Tochter Nicholas von -Tetsuki- ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Meine Mutter war enttäuscht von mir. Nicht nur, dass ich die Halbjährigen Heil-Prüfungen nicht bestanden hatte, nein ich bekam es nicht einmal hin die Richter davon zu überzeugen, dass ich dazu geeignet sei den Prinzen zu umwerben – nicht, dass ich Letzteres je vor gehabt hätte. Nun saß ich an meinem Schreibtisch und lernte nochmal fleißig die theoretischen Aufgaben, um die Nachprüfungen bestehen zu können. Die Klasse in Heilkunde wollte ich nicht wiederholen müssen. Warum um alles in der Welt musste ich bei Prüfungen auch immer so verdammt nervös sein und nichts auf die Reihe bekommen? Im Unterricht war es doch auch nicht so schwierig. Seufzend raufte ich mir die Haare und ließ mein Blick zum gefühlten tausendsten Mal über den Zauber gleiten. Eigentlich ganz einfach. Zuerst die Energie bündeln, dem Strom anpassen und schließlich die Wunde schließen. Mindestens vierunddreißig Mal hatte ich es schon getan und es hatte funktioniert. Warum um alles in der Welt also nicht auch in der bescheuerten Prüfung? Genervt stand ich auf. Auf halben Weg in die Küche kam meine Mutter mir entgegen und verkündete, dass das Essen fertig sei. Lächelnd bedankte ich mich für die Information und tat so als wollte ich zur Toilette gehen, nicht das sie auch noch dachte ich würde nicht lernen. Im Bad angekommen verdrehte ich die Augen, während ich mich im Spiegel betrachtete. Meine braunen Haare, die einen leichten Rotschimmer hatten, fielen mir offen über die Schultern. Sie sahen in meinen Augen unnatürlich glatt aus, was sie auch waren, da ich sie geglättet und hochgesteckt hatte für das Carsting. Nun fingen sie an sich wieder leicht zu kräuseln, was einfach nur grässlich aussah. Wenn sie in ihrer ursprünglichen Form zurückgegangen waren würde ich erst wieder hinaus gehen. Sie wären dann zwar nur halb so lang und würden mir nur bis knapp zu den Brüsten reichen, doch das war vollkommen in Ordnung so. Was hatte der Prinz nur für ein Fittich mit Haaren, die bis zum Po-Ansatz gingen? Ich schüttelte den Kopf, blinzelte einige Male mit den Augen und entfernte den verschmierten Eyeliner, wozu ich erst jetzt Lust zu hatte. Ich hatte nicht geweint, weil ich nicht nach Heiden fliegen würde wie einige Andere, aber ich hatte die schlechte Angewohnheit mein Make-up immer mit den Händen zu verwischen – warum musste das Zeug beim trocknen auch so verdammt jucken? Als ich fertig war und mein Gesicht wieder wie immer Aussah lächelte ich mir selbst zu und versprach mir im Mondschein zu den heißen Quellen zu gehen. Auch wenn meine Mutter der Meinung war, dass nur das Sonnenlicht positive Energie in den Körper fließen lies so war ich es nicht. Ich mochte die Nacht – vor allem wenn der Vollmond schien. Etwas entspannter ging ich in die Küche und setzte mich an den bereits gedeckten Essenstisch. Meine ältere Schwester und ihr Verlobter betrachteten mich missbilligend, was mir herzlich egal war. Ich mochte sie auch nicht besonders. Nun, meine Schwester schon, aber ihren Verlobten nicht. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich vermuten, dass er mit dem Prinzen verwandt ist – genau so kalt, genau so herzlos. Keine Ahnung, was meine Schwester an ihn findet. „Du könntest uns ruhig helfen, junge Dame“, tadelte mich der einzige Mann im Zimmer, den ich gekonnt ignorierte. Sollte er doch denken was er wollte. „Dein zukünftiger Ehemann wird sich dein Verhalten nicht lange ansehen wollen.