Wo du Zuhause bist von Xynn ================================================================================ Kapitel 6: Reiseschwierigkeiten ------------------------------- Seine Vermutung bestätigte sich als Fíli dem langen Blick seines Bruders folgte. Kíli sorgte sich um die Menschenfrau, welche allein mit einem tief bekümmerten Gesicht am Ende der Gemeinschaft ritt. Was war in der Nacht passiert, dass sie so veränderte? Hing es mit den Worten seines Onkels zusammen? Vielleicht, doch ihre leeren Augen gingen ihm nicht aus dem Sinn. Wie sie ihn am Morgen ansah, bescherte ihm noch immer ein ungutes Gefühl. Umgehend fielen ihm ihre Worte erneut ein, über die er seitdem öfters nachdenken musste. Was hatten diese zu bedeuten? Vielleicht genau das, was ihm am Abend noch im Vertrauen gesagt wurde. Automatisch suchte sein Blick seinen Onkel, welchen er an der Spitze der Kompanie ausmachte. Die Worte Thorins wiederholten sich in seinem Kopf. Doch war es nicht die Menschenfrau, die ihm seitdem wirklich Sorgen bereitete. Die Frau schien soweit harmlos zu sein, auch wenn Fíli spürte, dass irgendetwas an ihr anders war. Woher sollte er wissen das sie nicht immer so war? Er kannte sie nicht einmal einen Tag. Was für eine Meinung konnte man sich also von ihr bilden? Es würde sich auf der Reise zeigen, wer sie wirklich war. Viel mehr war es die Tatsache seinem Bruder etwas zu verheimlichen. Fíli hatte nie Geheimnisse vor Kíli. Dies war eins und es lastete schwer. Als er sich dann an seinen Bruder wenden wollte, blinzelte Fíli irritiert. Neben ihm war Kíli verschwunden.   Geduldig wartete Kíli mit seinem Pony, das er zum Halt gezwungen hatte. An ihm ritten im Trott Nori, Bofur, Dori und schließlich Ori vorbei, ehe das große schwarze Pferd auf gleicher Linie war, sodass er sein Pony erneut antrieb. Kíli sah hoch zu Anna, welche einen bestimmten Punkt in der Ferne mit ihren Augen fixierte und im langsamen Schritt von einer Seite zur anderen schaukelte. Sie hatte nicht einmal seine Anwesenheit bemerkt. Was war es, was sie so beschäftigte? „Erzählt mir noch etwas von Eurer Welt, Anna.“, versuchte er mit deutlicher Stimme ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. Sie schnappte laut nach Luft und riss ihren Kopf in seine Richtung. Ihre geweiteten Augen fanden schließlich seine. „W-Was? Hab nicht aufgepasst.“, verließ es kratzig ihren Hals als sie leicht ihren Kopf schüttelte, ganz als wollte sie ihre Gedanken fortjagen. „Sorry.“ Ein schiefes Lächeln breitete sich auf ihren vollen Lippen aus, die Kíli mit einer gerunzelten Stirn kurz betrachtete. „Was bedeutet 'Zorri'?“, wollte er wissen. Das Wort fühlte sich auf seiner Zunge eigenartig an. Und plötzlich, sehr sachte, hoben sich ihre Mundwinkel weiter an, formten dieses mal ein ehrliches Lächeln. Kleine Fältchen bildeten sich um ihre Augen als sie ihn amüsiert anblickte, verschwunden waren alle Anzeichen trauriger Gedanken. „Das ist ein anderes Wort für 'Tut mir leid'. Nur kürzer.“ Anna machte dann eine Pause, in welcher sie ihre Augenbrauen stark zusammenzog. „Und wenn ich es mir richtig überlege, ist das eigentlich Englisch gewesen. Also nicht mal Deutsch. Und wenn ich schon dabei bin, wieso eigentlich Deutsch? Müssten nicht alle Englisch reden? Oder reden wir in Wirklichkeit Englisch, aber merken es nicht? Ist alles anders, weil ich Deutsch bin?“, kam es nachdenklich von ihr. Vollkommen verloren, legte er seinen Kopf etwas schief. Was hatten all diese Fragen zu bedeuten? Kíli strich sich seine Haare aus dem Gesicht. „Was meint Ihr damit? Was ist Enlisch oder Deudsch?“, fragte er und bemerkte aus den Augenwinkeln wie sein Bruder auf der anderen des Pferdes Seite dazu stieß. Da hörte er ein leises Kichern, sodass er wieder zu ihr hinauf sah. Sie lächelte ihm vergnügt entgegen, was er direkt erwiderte, auch wenn er nicht genau wusste warum sie lachte. „Das sind Sprachen. So …. wie Zwergisch eben.“, erklärte sie. Kíli nickte daraufhin als er verstand. „Khuzdûl.“, verbesserte er sie dann, woraufhin sie ihre Lippen leicht spitzte und ihre Stirn kräuselte. „Kusdull? ... Oh! Alles klar.“, kam es dann begeistert und ihr Lächeln kehrte stärker zurück. Kíli lachte auf. „Khuz-dû-l.“, wiederholte er mit einem Grinsen und beobachtete sie dabei, wie sie stumm ihre Lippen bewegte als ob sie das Wort testete, bevor sie es nochmal probierte auszusprechen. „Wir Zwerge sind sehr stolz auf unsere Sprache.“, mischte sich eine bekannte Stimme ein, woraufhin Anna sich in ihrem Sattel drehte und Fíli verblüfft ansah. Wann war er dazu gekommen? „Nur uns Zwergen ist es erlaubt sie zu sprechen, oder zu schreiben.“, klärte er sie freundlich auf, was wohl eher ein Wink mit dem Zaunpfahl war als alles andere. „Das heißt, selbst wenn ich den Wunsch hätte, ich dürfte nicht?“ Auch wenn sie kein Talent für Sprachen hatte, wäre es sicher spannend gewesen das ein oder andere Wort zu lernen. Obwohl sie schon zwei Worte vom Film kannte. Und sie wollte weder ihre Liebe gestehen, noch zu den Waffen rufen. Aber die Gesichter der beiden wäre bestimmt Gold wert gewesen. „Ja.“, bestätigte Fíli mit einem Nicken, ihre Hoffnung zunichte machend. Anna gab sich woraufhin Mühe nicht enttäuscht zu wirken. Offenbar erfolglos, da der blonde Zwerg ihr ein aufmunterndes Lächeln schenkte, jedoch nichts sagte. Was sollte er dazu auch sagen? Wenn sie es nicht lernen durfte, durfte sie es nicht. Sie war kein Zwerg, auch wenn sie zugeben musste, dass diese Vorstellung mehr als lustig war. Hätte sie dann auch einen Bart? Der Gedanke war eigenartig. Sie persönlich liebte Gesichtsbehaarung, aber selbst? Frauen und Bärte passte nur schwer zusammen. Sie war schon heilfroh darüber blond zu sein, sodass man ihre Haare an den Beinen und Armen nicht so deutlich sah. „Gibt es sonst noch etwas, was ich über Zwerge lernen sollte?“, fragte sie dann neugierig weiter, von dem Thema Zwerge fasziniert. Es vergingen einige Sekunden, in welcher sie Fíli in die blauen Augen sah, die sie etwas an Thorins erinnerten. Er öffnete schon seinen Mund als sich eine neue Stimme einmischte. „Unsere Kultur ist privat und geht Außenseiter nichts an.“, antwortete Dori eine Reihe vor ihr für alle deutlich hörbar. Unmittelbar presste sie stark die Lippen aufeinander. Sie wüsste nicht Dori ins Gespräch eingeladen zu haben - und das hätte sie auch nie, weil er so offenbar ein netter Geselle war. Was konnte sie auch von ihm erwarten? Er hatte seinen Standpunkt gestern klar gemacht, weshalb seine Worte wie Salz in der Wunde waren. Ja, ein Außenseiter. Es war ein einziges Wort und es drückte alles aus, was sie war. Ein Mensch, eine Frau – Unerwünscht in dieser Gemeinschaft. Anna schloss für einen Moment ihre Augen und atmete tief durch. Ja, sie war ein Außenseiter. Doch sie war nicht mit Absicht hier. Ganz im Gegenteil. Hätte sie tatsächlich die Wahl gehabt, wäre sie Zuhause geblieben. Dort, wo ihre Freunde waren. Ihr Onkel. Jemand, der sie gern um sich hatte. Von Ablehnung hatte sie genug in ihrem Leben. Sie wollte doch nur mehr von Zwerge wissen wollen, immerhin gab es sie in ihrer Welt nicht. Wann hatte man also die Gelegenheit dazu? Offenbar war allein das schon nicht erlaubt. Durfte sie überhaupt etwas sagen? Wütend und verletzt stierte sie dem grauhaarigen Zwerg auf dem Rücken, der ihre neu gewonnene gute Laune mit Erfolg zunichte gemacht hatte. „Okay... schon gut. Ich versteh schon, Zwerge sind ziemlich geheimniskrämerisch. Ich höre ja schon mit meinen lästigen Fragen auf.“, schnaubte sie unbeherrscht, laut genug, dass sie sicherlich nicht nur von Dori eine Reihe vor ihr gehört wurde. Sie kam einfach nicht mit Menschen, oder in diesem Fall Zwergen, zurecht, die einen so herablassend behandelten. Es war ein wunder Punkt, der sie gleich in blinde Wut versetzte. Vor ihrem inneren Auge spielten sich plötzlich unzählige vergangene Momente ab. Erinnerungen, die sie krampfhaft versuchte zu unterdrücken. Ein leises Räuspern neben ihr riss sie dann aus ihre Gedanken, weshalb sie ihren Kopf drehte. Sie fand Kíli mit einem Grinsen vor, das sein komplettes Gesicht aufhellte. Was wollte er? Als er ihr dann keck zuzwinkerte, blinzelte sie verwundert. Urplötzlich schossen ihre Augenbraue hoch als sie begann zu verstehen – und sie hätte ihn dafür küssen können. Ein Zwerg, der auf ihrer Seite war. Jemand, der keine Vorurteile hegte, oder schlecht von ihr dachte. Und der Gedanke, doch kein vollkommener Außenseiter zu sein, hellte ihre Stimmung auf. Somit erleichtert, schenkte sie dem braunhaarigen Zwerg ein sanftes Lächeln. Zufrieden nickte er ihr zu. Sie könnte ihm also all ihre Fragen stellen, die ihr eigentlich verboten waren. Egal was ihn dazu bewegte so gegen die heiligen Regeln der Zwerge zu schießen, Anna war überglücklich darüber. „Habt Ihr Geschwister, Anna?“, fragte Fíli nach einer Weile, in welcher alle in Schweigen verbracht hatten. Er wollte mehr über die geheimnisvolle Menschenfrau erfahren, die aus einer anderen Welt stammte und sie plötzlich auf dieser Reise begleitete. Und die Frage nach ihrer Familie war das erste was ihm einfiel. Sie wandte sich ihm mit großen Augen zu, die zunächst von Verwunderung sprachen, sich jedoch schnell verdunkelten. Es warf einen solchen Schatten auf ihr Gesicht, das Fíli gleich seine Frage bereute. Es dauerte einige Atemzüge, ehe sie ihren Mund öffnete. „Nein.“, antwortete sie überaus deutlich und ihr hartes Starren bohrte sich regelrecht in seine Augen. Es war offensichtlich, dass diese Frage zu Etwas führte, was sie unter keinen Umständen preisgeben wollte. Warum? Was steckte dahinter, das sie so anspannen und abblocken ließ? Fíli konnte seine Neugier nicht leugnen, doch hielt er besser seinen Mund geschlossen. Es stand ihm nicht zu nach so etwas persönlichem zu fragen. Als sie dann den Blickkontakt abbrach, suchte er den seinen Bruders, den sogleich auffing. Kíli teilte offenbar, wie so oft, seine Gedanken. Eine unangenehme Stille hielt Einzug, in welcher einzig die gedämpften Huftritte auf der festgetretenen Erde zu hören waren. „Könnt Ihr uns etwas von Eurer Welt erzählen?“, brach Kíli schließlich die Stille, welche er nicht mehr aushielt. Und er hatte von der Frage seines Bruders etwas sehr Wichtiges gelernt. Man sollte Anna nicht nach ihrer Familie fragen. Auch wenn er jetzt erst recht mehr über ihre Familie wissen wollte. Vielleicht würde sie ihm etwas erzählen, wenn sie ihn besser kannte? Zunächst jedoch galt es das Schweigen zu brechen und sie schien gern über ihre Welt zu reden, was er am Vorabend nur zu gut mitbekommen hatte. Außerdem hatte sie ihn beim ersten mal nicht gehört und jetzt schien die Gelegenheit gut. „Was wollt Ihr denn wissen?