Funkenflug von Shirokura ================================================================================ Kapitel 1: Geburtstag --------------------- 28. November "Schieb deinen verhurten Arsch hier her. Ich hab Geburtstag!" "Du bist nicht der verdammte Nabel der Welt, Hiro. Und wenn hier einer einen verhurten Arsch hat, dann bist du das. Ich hatte schon ewig keinen Sex mehr", drang es ungerührt aus seinem Handy. Der Sänger lachte heiter. "Wenn du Bedarf hast, ich opfer mich gern." "Das wird niemals passieren." Wieder lachte Hiro schallend über den Ernst in Natsus Stimme, bevor er sanft versuchte, den Drummer doch noch davon zu überzeugen, auf seiner Party zu erscheinen: "Komm her. Bitte. Alle würden sich riesig freuen, wenn du kämst!" Natsu seufzte. "Sind viele Leute da?" Hiro zögerte kurz, bevor er sich für die Wahrheit entschied: "Schon, aber verteilt auf die ganze Wohnung und es läuft laute Musik. Du musst dich nicht unterhalten, wenn du nicht willst." "Was soll ich dann da?" "Mir gratulieren?" "Ich hab dir geschrieben." "Mir haben hunderte Menschen geschrieben." "Kann ich doch nichts dafür, dass du so beliebt bist." "Bitte." "Hiro..." "Bitte..." Der Drummer seufzte wieder. "Ich schaue nachher vielleicht mal vorbei", presste er leise heraus. Hiro glaubte ihm nicht. "Super! Dann sehen wir uns gleich!", heuchelte er aber trotzdem. "Bis dann."   Natsu kam nicht. Auch wenn er es nicht anders erwartet hatte, traf es Hiro trotzdem hart. Nachdenklich ließ er seinen Blick über das nächtliche Tokyo schweifen, das er von seinem Balkon aus ein Stück weit überblicken konnte. Nicht, dass es ein nennenswertes Stück war, die gewaltige Größe der Stadt machte das schier unmöglich. Sehnsüchtig starrte er, bis das Lichtermeer vor seinen Augen verschwamm, in die Richtung, in der Natsus Wohnung lag und zog an seiner Zigarette. Leise knisternd verbrannte der Tabak und die hell aufleuchtende Glut tauchte seine nähere Umgebung kurz in oranges Licht. Tief inhalierte er den Rauch, bevor er ihn langsam wieder ausstieß, als würde er sich nur ungern von ihm trennen. Nur zögerlich gab Hiro dem Schmerz in sich Raum, denn seine Sehnsucht schien ihn zu zerfressen, auszuhöhlen. Jedes Mal ein wenig mehr. Er erkannte sich in diesen Momenten selbst nicht wieder, wenn seine typische laute, fröhliche Art einfach von ihm abfiel und diese erdrückende Schwermut ihre Klauen in ihn schlug. Er war dann ein Anderer. Er mochte diesen Anderen nicht und doch war dieser neue, schwache Hiro irgendwann einfach da gewesen. Ungefragt. Ungewollt. Und doch unantastbar.   Ein kleiner Windstoß zupfte an der Glut seiner Zigarette und unzählige leuchtende Funken stoben in das Dunkel der Nacht, bevor sie verglühten, bevor ihr hübsches Glimmen erlosch und sie nur noch ein weiteres graues Fetzchen in einer gigantischen grauen Stadt waren. Hiro hatte das Gefühl, noch nie so einsam gewesen zu sein wie in diesem Moment. Ob Natsu wohl noch wach war? Ob er auch gerade rauchte? Ob er es wohl eine Sekunde ernst gemeint hatte, her kommen zu wollen? Ob jemand bei ihm war?   Hinter ihm öffnete sich die Schiebetür. "Alles klar, Hiro?", wehte Masas ruhige Stimme zu ihm herüber. "Hmmm", brummte er nur unbestimmt. Vor Masa musste er sich nicht verstellen. "Er meint es nicht so. Du weißt, er mag keine Menschenmengen." "Aber er..." Hiro verstummte. Wusste selbst nicht, wie der Satz weiter gehen sollte. Aber er hat gesagt, dass er kommt? Lächerlich. Aber er... er... '... fehlt mir', vollendete jene schwache, verhasste Stimme in seinem Kopf den Satz. Es stach in seiner Brust. Ärgerlich schloss er die Augen und nahm einen weiteren tiefen Zug von seiner Zigarette. Er hatte sich diese Scheiße nicht ausgesucht. Er wollte ihn nicht lieben. Und doch tat er es. Ausgerechnet Natsu! Selbst nach all den Jahren, die sie jetzt gemeinsam in einer Band waren, war er ihm immer noch ein Rätsel. Ein dunkles, stilles Rätsel. Seine Mutter hatte Mal zu Hiro gesagt, er sei wie ein kleines Kätzchen, dass mutig und neugierig jedes Geheimnis lüften wollte. Sie hatte offenbar Recht. Er liebte Rätsel und von diesem einen namens Natsu konnte er einfach nicht lassen.   