“ Ich blickte zu ihm auf und klimperte mit den Augen. „Vielleicht komme ich aber auch einfach nach meinem Vater und bin mehr ein Reinblut als Fera“, erwiederte ich und erinnerte ihn somit daran, dass meine Schwester sich niemals verwandeln wird. Reinblüter konnten es von Geburt an, bei Halbblütern oder darunter würde die Gestallt niemals zum Vorschein kommen. Ich hatte noch vier Monate Zeit bis sich herausstellen würde, ob ich über den Halbblütern stand oder zu ihnen gehörte. An meinem achtzehnten Geburtstag würde ich wissen, welches Blut ich mehr in mir hatte. Das Blut meines Vaters, der im zehnjährigen Krieg gefallen war und ein Reiblüter war, oder nach meiner Mutter für die mein Vater alles aufgegeben hätte, auch wenn sie eine Nichtblüterin war. Mein Vater gehörte der Garde des Königs an, weshalb er trotz der Heirat einer Nichtblüterin in Heiden bleiben konnte – mitsamt seiner Familie. Was damals, vor dem Krieg, ihn, meine Mutter, meine drei Jahre alte Schwester und mich als drei Monate altes Kind bedeutete. Nachdem er relativ am Anfang des Krieges gefallen war lebte meine Mutter mit uns noch zwei Monate in Heiden ehe sie ausgewiesen wurde. Schon zu der Zeit wurden die Heilmittel knapp, weshalb man Krankheiten vorbeugte indem man unreines Blut aus Heiden entfernte. Vier Jahre später brach eine Massen Hungersnot aus. Meine Mutter hatte ihren gesamten Schmuck verkauft, den sie von Vater bekommen hatte, um sich, meine Schwester und mich ernähren zu können. Nachdem nur noch zwei Ketten übrig gewesen waren kam der König von Vehalla unserem König zu Hilfe – Es gab wieder reichlich Essen und auch die Heilmittel waren zur Genüge vorhanden. Doch unsere Mutter konnte nicht wieder in das Haus unseres Vaters einziehen, da sie eine Nichtblüterin war. Sie zog meine Schwester und mich fern ab von Heiden auf, da die Preise um die Kuppel der Hauptstadt nicht zu zahlen waren. Das alles hatte zwar nichts mit dem Verlobten meiner Schwester zu tun, aber ich hatte eine sehr gute Chance nach meinem Achtzehnten Geburtstag noch einen Mann zu finden, vor allem aber konnte ich darum bitten nach Heide gelassen zu werden, um dort einen Reinblüter zu heiraten. Es würde schwierig werden, aber nicht mehr so unmöglich wie es im Moment für mich schien. Auch wenn meine Mutter sich darum bemühte einen Ehemann für mich zu finden, so war es doch eigentlich der Vater der sich um diese Belange kümmern würde und Niemand meine Mutter für ernst nahm, wenn man ihr überhaupt glaubte, dass ihr Mann im Krieg gestorben war. Wir hatten keine Erinnerungen an ihn. Allesamt hatte sie sie verkauft. Auch den Nachnamen von meinem Vater wurde ihr abgenommen, als sie aus Heiden ausgewiesen wurde. „Es wäre für dich zumindest eine Möglichkeit noch einen Ehemann zu finden.“ Oh man, wie ich diesen Typen verabscheute. Dabei lag es nun wirklich nicht an mir. Ich war eine wohl geformte junge Dame, die ihren Reiz hatte – sollte man den Blicken vertrauen, die mir zugeworfen wurden, wenn ich auf den Markt einkaufen ging. Und auch die Väter mit denen meine Mutter gesprochen hatte zeigten Interesse im Sinne ihrer Söhne, nur schreckte die Herkunft meiner Mutter ab und auch, dass meine Schwester eine Halbblüterin war – wenn sie nicht darunter lag. So gesehen hatte meine Schwester Glück gehabt, dass sie die Erstgeborene war. Bei mir kamen zu viele Vorurteile ins Spiel und so wurde ich immer abgewiesen. Ich nahm es nicht so schwer