“, fragte sie ohne sich ihm zuzuwenden, ihre Stimme noch schwer von der Stimmung. „Was immer Ihr mit uns teilen wollt.“, lenkte Kíli ein und sah von der Seite wie sie den Kopf leicht neigte, das Gesicht nachdenklich verzogen. „Hm. Ich könnte damit anfangen, wie praktisch jetzt ein Auto wäre.“ Auf ihre Worte hin, rieb sie sich etwas ihre Oberschenkel. „Oder gleich ein Flugzeug. Aber ein Hubschrauber ginge auch.“ Auto? Flugzeug? Hub … was? Kíli warf seinem Bruder einen kurzen Blick zu, der offenbar genauso ratlos wie er war, aber mindestens ebenso begierig darauf zu wissen, wovon sie erzählte. „Was soll das sein?“, fragte Fíli und endlich zierte ihr Mund wieder ein Lächeln, das die Stimmung von eben sofort fort wischte, ehe sie begann etwas zu beschreiben, was er nie für möglich gehalten hätte. Und nicht nur er lauschte ihr äußerst gebannt. Sein Bruder verlor sich gleichermaßen in ihren Worten.   Als der erdige Weg unter ihnen verschwand und platz für saftige grüne Wiesen machte, führte Thorin seine Kompanie durch die Schatten der alleinstehenden Bäumen hindurch und sie wusste, es dauerte nicht mehr lang bis Bilbo auftauchte. Ja, sie erkannte diesen Ort aus dem Film, da war sie sich sicher. Anna räusperte sich dann als ihr Mund zunehmend trocken wurde und sich ihre Stimme beim Erzählen verlor. Fíli war so aufmerksam und gab ihr seinen Wasserschlauch, den sie dankbar annahm, während sie diesmal einem Gespräch zuhörte, das vor ihr stattfand. „Ich habs gesagt. Hab ichs nicht gesagt? Herzukommen war reine Zeitverschwendung.“, meinte Dori laut genug, sodass Anna gut mithören konnte. Der rothaarige Zwerg, Glóin, nickte neben ihm deutlich. „Das ist allerdings wahr.“, stimmte jener zu. „Närrischer Gedanke, einen Halbling mitzunehmen.“, fuhr Dori fort und Anna schnaubte leise. Dieser Zwerg kostete ihr, neben Thorin natürlich, viele Nerven. „Wartet!“, rief die Stimme Bilbos dem Zug an Ponys zu, woraufhin sich alle Köpfe der Kompanie in seine Richtung drehten, jedoch nur Anna trug ein wissendes Lächeln auf den Lippen. Thorin befahl daraufhin einen Stopp, was die Ponys widerwillig wiehern ließ. Außer Atem kam Bilbo neben dem ältesten Zwerg zum Halt und hielt den unterschriebenen Vertrag hoch. „Ich habe unterzeichnet. Hier.“, verkündete er und reichte das zusammengefaltete Papier Balin, jener ihn annahm und überprüfte. „Es scheint alles in Ordnung zu sein.“, stellte Balin nach einer Stille für alle laut fest. „Willkommen, Meister Beutlin, in der Gemeinschaft von Thorin Eichenschild.“, fuhr der alte Zwerg mit einem Zwinkern fort als er den Vertrag wieder dem Hobbit gab. Lachen durchzog die Gemeinschaft, woran sich Anna ebenso beteiligte. „Gebt ihm ein Pony.“, ordnete Thorin schließlich an und trat seinem eigenen in die Flanken. Anna beobachtete daraufhin mit einem weiteren Kichern, wie Bilbo aus reinem Protest eine Hand hob. „Nein. Nein, das wird nicht nötig sein!“, lachte Bilbo unsicher. „Danke. Ich kann sicher auch gut zu Fuß mithalten. Ich hab nämlich schon ganz oft Wanderungen gemacht, wisst ihr?“, fügte er eilig hinzu, indes sich die Gemeinschaft wieder in Bewegung setzte. „Einmal sogar bis nach Froschmorrstetten. Ah!“ Plötzlich befand sich Bilbo in der Luft und ehe er sich versah wurde er auf einem bereits beladenen Pony gesetzt. Mit einem entsetzten Ausdruck besah er sich die Gesichter der beiden Übeltäter, die ihn einfach auf das Tier gehoben hatten. Der Braunhaarige lachte leise und der Blonde zwinkerte ihm zu, ehe beide ihre Geschwindigkeit erhöhten und ihn allein zurück ließen. Unzufrieden blickte er auf das Pony hinab, während er seine Zügel möglichst hoch hielt. Das gefiel ihm ganz und gar nicht, stellte sie grinsend fest und blickte noch kurz den Brüdern nach, die sich nicht wie erwartet wieder zurückfallen ließen. Vielleicht dachten die beiden, sie hatten sie genug ausgefragt und gaben ihr eine wohlverdiente Pause. Es war so oder so ganz gut, da sie das was sie vorhatte, nicht an die große Glocke hängen wollte. Sie trieb ihr Pferd an und gesellte sich zu Bilbo, der brummig wirkte. „Hey, Bilbo.“, sprach sie ihn freundlich, wenn noch heiser an, sodass er sich ihr zuwandte. „Hallo, Frau Anna.“, kam es ebenso freundlich von ihm, auch wenn man den Unmut noch gut in seinem Gesicht lesen konnte. „Glaubt mir, Ihr werdet das Pony noch mögen.“, meinte sie mit einem kleinen Zwinkern. „Es ist ein sehr langer Weg.“ Bilbo wackelte daraufhin nur typisch mit seiner Nase, was unbestreitbar sein Missfallen darüber ausdrückte und sie zum Lachen brachte. Plötzlich gesellte Gandalf sich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen dazu. Bevor jener jedoch etwas sagen konnte, rief ein Zwerg laut: „Komm schon, Nori. Zahlen!“ Nach der Aufforderung flogen sogleich mehrere Säckchen durch die Luft. Verblüfft zog Anna ihre Augenbrauen an. Sie hatte offensichtlich verpasst wie die Zwerge ihre Wette abschlossen. Und sie war nicht die einzige, da Kíli und Fíli eine Reihe vor ihr im lauten Protest ausriefen. Wissend, wer ihnen die Chance nahm mit zu wetten, lächelte sie belustigt in sich hinein. Was dann folgte war ein Bofur mit den Worten: „Dann hättet ihr der jungen Dame nicht so an den Lippen hängen sollen.“ Von ihrer Position aus konnte sie leicht erkennen wie Kíli praktisch in seinem Sattel aufsprang. Amüsiert beobachtete die Szene, die sich vor ihr entfaltete. „Das stimmt ja gar nicht!“, verteidigte er sich einige Tonhöhen höher als normal und Fíli begann mit Bofur aufzulachen. „Ich habe nicht an ihren Lippen gehangen...“, kam es dann leiser von Kíli, was sie gerade noch hören konnte. „Fíli?“, suchte Kíli dann die Hilfe seines Bruders, der sich versuchte zu beherrschen und offensichtlich nur zu gut wusste, was sein Bruder von ihm wollte. „Es ist keine Schande es zuzugeben, kleiner Bruder.“, zog Fíli seinen Bruder auf, was gleich Gelächter nach sich zog – Anna mit eingeschlossen. Doch dem allen setzte Balin mit einem breiten Lächeln die Krone auf als er sich umwandte. „Er hat recht, mein Junge. Kein Grund so ein Gesicht zu ziehen. Wir alle verlieren uns zuweilen an den Lippen einer hübschen Dame.“ „Wahre Worte!“, stimmte Bofur sofort zu. Schief grinsend überdachte sie die Worte Balins. Hübschen Dame? Die Zwerge hatten ein ganz anderes Schönheitsideal von Frauen im Kopf. Bärte... an Frauen. Egal wie oft sie darüber noch nachdenken würde, das Ergebnis war dasselbe. Es war extrem seltsam. „Worum geht’s?“, fragte schließlich Bilbo konfus, der das Gelächter und Gespräch ignorierte und den Austausch der Säckchen weiter beobachtete. „Oh, sie haben Wetten abgeschlossen, ob du auftauchst oder nicht. Die meisten haben gewettet, du würdest es nicht tun.“, erläuterte Gandalf, welcher amüsiert grinste. Bilbo zog seine Augenbrauen an. „Was hast du gewettet?“, fragte er neugierig als der Zauberer im nächsten Moment ein Säckchen auffing. Mit großen Augen betrachtete Bilbo diesen. „Mein lieber Freund, ich habe keine Sekunde an dir gezweifelt.“ Zufrieden packte Gandalf das gewonnene Gold in seine Umhängetasche. Bilbo wusste nicht ob er darüber schockiert oder geschmeichelt sein sollte. Woher wusste denn der Zauberer er würde kommen? Er öffnete schon seinen Mund, doch plötzlich kitzelte seine Nase und sein Kopf schoss ruckartig vor, stieß dabei heftig die Luft aus der Nase, während sich ein ganzer Körper verkrampfte. Pferdehaare! Nein, die konnte er noch nie vertragen! Somit begann er in seinen zahlreichen Taschen nach seinem Taschentuch zu suchen, was er sicher noch sehr oft gebrauchen musste. Das Niesen lenkte wieder ihre Aufmerksamkeit auf Bilbo, was sie an ihren ursprünglichen Plan, Bilbo allein aufzusuchen, erinnerte. „Oh, Pferdehaare. Vertrag ich nicht so gut.“, meinte er noch gelassen, bevor das Suchen jedoch mit jedem Wimpernschlag verzweifelter wurde. Bilbo war gerade dabei seinen Mund aufzumachen, da reichte Anna ihm das Stofftaschentuch, das sie beim Packen am Morgen in ihre Jeanstasche gesteckt hatte. „Hier, Bilbo. Ich dachte mir, Ihr könnt es gebrauchen.“ Anna nickte dem Hobbit auffordernd zu, welcher zögerlich das Taschentuch in die Hände nahm. „D-Danke, Frau Anna. Woher wusstet Ihr … ?“, fragte Bilbo irritiert. Doch alles was sie ihm als Antwort gab war ein breites, wissendes Lächeln.   So ging die Reise ohne Zwischenfall weiter. Thorin führte die Gruppe fernab neugieriger Blicke in Richtung Osten, jenseits der Straßen und die Stunden vergingen schneller als Anna es zu Beginn vermutet hatte. Allerdings bekam sie mit der Zeit immer mehr die Auswirkungen eines verschmähten Frühstücks zu spüren. Ihr Bauch grummelte laut, sodass sie sich jenen hielt. Außerdem musste sie langsam dringend mal wohin, weshalb sie in ihrem Sattel leicht hin und her rutschte. Ob sie sich melden sollte? Sie hätte eindeutig nicht so viel Wasser trinken sollen, doch ihr Mund war nach all dem Sprechen viel zu trocken gewesen. „Was quält Euch so, Liebes?“, fragte Gandalf, aufmerksam wie eh und je. Anna verzog ihren Mund leicht. „Es besteht nicht ganz kurz die Möglichkeit zu halten?“ Auf seinen fragenden Ausdruck hin, verdeutlichte sie ihre Absicht. „Ich müsste da kurz was erledigen. Möglichst allein.“ Direkt zog der Zauberer seine buschigen Augenbrauen an und Bilbo neben ihr wich ihrem Blick hochrot aus. „Oh, ich verstehe.“, verließ umgehend den Mund des alten Mannes, der schließlich nickte. „Nehmt Euch die Zeit, Liebes. Hier droht keine Gefahr und Ihr könnt jederzeit wieder aufschließen.“ Das ließ sie sich kein zweites mal sagen. Sofort zwang sie ihr Pferd zum Halt und sah der Kompanie für einen Moment hinterher. Ihren Spuren konnte sie gleich ganz einfach folgen. Nachdem sie sich hastig von ihrem Pferd geschwungen hatte, für einen Moment wacklig auf den Beinen sich an jenem abstützte, blickte sie sich eilig um. Es gab genug Bäume und Büsche, sodass sie sich für den nächstbesten Baum entschied und Khal Drogo allein stehen ließ. Nachdem sie sich noch nie in ihrem Leben so erleichtert gefühlt hatte, kam sie hinter dem Baum hervor, nur um inne zu halten. Ohne die laute Gegenwart der Zwerge, ganz allein im Grünen der Natur, wurde sie sich erst bewusst wie friedlich es war. So beobachtete sie den schwarzen Hengst, der im Schatten der Bäume stand, genüsslich das üppige Gras fraß und mit seinem Schweif die Fliegen verscheuchte. Lächelnd sog sie die frische und pure Luft auf, während es über ihr laut zwitscherten, der laue Wind die Blätter und das Licht tanzen ließ. Ein leises Plätschern mischte sich unter dem Vogelgesang und schlagartig blickte sie in Richtung der Quelle. Wasser? Das war ideal!   