Da spürte Hiro Masas Hand auf seinem Unterarm. "Sei ihm nicht böse. Er ist einfach so." Sein Gegenüber kannte den Drummer seit seiner Schulzeit und war auch der Einzige, der wusste, was mit Hiro los war. Der beherrschte Bandleader hatte etwas Vertrauenswürdiges an sich und so hatte sich ihm der Sänger während eines gemeinsamen Trinkgelages offenbart. Der Bassist hatte Hiros Verliebtheit entspannt hingenommen, ihn aber ermahnt, verantwortungsvoll mit der Situation umzugehen, da die Band nicht für ein wenig Spaß gefährdet werden durfte. Das war vor fünf Jahren gewesen. Masa hatte ihn von Zeit zu Zeit darauf angesprochen und jedes Mal war der Sänger unendlich dankbar gewesen, dass er darüber reden konnte und niemals verurteilt wurde für seine irrationale, unangebrachte Schwärmerei. War Masa anfangs besorgt um die Band gewesen, galt seine Sorge inzwischen nur noch Hiro. Der Bandleader tröstete ihn, wann immer er die Chance dazu hatte. Erklärte, so gut er konnte, was der komplizierte Natsu wann und warum tat. Manchmal war es regelrecht beschämend, wie sehr er sich engagierte, um es Hiro einfacher zu machen. Inzwischen äußerte er auch immer öfter Bedenken darüber, wie der Sänger mit seinen Gefühlen umging.   Denn Hiro sperrte seine besondere Zuneigung zu Natsu in sich ein, war er sich doch absolut sicher, dass sie nicht erwidert wurde und auch niemals erwidert werden würde. Er begnügte sich damit, ihn aus der Ferne zu bewundern. Seine Gefühle als eine Schwärmerei zu sehen, Kraft für die Songs und Zuversicht für schwere Stunden daraus zu schöpfen. Das hatte all die Jahre hervorragend geklappt, doch vor ein paar Monaten hatte sich etwas in ihm geändert. Es hatte angefangen, weh zu tun. Wo er sich früher an den Glücksgefühlen, die die Anwesenheit seiner heimlichen Liebe auslöste, erfreut hatte, da vermisste er ihn nun schmerzlich, wann immer er nicht da war. Und selbst wenn er bei ihm war, trübte die Sehnsucht danach, ihm näher zu sein, seine freudige Aufgeregtheit. Warum das so war, konnte Hiro sich selbst nicht erklären. Vielleicht wurde er alt? Wollte zur Ruhe kommen und sehnte sich nach jemanden, den er wirklich liebte? Allerdings hatte er inzwischen das Gefühl, gar nicht in der Lage zu sein, eine funktionierende Partnerschaft zu führen, als würde ihm etwas Grundlegendes, Unabdingbares fehlen, das Voraussetzung für echtes gemeinsames Glück war. Er hatte in den vergangenen Jahren unzählige Dates gehabt, aus denen sich zwei längere Beziehungen ergeben hatten, wie sie verschiedener nicht sein konnten und doch hatte keine geklappt. Weder mit dem entzückenden Model, mit der er pausenlos Partys und Action genossen hatte, noch mit dem ruhigen Makeup-Artist, mit dem er hatte trainieren und danach gemütlich Filme in Jogginghosen auf der Couch hatte sehen können. Mit beiden war er jeweils über zwei Jahre zusammen gewesen. Beide hatten sich von ihm getrennt und ihm am Ende das Gleiche vorgeworfen: Er wäre nicht bei der Sache gewesen. Wenn Hiro ehrlich war, hatten sie Recht. Natürlich war er stets charmant und aufmerksam gewesen, aber sein Herz hatte nie wirklich geflattert, wenn er sie angesehen hatte, wenn er ihre Namen gedacht hatte. Sicher, er war erfüllt von warmer Zuneigung gewesen, aber vor Aufregung fast explodiert war er nie wegen ihnen. Bei Natsu schon. Von ihm reichte ein Blick, um Hiro in Flammen stehen zu lassen, eine zufällige Berührung, um ihn völlig durcheinander zu bringen. Manchmal genügte sogar eine Nachricht oder nur der Gedanke an ihn. Über die Jahre schien seine Schwärmerei unbemerkt immer größer geworden zu sein, schien sich untrennbar mit seiner Persönlichkeit verflochten zu haben. Manchmal fragte sich Hiro, wie er wohl wäre, wenn diese seltsame Liebe nicht​ in ihm wäre. Wäre er dann auch so aufgedreht und laut?   "Vielleicht solltest du es ihm sagen", meinte Masa ruhig, doch Hiro lachte nur bitter. Genau. Es ihm sagen. Er würde sich einen rechten Haken einfangen oder ausgelacht werden oder noch schlimmer: für immer von ihm gemieden werden. Nach einem letzten Zug von seiner Zigarette, drückte er diese im Aschenbecher aus, atmete tief durch und knipste sein Lächeln an. "Schwamm drüber. Vielleicht kommt er nächstes Jahr! Lass uns rein gehen, mir ist verdammt kalt." Masa sah ihn zwar zweifelnd an, folgte ihm aber kommentarlos zurück auf die Party. Minuten später rann schon der erste Shot heiß durch Hiros Kehle. Er würde sich jetzt betrinken und sich jemanden für die Nacht suchen. Man wurde schließlich nur einmal 31! "Wer gibt dem Geburtstagskind einen Kuss?!", brüllte er in sein übervolles Wohnzimmer und wildes Gegröle war die Antwort. Und viele, viele Küsse.    +++   Hiro war gerade dabei, die unzähligen Müllsäcke voller Überreste von seiner Geburtstagsparty in den Flur zu räumen, als es an der Tür klingelte. Vielleicht jemand, der gestern etwas vergessen hatte? Doch aus der Gegensprechanlage drang Natsus Stimme und im Kopf des eitlen Sängers brach sofort der Notstand aus. Er war weder geduscht, noch hatte er mehr als eine gammelige Jogginghose an! Er stank bestimmt wie eine Schnapsleiche. Wir eine verschwitzte Schnapsleiche! So konnte er Natsu doch nicht entgegen treten. Hektisch huschte er ins Bad, versuchte mit der einen Hand irgendwie seine Haare in den Griff zu kriegen und sprühte sich mit der anderen Deo und die Achseln und nach einem misstrauischen Schnüffeln auf den ganzen Körper. Danach versuchte er noch irgendwie die Reste der Schminke von gestern notdürftig zu entfernen, was allerdings nicht den gewünschten Effekt hatte, da unter dem verschmierten Kajal Augenränder zum Vorschein kamen. Er sah aus, wie ein Panda. Unzufrieden musterte der eitle Mann sein Spiegelbild, als es schon an der Tür klopfte, zu der hastig zurückkehrte und sie aufriss. Und da war er. Natsu. In seiner ganzen zermürbenden Schönheit. Sprachlos sah er ihn an, während ihm das Herz ungewollt bis zum Hals schlug. Selbst wenn er darauf vorbereitet war, ihn zu sehen, schien sich sein Körper doch immer irgenwie vor dem Drummer zu erschrecken. In Rekordgeschwindigkeit rauschten gewaltige Mengen Adrenalin durch seinen Körper und er verkrampfte automatisch ein wenig. Natsus Blick wurde immer kälter, während er Hiro von Kopf bis Fuß mit seinen großen Augen musterte. "Verdammte Scheiße, hast du denn nie ein Oberteil an?", murrte er schließlich, schob sich an Hiro vorbei in die Wohnung und schloss die Tür hinter sich. "Hallo Natsu. Ich find's auch schön, dich zu sehen. Du bist einen Tag zu spät", zischte Hiro, als er seine Sprache wieder gefunden hatte. "Jaja. Alles Gute nachträglich. Hier." Mit diesen gemurmelten Worten drückte er Hiro eine Präsenttüte in die Hand, die dieser sofort neugierig beäugte. "Was ist das?", fragte er reichlich dämlich. "Ein Geburtstagsgeschenk. Was sonst?" Das Rascheln, als Hiro ein hübsch verpacktes Päckchen aus der Tüte fischte, brachte natürlich sofort Nyappi und Nyasu, seine beiden Katzen, auf den Plan, die mit einem leisen Mauzen angeflitzt kamen. Natsus Gesichtsausdruck veränderte sich sofort. Mit einem zärtlichen "Heeeeeeey ihr Süßen" ging er in die Hocke und streichelte die beiden ausgiebig. Das tat er mit einem derart sanften Lächeln, das in Hiros Herz mal wieder eine Kernschmelze auslöst wurde. Entrückt betrachtete er den Drummer, wie er seine beiden Lieblinge verwöhnte. Er würde sich nie daran satt sehen können. "Ich hab euch was mitgebracht", schnurrte Natsu regelrecht und holte ein paar Leckerlis aus seiner Hosentasche, die er an Hiros Haustiere verfütterte, die ihm begeistert um die Beine strichen. Die beiden Katzen liebten Natsu offenbar ebenso innig wie ihr Besitzer. Nur, dass der nicht gekrault wurde. Wie sich Natsus Hände wohl anfühlen würden? Rau? Packte er fest zu oder würde er sanft sein? Ein kleines Seufzen entkam Hiros Lippen. Er würde es nie erfahren, warum sich also Gedanken darüber machen? Da hob sich Natsus Blick wieder und gewohnt genervt fragte er: "Willst du wohl endlich deine Geschenke auspacken? Und dir was anziehen? Und aufhören, hier Löcher in die Luft zu starren? Bist du noch besoffen oder was?" Das katapultierte Hiro aus seiner Starre und er begann, vorsichtig, das Papier von dem