wie meine Mutter, da mir bisher nur einer der Männer annähernd gefallen hatte. Dabei suchte sie schon in den Unteren Schichten der Blüter. Gerade noch so, dass die Söhne sich verwandeln konnten oder es könnten. Bei Männern kam die Fähigkeit, sofern sie Halbblüter waren, die die Fähigkeit besaßen, zwischen Achtzehnten und Zwanzig. Das hatte irgendetwas mit ihren Testosteron zu tun. Diese Unterrichtsstunden würden aber erst im nächsten Halbjahr kommen – sollte ich die Halbjährlichen Prüfungen bestehen. Besser Gesagt die Halbjährliche Heil-Prüfungen. „Mutter? Kann ich nach dem Abendessen zu den Heißen Quellen gehen?“, fragte ich meine Mutter statt Herrn Besserwisser zu antworten. Die Angesprochene stellte den Nudeltopf auf den Tisch und setzte sich neben mich. Mit einer kleinen Falte zwischen den Augenbrauen nickte sie. „Aber bleib nicht zu lange. Der Mond wird dir so oder so keine Kraft geben können für Morgen. Außerdem solltest du lieber ausgeschlafen sein, statt zu lange draußen rum zu rennen.“ „Natürlich Mama.“ „Und halte dich an meine Verbote.“ „Ja Mama. Ich werde schon nicht verloren gehen.“ Ich lächelte sie an, doch innerlich verdrehte ich die Augen. Sie war manchmal so überfürsorglich! Nachdem ich das Essen überlebt hatte und mir noch einige Sachen anhören musste wie ungeeignet ich doch sei und mir ein Beispiel an meiner Schwester nehmen sollte, war ich kurz nach Sonnenuntergang auf dem Weg zu den heißen Quellen. Meinen Bikini hatte ich mir bereits unter gezogen und hatte mir ein Badelaken aus dem Schrank geholt. Der Weg war nicht weit und schon nach kurzer Zeit sah ich den Dampf in den Himmel aufsteigen. Auch würde es bald sehr dunkel sein, da die Sonne bereits unter gegangen war und der Mond noch eine Stunde auf sich warten lassen würde. Nur die Sterne glitzerten vor sich hin und erleuchteten den Kleinen Pfad. Ein Mann war bereits in einer der heißen Quellen und döste vor sich hin. Aufgrund meines eigenen guten Verstandes setzte ich mich in die andere Quelle nachdem ich mich ausgezogen hatte. Nicht nur das meine Mutter durchdrehen würde, wenn ich meine so oder so schon geringen Chancen noch weiter verschlechtern würde indem ich mich zu einem Fremden setzte, sonder auch ich hatte meine bedenken bei dem Gedanken alleine bei einem Mann zu sitzen. Nur im Bikini. Nachts. Ich seufzte leise und wohlig umgeben vom warmen Wasser. Es tat gut einfach mal all meine Probleme zu vergessen. Mir war ja selbst bewusst, dass ich es vergeigt hatte nach Heiden zu kommen – obwohl ich allein für mein Aussehen nicht viel konnte, da die Gene von meinen Eltern kommen – und stattdessen der Glücklichen halt gegeben habe statt sie einfach umkippen zu lassen, wie L-irgendwas. Meine Heiratschancen waren nicht besser, obwohl ich auch dafür nichts konnte. Einzig und allen meine Schuld war wirklich, dass ich die bescheuerte Heil-Prüfung in den Sand gesetzt hatte. Wobei … eigentlich war es auch nicht meine Entscheidung diesen Ausbildungsweg zu gehen. Meine Mutter war der Überzeugung gewesen, dass dies der richtige Weg für mich sei, da meine Schwester bereits den Medizinischen Weg eingeschlagen hatte. „Und dann sagt nochmal einer ich könnte was dafür.“ Okay, ich hätte auch fast jede andere Prüfung vergeigt. Ich konnte das einfach nicht. Wenn ich nicht wüsste, dass es eine wäre, dann hätte ich damit wirklich keine Schwierigkeiten. „Wer sagt, dass du für was etwas kannst?“ Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und sah schockiert zu den Mann in der anderen Quelle. „Du denkst zu laut. Da kann ich ja alles mithören“, sagte er mit einem grinsen im Gesicht. Erst da bemerkte ich, dass ich wieder Selbstgespräche geführt hatte. Na super. Und das mitten in der Nacht vor einem Fremden im Bikini. Und nebenbei gesagt auch noch nicht vergeben. Oh und natürlich dass ich schlecht über alles mögliche geredet hatte. Aber sonst war alles super in mein Leben. Wenn man mal davon absah, dass Lina morgen auch noch nach Heiden ziehen würde um zu heiraten. Warum bekam sie eigentlich immer alles was sie wollte? „Also meine Hübsche. Wie lautet deine Antwort.“ Ich ordnete meine Gedanken, dann blickte ich den Fremden in die Augen und antwortete: „Ich wüsste nicht, was Sie das angehen würde.“ Auf sein 'meine Hübsche' ging ich gar nicht erst ein. „Das ist aber keine zufriedenstellende Antwort. Dabei habe ich mich sogar benommen bis jetzt.“ Noch immer hielt ich Augenkontakt, was mir nicht leicht fiel, doch schließlich mochten die meisten Männer keine Dominanten Frauen, was ich nun mal war. „Ich hoffe doch sehr, dass Sie sich weiterhin benehmen werden.“ Seine Mundwinkel zuckten nach oben und ich wusste nicht, ob mir diese Geste gefiel. Nun um ehrlich zu sein gefiel sie mir und das wiederum gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht. Ich atmete tief ein, dann nickte ich ihm höflich zu und wandte mich ab während ich entgegnete: „Wenn Sie so freundlich wären und mich wieder zu meinen Gedanken zurück kehren lassen?“ Es war als Frage gestellt, doch im Grunde genommen war es keine. „Für was kannst du nichts, was man dir anhängt?“ Ich ignorierte seine Frage, konzentrierte mich auf meine Atmung und legte meinen Kopf auf den Rand der Quelle. „Ich rede mit dir. Es ist sehr unhöflich seinen Gesprächspartner zu ignorieren.“ Ich spürte kleine Wellen an meinem Körper und öffnete meine geschlossenen Augen. Er hatte kein Geräusch gemacht, als er die Quelle gewechselt hatte. Unheimlich. „Also?“ „Führen Sie immer einen Monolog, wenn sie mit Anderen sprechen möchten, die nicht mal ansatzweise etwas mit Ihnen zu tun haben möchten?“ „Ich führe Dialoge, wenn ich der Meinung bin, dass mein Gegenüber mir etwas zu sagen hat.“ Blinzelnd sah ich ihn an. Ich hatte verloren. Verdammt, warum musste ich auch blinzeln? „Und schon wieder vergeigt“, murmelte ich bevor ich eine grimmige Mine machte. „Ich führe keinen Dialog mit Ihnen.“ „Du antwortest mir. Also ist es ein Dialog. Kein Monolog.“ Verdammt! Warum musste er das bemerkt haben? Er war nicht so dumm wie ich gehofft hatte. Also gab ich mich geschlagen und erzählte ihm vom Carsting. Nur vom Carsting. Den Rest brauchte er nicht zu wissen. „Ah du bist also Inea.“ Ich bestätigte seine Feststellung und rückte etwas von ihm ab. „Mein Bruder war ganz schön begeistert von dir, als du Miranda geholfen hattest. Obwohl du sie hättest fallen lassen können.“ „Und was hätte mir das gebracht?“ Der Fremde zuckte mit den Schultern. „Samanta hatte sich jedenfalls nicht in die Öffentlichkeit gerückt. Was du getan hast. Ich weiß nicht, ob das so gut für dich sein wird.“ Samanta? Wer zum Teufel war Samata? Oder ist L-irgendwas gar nicht L-irgendwas sondern Samanta? Naja L oder S … ist doch Beides ein Buchstabe! „Und was geht Sie das an, wenn ich Fragen darf?