Als Fíli nach seinem Wasserschlauch greifen wollte, stellte er fest, dass dieser fehlte. Sogleich fiel es ihm wieder ein wo er ihn gelassen hatte, sodass er sich einfach den von seinem Bruder nahm. Kíli warf seinem Bruder einen fragenden Blick zu, jener mit den Schultern zuckte. „Sie hat meinen.“, erklärte er schlicht, was Kíli dazu veranlasste über seine Schulter zu blicken. Plötzlich weiteten sich seine Augen und er riss seinen Oberkörper herum, indes er seinen Kopf hektisch von einer Seite zur anderen bewegte. „Sie ist weg!“, stieß er aus und Fíli verschluckte sich. „Was?“, hustete er und wandte sich selbst um. Tatsächlich war die Menschenfrau nicht aufzufinden. Einzig Gandalf und der Halbling ritten am Ende. Wohin war sie verschwunden? Ehe er sich versah, trieb Kíli sein Pony an, welches sich von der hektischen Lenkbewegung laut beschwerte. „Wo ist Anna?“, fragte Kíli den Zauberer direkt, welcher gerade noch vertieft in ein Gespräch mit dem Hobbit war. Der alte Mann blickte ihn für einen Moment nachdenklich an und zog schließlich seine Augenbrauen hoch. „Es ist in der Tat eine Weile her, seit ich sie das letzte mal sah.“ Bilbo räusperte sich. „Frau Anna... sie ist … Nun... “, druckste der Halbling, völlig rot im Gesicht. „Was ist mit ihr?“, harkte Kíli ungeduldig nach, der angesichts der zögerlichen Aussage des Hobbits seine Stirn in tiefe Falten zog. Es war seine persönliche Aufgabe auf sie aufzupassen. Wieso wusste er dann nicht wo sie war? Ein guter Beschützer musste es zu jedem Zeitpunkt wissen. Er wusste, er hätte in ihrer Nähe bleiben sollen. „Oh, sie ist nur dem Ruf der Natur nachgekommen. Obwohl sie sich sehr zu verspäten scheint. Vielleicht findet sie den Weg nicht zurück.“, erklärte Gandalf stirnrunzelnd. „Ich werde sie suchen.“, verließ es unverzüglich den Mund von Kíli, unterdessen er bereits sein nervöses Pony hart in die Flanken trat, sodass es gleich einen Sprung in den Trab machte.   Kíli folgte den Spuren zurück und erkannte schnell in der Ferne das schwarze Pferd. Doch auf dessen Rücken war sie nicht auszumachen. Als er näher kam und das schnaubende Pony neben dem grasenden Pferd stoppte, spähte er die Umgebung ab. Es war kein Zeichen von Anna zu erkennen. Jedoch auch keine Kampfspuren. War das Pferd davon gelaufen? Dafür wirkte es jedoch zu entspannt. Was war passiert? Kíli stieg von seinem Pony. „Anna?“, fragte er vorsichtig, während er weiterhin Ausschau hielt. Auch wenn das Gebiet relativ sicher vor Orks war, gab es noch immer Banditen und wilde Tiere. Als er keine Antwort erhielt, ging er in die Hocke und untersuchte den Boden auf Hinweisen. Das Gras war an einigen Stellen abgeknickt und führte Richtung Norden, dem er gleich folgte. Plötzlich war ein greller Aufschrei nicht weit entfernt zu hören und Kíli riss sein Schwert aus der Scheide an seinem Rücken, durchbrach sofort eine Reihe Büsche, die ihn und den Schrei trennten. Erschrocken wandte Anna ihren Kopf zur Seite als sie in ihren Augenwinkeln jemanden aus dem Gebüsch gestürmt kommen sah. Sie war schon unter rasendem Herzen dabei nach ihrem Bogen auf dem Rücken zu greifen, um den Angreifer auf Abstand zu halten, doch dieser Jemand entpuppte sich zu ihrer Erleichterung als Kíli. Ein Kíli mit seinem Schwert in der Hand und einem mörderischen Gesichtsausdruck. „Was ist los?!“, rief sie direkt in Alarm versetzt, zog endgültig ihren Bogen vom Rücken, ebenso einen Pfeil, den sie einnockte. Warum war er hier? War was vorgefallen? Ein Überfall? Orks? Beinahe sprang ihr Herz aus ihrem Brustkorb, während sie die Umgebung hektisch absuchte. Zu ihrer Überraschung ließ Kíli jedoch konfus die Waffe sinken. „Ihr... habt geschrien.“, meinte er verwirrt. Anna blinzelte ein paar mal, amtete schwer ein und aus, ehe es ihr dämmerte. Nun ließ sie ebenfalls ihren Bogen sinken. „Ja... ich habe mich erschrocken. Ein Eichhörnchen...“, meinte sie und ihre Schultern sackten entspannt ab. Kíli steckte sichtlich beruhigt seine Waffe weg, das sie ihm gleichtat. „Was macht Ihr hier?“, fragte er schließlich und trat näher. Sie lächelte schief. Diese Frage könnte sie auch ihm stellen. „Ich hatte da vorn den Wasserschlauch von Fíli aufgefüllt und habe dann den Pflaumenbaum hier hinter mir entdeckt.“ Kílis Blick wanderte von ihrem Gesicht nach oben. Seine Augen weiteten sich überrascht. „Ihr habt Hunger?“ Anna stellte sich neben Kíli, den Blick ebenso wie er nach oben in die Baumkrone gerichtet, die voller reifer Pflaumen hing. „Nein. Wie kommt Ihr darauf?“, fragte sie trocken, zog eine Augenbraue an und gab ihm einen ernsten Seitenblick. Daraufhin wandte er seinen Kopf in ihre Richtung und in seinem Gesicht war die Verwirrung großgeschrieben, woraufhin sie dann nicht anders konnte und kicherte. „Ja, ich habe Hunger. Die Pflaumen sehen so gut aus... dabei bin ich nicht einmal ein Fan von denen.“, redete sie daher als sich ihr Bauch wieder bemerkbar machte, laut genug sodass es Kíli hören musste. Direkt umspielte ein breites, freches Lächeln seine Lippen. Skeptisch hob sie eine Augenbraue. Okay, was hatte er vor? „Wartet hier einen Moment.“ Kaum war das ausgesprochen, drehte er um und ging den Weg zurück, den er gekommen war – mitten durch die Büsche, die dabei lautstark raschelten. Anna sah ihm schlicht nach. Was war los? Es dauerte nicht lang und Kíli kam zurück. Erst als er vor ihr Halt machte und ihr Etwas reichte, fiel ihr der braune Stoff auf, den er mitgebracht hatte. Ohne eine Ahnung was es war, nahm sie es ihm ab. „Huh?“, machte sie nur, den Stoff in ihren Händen betrachtend und wunderte sich was diese kleinen Krümel zu bedeuten hatten, die beim Wenden zu Boden fielen. „Ihr wollt sicherlich mehr als eine Handvoll einsammeln. Und ich bin zufällig im Besitz zweier leerer Beutel.“, hörte sie ihn praktisch mit einem unverschämten Grinsen sagen und sie sah auf, nur um wirklich dieses Grinsen in seinem Gesicht zu finden. Unmittelbar schossen ihre Mundwinkel hoch. Was hatte er angestellt? „Das hört sich nach einer guten Story an. Eine Chance sie zu hören?“ Sein Grinsen wurde teuflischer. „Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, werdet Ihr es wissen.“ Enttäuscht formten sich tiefe Falten auf ihrer Stirn. „Mehr bekomme ich nicht? Das ist ja fies.“ Kíli lachte auf. „Sagen wir, bald wird jemand verzweifelt danach suchen.“ Sie erhielt ein Zwinkern von ihm, doch sie spitzte die Lippen. Das war nun tatsächlich gemein von ihm, aber sie würde ihre Augen offenhalten, ganz wie er es andeutete. „Na ja gut. Sollen wir dann?“ Kíli nickte daraufhin entschlossen, doch sein Gesicht schmückte noch immer das amüsierte Lächeln, welches von seinen Bartstoppeln umrandet war. Direkt machte sie sich daran den Baum hochzuklettern, ehe er genauso geübt folgte. Sie setzte sich auf einen dicken Ast links vom Stamm und Kíli setzte sich auf den rechten. Für einen Moment pflückten beide in Stille, bevor sie neugierig zu ihm hinüber sah. Er sah fokussiert aus als er eine Frucht nach der anderen in den kleinen Sack gleiten ließ. Ohnehin saß er ganz locker auf dem dicken Ast, ganz so als täte er es bereits sein Leben lang und ihm schien das Klettern nichts ausgemacht zu haben. Ob er öfter in seiner Vergangenheit auf Bäume geklettert war? Beinahe hätte sie danach gefragt als ihr etwas ganz anderes einfiel. Die brennenden Bäume über dem Abgrund im Nebelgebirge. Direkt verdrehte sich ihr Magen. Wenn sie beschloss dabei zu bleiben, würde sie Teil dieser Szene sein. Schnell schüttelte sie den Gedanken ab und konzentrierte sich auf ihren Entschluss. Nein, sie würde nicht schwach werden. Doch was würde aus Kíli werden? Sie hatte ihn bereits wirklich gern. War es wirklich schlau von ihr weiter eine Freundschaft mit ihm aufzubauen? „Wo habt Ihr so klettern gelernt?“, holte Kíli sie in die Realität zurück. Von der Frage überrascht, blickte sie ihn von der Seite an. Er hatte aufgehört zu pflücken und sah sie stattdessen mit seinen braunen Augen einfach nur an. „Mein Onkel ist Förster. Ich habe viel Zeit im Wald verbracht.“, gab sie mit einem Lächeln preis und pausierte ebenfalls. Diese Information verwunderte ihn offensichtlich, da er seine Augenbrauen stark anzog. Was überraschte ihn denn so? „Ich war oft und lang im Wald. Und jedes mal hat meine Tante geseufzt, wenn ich ganz schmutzig nach Hause kam. Onkel hat nur gelacht, weil er genau wusste, warum ich wieder so dreckig war.“ Ein freundliches Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Darf ich fragen warum?“ Verdutzt blickte sie in seinen ernsten Ausdruck. Wieso sollte er nicht warum fragen dürfen? „Sicher …“, sagte sie demnach verdattert und sofort überfiel er sie mit einem wilden Lächeln. Kurz davon abgelenkt starrte sie ihm entgegen. „Ja, also.... Zurück zum Thema... Er hatte mir immer Geschichten über Feen und Nymphen erzählt, die in kleinen Höhlen, oder auf Bäumen leben. Also bin ich sie suchen gegangen.“ Anna musste bei diesem Gedanken leise lachen. „Er hat mir immer Geschichten auf dieser alten, kuscheligen Couch vorgelesen. Märchen und all das. Meine Tante hatte immer nur in ihrem Sessel gesessen, zugehört und trug dieses sanfte Lächeln, während sie etwas genäht hat. Darin war sie übrigens wirklich gut. Öfter hatte sie mir süße Kleidchen genäht. Und einmal sogar ein richtig schönes Prinzessinnenkleid, zu dem sie mir aufwendig die Haare geflochten hatte.“ Unbewusst fasste sie sich an den dicken geflochtenen Zopf und fingerte behutsam über die Länge. Verträumt seufzte sie. „Davon gibt es sogar ein Bild. Es hängt bei meinem Onkel im Wohnzimmer. Es … Es war schön gewesen. Ich vermisse sie und meinen Onkel.“, sagte sie leise und ließ ihren Blick sinken. Manchmal wünschte sie sich, sie könnte die Zeit zurückdrehen. Und sei es nur um noch einmal ihre Tante in den Arm zu nehmen. Ja, ihr fehlten die Umarmungen ihrer Tante. Dort hatte sie sich immer geborgen gefühlt, oder auch in denen ihres Onkels. Plötzlich weitete sie entsetzt ihre Augen. Was wäre, wenn sie ihren Onkel nie mehr in den Arm nehmen konnte? Wenn sie hier niemals weg kam? Was würde aus ihrem Onkel werden, wenn sie nicht mehr zurückkehrte? Als ihre Tante starb, war er so verzweifelt gewesen. Sie würde nie sein Gesicht auf der Beerdigung vergessen. Es war als lastete die Welt auf seinen Schultern, mit Augen so leer wie das Nichts, in dem ihre Tante verschwand. Ja, an diesem Tag wurde Anna bewusst was es für einen Menschen bedeutete seine andere Hälfte zu verlieren. Die Liebe seines Lebens wurde an jenem Tag in einem kalten Sarg aus Holz in die Erde gelassen, nie mehr die Chance auf Rückkehr. Unwiderruflich. Fortan war alles nur noch eine Erinnerung, die mit der Zeit verblasste und undeutlich wurde. Anna war den Tränen nahe, doch schluckte sie jene hart hinunter. Sie musste sich konzentrieren und alles daran setzen ihren Onkel wiederzusehen. Er würde es nicht verkraften sie auch noch zu verlieren. Was also konnte sie tun? Wenn sie in Bruchtal blieb und nicht wie es die Valar wollten mit auf die Reise ging, bestand dann überhaupt die Chance zurückzukehren? Musste sie es also riskieren? Gandalf sagte zwar ihr Tod sei nicht das Ende, aber selbst er wüsste nicht wohin er führte. Außerdem jagte ihr der bloße Gedanke an den Tod noch immer eine Heidenangst ein. „Anna?