Sanfte Sehnsucht von Varlet ================================================================================ Kapitel 11: Halloween --------------------- Als Jodie am frühen Morgen ihre Wohnung in New York verließ, hoffte sie auf einen ruhigen Arbeitstag. Seit zwei Monaten war sie nun für das FBI in der Niederlassung New York tätig und schon stand wieder einmal Halloween vor der Tür. Leider nahmen es manche Amerikaner viel zu ernst mit diesem Feiertag. Es war die Nacht der Geister und der Verkleidungen. In Wahrheit aber war es der Tag der Partys und der Irren und Verrückten. Zudem konnte man diese nicht voneinander unterschieden. Als Kind mochte sie den Tag. Sie liebte es sich jedes Jahr zu verkleiden. Prinzessin, Fee, Lamm und noch vieles mehr. Ihr Vater blockierte sich den Tag immer im Kalender und ging so jedes Jahr mit ihr auf die Jagd nach Süßem oder Saurem. Nach dem Tod ihrer Eltern wollte James mit ihr durch die Straße ziehen, aber Jodie hatte immer seltener Lust darauf. Je älter sie wurde, desto mehr mied sie die Zwanghaftigkeit an diesem Tag. Alle Welt erwartete, dass sie sich verkleidete und auf die Feier der Mitschüler ging. Nicht selten kam sie sich dort fehl am Platz vor und ließ sich später wieder abholen. Als Erwachsene war sie manchen Partys entkommen und je mehr sie in die Berufswelt kam, desto weniger Wert wurde auf eine Verkleidung gelegt. Zum Glück blieb das FBI von jedem Feiertag unberührt und es herrschte keine Kleiderordnung. Andererseits stellte sie sich trotz allem die Frage, wie manche Kollegen dieses Problem gelöst hätten. Aber das würde sie am Abend selbst herausfinden können. Jedes Jahr gab es eine kleine Feier im Gebäude – unglücklicherweise mit Kostümpflicht. Was sollte sie anziehen? Jodie wusste es einfach nicht. Vielleicht würde sie sich aus einem Laden einen Haarreif mit Teufelchen-Hörnern oder einen Heiligenschein besorgen und eine moderne Spezies darstellen. Wie oft sah man das im Fernsehen? Der Teufel oder ein Engel trug ganz normale Alltagskleidung und keiner hinterfragte dies. Aber ehe es soweit war, musste sie herausfinden wie ihre Kollegen am Abend kommen würden. Trugen sie richtige Kostüme oder zogen sie sich leger an? Je nachdem wie es werden würde, musste sie sich anpassen. Auf ihrem Weg zur Arbeit beobachtete Jodie die Passanten. Einige trugen bereits Kostüme, doch es hielt sich in Grenzen. „Das kann ja noch heiter werden“, sagte Jodie zu sich selbst. Halloween war neben Silvester ein Tag mit einer hohen Kriminalitätsrate. Es tummelten sich immer viel zu viele Menschen auf einem Platz. Die Gefahr mit einer Bombe die ganze Horde auszulöschen war groß. Außerdem floss massenweise Alkohol, der zu mehr verführte. Menschen wurden brutal, schlugen aufeinander ein oder überfielen sich gegenseitig. Vor allem für Frauen waren solche Tage die Schlimmsten. Man musste immer auf der Hut sein, sein Glas beobachten und Fremden schon aus Prinzip misstrauen. Leider machten viele Frauen genau das Gegenteil und wurden nachher von etwas Besserem belehrt. Von Ruhe würde heute weder FBI noch Polizei sprechen können. Jodie war froh, dass ihre Partnerin auf ein Kostüm während der Arbeit verzichtete. „Guten Morgen“, sprach die Agentin und stellte ihre Tasche auf den Schreibtisch. „Morgen.“ Shanna blickte auf. „Alles in Ordnung?“ „Hmm? Klar“, antwortete Jodie. „Heute wird nur ein anstrengender Tag werden.“ „Das kannst du laut sagen. Vor allem die Party am Abend.“ Jodie verzog das Gesicht. „Wir müssen da wirklich hin? Du kennst keine Möglichkeit damit wir doch noch drum herum kommen?“ „Es gibt kein Entkommen“, scherzte Shanna. „Außer du musst mit deiner Familie auf Süßigkeitenjagd gehen. Das wäre natürlich etwas Anderes.“ Shanna musterte sie. „Es wird schon nicht so schlimm werden. Du hättest mal letztes Jahr erleben müssen. Grayson war als Cowboy verkleidet und McAllister als Elfe. Es war wirklich sehr amüsant. Apropos Verkleidung, als was gehst du?“ „Ich habe keine Ahnung“, gestand Jodie. „Wahrscheinlich eine moderne Version eines Engels oder Teufels.“ „Mhm…“, murmelte Shanna. „Eigentlich würde ein Engel zu dir passen. Aber wenn du meine Meinung wissen willst, finde ich das ein wenig lahm. Engel kann jeder und bei einer FBI Agentin ist das auch nichts Neues. Zu Halloween muss schon eine Veränderung her. Besorg dir doch eine rote oder schwarze Perücke und geh als Teufel. Ich kann dich auch passend dazu schminken.“ Jodie lächelte leicht gezwungen. „Danke, das Schminken schaff ich schon. Das ist das kleinste Übel.