“ Der Fremde wollte meine Frage beantworten, schloss jedoch den Mund und erstarrte. Ich zog die Augenbrauen zusammen. Erst zwang er mich mit ihm zu kommunizieren und nun wurde er wie Stein. „Was haben Sie den je-“ Mit einer Handbewegung brachte er mich zum schweigen, was normalerweise nur meine Lehrer und meine Mutter konnten. Vielleicht auch noch meine Schwester, wenn sie wirklich wollte. Wut stieg in mir auf. Er konnte mich so einfach Dominieren, was ich so gar nicht mochte. „Komm mit.“ Er griff nach meiner Hand, die ich ihm sofort wieder entzog. Ein knappes „nein“ war meine Antwort. Ein tiefes Knurren ertönte aus seiner Kehle und es war mit Sicherheit nicht Menschlich. Meine Nackenhaare stellten sich auf und mein Herzschlag erhöhte sich. Ich bekam Angst und auch dieses Gefühl behagte mir ganz und gar nicht. Ich war nicht leicht zu ängstigen! „Komm mit“, wiederholte er knurrend, stand auf und reichte mir seine Hand. Wie bescheuert musste ich sein diese anzunehmen? „Ich soll nicht mit Fremden reden, geschweige den mit ihnen gehen.“ Ich blieb sitzen, versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr ich von hier weg wollte. Nun nicht von hier aber von ihm. Mit vor der Brust verschränkten Arme blickte ich ihm in die Augen. Mein Gegenüber verzog das Gesicht, doch er blickte kurz darauf auf einen Punkt hinter mir. Ich drehte mich nicht um. Auf solche Spielchen ließ ich mich gar nicht erst ein. In seinen Augen funkelte Zorn auf, als er wieder mich fixierte. Dieser Mann wusste, wie man Menschen Angst einjagte. Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte mich wieder zu entspannen. „Beweg dich nicht“, wies er mich an. Verständnislos starrte ich in seine gelbgrünen Augen – waren sie nicht eben noch braun gewesen? Noch bevor ich mir darüber Gedanken machen konnte, berührte etwas meinen Nacken, streifte daran entlang. Ich schluckte und zwang meinen Körper ruhig zu bleiben. Als das Etwas verschwunden war stand ich ruckartig auf. „Was war das?“ Meine Stimme war voller Panik. Dann steifte mich wieder Etwas, dieses Mal an meinem Bein. Nicht wissend wie mir geschah kniff ich meine Augen zusammen und schrie auf. Mein eigener Schrei klang in meinen Ohren weit entfernt. Ich krallte mich in das weiche Fell unter mir und betete, dass ich das alles lebend überstehen würde. Moment mal – Fell? Tief durchatmend festigte ich meinen Griff und war froh nicht mehr im heißen Wasser der Quelle zu sein – dort wo dieses Ding war. Nur war jetzt die Frage auf welchen anderen Ding ich saß. Irgendwo in meinem Verstand sagte mir etwas, dass es der Fremde sein musste, da ich mich nicht verwandelt habe, falls ich es je können würde und Weit und Breit nur der Fremde in meiner Nähe war. ~Da du gegen eine deiner Regeln bereits verstoßen hast, kannst du es auch mit deiner Anderen tun und mitkommen.~ Die Worte schossen in meinen Kopf, doch wie war das möglich? Ich hatte weder meine Schilde gesengt, noch war ich in einer Beziehung mit diesen Mann. Ich zitterte. Dieser Fremde war unheimlich. Nicht nur weil er meine Schilde Umgehen konnte, sondern auch, weil er es schaffte mich unterlegen zu fühlen. Was ich ihm gegenüber wohl auch war. „Was war das in der Quelle?“, fragte ich mit noch immer verschlossenen Augen. ~Wehrschlangen. Von den Wehrwesen hast du hoffentlich schon gehört. Die Wehrschlangen sind sehr giftig und intelligent.