Sanfte Sehnsucht von Varlet ================================================================================ Kapitel 7: Hochzeit ------------------- Jodie gähnte. Es war ein Morgen wie immer. Fast immer. Heute – an einem Freitag - musste sie nicht arbeiten. Theoretisch hätte sie ausschlafen können. Leider sah die Realität anders aus. Der Wecker klingelte bereits um 7 Uhr und dieses Mal wünschte sie ihm den Tod. Wie gern hätte sie ihn gegen die Wand geworfen und es wie einen Unfall aussehen lassen. Jodie wusste nicht mehr, wann ihr letzter freier Tag gewesen war. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Seit sie in den aktiven Dienst versetzt wurde, hatten sich ihre Prioritäten verlagert. Sie wurde zum Workaholic. So auch am Tag zuvor. Sie hatte bis spät in der Nacht im Büro gesessen, Akten gewälzt und ihre E-Mails beantwortet. Und warum? Weil alle Kollegen aus ihren Löchern gekrochen kamen und sie mit Aufgaben überschütten wollten. Es war, als konnten sie ihren Urlaub riechen. Da Jodie allerdings keine E-Mail unbeantwortet lassen wollte, zog sich der Feierabend immer weiter in die Länge. Unglücklicherweise hatte sie auch verdrängt, dass es am nächsten Morgen früh aus den Federn ging. Jodie blickte verschlafen auf die Uhr. Warum musste es nur so früh sein? Aber sie hatte keine andere Wahl. Ihre beste Freundin aus Kindertagen heiratete und da durfte sie einfach nicht fehlen. Sie würde nicht nur ihre beste Freundin wiedersehen, auch deren Bruder – ihr erster Schwarm – sowie die Eltern würden dort sein. Und sicher würden alle wissen wollen, was aus ihr wurde und vor allem was mit ihrem Freund war. Leider hatte Jodie angegeben, dass sie nicht allein kommen würde. Und jetzt…jetzt musste er möglicherweise Arbeiten. Jodie schleifte sich ins Badezimmer und wusch sich das Gesicht. Mit ein wenig Schminke würde sie wieder vorzeigbar aussehen. Und wenn Shuichi da war, würde er seinen Blick nicht von ihr lassen können. Wenn. Er wollte zwar arbeiten, versprach ihr aber es wenigstens zu versuchen und zur Feier zu erscheinen. Wie sehr hätte sie sich später in der Kirche an ihn gelehnt und kurz die Augen geschlossen. Es hätte so romantisch werden können. Jodie schüttelte den Kopf und versuchte den Gedanken loszuwerden. Früher war sie nicht so. Sie war auf ein Ziel fokussiert und hatte nicht einmal zu träumen gewagt den Mann fürs Leben zu finden. Hin und wieder schwärmte sie für den einen oder anderen, es war aber nie etwas Ernstes. Heiraten kam für sie auch nicht in Frage. Warum auch? Es hätte wie bei ihrer Familie im Tod enden können. Und dann kam doch alles anders. Dann lernte sie ihn kennen. Es war nicht nur Liebe auf den ersten Blick, er war der Richtige für sie. Ihr Mann fürs Leben. Derjenige mit dem sie alt werden wollte. Unweigerlich musste Jodie bei dem Gedanken lächeln und ging zurück in ihr Schlafzimmer. Dort zog sie ihr neues Kleid an. Blau, obenrum mit Pailletten und unten rum leicht gewellt. Außerdem betonte es den Bereich um die Brust und die Taille. Jodie war zwar nicht dick, brauchte aber dennoch eine Weile um ein passendes Kleid zu finden. Keines zuvor hatte ihr gefallen oder passte zu den Feierlichkeiten. Dann aber lief alles magisch ab. Ehe sie sich versah, hatte sie sich in das Kleid verliebt, kurz darauf fand sie die passende Tasche, passende Schuhe und einen passenden Bolero. Es hätte nicht besser laufen können. Dennoch wusste sie, dass irgendwo ein Haken kommen würde. Fertig angezogen betrachtete sich Jodie im Spiegel. Später würde er sie so sehen und ihr die Sachen vom Leib ziehen. Allein bei dem Gedanken wurde ihr warm. Minuten später machte sie sich dann aber auch auf den Weg. Die Fahrt zur Kirche dauerte über eine