen doch alle ähnlich, und meistens überwog der Egoismus, da war er selbst keine Ausnahme. Uchiha Itachi vermittelte ihm jedoch den Eindruck, als unterdrücke er sämtliche Überlebensinstinkte, aus welchem Grund auch immer. »Okay… Also ja, ich bin wirklich homosexuell.« »Zufällig Masochist?« Den konnte Kisame sich nicht verkneifen. Unangebracht war es sicherlich, und es hätte ihn auch nicht gewundert, sollte Itachi sich nun beleidigt aus dem Staub machen, doch der nahm das gelassen auf. Er schmunzelte sogar. »Ein bisschen.« Wenigstens war er ehrlich. »Das ist aber nicht der Grund, weshalb du dich nicht wehrst«, stellte er fest und beobachtete jede Regung des Uchiha, in der Hoffnung, irgendwas möge ihn verraten. Doch dessen Gesicht blieb glatt, unverändert, nur die anfängliche Erheiterung verschwand so schnell, wie sie gekommen war. »Weshalb wollten Sie wirklich mit mir reden, Hoshigaki-san?«, fragte der junge Mann stattdessen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Weil ich wissen will, was mit dir nicht stimmt.« »Mit mir ist alles in Ordnung«, kam es lapidar zurück, doch der Blick, dem Kisame begegnete, war pures Eis. Kisame war kurz davor, zu knurren. »Und warum hassen sie dich dann alle?« »Sie haben doch gehört, was sie mir am Bahnhof hinterhergerufen haben.« »Du bist keinesfalls die einzige Schwuchtel an der Uni«, warf Kisame ein und erwiderte Uchihas Blick nicht weniger grimmig. »Nur hat keine von denen einen so großen Fanclub wie du.« »Ich habe ihnen nichts getan.« Er beugte sich vor. »Versuch nicht, mich zu verarschen«, raunte er dunkel zurück. »Keine Ahnung, was du der Polizei erzählt hast, aber ich bin keiner von denen, klar? Mag sein, dass du unschuldig bist, aber irgendwo steckst du mit drin.« Doch der Uchiha schien sich nicht einschüchtern zu lassen, sondern nahm ganz gelassen einen Schluck von seinem ruinierten Kaffee. So selbstsicher gefiel er Kisame schon deutlich besser, auch wenn er auf mehr Kooperation gehofft hätte. Er verstand es nicht, wieso Itachi sich auf der einen Seite nicht gegen die alltägliche Schikane wehrte, und Kisame auf der anderen Seite die kalte Schulter zeigte, wenn er ihm mehr anbieten wollte, als die Erlaubnis, ihn als Schutzsphäre zu benutzen. »Und was versprechen Sie sich davon, wenn ich Ihnen antworte?« »Ich könnte dir besser helfen?«, schlug Kisame vor. »Ich fürchte, dafür ist es zu spät«, wich Uchiha ihm aalglatt aus. »Dann hilf mir wenigstens, den ganzen Mist zu verstehen.« Die dunklen Augen blickten ihm unnachgiebig entgegen. »Was auch immer Sie unternehmen, Sie können nichts davon rückgängig machen.« »Ich liebe Herausforderungen.« Itachi schlug resigniert die Augen nieder, und nippte erneut an seinem Becher, wahrscheinlich um Zeit zu schinden. Kisame richtete sich auf. »Ich schlage vor, du erzählst mir einfach die Wahrheit, wieso du so unbeliebt bist und was du mit dem Anschlag zu tun hattest. Oder was auch nicht. Und dann werde ich sehen, was ich für dich tun kann. Okay?« Der Uchiha zögerte einen Moment, ehe er seinen Becher abstellte. »Da gibt es nicht viel zu erzählen«, erklärte er und neigte den Kopf leicht zur Seite. »Ich war mit dem Attentäter… befreundet. Und als die Bombe hochging, haben sie natürlich mich verdächtigt, davon gewusst zu haben, ihn möglichweise noch unterstützt zu haben. Dabei habe ich von ihm nichts mehr gehört, seit er die Uni verlassen hat.« Ungeduldig runzelte er die Stirn. »Und weiter?« »Das war alles.« »Und warum versuchst du dann nicht, sie von der Wahrheit zu überzeugen?« Im selben Moment kam ihm der Moment im Auditorium in den Sinn, wie sie alle zu ihm hochgesehen hatten. Womöglich würde es ein ganzes Leben dauern, die halbe Uni zu bekehren… kein Wunder, dass ihm da der Elan fehlte, auch nur irgendetwas zu ändern. »Es würde nichts ändern«, sagte der Uchiha, und der bittere Klang in seiner Stimme ließ durchblicken, dass es ihm nicht so leicht fiel, wie er sich gab. »Wahrscheinlich hätte ich von Anfang an mehr versuchen sollen, Deidara von seinem Kurs abzubringen… ihm zeigen, sie nicht so aggressiv mit seinen Neigungen zu konfrontieren. Aber nun ist es zu spät, ich habe versagt, und deshalb kann ich die Anderen auch verstehen, wenn sie mich dafür hassen. Was nicht heißt, dass ich es akzeptiere, wenn sie mich beschimpfen oder bestehlen«, warf er ein, als er Kisames skeptischen Blick bemerkte. »Doch wenn ich ihnen mit Gegengewalt antworte, bin ich keinen Deut besser als sie… und solange sie die Grenze nicht überschreiten, komme ich damit auch klar.« Es lag ihm auf der Zunge, dem Uchiha deutlich zu machen, dass er eben nicht damit klar kommen musste, schließlich war Kisame nun hier und willig, ihm zu helfen. Doch irgendetwas sagte ihm, sich vorerst zurückzuziehen und eine zweite Meinung dazu einzuholen, ehe er vorwärtspreschte. Vielleicht sollte er Mei kontaktieren, denn mit ihren Kontakten zur Polizei fand sie am ehesten noch etwas raus… Zum Nachdenken hatte er nun genug. »Du bist unmöglich«, sagte er stattdessen und griff nach seinem Kaffee. »Wahrscheinlich, ja.« Itachi lächelte schwach vor sich hin. »Und Sie wollen einem hoffnungslosen Fall wie mir wirklich helfen? Wieso?« Eiskalt ertappt zog er sich innerlich zurück, als Itachi eben jene Fragen stellte, die er sich seit ihrer ersten Begegnung zu beantworten versuchte. Es mochte sein Job sein, doch das erklärte nicht, warum er sich so ins Zeug legte. Mitleid war es ganz bestimmt nicht, und er versprach sich auch nichts davon, dem Uchiha zu helfen. Er konnte ihn nicht mal besonders gut leiden… Vielleicht war das mit dem hobbylosen Schutzengel doch nicht so abwegig. Entsetzt schüttelte Kisame den Kopf, verdrängte das lächerliche Bild. »Ich habe keine Ahnung…« Manchmal war die Wahrheit wirklich bedauernswert.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)