weichen, leichten Päckchen in seinen Händen zu lösen, bis es schließlich den Blick auf ein Paar dicke Wollsocken freigab. "Du schenkst mir Strümpfe?", fragte er entgeistert. "Ja. Du frierst immer", antworte Natsu ungerührt, während er Nyappi, die sich schon auf den Rücken geworfen hatte und lautstark schnurrte, ausgiebig den Bauch kraulte. "Das sind Unikate. Extrem hoher Alpaka-Anteil. Und sie hat Totenköpfe reingestrickt, also sei gefälligst dankbar." Da zog Hiro das Paar auseinander und tatsächlich: da waren Totenköpfe drauf. "Cool! Danke!", freute er sich und warf Nyasu das Papier zu, die sich sofort daran machte, es fachgerecht zu zerlegen, während er das zweite Päckchen aus der Tüte nahm und begann, das Papier zu lösen. Es war ziemlich schwer. Er hatte keine Ahnung, was es sein könnte und als er schließlich ein Glas Manuka-Honig in den Händen hielt, war es vorbei mit der Beherrschung. Gerührt schnappte er nach Luft. "Natsu..." "Du magst den doch noch oder?", fragte dieser beunruhigt und kam wieder aus der Hocke hoch. Mögen? Er liebte ihn! Dass er sich daran erinnerte! Es musste Jahre her sein, dass sie darüber geredet hatten. Sein Herz klopfte viel zu schnell und der Drummer war viel zu nah mit seinen verdammten Katzenaugen und dem irritiert schräg gelegtem Kopf. Wie konnte dieser mürrische Typ nur so schön sein? Als er sich dann auch noch unsicher am Kopf kratzte, überkam es Hiro.   "Danke!", rief er schon fast und riss den schockierten Drummer in eine Umarmung. Natsu versteinerte augenblicklich und keuchte gepresst: "Schon gut. Schon gut. Lass mich los. Du hast nichts an, verdammt." Doch Hiro dachte nicht daran, schloss ihn nur noch fester in seine Arme und sog tief seinen Geruch nach Shampoo, Parfum und Kippen ein. "Seit wann stört dich sowas denn?", hakte er frech nach, um seine alberne Kuschelattacke zu überspielen. "Schon immer", maulte Natsu und befreite sich von dem anhänglichen Sänger. "Keine Angst, Schätzchen. Bisexualität ist nicht ansteckend", setzte Hiro nach, worauf hin Natsu aber nur spöttisch die Augenbrauen hochzog. "Was weißt du schon über meine Sexualität!" "Gar nichts", gab der Ältere offen zu. Nicht einmal Masa und Cazqui, die Natsu schon seit der Mittelschule kannten, wussten, auf was der Drummer stand. "Willst du es denn wissen?", fragte er da auch noch lauernd und Hiro glitt ein Schauer über den Rücken. Verdammt, er wollte es so sehr wissen, kannte Natsu aber gut genug, um sich keine Hoffnungen zu machen, dass er es jetzt erfahren würde. Trotzdem wurde ihm bei dem Blick in diese geheimnisvollen Katzenaugen ganz anders. Hoffentlich bekam er keine Gänsehaut. Das würde Fragen aufwerfen. "Ich bin drumsexuell", kicherte Natsu da gemein, nahm Nyappi auf den Arm und brach Richtung Wohnzimmer auf. "Ich will übrigens einen grünen Tee, danke der Nachfrage und zieh dir endlich ein verdammtes Shirt an, du hast schon eine Gänsehaut!", meinte er noch über die Schulter, bevor er hinter der Flurecke verschwand. Hiro war wie ausgeschaltet. Starrte einfach nur mit hängenden Schultern und irgendwie beschämt auf die Ecke, hinter der er verschwunden war, bis Nyasu ihm das Papier des zweiten Paketes aus der Hand fischte, um auch das in kleine Fetzchen zu zerpflücken. Da fing er sich und tat wie ihm befohlen.   "Was verschafft mir eigentlich die Ehre deines Besuchs?", fragte er und stellte eine volle Teekanne und Tassen auf den Tisch. "Ich bin hier um dir dein Geschenk zu geben", meinte Natsu entspannt, während er sich den dampfenden Tee einschenkte. Das leise Plätschern fesselte Hiros Aufmerksamkeit sofort und sein Blick glitt von der Tasse über die Kanne zu Natsus Hand, seinen Arm hinauf über seine Schulter, hin zu seinem Hals, bis er ihm schließlich in sein Gesicht sah. Wie immer, wenn er seine harten Züge bewusst bewunderte, wusste er wieder, warum er so empfand, wie er es nun Mal tat. Trotz Natsus voller Lippen, der kleinen Nase und der großen Mandelaugen sah er nicht niedlich aus. Er wirkte immer ein wenig arrogant. Mal gelangweilt, mal herausfordernd, aber niemals süßlich oder gar unschuldig. Egal, wie sehr sie ihn