“ Die besorgte Stimme Kílis ließ sie aufblicken. Sie konnte seine Fragen im Gesicht lesen, doch stellte er keine einzige von ihnen. Es war auch besser so. Sie hätte ihm keine Antwort geben können. „W-Wir sollten besser gehen. Nicht das wir noch Ärger bekommen.“, meinte sie hastig und schluckte weiterhin eisern ihre Tränen hinunter, sodass es ihr bereits im Hals schmerzte. Kíli nickte zögerlich und befestigte den Beutel an seinem Gürtel, ehe er sich auf dem Ast umdrehte und sich daran hinunter gleiten ließ, bis er sich nur noch mit den Händen festhielt, in der Luft baumelnd. Mit einem lauten Stampfen landete er schließlich sicher auf seinen Füßen. Anna war schon dabei sich zum Stamm zu drehen als sie sah, wie Kíli seine Arme zu ihr ausbreitete. Verwirrt blinzelte sie zu ihm hinunter. Wie jetzt? Wollte er, dass sie in seine Arme sprang? Das war ja fast wie in einem Klischee-Romantik-Film. „Das wird nicht nötig sein. Danke.“, meinte sie amüsiert und Kíli begann zu grinsen. „Seid Ihr sicher? Ihr würdet etwas verpassen.“ Anna lachte schwach und ließ den Beutel auf ihn hinunterfallen, den er überrascht im letzten Moment mit beiden Händen auffing, bevor er in seinem Gesicht gelandet wäre. Direkt machte sie sich daran hinunter zu klettern. „Ja, den Geruch von Schweiß.“, gab sie zurück als sie neben ihm im Gras landete. Er zog seine Augenbrauen zusammen, hob einen Arm, nur um danach an sich zu riechen. „Ich rieche nichts.“, war sein Kommentar dazu und sie nahm mit einem halbherzigen Lachen den Beutel aus seiner Hand. „Ich schon, Herr Zwerg.“, meinte sie. Auch wenn sie ehrlich zugeben musste, Kíli roch nicht so unangenehm, wie sie es ihm weismachen wollte. Doch wollte sie nicht in seinen Armen landen, denn sicher hätte sie sich nicht mehr mit ihren Tränen zurückhalten können. Mit einem kräftigen Zug zurrte Anna den Beutel voller Pflaumen am Sattel ihres Pferdes fest, genau wie den Wasserschlauch, den sie die ganze Zeit bei sich getragen hatte. Als sie dann aufsitzen wollte, fiel ihr ein kleines aber sehr wichtiges Detail ein. Ohne Hilfe würde sie dieses Monster an Pferd niemals besteigen. „Kíli? Noch gewillt zu helfen?“ Der braunhaarige Zwerg blickte von seinem Pony zu ihr und er begann wie auf Knopfdruck zu lächeln. „Warum habt Ihr ein so großes Pferd, wenn Ihr es nicht selbst besteigen könnt?“, fragte Kíli amüsiert als er näher trat. Anscheinend hatte er ihre Verzweiflung sofort bemerkt, weshalb sie nicht erklären musste worum es überhaupt ging. Gedanklich notierte sie sich, dass alle Zwerge ziemlich aufmerksam waren. „Gandalf hat das Pferd ausgesucht. Damit habe ich absolut nichts zu tun. Weil ja, ein kleines Pferd, oder ein Pony wie Ihr da habt, hätte völlig gereicht. So groß bin ich nämlich wirklich nicht.“ Kíli begann breit zu grinsen und machte vor ihr Halt. „Vielleicht wollt Ihr dann lieber mit mir ein Pony teilen?“ Zum Bestärken wackelte er mit den Augenbrauen, das sie prompt nicht gerade damenhaft zum Grunzen brachte. „Auch wenn ich mir nichts Schöneres vorstellen könnte als mit Euch ein Pony zu teilen, lehne ich dankend ab. Und jetzt seid mein wunderschöner Prinz in strahlender, weißer Rüstung und helft einer verzweifelten, ebenso wunderschönen holden Maid auf ihr edles Ross.“ Auf seinem Gesicht breitete sich ein unsicheres Lächeln aus, das furchtbar deplatziert und bizarr wirkte. Was? Keine gewiefte Antwort auf ihren Spruch? Ach ja, er war ja wirklich ein Prinz. Diese erneute Erkenntnis ließ sie kichern. Nachdem Kíli ihr schließlich mit einer Räuberleiter geholfen hatte und sie sicher im Sattel landete, atmete sie auf. Wie sollte es in Zukunft aussehen? Wahrscheinlich musste man ihr immer aufhelfen. Verflucht sei Gandalf, der kein passenderes Pferd gefunden hatte. Aber in was für einer Position war sie, sich zu beschweren? Besser, als dass sie laufen musste. Oder sie hätte wirklich ein Pony mit jemandem teilen müssen. Automatisch fanden ihre Augen Kíli, der gerade in einer flüssigen Bewegung sein Pony bestieg und sich danach einige lange Strähnen aus dem Gesicht strich, somit seine Frisur noch unordentlicher machte. Ja, ein Pony mit ihm zu teilen, wäre tatsächlich nicht so übel gewesen. Obwohl sie bei seinem Bruder auch nicht wirklich Nein gesagt hätte. Anna seufzte schwer. Ja, ausgerechnet diese Gedanken fehlten ihr noch.   Selbstverständlich wurde Annas und Kílis Abwesenheit bemerkt. Innerlich fluchte sie auf als sie die Kompanie dort versammelt auf ihren Ponys im Gras stehen sah. Je näher sie geritten kamen, desto deutlicher konnte sie die gemischten Gefühle der Zwerge in ihren bärtigen Gesichtern lesen. Die älteren Zwerge sahen verärgert aus, ganz besonders Thorin und die jüngeren schenkten ihr mitleidige Blicke. Oh oh. Schnell schluckte sie den letzten Rest Pflaume hinunter. „Wir sind so was von am Arsch...“, murmelte Anna und warf einen Blick auf Kíli, welcher sich straff im Sattel aufsetzte und höchst konzentriert wirkte. Vielleicht sollte sie sich ebenfalls mental vorbereiten. Thorin trat schließlich mit seinem Pony aus der Gruppe heraus, sein Gesicht eine gnadenlose Maske, doch seine Augen glühten vor Zorn. Nein, sie spuckten beinahe Feuer. Sein Blick traf erst auf Kíli, ehe er zu ihr hinüber wanderte. Aus seinem Mund kam nicht ein Wort, sondern hielt er sie weiterhin mit seinen tiefblauen Augen fixiert. Könnten seine Blicke töten, wäre sie einen grausamen und langsamen Tod gestorben. Eine Gänsehaut breitete sich aus. „Onkel -“ Thorins rechte Hand schoss sofort hoch und Kílis Worte verstummten umgehend in seiner Kehle. „Nicht ein Wort, Kíli.“, durchschnitt er mit seiner tiefen Stimme gefährlich ruhig. Es glich der Ruhe vor dem Sturm. Doch das war nicht das Schlimmste. Noch immer war er nur auf sie allein fokussiert, nicht einmal wich sein Starren von ihr. Anna schluckte schwer und ganz in ihrer nervösen Angewohnheit, sprach sie einfach drauf los. „Pflaumen gefällig?“ Umgehend biss sie sich auf ihre Zunge. Von all den Dingen, die sie hätte sagen können, wählte sie das? Thorin verzog keine Mine. Wenn man das Zucken um seinen Augen herum ignorierte. Anna rutschte auf dem Sattel etwas vor und zurück. „Ich meinte... Tut mir leid? Ich musste mal wohin und eigentlich wollte ich das schnell alleine machen, aber dann -“ „Ich gewinne den Eindruck, Euch ist nicht bewusst wie ernst diese Unternehmung ist.“, begann er harsch. „Ich dulde keine unnötige Rast, oder Ablenkung.“ Mit dem letzten Wort blickte er zu Kíli, der dem Blick seines Onkels nicht standhielt und seinen Kopf deutlich beschämt senkte. „Ihr werdet Euch anpassen, Fräulein Schubert. Oder ich sorge dafür, dass Ihr es tut.“ Anna blinzelte auf seine Ansage hin stark. Wie jetzt? Sie durfte nicht einmal kurz wohin? Dabei waren sie den ganzen Tag im Sattel. Von Morgens bis Abends! Sie war nicht daran gewöhnt so lange einzuhalten. Und was sollte das von wegen er würde sonst dafür sorgen? Wollte er sie fesseln, wenn sie nicht gehorchte? War sie jetzt eine Gefangene? Verärgert presste sie die Lippen aufeinander und atmete tief durch. Bloß nicht wieder ausfallend werden. Thorin sollte man sich nicht zum Feind machen. Obwohl? War sie das nicht schon für ihn? Was sollte der Stress hier überhaupt? „Und was soll ich machen, wenn ich mal muss? Soll ich mir in die Hose machen?“, fragte sie halbwegs zahm, wenngleich ihr Ton etwas angespannt wirkte. Sie versuchte wirklich ihr Bestes neutral zu bleiben. Denn wo lag sein verdammtes Problem? Gandalf versicherte ihr, dass die Gegend ungefährlich war. Weshalb also der Aufriss? Die zwei Minuten, die sie dann wieder aufholte, störten doch nicht die Reise. Ob er noch genauso unfreundlich wäre, wenn sie männlich wäre? Oder besser noch, ein Zwerg? Dieser Sex- und Rassismus ging ihr tierisch auf den Senkel. Thorin zog lediglich eine Augenbraue hoch. „Ihr werdet mit Eurem Leichtsinn nicht das Leben meines Neffen gefährden. Daher rate ich Euch, gewöhnt Euch an die Umstände. Keine weiteren Alleingänge, oder Stopps, solange ich es nicht erlaube.“ Voller Empörung öffnete sich ihr Mund einen Spalt. Bitte? Darum ging es? Weil sein Neffe ihr folgte, hatte sie die Arschkarte gezogen? Im gleichen Moment wurde sie sich etwas ganz anderes bewusst. Hieße das auch, ihr Leben war ihm völlig egal? So richtig scheißegal? „Ist mein Leben gar nichts wert?“ Diese Frage schien Thorin zu überraschen, da die Härte in seinem Blick nachließ – zumindest für wenige Sekunden, sodass man es sich auch gut eingebildet haben könnte. Der kalte Ausdruck in seinen Augen wurde intensiver. „Euer Leben, Fräulein Schubert, ist nicht meine Sorge. Sondern das, was Ihr wisst. Sollte Euch der Feind in die Hände fallen, werde ich nicht zögern die Unternehmung zu schützen.“, kamen die Worte unmissverständlich von ihm, doch fühlte es sich wie ein harter Schlag in ihrem Gesicht an. Er würde sie umbringen? Einfach so, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern? Vertraute er ihr so wenig? War sie so wertlos? Was hatte sie Thorin getan? Geschockt senkte sie den Blick als sie schluckte. „Habt Ihr das verstanden? “, hörte sie ihn dunkel fragen, woraufhin sie nur langsam nicken konnte. Deutlicher hätte er nicht sein können. Sie war wertlos. Es hätte sie wütend machen sollen, doch seine Worte trafen sie dort, wo es am meisten weh tat. Und für Thorin sollte sie ihr Leben riskieren? Bisher hatte er sie nicht besser behandelt als sie wie den Dreck unter seinen Schuhen. Als dann Kíli seinem Onkel wortlos folgte, ihr nur einen kurzen traurigen Blick zuwarf, blieb sie allein zurück. Was hätte sie auch anderes erwarten können? Er würde bei ihr bleiben, nachdem Thorin ihm deutlich machte, sie sei eine Ablenkung? Er symbolisierte jeden einzelnen, der zuhörte, wie sehr er ihre Anwesenheit missbilligte und noch mehr die Nähe zu seinem Neffen. In diesem Moment wurde ihr noch einmal schmerzlich bewusst, dass sie eine Fremde war. Sie gehörte hier nicht her. Weder in diese Gruppe, noch in diese Welt – und doch blieb ihr keine Wahl als genau hier zu bleiben.   