~ Es gab also auch Schlangen unter den Wehrwesen … Das war mir nicht bekannt. Wehrwesen wandelten sich zwar in ihre Tiergestalt aber sie konnten es nicht kontrolliert tun. Zumeist wandelten sie sich im Mondschein. Langsam öffnete ich meine Augen und bemerkte erst jetzt, dass wir flogen. In der Luft. Natürlich flogen wir in der Luft, aber es kam so plötzlich, dass ich es nicht ganz verarbeiten konnte. Ich sah nach unten, wo ich einige schimmernde, längliche Dinge auf dem Boden sah. Die Wehrschlangen. Sie waren wirklich hübsch, wenn sie so im Mondlicht schimmerten. Dann erblickte ich eine Wehrschlange an der … Tatze meines Retters, alias Fremden.“Sagtest du nicht, dass die Schlangen giftig seien?“ Das war zwar nicht die Frage die ich stellen wollte, aber nun wartete ich auf eine Antwort. Wobei ich am liebsten gar keine bekommen wollte. Es war so unangenehm einen Fremden in meinem Kopf zu hören. ~Schlangen sind nicht so giftig wie Wehrschlangen. Und diese hier ist nicht betäubend. Ich werde uns etwas abseits der Quelle wieder auf den Boden bringen.~ Ruckartig hob ich den Kopf und starrte auf die volle Mähne des Adlerkopfes vor mir. Ein Greif, schoss es mir durch den Kopf, doch dieses Mal waren es nur meine eigenen Gedanken. Dann erinnerte ich mich an seine Worte. Wenn das Gift nicht betäubend wirkte, dann tötete es sofort. „Und wie kannst du dann so ruhig bleiben?“ Meine Stimme überschlug sich, doch ich hörte nur ein Knurren, als ich mich bewegte, um ihn zum landen zu zwingen. Erfolglos. ~Sollte ich vor Panik so reagieren wie du?~ Purer Sarkasmus in meinem Kopf, als er seine Frage stellte. „Was weiß ich. Ich kann mich nicht wandeln. Oder fliegen. Oder sonst irgendwas! Ich weiß nur, dass das Gift in deinen Zellen die Apoptose einleitet. Und das wird dich in kürzester Zeit umbringen! Ich jedenfalls möchte nicht abstürzen, wenn das Gift deine Lunge oder Herz erreicht.“ Ja ich hatte Panik. Zumindest ich würden den Sturz aus dieser Höhe nicht überleben und das dürfte Grund genug sein. Der Fremde schien sich meine Worte zu Herzen genommen zu haben. Er ging in den Singflug – woher kannte ich dieses Wort? Ich war noch nie geflogen. Als ich wieder festen Boden unter mir spürte entspannte ich mich ein wenig und blickte zu dem Greifen. Die Wehrschlange war verschwunden. An der Stelle wo sie hätte sein sollen war das Fell feucht vom Blut, dass nun durch die Bisswunde fließen musste. Okay, wie war das nochmal? Energie bündeln, fokussieren, die Arterien entlang fließen lassen und das Gift langsam hinaus drücken. Vorzugsweise durch die bereits vorhandene Wunde. Anschließend die Wunde verschließen. Eigentlich ganz einfach, wobei die Betonung auf dem ersten Wort liegt. Eigentlich. Wir hatten das im Unterricht bisher nur theoretisch durch genommen. Ich spürte wie der Greif mich mich musterte. Wie eine Katze, nur dass diese Katze die Augen eines Adlers hatten und auch diese sich in meinen Kopf zu bohren schienen. Nach kurzen zögern und mit der Gewissheit, dass ich etwas tun musste um das Gift aufzuhalten, trat ich einen Schritt auf den Fremden zu. Geschmeidig wich er zurück. Wie eine Katze – mit Adlerschwingen. Verwirrt blieb ich stehen, nicht weil er zurückgewichen war, nein das hatte ich mir schon fast gedacht, da Katzen normalerweise scheu sind. Ebenso wie Adler. Aber woher kam die Schwingen? Sagte man nicht Flügel dazu? Erst seine Stimme in meinem Kopf holte mich aus meinen Grübeleien hinaus. ~Welchen Jahrgang gehörst du an?~ Ich schluckte. „Das wird sich morgen raus stellen.