manchmal versuchten, auf Mädchen zu stylen, der böse Junge schimmerte immer durch. Fuck, er liebte diese Augen, die ihn gerade so fragend musterten. "Wofür ich sehr dankbar bin", antwortete er schließlich und zwang ein Grinsen in sein Gesicht. "Das solltest du auch sein. Weißt du, wie schwer es ist, eine nette, ältere Frau davon zu überzeugen, Totenköpfe in ein Paar Socken zu stricken?", lachte er und Hiro musste mitlachen. Wie vermisste er es, so zwanglos mit ihm herumalbern. Wie vermisste er die Zeit, in der er nicht über alles, was er sagte, hatte nachdenken müssen. Die Zeit, in der er sich nicht zwingen musste, ihn nicht permanent anzustarren, dass keiner was merkte. Aber es war nun mal, wie es war und daran ließ sich leider nichts ändern. Und so brachten sie gemeinsam den Müll runter und schauten dann ein paar Animes, bevor Natsu wieder aufbrach. Hiro sah ihm vom Balkon aus rauchend nach. Er konnte es ihm nicht sagen. Niemals. Er würde ihn verlieren. Kapitel 2: Weihnachten ---------------------- Einen Monat später "Nicht dein Ernst!", rief Cazqui durch den Proberaum und klatschte sich mit Daichi ab, der von einem Ohr zum anderen grinste. "Schau dir Daichis Weihnachtsdate an!", meinte er aufgeregt und hielt Hiro ein Handydisplay vors Gesicht, auf dem eine sehr hübsche, düster gestylte junge Frau zu sehen war. Sie waren sicher ein tolles Paar. "Süß", urteilte er und lockte damit auch Masa und Natsu an, die das Mädchen begutachten wollten. "Wow, nicht schlecht", meinte der Bassist und klopfte anerkennend auf Daichis Schulter. Natsu dagegen betrachtete das Bild eher neutral, um schließlich zu feixen: "Sie sieht aus wie du." Alle gackterten sofort los. Die beiden waren sich wirklich sehr ähnlich. Wenn Daichi sicht ordentlich aufbrezelte, konnten die beiden glatt als Schwestern durchgehen. "Jetzt will ich aber auch eure Dates sehen!", verlangte der Gitarrist lächelnd. Cazqui holte sofort sein Handy raus und zeigte ein Bild von dem Mädchen, das er nun schon eine Weile datete. Sie arbeitete in einem Musikgeschäft und hatte Cazqui seiner neuen Gitarre vorgestellt, was eine Bilderbuchdreiecksbeziehung hervor gebracht hatte. Cazqui liebte die Gitarre, das Mädchen liebte Cazqui und irgendwann hatte dieser von den Saiten aufgeblickt und seit dem hatten sie ein Date nach dem anderen. "Oh, ihr trefft euch noch? Schön", freute sich Masa, denn Cazqui tat sich oft schwer, Bindungen einzugehen. Eigentlich datete er selten jemanden mehr als einmal. "Du triffst dich doch auch noch mit Natsus Buchhändlerin!", konterte dieser ungerührt und Masa grinste glücklich. "Ja. Es ist schon unser zweites Weihnachsdate." Cazqui boxte ihm freundschaftlich in die Seite. "Dann wird es ja langsam ernst!" "Ach, Midori und ich haben es nicht eilig", wiegelte der aber ab. "Eigentlich sollte sie mir lebenslang Rabatt geben, nachdem ich sie ihrem zukünftigen Ehemann vorgestellt habe", grinste Natsu und Hiro weichte schon wieder das Hirn auf, als er dessen Augen vergnügt funkeln sah. Er lachte viel zu selten. "Und du, Nat-Chan?", fragte Cazqui dazwischen. Natsu zuckte mit den Schultern. "Ich verbringe den Tag entspannt zu Hause und schaue Filme." "Sowas in der Art habe ich auch geplant", platzte es Hiro heraus und als er Masas Lächeln sah, schwante ihm Übles. "Dann schaut doch zusammen Filme!", schlug er unschuldig lächelnd vor. Hiros Entsetzen kannte keine Grenzen. War er verrückt geworden?! "Ja! Ihr seid so ein süßes Paar!", kicherte Cazqui los und legte einen Arm um Natsu und einen um Hiro, der sich mit aller Macht zwingen musste, zu lachen, obwohl er das echt nicht witzig fand. "Klar, warum nicht. Willst du mein Weihnachtsdate sein?", drang da Natsus Stimme an sein Ohr und er musste trocken schlucken, als dieser ihn frech angrinste. Das war doch alles nicht wahr... "Na wenns sein muss. Wir schauen aber bei mir. Dein Miniaturfernseher frustriert mich", gab er sich betont cool während er innerlich tausend Tode starb. Ein Weihnachtsdate mit Natsu! Es war kein Date! Nur rumhängen! An Weihnachten! Wenn man jemanden zu Weihnachten einlud, war es ein Date! Es war kein