Stunde – die Feier fand außerhalb von New York statt. Ihren Wagen parkte sie direkt am reservierten Hotel, da es von dort nur ein fünf Minuten Fußmarsch zur Kirche war. Jodie sah nach oben in den Himmel. Wenigstens spielte das Wetter mit, was ein gutes Zeichen war. Kaum sah sie sich um, erblickte sie die ersten Gäste der Hochzeit. Manchmal war Jodie auf ihre Freunde und auf die Kollegen neidisch. Sie hatten ihre Familie und waren nicht alleine. Der Vater ihrer besten Freundin würde diese an den Altar führen und später den bekannten Vater-Tochter-Tanz mit ihr bestreiten. Jetzt wusste Jodie nicht, ob die Hochzeit nicht eine Karussellfahrt der Gefühle werden würde. Die Chance war groß. Sie würde dauernd zwischen Freude und Trauer schwanken, verbot sich aber selbst Tränen der Trauer. „Jodie?“ Die Angesprochene drehte sich um. Matt – der Bruder ihrer besten Freundin – musterte sie mit seinen blauen Augen. „Hi, Matt. Wie geht’s dir?“, wollte sie von ihm wissen. Er lächelte zaghaft. „Gut und dir? Cath hat mir erzählt, dass du deinen Freund mitbringst. Wo steckt der denn?“ „Ich kann nicht klagen“, antwortete Jodie. „Der wurde noch bei der Arbeit aufgehalten. Aber er kommt zur Feier ins Hotel.“ Eine halbe Lüge war schließlich erlaubt. „Das will ich ihm auch geraten haben“, gab Matt von sich. „Wir sind schon gespannt wie er so ist.“ „Ihr werdet euch noch gedulden können. Die Hochzeit sollte im Vordergrund stehen.“ „Ja, ich weiß.“ Matt seufzte. „Mom und Dad drehen am Rad. Heut morgen waren sie der Meinung, ich müsste schon um 6 Uhr aufstehen…dabei muss ich gar nichts machen.“ Du sollst eben nicht zu spät kommen“, schmunzelte Jodie. „Und jetzt komm, sonst schaffen wir es wirklich nicht rechtzeitig in die Kirche. „Von mir aus“, murmelte Matt und bewegte sich mit Jodie auf die Kirche zu. Überraschenderweise hatte Jodie in der Kirche ihre Tränen nicht unterdrücken können. Die Zeremonie war schlicht gewesen, hatte aber das gewisse Etwas. Die Stimmung und die ausgewählte Musik passte z u diesem Tag. Und dann wurde ihr Herz schwer. Sie wurde überwältig von all den Emotionen und wünschte sich Shu an ihrer Seite. Innerlich hatte Jodie die winzige Hoffnung, dass er noch käme, aber immer wenn sie einen Blick nach hinten wagte, sah sie die gleichen Gäste. Nachdem sie der Braut gratulierte, wurden Fotos gemacht. Erst danach ging es wieder zum Hotel. Das Brautpaar hatte extra einen Raum gemietet. Nachdem Jodie ihren Platz einnahm, wurde der erste Gang des Essens ausgeteilt. Die ganze Feier war genau zeitlich abgestimmt. Es gab zuerst das Essen und zwischendurch ein paar Kleinigkeiten. Der engagierte DJ – der auch für die Unterhaltung zuständig war – führte durch die Spiele und ehe sich Jodie versah, waren einige Stunden vergangen. Während alle anderen ihren Spaß hatten, saß sie wie ein Tröpfchen Elend auf ihrem Platz. Sie vermisste ihn, wollte unbedingt mit ihm tanzen und sich an ihn schmiegen. Aber wenn es so weiter ging, blieb sie heute alleine. Aus ihrer Tasche zog Jodie das Handy heraus. Er hatte sich nicht gemeldet und auf keine Nachricht von ihr reagiert. Innerlich seufzte sie und wenn sie hochblickte, fühlte sie sich von den anderen Gästen beobachtet. Sie war die Einzige, die alleine war und deren rechter Platz unbesetzt war. Wieso hatte sie sich auch Hoffnungen gemacht? Sie hatte ihm nicht gesagt, wie sehr sie sich seine Anwesenheit wünschte. Deswegen durfte sie jetzt nicht bedrückt sein. Jodie zuckte zusammen als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Sie blickte nach hinten. „Shu?!“ „Tanzen?“ Die Angesprochene nickte. Sie nahm seine Hand, stand auf und ging mit ihm auf die Tanzfläche. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)