Als es begann zu dämmern, rief Thorin zum Stopp. Die Zwerge bauten das Nachtlager an einer kleinen Felsenwand auf, die von Moos und Gras überwachsen und Bäumen umgeben war. Jeder der Zwerge schien eine Aufgabe zu haben, das sie noch stärker daran erinnerte, was für ein Außenseiter sie tatsächlich war. Keiner beachtete sie. Es war, als sei sie seit dem Zwischenfall Luft. Und das bildete sie sich nicht ein. Keiner sprach mehr mit ihr. Lediglich Gandalf schenkte ihr hin und wieder ein mildes Lächeln. Warum hatte er auch nichts gesagt? Sollte er sie wenigstens nicht irgendwie verteidigen? War sie ganz allein dem Zorn und der Abneigung Thorins ausgesetzt? „Frau Anna?“, fragte Bilbo vorsichtig als er sich neben die junge Frau stellte, welche etwas abseits auf einen Baumstamm saß und still das Geschehen im Lager beobachtete. Es war furchtbar gewesen, was dieser Zwerg Thorin zu ihr gesagt hatte. Und jedes mal, wenn er versuchte zu ihr zu sprechen, fiel ihm nichts ein. Er war nicht gut darin Trost zu spenden. In seiner Höhle lebte er in aller Zufriedenheit allein. Und er besaß so gut wie keine Erfahrung mit Frauen. Mieden sie ihn allesamt – was ihn bisher nie gestört hatte. Nein, wirklich. So wie es war, war er rundum zufrieden. Die junge Frau wandte sich ihm mit einem stummen Blick zu. „K-Kann ich Euch behilflich sein? Wollt Ihr etwas zu Essen? Ich kann Euch etwas bringen.“, fragte er leise. Frau Anna blickte auf ihren Schoß hinab und begann an ihren Fingern zu spielen. „Nein.“, hauchte sie, während Bilbo vorsichtig neben ihr auf dem Baumstamm platz nahm. „Was dieser Zwerg -“ „Schon gut, Bilbo. Ich weiß. Ich sollte mir das nicht so zu Herzen nehmen. Aber ich – ich verstehe es nicht. Was habe ich getan?“ Bilbo stieß erschrocken die Luft aus als er sie leise schluchzen hörte. Es dauerte nur wenige Wimpernschläge und ihre Wangen glitzerten nass. „Ich weiß, ich bin unerwünscht. Aber ich habe es mir nicht ausgesucht. Ich bin nicht freiwillig hier. … Ich will das alles nicht noch einmal durchmachen.“ Unsicher, was er darauf antworten sollte, schwieg Bilbo. Was meinte sie damit? Natürlich wusste er, dass sie nicht von dieser Welt war. Und das sie diese Reise nicht aus freiem Willen tat. Doch was er nicht verstand waren ihre letzten Worte. Plötzlich wischte sie sich eilig die Tränen fort. „Vergesst einfach was ich gesagt habe. Das interessiert sowieso niemanden, was ich zu sagen habe.“ Plötzlich stand sie auf und wandte ihm den Rücken zu. Ob er sie vielleicht doch in Ruhe lassen sollte? Ihre Haltung sagte es deutlich, aber ihre Tränen etwas anderes. Als er sich hilfesuchend umsah, erhaschte er den Blick des Zauberers. Und zu Bilbos Überraschung, nickte dieser ihm kaum merklich zu, als ob er genau wüsste was in ihm vorging. Bilbo seufzte, während er sich wieder auf seine nackten Füße stellte. „Aber Frau Anna, das ist nicht wahr. I-Ich interessiere mich für Eure Worte.“ Bilbo dachte schon die Menschenfrau hätte ihn nicht gehört, oder seine Worte überhört als sie sich nicht regte. Doch dann langsam drehte sie sich um. Sie trug auf ihren Lippen ein schwaches, trauriges Lächeln. „Bilbo...“, flüsterte sie kaum vernehmbar, während sich erneut Tränen einen Weg auf ihren Wangen bahnten. Und so schnell konnte er nicht reagieren, wie Frau Anna ihn in eine Umarmung schloss. Überfordert und im höchsten Maße verlegen, stand er wie versteinert auf der Stelle, lauschte ihrem Schluchzen und wurde fester an ihren Oberkörper gedrückt, wo ihr Herz wild klopfte. Doch Frau Anna schien sich nicht daran zu stören, dass sie ihn an ihre Brust drückte, so sagte er nichts, sondern horchte ihren unregelmäßigen Atemzügen, dem bitterlichen Weinen und ihren nächsten leisen Worten. „Du bist der Beste, Bilbo Beutlin. Lass dir nie etwas anderes sagen.“, murmelte sie in seinen Locken. „D-Danke.“ „Sie scheint ein vertrautes Band mit dem Hobbit zu haben.“, merkte Fíli unter dem Kauen seines Apfels an als er die Umarmung mit unbestimmten Gefühlen beobachtete, statt seinen Bruder, wie er den letzten Sattel zu den anderen legte. Die abrupte Bewegung von Kílis Kopf lenkte jedoch die Aufmerksamkeit wieder auf seinen Bruder. Für einen Moment musterte Fíli ihn genau. Was er dann erkennen konnte, ließ ihn aufmerksam werden. Kílis Augen verdunkelten sich und er verzog unzufrieden seinen Mund in eine gerade Linie. „Warum umarmt sie den Hobbit?“, fragte Kíli in einem Tonfall, der sich verdächtig nach Enttäuschung anhörte. „Und warum weint sie?“, fuhr er plötzlich entsetzt fort. Fíli runzelte die Stirn. „Du hast unserem Onkel schon zugehört?“, fragte er seinen Bruder, der wortlos weiter dort stand und hinüber starrte. „Das hat sie nicht verdient..“, meinte sein Bruder dann leise, das nun endgültig Fílis Neugierde weckte. Was hatte er verpasst? „Du hast mir noch nicht von eurem kleinen Ausflug erzählt, Brüderchen. Sollte ich etwas wissen?“ Sofort spannte Kíli sich an, unterbrach sein Stieren und wandte sich dem Pony zu, dem er die Decke vom Rücken zog. „Nein.“ „Du bist ein furchtbar schlechter Lügner.“ Fíli stellte sich zu seinem Bruder, legte ihm eine Hand auf die Schulter und beugte sich ihm vor. „Was ist passiert?“, fragte er sanft. Kíli wandte sich ihm zögerlich zu, in seinem Gesicht ein befangenes Lächeln. „Ich weiß nicht, ob ich es dir sagen darf.“ Überrascht zog Fíli seine Stirn in Falten. Da war also tatsächlich etwas vorgefallen und sein Bruder redete nicht mit ihm darüber? Skeptisch geworden, zog er seinen Kopf etwas zurück. „Was ist es? Was hat sie gesagt? Etwas über den Grund warum sie hier ist?“ Unverzüglich änderte sich der Ausdruck seines Bruders. In einem mal schüttelte er seine Hand ab, verzog wütend er sein Gesicht und brachte dabei etwas Abstand zwischen sich und ihm. „Du klingst so wie Onkel. Nein, das hat sie nicht. Und ich dachte du magst sie.“, verließ es ihn ungehalten. Ehe Fíli etwas dazu erwidern konnte, führte Kíli das Pony zu den anderen. Verwundert blickte er ihm nach. Was war es dann, was sie gesagt hatte? Seufzend strich er sich durch seinen Bart. Ja, er mochte diese seltsame Frau. Allerdings konnte er das seltsame Gefühl in seinem Bauch nicht einordnen, das sie bei ihm auslöste. Noch immer verfluchte Kíli leise seinen Bruder, während er das Pony zu den anderen etwas abseits stellte. Fíli hatte sich genau wie Onkel angehört. Und natürlich hatte er die harschen Worte gehört. Doch sie war hier in Mittelerde gefangen, vermisste dabei schmerzlich ihre Welt, ihre Familie. Alles was sie wollte, war Heim zu kehren. Wer könnte es nicht besser verstehen als sein Onkel selbst? Wie konnte er dann so hart zu ihr sein? Machte er sich nur etwas vor? Nein, Kíli wollte ihr eine Chance geben. Und es hatte ihn so gefreut, dass sie etwas von ihrer Familie verraten hatte, die scheinbar eine so verfängliche Angelegenheit war. Er war jetzt der festen Überzeugung, dass es nur für seine Ohren bestimmt war. Sonst hätte sie doch auch mehr gesagt, wenn sein Bruder anwesend war, richtig? Wenn sie es also nur ihm anvertraute, würde er es auch für sich behalten. Auch wenn Fíli danach fragte, es war nicht sein Recht es zu hören. Und er würde ihr Vertrauen nicht enttäuschen. Kíli nickte entschlossen, während er dem Pony über den Hals strich. „Kíli.“ Sofort weiteten sich seine Augenlider und er wandte sich um, nur um direkt in das Gesicht seines Onkels zu blicken. „Onkel?“ Thorin stand mit den Armen vor der Brust verschränkt und einem ernsten Gesicht wenige Schritte von ihm entfernt. Er schwieg für wenige Momente, in welchen Kíli sich anspannte. Hatte Fíli ihn geschickt? Wollte er jetzt auch unbedingt wissen, was sie ihm gesagt hatte? „Du weißt warum ich dich aufsuche?“, fragte sein Onkel ihn mit hochgezogener Augenbraue. Kíli war sich nicht sicher, schüttelte daher zögerlich seinen Kopf. Thorin neigte seinen ein Stück nach unten, sodass er ihn unter seinen dicken Augenbrauen her ansehen konnte. Kíli kannte diese Haltung gut. „Ich vertraue dieser Menschenfrau nicht, Kíli.“, begann er mit strengem Ton. „Und auch du solltest ihr nicht vertrauen.“ Kíli öffnete schon seinen Mund, doch Thorin gab ihm einen direkten Blick, der ihn deutlich warnte. Sogleich schluckte er seine Worte hinunter. „Es ist deine Sicherheit, die mir Sorgen bereitet. Ich habe deiner Mutter schwören müssen auf dich und deinen Bruder acht zu geben.“ „Aber Onkel -“ „Nein, Kíli. Lass mich ausreden. Ich kann daher deinen Wunsch, deinen Schwur zu ehren, gut verstehen. Doch du kennst diese Frau nicht. Wenn du deiner Pflicht nachkommen willst, tue dies in Anwesenheit anderer. Ich will nicht noch einmal, dass du allein mit ihr verschwindest. Oder das sie zwischen dir und deinem Bruder Missgunst sät.“ Kíli zog seine Augenbrauen zusammen. Hatte Fíli Thorin davon berichtet? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. So etwas tat sein Bruder nicht. Doch woher wusste er dann von der Meinungsverschiedenheit? „Wie kommst du darauf, dass sie Missgunst sät, Onkel?“, wollte er wissen, das seinen Onkel überraschte. „Ich habe eure Auseinandersetzung aus der Ferne beobachtet. Seit diese Frau aufgetaucht ist, gibt es deutliche Äußerungen. Ihr wärt nicht die ersten, die sich wegen ihr nicht einig sind.“, gab er zurück, woraufhin Kíli die Stirn runzelte. Er wusste von Balin, Bofur und Bombur, die sich auf ihre Seite stellten. Und da war noch Gandalf. „Was ist mit Gandalf?“, fragte Kíli dann, was Thorin blinzeln ließ. „Was ist mit dem Zauberer?“ „Er vertraut ihr. Sollten wir das dann nicht auch können?“ Sie konnte doch gar nicht so gefährlich sein, wenn Gandalf so viel von ihr hielt. Thorin seufzte hörbar und löste seine Arme vor der Brust. „Gandalf verfolgt seine eigenen Ziele.“, verließ es dunkel den Mund Thorins. Dann legte er seine Hand auf Kílis Schulter, jene er leicht drückte. „Solange ich mir nicht sicher sein kann, dass diese Frau keine Gefahr darstellt, wirst du in Sichtweite bleiben. Und dich auch sonst nicht von ihr ablenken lassen. Hast du verstanden?“ Der durchdringe Blick seines Onkels wurde sanfter als Kíli nickte. „Gut. Und jetzt komm.“ Kíli folgte seinem Onkel zurück zum Feuer, wo bereits der Rest der Zwerge warteten. Sollte er wirklich vorsichtiger im Umgang mit Anna sein? Er wollte den Wünschen seines Onkels entsprechen, doch etwas in ihm sprach deutlich dagegen.   