Date, oder? Den Rest der Probe versaute er grandios, weil er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Überdeutlich spürte er Natsus Präsenz hinter sich, was ihn furchtbar nervös machte. Er verpasste permanent seine Einsätze und traf keinen Ton. Es war furchtbar. Aber auch diese Probe hatte irgendwann ein Ende und er konnte sich endlich voll und ganz seiner Panik hingeben, die ins Unermessliche stieg, als sich Natsu anzüglich lächelnd mit einem "Morgen um sieben bei dir, Baby!" und einem festen Klaps auf Hiros Hintern von ihm verabschiedete. Die Stimme des überrumpelten Sängers vibrierte sogar ein wenig, als er ihm "Ich freu mich schon, Honey!" hinterher rief, aber der Drummer schien nichts davon zu bemerken. Genervt starrte Hiro auf die Tür, als sie endlich hinter Natsu ins Schloss fiel und er endlich allein mit Masa war. Sofort herrschte er den Bassisten an: "Bist du verrückt geworden? Was hast du getan?!" Der Bandleader hatte jedoch nur ein aufmunterndes Lächeln für ihn übrig. "Ich hab dir einen Abend allein mit Natsu bei dir zu Hause verschafft. An Weihnachten." "Warum machst du sowas, verdammt?" "Weil sich die Scheiße kein Mensch mehr mit anschauen kann. Die anderen fragen mich schon, was in letzter Zeit mit dir los ist." "Wirklich? Wer?" "Alle", meinte Masa ernst. "Oh fuck, was hast du ihnen erzählt?" "Ich bin so nah, ich konnte, an der Wahrheit geblieben und hab ihnen erzählt, dass du unglücklich verliebt bist, aber ich nicht wüsste in wen." Das hatte er wirklich klug angestellt. Hiro fiel ein Stein vom Herzen. "Jetzt schau nicht so. Glaubst du wirklich, ich würde das ausplaudern?" Hiro schüttelte den Kopf. "Na siehst du. Dann freu dich doch auf morgen." "Freuen?!", rief Hiro aus, "Wie soll ich mich freuen?! Ich weiß nicht mal, was ich anziehen soll! Oh fuck, ich klinge wie ein Weib!" Masa lachte schallend. "Aber ernsthaft! Wenn ich mir ein Hemd anziehe und er hat keins an, blamiere ich mich. Wenn es umgekehrt läuft, bin ich respektlos. Muss ich ihm was schenken? Ich weiß gar nicht, was er sich wünscht! Wie soll ich bis morgen etwas Gutes auftreiben? Und was soll ich zu essen machen? Ich kann doch gar nicht kochen! Aber an Weihnachten kann ich auch nicht einfach eine Pizza in den Ofen werfen! Verdammte Scheiße, was hast du getan, Masa!", redete Hiro sich immer weiter in Rage und verstummte schließlich und bedeckte sein Gesicht in einer verzweifelten Geste mit seinen großen Händen. Wie konnte Masa ihm das nur antun? Es würde alles in einer furchbaren Katastrophe enden. Er würde sich vor Natsu lächerlich machen. "Komm mal runter. Du drehst ja völlig durch", meinte Masa beunruhigt. So langsam kamen ihm wohl auch Zweifel an seiner Genialität. Aber er wäre nicht der Bandleader, wenn er nicht immer für alles schnell eine Lösung parat hätte. "Also. Midori und ich finden raus, was er anzieht und schreiben es dir dann, dass du dich entsprechend anziehen kannst. Ihre Wohnung liegt zwischen seiner und der Bahnstation, also sehen wir ihn vorbei kommen. Das macht sie bestimmt gern. Sie versucht schon länger, ihn zu verkuppeln, aber er stellt sich völlig stur. Ich muss ihr ja nicht sagen, dass die Info für dich ist. Schenken kannst du ihm die Erstausgabe, die er sich bei ihr zurück legen lassen hat, aber noch nicht abholen konnte. Ich bringe sie dir morgen früh vorbei. Mit dem Essen weiß ich auch nicht so recht. Hol doch Fingerfood in dem Restaurant um die Ecke. Das bietet sich doch an zum Filmschauen." "Du bist ein Genie", meinte Hiro fassungslos. "Hehe. Ich weiß und jetzt geht das Genie in den Feierabend. So fantastisch zu sein, macht verdammt müde", kicherte Masa amüsiert und Hiro zog ihn in eine kurze Umarmung. "Danke Mann", brummte der Sänger. "Du solltest es ihm sagen." "Ich kann nicht." "Hiro." Der Ältere wand sich unter Masas strengem Blick. "Was ist, wenn er mich dann hasst?", fragte er schließlich leise. "Er wird dich nicht hassen. Er weiß doch, dass du bi bist und es hat ihn nie gestört. Vielleicht funkt es ja auch bei ihm, wenn er erst einmal die Option aufgezeigt bekommt. Ich glaube, er ahnt nichts. Man merkt es