“ Es war allgemein Bekannt, dass die Prüfungen bereits abgeschlossen waren und nun die Nachprüfungen anstanden. An seinem Gesichtsausdruck konnte ich nichts erkennen, doch ich war mir sicher, dass er sich nun gut überlegte, was er tat. Einige Sekunden verstrichen schweigend, bis er sich schließlich entschieden hatte. Geräuschlos ließ der Greif sich nieder, streckte die verletzte Tatze aus und sah mich abwartend an. ~Du hast Grundkenntnisse von Giften, also musst du bereits erste Schritte gelernt haben diese zu entfernen. Was wiederum bedeutet, dass du im fünften Jahr warst oder bleiben wirst. Ich werde ruhig liegen bleiben. Versuche es.~ Er sprach es nicht aus, aber er hatte nichts zu verlieren. Entweder machte ich einen fatalen Fehler und er würde schlimmstenfalls daran sterben oder ich machte gar nichts und das Gift würde ihn umbringen. Mit zitternden Händen ging ich auf ihn zu, kniete mich neben seine Tatze und betrachtete sie. Kaum zu glauben wie groß sie war. Ich berührte das Fell, welches sich feucht und stumpf anfühlte. Nicht so weich wie das an seinem Rücken, doch das war vielleicht das Gift, das sich mit dem austretenden Blut verteilte. „Ich sehe die Wunde nicht“, murmelte ich und rückte etwas zur Seite, damit ich wenigstens etwas Licht vom Mond hatte. Und ich war auch nicht im fünften Jahrgang gewesen. Ich war im Vierten. Vorsichtig strich ich das Fell gegen den Strich, um nach dem Biss zu suchen. Als ich fündig geworden bin zuckte die Tatze minimal und ich bemerkte wie sie sich verkrampfte. „Tut mir Leid.“ Ich erhielt keine Antwort, doch sein Blick ruhte weiterhin auf mir. Nachdem ich tief durchgeatmet hatte bündelte ich meine Energie, fokussierte sie darauf das Gift ausfindig zu machen und ließ sie anschließend durch seine Arterien fließen. Es war ein ganz anderes Gefühl meine Energie durch seine Blutbahnen zu spüren als bei den praktischen Übungen im Unterricht. So viel mehr eigene Energie besaß er und ich merkte auch wie er sich bemühte diese zu unterdrücken um meiner platz zu machen. Als ich schließlich das Gift soweit identifiziert hatte um es hinaus zu drücken merkte ich wie meine Energie die von dem Fremden dominierte und ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. Zwar wusste ich, dass ich es nur schaffte weil er es zuließ, aber es war ein gutes Gefühl die Energie eines Reinblüters leiten zu können. Ich war mir sicher, dass er ein Reinblüter war. Schließlich war seine Energie so machtvoll, dass es bei weiten alle unsere Testpersonen, bei denen ich einmal einen Blüter bekommen hatte, der zu dreiviertel rein war, übertraf. Nachdem ich das Gift hinaus gedrückt hatte schloss ich die Bisswunde und blickte auf mein Werk. Die Tatze hatte einen schwarzen Schimmer angenommen und das Fell war verfilzt. Das Gift hatte ganze Arbeit geleistet und ich war froh, dass es nicht im Flug passiert war. ~Ist es normal, das Gift schwarz austritt?~ Bei der Stimme in meinem Kopf zuckte ich zusammen und sah in die gelbgrünen Augen des Greifen. Sein Blick war auf seine Tatze gerichtet auf der noch immer meine Hände lagen. „In den meisten Fällen schon“, antwortete ich, stand auf und betrachtete meine Finger. Sie waren voller Gift durchzogenen Blut und ich hatte keine Möglichkeit sie zu waschen. Angewidert schmierte ich die klebrige Flüssigkeit in das Gras unter mir um das meiste ab zu bekommen, was mir auch ganz gut gelang. „Meinst du wir können zurück zu der Quelle? Meine Mutter dreht durch, wenn ich nicht bald nach Hause komme.“ Es war eine Lüge, aber ich war auf einmal müde und ausgelaugt. Zudem wurde es wirklich langsam spät. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)