Ein Räuspern riss sie aus ihren Gedanken, sodass sie ihren Kopf zur Seite wandte. Es war Gandalf, der sich mit einem Seufzen neben ihr auf den Baumstamm setzte, wo erst vor kurzem Bilbo Platz war, der sich vor wenigen Momenten hastig entschuldigt hatte. „Wie geht es Euch, Liebes?“, fragte er geradezu beiläufig als er seine Pfeife aus den Untiefen seiner Robe holte. Prompt verzog sie ihr Gesicht. Das war nicht sein Ernst, oder? „Wundervoll.“, antwortete sie flach, was nur so von Sarkasmus triefte. Gandalf warf ihr einen kurzen aber vielsagenden Blick zu, ehe er begann seine Pfeife zu reinigen. Die junge Frau zuckte mit den Schultern. „Ich habe heute erfahren, wie wertlos ich bin. Wie soll es mir gehen, großer Zauberer? Beschissen. Thorin würde mich lieber tot sehen. Und wahrscheinlich der Rest der Zwerge genauso.“ Anna blickte daraufhin zum Feuer, das einige Meter weit entfernt laut knisterte und worum sich alle Zwerge versammelt hatten. Sie schienen ihre Zeit zu genießen, wie sie lachten und laut über irgendetwas diskutierten. Wie eigentlich immer. Zwerge waren wirklich sehr laut. Wie eine Bar zur Happy Hour. „Seid Ihr Euch sicher?“, fragte der Zauberer neben ihr, sodass sie sich ihm skeptisch wieder zuwandte. „Vielleicht Kíli und Fíli und Bofur … . Ja, schon gut. Ein paar sind nicht so übel. Aber Thorin... er sieht mich lieber tot!“ Anna seufzte frustriert auf. „Und Ihr habt mir nicht einmal geholfen! Warum nicht?“, fragte sie schließlich verletzt. Zumindest von Gandalf hatte sie volle Unterstützung erwartet. Wie sollte sie sich allein gegen Thorin stellen? Gandalf schien von ihrer Frage unbeeindruckt, da er lässig seine Pfeife anzündete und einen genüsslichen Zug davon nahm. Er blies einen perfekten Ring aus Rauch, den er Richtung untergehende Sonne schickte. Ungeduldig schnaubte sie und wartete darauf, dass der Zauberer etwas sagte. „Mein Liebes, ich habe keinen Zweifel daran, dass Ihr dem König unter dem Berge noch Euren Wert beweisen werdet. Es ist Eure Aufgabe ihn zu überzeugen. Eure allein.“ Anna verzog eine Grimasse. „Wirklich jetzt? Ich bin ganz allein bei dem ganzen Scheiß? Thorin von mir überzeugen? Wieso und wie soll ich das anstellen? Ihr seht doch was los ist!“ „Ich gebe zu, Thorin ist ein besonderes Beispiel für die Sturheit und Misstrauen der Zwerge.“, gab Gandalf nachdenklich zu, was Anna heftig nicken ließ. Untertreibung des Jahrhunderts. Thorin war das Musterbeispiel überhaupt. „Das ist noch untertrieben. Er hasst mich. Allein schon weil Kíli mein Beschützer ist. Und nicht zu vergessen. Ich bin ein Mensch. Oh. Und ach ja, eine Frau dazu! Versteht Ihr nicht? Er will mich tot sehen! Wirklich. Total tot. Mausetot.“ Automatisch pickten ihre Augen Thorin heraus, der am Feuer neben Dwalin saß. Er sagte kein Wort, sondern schien den Gesprächen der anderen aufmerksam zu folgen. „Hassen? Nein, Liebes. Das tut er gewiss nicht. Gewinnt sein Vertrauen und Ihr werdet sehen, Ihr findet in ihm einen guten und loyalen Freund.“ Prompt drehte sie sich Gandalf zu und starrte den Zauberer an. „Wie soll ich denn bitte das anstellen? Da hätte ich ja bessere Chancen, dass mir jeden Moment Flügel wachsen. Oder einem Esel das Sprechen beibringen.“ „Vielleicht liegt alles was Ihr dazu benötigt, bereits in Euren Händen.“, meinte Gandalf mit einem kleinen Lächeln mysteriös. Anna presste stark ihre Lippen aufeinander und verengte ihre Augen. „Klar, muss es jetzt so eine kryptische Scheiße sein. Nicht so was wie: Hey, back ihm ein Brot, weil er liebt Brot. Und wenn du ihm eins gibst, mag er dich viel lieber. Nein, das wäre ja hilfreich.“, kam es mies gelaunt von ihr. Nein, wirklich. Was dachte Gandalf sich bei dieser Antwort? Wie sollte ihr das helfen? Sie war nicht unbedingt begabt darin Rätsel zu lösen. Zum Teufel damit. Sie war selbst eins! Und nicht mal das konnte sie entwirren. Was sie dann völlig verstörte war das tiefe Lachen Gandalfs. Er fand das auch noch witzig? „Fräulein Schubert, Ihr seid in der Tat ein lustiges Geschöpf.“ „Ge-Geschöpf?“, verließ es fassungslos ihren Mund, das den Zauberer nur weiter zu amüsieren schien. „Ich meine es ernst! Macht Euch nicht über mich lustig!“ Das ernüchterte ihn etwas, doch das vergnügte Funkeln in seinen Augen blieb. „Oh, aber nicht doch. Ihr besitzt einen bemerkenswerten Liebreiz. Verliert ihn nicht.“ Anna wusste nicht recht was sie von dieser Aussage halten sollte, daher zog sie eine Augenbraue an. Was genau meinte Gandalf damit? „Aha? Ist auch egal. Denn es geht hier darum, wie ich Thorin von mir überzeuge. Also irgendwelche anderen undeutlichen, rätselhaften und definitiv nicht hilfreichen Worte, mit denen Ihr mich erleuchten wollt? Und ihr habt mir immer noch nicht gesagt, was das bitte bringen soll. Außer noch mehr Frustration, Kummer und Selbstzweifel.“ Ganz deutlich konnte sie sehen, wie Gandalfs Mundwinkel zuckten. Schließlich räusperte er sich. „Die Freundschaft Thorins wird Euch noch von großem Nutzen sein, so unwichtig wie es in diesem Moment auch erscheinen mag. Zu der anderen Frage, kann ich nur wiederholen, was ich bereits sagte: Ihr besitzt bereits alles Nötige dazu. Ihr müsst verstehen, dass ich Euch nicht mehr sagen kann, denn Ihr allein müsst es herausfinden. Meine Worte werden Euch nichts nützen, wenn Ihr den Grund nicht versteht.“ Auf seine Worte hin seufzte Anna schwer, warf ihre Hände gen Himmel und blickte hinauf in den rot goldenen Horizont. „Hurra! Noch mehr Rätsel! Das wird ein Spaß!“, rief sie verzweifelt.   „Fräulein Schubert.“, wurde sie angesprochen, sodass ihr Blick von ihrem Buch in ihrem Schoß hoch in das Gesicht von Balin schoss. Der alte Zwerg lächelte sie mild an. „Was gibt es?“, fragte und wunderte sie sich gleichzeitig. Bis auf Bilbo und Gandalf war bisher keiner auf die Idee gekommen sie anzusprechen, nicht einmal Kíli, den sie aber öfter dabei erwischte, wie er sie anblickte, nur um danach wegzusehen. Dachte er, sie würde das nicht merken? Aber sie sagte dazu nichts. Irgendeinen bescheuerten Grund hatte er schon. So wie der Rest der Zwerge, von denen die meisten zu diesem Zeitpunkt in ihren Bettrollen lagen und vor sich her schnarchten. Demnach verfolgte sie mit Interesse wie Balin sich neben sie ans Feuer setzte und fragte sich, was er von ihr wollte. Da erkannte sie, dass er in einer Hand ein zusammengefaltetes Stück Papier hielt, jenes er ihr reichte. „Euer Vertrag. Lest es in aller Ruhe, solltet Ihr Fragen haben -“ „Nein. Schon gut. Ich weiß was darin steht.“, meinte sie direkt als sie den Vertrag aus seinen Fingern zog und auf die aufgeschlagenen Seite ihres Buches legte. „Ihr wisst es?“, kam es dann erstaunt von ihm, das sie erschrocken glucksen ließ. „Ich meine! Ich kann es mir vorstellen. Natürlich weiß ich das nicht.“ Anna lachte unsicher, was die Falten auf Balins Stirn nur vertieften. „Muss ich das unterschreiben?“, versuchte sie dann schnell das Thema zu wechseln und entfaltete das Papier, welches sie im Licht des Lagerfeuers begann zu mustern. Beeindruckt von Balins Schrift, fuhr sie mit den Fingern beinahe zärtlich über die Oberfläche. Sie hatte den alten Zwerg heute oft an dem Vertrag schreiben sehen. Wie konnte er auf dem Rücken eines Ponys noch so ruhig die Feder führen? Doch kam ihr ein viel interessanterer Gedanke: Als was war sie überhaupt angestellt? Ehe sie lesen konnte, hörte sie wie Balin sich räusperte. „Ich fürchte das müsst Ihr.“ Direkt huschten ihre Augen wieder zu Balin, der nun ein mitleidiges Lächeln auf den Lippen trug. Sofort verdrehte sich ihr Magen. „Ich muss? Wirklich?“ „Thorin war diesbezüglich sehr eindeutig.“, war seine knappe Antwort, die sie skeptisch werden ließ und sie sich wieder auf das Schriftstück vor ihr konzentrierte. Plötzlich weiteten sich ihre Augen in Schock. Das war bei weitem nicht der Vertrag von Bilbo, oder überhaupt vergleichbar! Entsetzt überflog sie die Zeilen, die tatsächlich so dort standen. „Ich... erkläre mich hiermit einverstanden vollkommen den Wünschen und dem Willen von Thorin, Sohn von Thráin, zu entsprechen?“, las sie den letzten Satz fassungslos vor und starrte Balin danach ins Gesicht. „Was soll das? Und was ist das?“ Anna deutete verärgert auf einen weiteren Abschnitt. „Ich gelte als Verräter der Zwerge und werde als solchen behandelt, falls ich Informationen weitergebe? Ich bin dazu verpflichtet die Unternehmung zu begleiten? Das ist kein Vertrag, sondern … mein Todesurteil. Egal wie ich mich entscheide, es endet mit meinem... ja Ende! Und das soll ich freiwillig unterschreiben? Und da steht sogar, dass lediglich ein Mitläufer der Unternehmung und für alles zuständig bin, wofür ich eingeteilt werde. Als Gegenzug wird mir Verköstigung und ein sicherer Schlafplatz zuteil. Und hier? Ich werde vor dem unmittelbaren Einzug in den Erebor aus der Gruppe gekickt?“ Balin stieß die Luft hörbar aus und nickte schwach. „Leider sind mir die Hände gebunden, Fräulein Schubert. Das sind die Worte Thorins.“ „Natürlich sind sie das! Ich hätte nie gedacht, dass Thorin Eichenschild so ein Mensch – Zwerg ist! Was passiert wenn ich nicht unterschreibe?“ „In diesem Fall -“ „Werdet Ihr fortan als Gefangene behandelt.“ Für eine Sekunde stand ihr Herz völlig still, ehe sie langsam den Kopf hob. Thorin kam vor ihr zum Stehen, blockierte sämtliches Licht, die Arme vor seinem Oberkörper verschränkt, seine Augen so kalt, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief. „Gefangene?“, wiederholte sie leise unter kurzen Atemzügen. Er würde sie wirklich gefangen nehmen? Man würde sie fesseln? Knebeln? Innerlich musste sie bei der Vorstellung auflachen. Würden das die anderen überhaupt zulassen? Natürlich, weil er hier der King war, wörtlich wie symbolisch! Wie sehr hatte sie sich nur in Thorin getäuscht? Ein Liebling aus ihren Büchern und Filmen? Wie blind konnte sie nur gewesen sein? Wie viel Hass steckte in diesem Mann? „Unterschreibt den Vertrag und Ihr erspart Euch und auch uns weitere Mühen.“ Mühen ersparen? Das würde es schon, wenn er wenigstens einmal freundlich zu ihr war und nicht dauernd mit seinen riesigen, unsensiblen Füßen auf ihr herum trampelte. Laut atmete sie die angestaute Luft aus. Sie musste sich auf ihren gefassten Plan fokussieren. Halt, war das überhaupt ihrer? Eigentlich war er das nicht, sondern nur ein sehr gut gemeinter Rat, den man befolgen sollte, weil es vom mächtigen Gandalf kam. Was genau brachte es jetzt noch mal? Sollte sie sich wirklich auf den Zauberer verlassen? Was konnte das schon weiter schaden? Schlimmer würde es mit Thorin nicht werden. Also ein Versuch war es wert, oder? Und auch wenn das im Moment unmöglich schien, vor dieser Herausforderung rannte sie nicht davon. Sie würde ihm zeigen, dass er sich in sie täuschte. Außerdem musste sie sein Vertrauen gewinnen. Andernfalls würde er sie nie in Bruchtal zurücklassen und sie wollte schließlich keinen Krieg in Bruchtal auslösen, weil sie sich weigerte mitzugehen. „Okay. Jetzt wird Brot gebacken.