dir absolut nicht an, dass das alles wegen ihm ist. Und selbst wenn er deine Gefühle nicht erwidern kann, findet ihr sicher eine Lösung. Vielleicht kannst du dann damit abschließen und dich irgendwann wieder für andere begeistern." "Er könnte niemals auf mich stehen." "Warum nicht? Du stehst doch auch auf ihn." "Aber er… er ist nicht-" "Er ist nicht was?", unterbrach ihn Masa scharf, "Er ist nicht schwul? Nicht bi? Das weiß keiner. Cazqui und ich zerbrechen uns schon seit der verdammten Mittelschule den Kopf darüber. Wir schauen ihm seit zehn Jahren dabei zu, wie er alle Liebesgeständnisse höflich ablehnt, nie Dates hat. Selbst wenn er asexuell wäre, hättest du wenigstens endlich eine Antwort, Hiro. Du bist doch sonst so mutig." Aber der Sänger schüttelte nur hilflos den Kopf. Er konnte nicht. "Naja. Wie auch immer. Ich muss dann mal los." "Ich auch." +++ Nervös drehte Hiro das geschmackvoll eingepackte Buch in seinen schwitzigen Händen. Natsu müsste jeden Moment auftauchen. Zum hundertsten Mal wusch er sich die Hände und checkte anschließend sein Aussehen im Spiegel. Er trug eine schwarze Hose, ein schwarzes Hemd und hatte seine Haare ein wenig zurück gegelt. Konzentriert widerstand er dem Drang, den Hauch von Eyeliner, den er aufgetragen hatte, wieder abzuwischen. Er hatte ihn inzwischen schon viermal entfernt, dann aber doch immer wieder nachgezogen. Jetzt war es zu spät. Er wollte nicht riskieren, dass Natsu ihn bei dem Quatsch erwischte. Er trug ständig Eyeliner. Kein großes Ding. Es würde dem Drummer wahrscheinlich nicht einmal auffallen. 'Es ist kein Date. Es ist kein Date. Es ist kein Date', sagte Hiro sich immer wieder vor, aber sein Magen war trotzdem nur noch ein harter, kalter Klumpen vor lauter Aufregung und es war ihm ein Rätsel, wie er in diesem Zustand etwas essen sollte. Da klingelte es an der Tür. Er sprang so hektisch auf, dass seine beiden Katzen erschrocken flüchteten. Irritiert sah er ihnen nach und versuchte, sich auf dem Weg zur Tür irgendwie zu beruhigen. Zumindest äußerlich. Alles war in Ordnung. Das hier war KEIN DATE. Tief durchatmend betätigte er den Türsummer und fokussierte sich darauf, seine angespannten Muskeln zu lockern. Eine Partie nach der anderen. Ganz ruhig ein und ausatmen. Das hier war kein Date. Es gab keinen Grund, sich aufzuregen. Und tatsächlich fühlte er sich ruhiger, war schon fast stolz auf seine Fortschritte, die jedoch sofort verpufften, als sich der Fahrstuhl öffnete und Natsu ihn anlächelte. Er sah atemberaubend aus. Masa hatte nicht gelogen, als er angekündigt hatte, dass sich der Drummer regelrecht aufgebrezelt hatte. Seine Augen waren tiefschwarz umrandet, was ihre wunderschöne Mandelform effektvoll betonte. Er hatte sogar dunklen Lippenstift aufgetragen. Außerdem trug er einen eleganten Trenchcoat, ein dunkelrotes Hemd, das zu seinem Lippenstift passte und eine schwarze, perfekt sitzende Hose. Seine Haare hatte er zu einem strengen Zopf zusammen gefasst, was sein Gesicht noch markanter aussehen ließ. Trotz des Undercuts wirkte es extrem elegant, was wohl an der Attitüde lag, mit der Natsu sein Outfit trug. Er wirkte wie immer selbstbewusst und fast ein wenig arrogant. "Gut, du hast dich für mich hübsch gemacht", tönte er sofort, kam katzenhaft auf ihn zugeschlendert und umarmte ihn eng. Erstaunt ließ Hiro diese ungewohnte Begrüßung über sich ergehen und legte unsicher seine Hände auf den Rücken der Schönheit in seinen Armen. Es fühlte sich so gut an, ihm so nah zu sein, doch normalerweise ging Natsu sehr spärlich mit Körperkontakt um. Schon die Umarmung allein war für Hiro Geschenk genug, doch der Drummer setzte noch eins drauf. Mit tiefer Stimme raunte er dem überforderten Sänger ein "Du siehst toll aus." ins Ohr, bevor er sich von ihm löste. Hiro standen sofort die Nackenhärchen zu Berge und er forschte verzweifelt im Gesicht des anderen, um einen Anhaltspunkt zu finden, was das rätselhafte Lächeln auf dessen Lippen und die für ihn ganz und gar untypische Feststellung zu bedeuten hatten. War das jetzt doch ein Date? Oder nahm er ihn auf den Arm? Es blieb ihm nur die