“ *** Wütend schlug Shanna die Tür des Büros zu. „Dieser…dieser…argh…Idiot.“ Jodie sah hoch. „Alles in Ordnung?“ „Akai“, knurrte Shanna. „Wir hatten vor einiger Zeit zusammen an einem Fall gearbeitet. Die Sache war klar, der Bericht fertig und unterschriftsreich. Und was macht er? Er stellt jetzt alles in Frage.“ „Hat er dafür einen Anhaltspunkt?“, wollte Jodie wissen. „Natürlich nicht. Außer du gewichtest sein Bauchgefühl hoch.“ „Wie oft hatte sein Bauchgefühl denn Recht?“, fragte Jodie nach. Shanna knurrte leise. „Leider viel zu oft. Aber darum geht es nicht. Er ist erst seit einem Jahr hier und hält sich für sonst wer. Wie kann er einem höher stehenden Agenten sagen, dass etwas am Fall nicht stimmt? Er ist das, was wir als Grünschnabel bezeichnen.“ Jodie sah sie irritiert an. „Du bist das Küken“, antwortete die Agentin. „Akai meint immer alles besser zu wissen.“ Jodie wollte etwas erwidern, aber Shanna fiel ihr direkt ins Wort. „Untersteh dich.“ „Ich hab nichts gesagt.“ Jodie beobachtete ihre Kollegin. „Ihr versteht euch nicht sonderlich, oder?“ „Merkt man das so sehr?“ Shanna seufzte. „Eigentlich ist er ja ganz in Ordnung. Aber sag ihm bloß nicht, dass ich das gesagt habe. Manchmal ist er einfach so…argh…besserwisserisch und bringt mich damit auf die Palme. Ich weiß nicht, wie es sein Partner mit ihm aushält. Das Schlimme ist, er hat sehr häufig auch noch Recht.“ „Ist es nur das?“, wollte Jodie wissen. „Was sollte es sonst sein?“, kam es gleich von Shanna. „Oh…oh…du denkst doch nicht…er und ich…oh nein, nie, nein…er ist auch gar nicht mein Typ.“ „Wirklich?“ Jodie wurde hellhörig. Seit sie Akai das erste Mal traf, interessierte sie sich für ihn. Obwohl sie bisher kaum eine richtige Unterhaltung führten, fühlte sie die Anziehung zwischen ihnen. Aber wie sollte sie ihm nur näher kommen? Gerade beim FBI hatte sie es schwer genug. Und James wäre sicher auch nicht begeistert, wenn sie mit Akai zusammen käme. „Glaubst du mir etwa nicht?“, kam es von Shanna. Sie wirkte etwas angefressen. „Schau dir mal meinen Verlobten an, dann erkennst du schon noch warum ich nie etwas von Akai wollen würde.“ Du bist verlobt?“ „Hab ich das noch gar nicht erwähnt? Ja, ich bin verlobt.“ Sofort legte sich ein Grinsen auf ihre Lippen. „Ich trage den Ring als Kette um meinen Hals. Das ist einfach sicherer.“ Jodie fiel ein Stein vom Herzen. Wenigstens musste sie sich jetzt wegen Shanna keine Sorgen machen. Ihre Partnerin hatte so oft irgendeinen Streit mit Akai, dass es schon nach Was sich neckt, das liebt sich aussah. Aber nur weil Shanna kein Problem war, hieß es nicht, dass Shuichi Single war. Vielleicht gab es da draußen doch eine Frau. *** Jodie sah sich um Raum um. Irgendwie kam sie sich merkwürdig vor. Viele Agenten trugen ausgefallene Kostüme – so wie Shanna es prophezeite. Sie selbst hatte sich eine rote Perücke mit langen Haaren besorgt und sich etwas geschminkt. Mit ihren roten Kleidern und dem Haarreif mit Teufelchen-Hörner komplettierte sie ihr Outfit. Auf den dazu passenden Teufel-Schwanz verzichtete sie, schließlich brauchte sie keine dummen Anmachen die auf das männliche Geschlecht anspielten. Jodie holte sich ein Glas Punch und sprach mit diversen Kollegen. Immer wieder ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen und dann sah sie ihn. Ihr Herz klopfte höher. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke. Auf einmal fühlte sich Jodie beobachtet. Sie wandte den Blick ab, versuchte aber trotzdem immer wieder zu ihm zu sehen. „Gib dir einen Ruck“, sagte sie zu sich selbst. Motivation war schließlich alles. Und wie Jodie an seinem Kostüm erkannte, hielt er nicht viel von solchen Veranstaltungen. Jodie leerte ihr Glas mit einem Zug, atmete tief durch und ging dann zu ihm. „Hi“, fing sie an. „Und? Wenn stellst du dar?“ Oh Gott, hatte sie das gerade wirklich gesagt? Warum konnte sie sich nichts Besseres überlegen? Jodie hoffte, dass es nur ein Traum war oder eine Vorstellung in ihrem Kopf…aber sie wurde eines Besseren belehrt. „Erkennt man das nicht?“, fragte Akai. Jodie musterte ihn und versuchte die Röte im Gesicht zu verstecken. Akai trug kein Kostüm. Wie immer waren seine Sachen schwarz. Jodie zuckte fragend mit den Schultern. Auf Akais Lippen legte sich ein Lächeln. „Ich bin der schwarze Mann.“ Ein Schauer durchfuhr Jodies Körper, als er sich zu ihr runter beugte. „Und du bist mein Auftraggeber, der Teufel.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)