“, presste sie angestrengt heraus, was für totale Verwirrung sorgte. Thorin blickte sie an als habe sie den Verstand verloren und Balin musterte sie skeptisch. Na, wenigstens war das mal ein anderes Gesicht vom tyrannischen Zwergenkönig. „Verzeihung? Ein Brot ... backen?“, harkte Balin deutlich konfus nach, sein gesamtes Gesicht völlig in Unverständnis zerknautscht. „Ja, ein Brot. Und es wird verdammt noch mal lecker! Ich unterschreibe den Sklavenvertrag.“ Damit würde sie Thorin doch immerhin ein wenig von ihrer guten Absicht überzeugen, oder? Zumindest solange bis sie in Bruchtal war. Überzeugungsarbeit war zu leisten, ganz egal wie sehr sie Thorin nicht mochte. Balin räusperte sich, während Thorin angestrengt seinen Nasenrücken massierte. „Nun, das ist gut.“ Balin wusste offenbar nicht mehr dazu zu sagen, doch sein skeptischer Ausdruck blieb. Er sah aus als würde er jeden Moment die Männer mit der Hab-mich-lieb Jacke rufen. Anna nutzte die Sprachlosigkeit der beiden Zwerge und kramte in ihrem Rucksack, der neben ihr stand, nach dem Kugelschreiber, den sie stets dabei hatte. Man wusste ja nie, wann man einen Kugelschreiber gebrauchen konnte. „Ist das eine Redewendung aus Eurer Welt?“, hörte Anna dann eine schüchterne Stimme fragen, was sie erstaunt aufblicken ließ. Es war Ori, der neugierig ein paar Schritte von ihr entfernt saß und sich ihr zugewandt hatte. Offenbar hatte er dem nicht so geheimen Gespräch gelauscht. „Was? Nein! Dann hätte ich eher so was wie: Ist gebongt, geht klar, oder ist geritzt, gesagt.“ Noch während sie Ori das erklärte, begann er eifrig in seinem Buch zu schreiben. Neugierig beobachtete sie das einen Moment. Was genau bedeutete es, dass er diesen Unsinn aufschrieb? Sie würde ihn gleich danach fragen, doch zunächst holte sie den Kugelschreiber hervor und unterzeichnete eilig den Vertrag, den sie Balin in die Hand drückte. Jener prüfte die Unterschrift umgehend, nickte jedoch kaum später zufrieden, ebenso wie Thorin, der sich abwandte und beim Gehen seine Arme hinter den Rücken verschränkte. Für einen Augenblick sah sie dem König hinterher. Thorin würde sich noch wundern. Und vor allem seine verletzenden Worte bereuen, die er ihr an den Kopf geworfen hatte. In einem mal nahm sie ihr Buch aus dem Schoß hoch, schenkte Balin ein entschuldigendes Lächeln und setzte sich einfach neben Ori am Feuer. Der schüchterne Schreiberling wurde sofort ganz rot um die Nase und wich ihrem Blick aus. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sie sich zu ihm setzen würde. Doch endlich sprach sie jemand an! Nicht aus irgendwelcher Notwendigkeit, nein aus reinem Interesse an ihr. Dafür hätte sie den süßen Zwerg küssen können. Vielleicht tat sie das auch mal, nur um zu sehen wie rot er dann wurde. Gegen einen unschuldigen Kuss auf der Wange sprach schließlich nichts. „Habe ich das richtig gesehen? Ihr habt aufgeschrieben, was ich gesagt habe?“, harkte sie nach und erhielt ein zögerliches Kopfnicken. „Warum?“ Ori begann an seinem Schal zu zupfen. „I-Ihr stammt aus einer anderen Welt. Daher dachte ich, es sei interessant was Ihr zu sagen habt.“ Auf Annas Gesicht breitete sich ein ehrliches, breites Lächeln aus. „Wenn Ihr wollt, könnt Ihr mich fragen was Euch in den Sinn kommt.“ Auf diese Worte hin, blickte Ori ihr mit einem freudigen Lächeln entgegen. Es war als habe er nur darauf gewartet, dass sie genau das sagte.   Leider konnte sie nicht so viele Fragen beantworten, wie Ori es gern gehabt hätte. Denn schnell wurde klar, dass es ziemlich spät wurde und immer mehr Zwerge ihre Ruhe haben wollten, was sie deutlich zur Sprache brachten. So gesehen konnte sie ihm gerade mal erklären, dass fast alle Menschen gebildet waren. Das glich für Ori wie ein Wunder, da nicht alle hier in Mittelerde dem Schreiben und Lesen mächtig waren. Anna konnte daraufhin nur nicken und sagte, dass es im Mittelalter in ihrer Welt genauso war. Was dann das Mittelalter war, wollte der wissbegierige Zwerg ebenfalls wissen. Doch genau hier endete die Unterhaltung von einem mies gelaunten Dwalin, der einige unfreundliche Worte grunzte und ein einstimmiges Grummeln der Anderen folgte. Mit einem besseren Gefühl legte sie sich also in ihre Bettrolle nahe dem Feuer und neben Bilbo hin, der bereits schlief.     Und es war die schlimmste Nacht, den sie je in ihrem Leben erlebt hatte. Nicht nur war ihr die gesamte Nacht über, trotz der Nähe am Feuer, dem Umhang und der Bettrolle, furchtbar kalt gewesen, sondern war das Schnarchen von Bombur die pure Hölle. Selbst ein eingeschalteter Rasenmäher dagegen wäre neben ihr beruhigende Musik gewesen. Und nachdem sie einmal versuchte hatte sich etwas von der Gruppe zu entfernen, war der warnende Blick von Thorin ausreichend gewesen, dass sie sich wieder hinlegte. Überhaupt? Dieser Typ schien die ganze Zeit über wach gewesen zu sein. So lag sie die ganze Nacht in ihrem kalten Bett, mit Steinen und Stöcken im Rücken und dem Schnarchen in ihren Ohren. Es war also die reine Folter gewesen. Nun saß sie todmüde und mit Rückenschmerzen auf ihrem Pferd, gähnte ununterbrochen und nickte tatsächlich hin und wieder ein. Aber es gab auch nichts, was sie ablenkte. Die Landschaft half dabei noch weniger. So friedlich und nur mit den Geräuschen der Natur, war es fast so als lullte man sie in den Schlaf. Es musste Mittag gewesen sein als Anna eine Stimme neben sich hörte. Und es klang verdächtig nach ihrem Namen. Mit einem Gähnen öffnete sie ihre Augen und blinzelte bei dem hellen Licht. Als sich ihre Augen daran gewöhnt hatten, drehte sie sich der Quelle der Stimme zu. Neben ihr ritt Ori, der besorgt zu ihr hinauf blickte. „Hey, Ori.“, sprach sie ihn schläfrig an. Der junge Zwerg lächelte daraufhin verlegen. Er schien etwas sagen zu wollen, tat es aber nicht, weshalb sie schwach lächelte. Er war so schüchtern, wie ein kleines Kind, das man ständig knuddeln wollte. „Schieß los.“ Sofort katapultierten seine Augenbrauen hoch. „S-Schießen? A-Auf was?“, kam es verwirrt von ihm, woraufhin sie sich nicht halten konnte und laut lachte. Warum nahm jeder ihre Worte so genau? „Nein, nein! So war das nicht gemeint. Das ist wieder so eine Redewendung.“, meinte sie nun viel besser gelaunt und vor allem wach. „Ich meinte, was liegt Euch auf dem Herzen? Was wollt Ihr?“ „Oh.“, machte Ori, ehe sein verschämtes Lächeln zurückkehrte. „Ihr sagtet, Ihr würdet mir von diesem Mittelalter erzählen. Wäre es jetzt für Euch ein geeigneter Zeitpunkt?“ „Klar! Wann immer Ihr wollt, Ori. Ist ja nicht so als hätte ich sonst viel zu tun. Obwohl ich lieber von meiner Zeit erzähle. Das ist viel spannender. Denn eigentlich unterscheidet sich das Mittelalter kaum von diesem Zeitalter.“, meine sie lächelnd. Anna merkte schnell, dass sie nicht nur von Ori die ungeteilte Aufmerksamkeit besaß. So ebbten die Gespräche vor ihr erheblich ab. Es schien, jeder in ihrer Umgebung war interessiert an dem, was sie sagte. So erklärte sie so gut sie konnte alles, was Ori wissen wollte. Vor allem schien ihn das Thema Politik zu interessieren. Eine Demokratie war jedoch nicht nur für ihn unvorstellbar. So schaltete sich Balin ins Gespräch ein. Sein Standpunkt war deutlich, allerdings nicht unfreundlich. Doch was konnte man erwarten? Die Zwerge, oder allgemein alle in Mittelerde, kannten nur das System der Monarchie. Eigentlich hätte sie tatsächlich gern Thorin in diesem Gespräch gesehen. Was war seine Ansicht als König? Doch jener König bildete wie am Vortag die Spitze der Karawane, weit außer Hörreichweite. Ebenso Gandalf, der sich mit ihm unterhielt.   Und wie schon am Tag zuvor, verlor sie ihre Stimme von all dem Reden. Doch es war gar nicht mehr nötig viel zu sagen, denn sie fand sich plötzlich in einem Meinungsgefecht der Zwerge. Offenbar hatte das Gerede über Politik die Zwerge so angeheizt, dass sie es laut ausdiskutierten. Daran beteiligte sich sogar Glóin und Dori. Das Thema wurde auf die Klans gelenkt, wer welche Machtposition hatte und wer ein guter Zwerg war und wer nicht. Am Ende des Ritts waren sich jedoch alle einig: Dáin Eisenfuß war bei allen in Ungnade gefallen. Es hatte sie alle schwer getroffen, dass Dáin sich ihnen nicht angeschlossen hatte. Anna sagte dazu nichts. Sie alle wussten noch nicht, dass ihnen Dáin am Ende doch zur Hilfe kam. Und der Gedanke daran, ließ sie hart schlucken. Wenn sie mitkam und wenn sie bis dahin überlebte, war das der entscheidende Wendepunkt der Geschichte. Kaum verkündete Thorin den Halt für den Rest des Tages, verschwand Anna weit hinter einer Buschreihe. Zwar klappte es ganz gut mit dem wenig trinken, aber irgendwann musste jeder mal. Als sie dann wieder aus den Büschen hervorkam, stand nicht weit entfernt ein nur all zu bekannter Zwerg, dessen Blick sie sofort kreuzte. Kíli stieß sich locker von dem Baum ab, an dem er offenbar gewartet hatte. Huh? Was wollte er? „... Ja?“, fragte sie irritiert über sein plötzliches Auftauchen. Den ganzen Tag hatte sie nichts von ihm gehört oder gesehen. Jetzt stand er ihr mit einem Lächeln im Gesicht gegenüber, so als wäre nichts gewesen. Eigentlich hatte er auch nichts getan, aber irgendwie störte es sie schon den ganzen Tag, dass er nicht einmal dazu gekommen war. Doch vielleicht konnte er dazu nichts, sondern war es wieder Thorin zuzuschreiben, der gestern deutlich gemacht hatte, was er von ihr und Kíli zusammen hielt. … Das hörte sich falsch an. Anna räusperte sich und wartete auf eine Antwort, die sie nie in ihrem Leben erwartet hätte. „Bereit für Euer Schwerttraining?“ Schockiert riss sie ihre Augen auf. „Mein bitte was?“ Kíli hatte nicht gescherzt. Nein, er war absolut ernst was das anging. Verschwunden war sein Grinsen, keine Spur von einem Lächeln. Und ihr wurde schnell klar, was Thorin eigentlich mit den Worten 'Du wirst dafür sorgen, dass sie kampfbereit ist' meinte und zwar wörtlich. Kíli drückte ihr ein Schwert in die Hände, das so schwer war, dass sie fast vornüber fiel und überrascht glucksen ließ. Das schien Fíli köstlich zu amüsieren, der sich das ganze Spektakel aus sicherer Entfernung ansah, ebenso Bofur, der sich Pfeife rauchend auf einen Stein dazu gesellte. „Ein Goldstück sie lässt es noch vor dem Beenden des Trainings fallen.“, schlug Fíli Bofur laut genug vor. Entsetzt starrte sie zu den beiden Zwergen, wo sie erkennen konnte, dass Bofur die Wette ernsthaft überdachte. Halt?! Das hieß, er zweifelte ebenso an ihrer Fähigkeit ein Schwert zu halten wie Fíli, oder? „Hey!“, protestierte Anna wütend. „Abgemacht.“, meinte Bofur, wandte sich ihr mit einem breiten Lächeln zu. „Los, Ihr schafft das, Fräulein!“ „Na, … danke..“, murmelte sie, zuckte jedoch zusammen als sie plötzlich eine Hand an ihrer Schulter spürte. Kíli stand ihr so nah gegenüber, dass sich ihre Nase mit seinem Geruch füllte. Kurz schloss sie ihre Augen, jene jedoch sofort aufschnappten als er ihre Schulter einmal fest drückte, sein Ausdruck war ernst. Huh. Das passte so gar nicht zu ihm. „Hört mir gut zu.“, begann er und sie spitzte die Ohren. „Eure Haltung ist entscheidend.“ Anna nickte zum Verständnis und er ließ von ihrer Schulter ab. Kritisch beäugte er sie von oben bis unten, ehe er einen Schritt zurück tat und seinen Mund öffnete: „Linkes Bein vor … weiter. Gut. Streckt Euer rechtes Bein durch, Rücken gerade. Schultern seitlich.“ Seine Anweisungen waren direkt und sie versuchte ihnen so gut sie konnte zu folgen. „Haltet das Schwert mit beiden Händen fest am Griff. … Etwas höher.“ Sie hatte das Schwert gerade einmal wenige Minuten in den Händen, doch zog es schon kräftig in ihren Armen. Wie es wohl wäre, wenn sie nicht schon seit Jahren mit ihrem Bogen schoss? Sie hatte dadurch gut an Muskelkraft gewonnen, doch schien es im Vergleich nichts zu sein, wenn man ein Schwert führen wollte. Aber sie würde es noch lernen – offenbar. Als sie dann darauf wartete, dass er sein Schwert zog, allerdings nichts passierte, lockerte sie ihre Haltung. „Zieht Ihr nicht Euer Schwert?“ Sofort ertönte tiefes Lachen von der Seite, woraufhin sie Bofur und Fíli einen tödlichen Blick zuwarf. Das ernüchterte zumindest den Zwerg mit dem lustigen Hut, Fíli lachte nur lauter. Schnaubend wandte sie sich wieder Kíli zu, auf dessen Lippen ein amüsiertes Lächeln lag. „Nein. Falls es Euch nicht aufgefallen sein sollte, Ihr führt gerade mein Schwert.“, verließ es rau seine Kehle als ob er ebenfalls ein Lachen unterdrückte. Annas Augenbrauen schossen hoch, während sie zum ersten mal richtig das Schwert in ihren Händen betrachtete. Stimmt, es war sein eigenes. Wo hatte sie nur ihren Kopf? Kíli strich sich einige verirrte braune Strähnen aus dem Gesicht, indessen sein Lächeln zu einem Grinsen wurde. „Ihr werdet heute noch nicht gegen mich kämpfen. Erst wenn Ihr die Grundlagen anwenden könnt.“ „Oh...“, lächelte sie verunsichert und ihre Wangen fühlten sich plötzlich ganz warm an. Verlegen biss sie sich auf ihre Unterlippe und Kílis Grinsen wuchs. „Dann lasst uns weitermachen.“, meinte sie kleinlaut, räusperte sich und stellte sich in Pose wie eben.   Fíli zog gut gelaunt an seiner Pfeife, während sein Blick auf der Menschenfrau hängen blieb, welche gerade ein Gespräch mit Ori führte. Er konnte nicht verstehen was sie beredeten, da sie gegenüber am knisternden Feuer saßen und leise redeten, doch war deutlich zu sehen, dass Ori interessiert zuhörte. Es war ihm gleich mit seinem Bruder aufgefallen, wie der junge Schreiber seit Mittag gefallen an ihren Worten gefunden hatte. Kíli wollte sich ebenfalls anschließen, Fíli hielt ihn allerdings zurück. Sie sollte sich allein mit den anderen Zwergen unterhalten, was sie auch erfolgreich schaffte. Wenngleich er die sehnsüchtigen Blicke seines Bruder mit einem Lachen beobachtete. Kíli wollte mehr über ihre wunderliche Welt erfahren, die so vollkommen anders war. Metallkästen, die sich ohne ein Tier in Bewegung setzten, Metallvögel, die fliegen konnten und Orte so rasch erreichten, obwohl sie am anderen Ende der Welt lagen. Lächelnd dachte er an ihr kleines schwarzes Kästchen zurück, das sie ihm gezeigt hatte. Wie nannte sie es noch? Es war irgendetwas mit einer Hand. Es war erstaunlich gewesen und zeugte deutlich von dem Fortschritt, den sie gewohnt war und entstammte. Das alles stimmte ihn ebenso neugierig wie seinen Bruder, Ori oder gar Bofur, der mit ihr am Feuer saß, ihren Worten jedoch still lauschte. Wenn er es sich recht überlegte, waren es ausnahmslos die jungen Zwerge, die so viel Interesse zeigten. „Ihr habt den Ozean überquert?“, fragte Ori erstaunt. Anna nickte eifrig. „Oh ja. Es dauerte knapp acht Stunden, bevor wieder Land in Sicht war. Es war ein echt toller Trip in die USA.“ Belustigt folgte sie der hastigen Federführung Oris, der alles in das dicke Buch schrieb. Mussten seine Hände nicht langsam weh tun? Wenn sie nur daran dachte, wie ihre Arme und Schultern gerade schmerzten. Dann bekam sie auch noch einen Krampf und ließ das Schwert fallen, sodass Bofur seine Wette verlor. Anna rollte einmal mit den Schultern. Ein Fehler, es schmerzte gleich wieder höllisch. „Was sind die USA? Und wie lang sind acht Stunden?“, fragte der leidenschaftliche Schreiber ohne auch nur aufzusehen. „Ach stimmt ja, hier wird nicht in Stunden gerechnet. Tja... ein Drittel des Tages dann.“ „Ein Drittel des Tages über den großen See? Hört sich nicht besonders groß an.“, schaltete sich Bofur ein als er von seiner Pfeife abließ. Anna lächelte daraufhin. „Ihr vergesst, dass das Flugzeug sehr schnell und hoch fliegt. 10.000 Meter über der Erde ist ziemlich weit oben in der Atmosphäre.“ Was hatte sie den Brüdern noch einmal gesagt? Nachdenklich starrte sie kurz in die Flammen, die sie angenehm wärmten. „Ich meine das wären dann um die 30.000 Fuß.“, sagte sie unsicher und ihre Worte schlugen ohne Gnade ein. Bofur bekam einen starken Hustanfall und Ori wäre beinahe das Buch aus der Hand gefallen. „W-Wie hoch?“, vergewisserte Ori sich ungläubig. „Sagte ich doch. Und sagen wir ein Pferd erreicht im Durchschnitt im Galopp ungefähr 60 kmh, würde das Flugzeug mindestens zehn mal so schnell sein.“ Bofur sah sie prompt an als habe er einen Geist gesehen, was sie zum Lachen brachte. Genauso hatte Fíli sie angesehen als sie das erklärt hatte. Kíli war hingegen begeistert gewesen. „Also in Kombination so weit oben im Himmel und so schnell, ja der große See ist groß.“ „Besitzt jeder so ein Flugzeug?“, kam dann die unschuldige Frage von Ori, sodass sie erneut auflachte. „Oh Gott, nein. Die Dinger sind schweineteuer. Außerdem muss man ausgebildet werden um die Teile zu fliegen. Die sind gewaltig groß. Da passen viele hundert Menschen rein. Und wenn euch DAS schon aus den Socken haut, dann glaubt ihr mir nicht, wenn ich euch von der Mondlandung erzähle.“ Wie erwartet weiteten sich die Augen beider Zwerge, so weit, dass sie schon Angst hatte, sie fallen jeden Moment heraus. „Mondlandung? Ihr meint … dort oben den Mond?“ Anna folgte dem Zeigefinger Oris in den Nachthimmel, der zwischen den vielen Baumkronen zu erkennen war. Dort, groß und geradezu majestätisch thronte der Vollmond. Eine Aussicht, die ihr für einen Augenblick den Atem raubte. Es war eines dieser Bilder, die man sein Leben lang nie mehr vergessen würde. Bisher war der Himmel stets in Wolken verhangen gewesen, doch dieses mal... dieses mal konnte man so viele Sterne sehen, dass es praktisch überall funkelte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie den Sternenhimmel so hell gesehen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie wusste sofort, sie hatte sich in diese Aussicht verliebt. Sie könnte Jahre damit verbringen die glitzernden Diamanten im schwarzen Firmament zu bewundern. Es war wunderschön. „Fräulein Anna?“ „J-Ja?“, meinte sie noch immer atemlos, riss jedoch ihr Augenmerk wieder auf Ori. „Geht es Euch gut?“ „Ich war nie so der romantische Typ und den Sternenhimmel beobachten nie so mein Ding, aber … das ist der pure Wahnsinn.“ Neben ihr lachte Bofur leise, Ori schenkte ihr ein süßes Lächeln und sie konnte nur wieder in den Himmel starren, ihre ursprünglichen Worte ganz vergessend. Nachdem sich Ori für den Abend zurückzog – nicht unbedingt freiwillig, da Dori ihm Schlaf verordnete - blieb sie mit Bofur, Fíli und Kíli zurück. Um sie herum schnarchten die anderen laut, doch nur Bombur übertraf sie alle. Sogar Thorin saß an einem Stein gelehnt und hatte die Augen geschlossen. Selbst im Schlaf entspannten sich seine Gesichtszüge nicht, sodass er eher aussah als dachte er angestrengt über etwas nach. Vielleicht schlief er dann auch gar nicht? Was dann ihre Aufmerksamkeit weckte war Bofur, der etwas zu suchen schien und kein Erfolg hatte. Es erinnerte sie an die Szene mit Bilbo, wie er hektisch alle Taschen durchsuchte. Bofur stand sogar auf, blickte sich mit stark zusammengekniffenen Augen um. Sie wollte schon fragen als sie das gedämpfte Lachen von der anderen Seite hörte. Prompt fing sie den Blick von Kíli ein, der ihr ein Zwinkern zuwarf. Warum zwinkerte er ihr zu? Er hatte doch nicht … Nein... Ihr Blick wanderte als sie Fíli ebenso leise lachen hörte. „Was ist denn Bofur? Kann ich helfen?“, fragte sie möglichst unschuldig, da es ihr bereits dämmerte was los war. Der Zwerg mit dem Hut schien die Brüder nicht zu beachten, was vielleicht auch ganz gut war. „Meine Vorrat ist weg.“ Anna versuchte sich zusammen zu reißen. „A-Ach ja? Welcher Vorrat?“ Der Zwerg seufzte traurig, während er sich weiter umsah. „Den Kuchen, den ich bei dem Hobbit versteckt fand. Ich hab ihn aufgeteilt in meine zwei Beutel gesteckt.“ Sofort brach sie im schallenden Gelächter aus, das Bofur irritiert inne halten ließ, die Brüder ansteckte und das halbe Camp aufweckte. An diesem Abend fand sie etwas Schlaf, Bofur jedoch nicht seinen heimlich gebunkerten Kuchen.     Die Tage vergingen und glichen einem nach dem anderen. Sie unterhielt sich meist mit Bilbo, Ori, Bofur oder Kíli und Fíli. Selten waren es alle zusammen, oder eine Kombination. Aber sie bemerkte noch etwas anderes. Dori warf ihr weniger unfreundliche Blicke zu. Vielleicht lag es daran, dass sie langsam eine Art Freundschaft zu Ori aufbaute, oder weil er sich allmählich an sie gewöhnte. Fakt war, er war tatsächlich freundlicher. An einem Abend bot er ihr sogar recht höflich eine Tasse Tee an, die sie mit einem Lächeln gern annahm. Allerdings änderte sich im Umgang mit Thorin nichts. Seine Blicke waren nach wie vor hart und abschätzig. Dafür lockerte sich Dwalin etwas auf, der mit wachsendem Interesse ihre Fortschritte beim Schwerttraining verfolgte, die wirklich einsetzten. Kíli zeigte ihr wie man seine Beine einsetzte, wie man blockte und wie man einen Schlag ausführte. Und wenn es weiter so lief, würde er bald einen Kampf mit ihr versuchen. Mit den Tagen wurde der Muskelkater schwächer und ihre einst weichen Hände bekamen Schwielen. Doch gab es noch etwas anderes, das sie ebenfalls bemerkte.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)