Möglichkeit, mitzuspielen, bis er einen Hinweis bekam, wie er hiermit umgehen musste, also setzte er sein charmantestes Lächeln auf und erwiderte ehrlich: "Danke. Du auch. Das Hemd steht dir hervorragend." Es fühlte sich seltsam befreiend an, so etwas sagen zu können, auch wenn der andere es höchstwahrscheinlich für einen Scherz hielt. "Darf ich dir aus dem Mantel helfen?", spannte er den Bogen weiter und sah sein Gegenüber provokant an. Was Natsu konnte, konnte er schon lange. Doch dieser hielt seinem Blick lächelnd stand. "Aber gern", erwiderte er und drehte Hiro bereitwillig seinen Rücken zu. Nervös strich dieser ihm das Kleidungsstück von den breiten Schultern und hängte es an der Gaderobe auf, während er sich den Kopf darüber zerbrach, wie er weiter vorgehen sollte. Natsu hatte sich währenddessen seine Schuhe ausgezogen und hielt ihm eine Tüte hin. Das schien langsam zur Gewohnheit zu werden. "Ich habe Wein mitgebracht", erläuterte er und tatsächlich zog Hiro eine ziemlich teuer aussehende Flasche Rotwein hervor, die er ratlos in den Händen drehte. Er hatte keine Ahnung von Wein. "Danke", entgegnete er deshalb schlicht und ging voran ins Wohnzimmer. Natsus Präsenz prickelte nahezu auf seiner Haut und er hatte große Schwierigkeiten, sich seine heftige Nervosität nicht anmerken zu lassen. Zum Glück kamen da schon Nyappi und Nyasu angehuscht und lenkten seinen Besuch ab, der sofort in die Hocke ging und die Katzen mit Streicheleinheiten verwöhnte. Schon Sekunden später ließen sich beide von ihm den Bauch kraulen, bis er ihnen schließlich auf die Köpfchen klopfte und ernst sagte: "So meine Schätzchen. Ich bin heute ausnahmsweise nicht nur wegen euch hier sondern wegen eurem Besitzer. Wir haben ein Date." Hiro war so dankbar, dass er Natsu in dem Moment den Rücken kehrte, denn ihm entgleiste vollkommen das Gesicht. Er hatte Date gesagt! Schnell drehte er sich um. Der Ton seines Gastes war absolut nicht zu deuten gewesen und auch in seinem Gesicht fand Hiro keinerlei Anzeichen dafür, ob er das nun ernst meinte oder nicht. "Haben wir das?", fragte er also unschuldig und um ein Pokerface bemüht. Natsus schiefes Lächeln brachte sein Herz zum Stolpern. "Klar. Cazqui hat doch gesagt, wir wären ein hübsches Paar. Lass uns ein Selfie für ihn machen." Schon hatte der Drummer sein Handy in der Hand und den Arm um Hiros Schulter gelegt. Entsetzt sah dieser auf das Display und wurde noch nervöser, als er so schon war. Natsu war so nah. Als sich dann auch noch seine Lippen auf Hiros Wange senkten, betete dieser nur stumm, den Abend irgendwie zu überleben. Natsu, der von der Panik seines Gastgebers keinerlei Notiz zu nehmen schien, betrachtete kritisch das Foto. "Du siehst aus, wie ein erschrecktes Eichhörnchen. Schau gefälligst glücklich, wenn ich dich küsse, Schätzchen", befand er und richtete schon wieder unbarmherzig die Kamera auf Hiro und sich selbst. Ergeben blickte der Ältere in das Objektiv, als ihm auffiel, dass Natsus Kuss einen dunkelroten Lippenabdruck auf seiner Wange hinterlassen hatte. Wie schön es doch wäre, wenn das hier echt wäre. Sein Magen kribbelte und in dem Moment drückte der Drummer auf den Auslöser. Sofort verschwand sein Arm von Hiros Schulter und ein breites Grinsen zierte sein Gesicht, als er das Foto ansah. "Perfekt", murmelte er und postete es in den Bandchat. Auf dem Bild zu sehen waren zwei glückliche Männer. Des einen Wange zierte ein Lippenstiftabdruck und des anderen Mund der zugehörige Lippenstift. Cazqui hatte Recht. Sie waren wirklich ein schönes Paar. Ein scharfes Reißen in Hiros Brust brachte diesen wieder zurück in die Realiät. "Wollen wir vor dem Fernseher essen oder hochoffiziell am Esstisch? Ich hab Fingerfood geholt", fragte er, um sich abzulenken. "Hast du einen Bruce Lee-Film da?", fragte Natsu so strahlend, dass Hiro auch grinsen musste. "Natürlich." "Dann vorm Fernseher?" "Gern. Setz dich." Hiro fiel ein Stein vom Herzen. Natsu eine Stunde lange gegenüber zu sitzen und ein unterhaltsamer Gastgeber zu sein, wäre wohl wirklich zu viel für ihn gewesen. Schnell schnappte er sich seine Katzen und setzte sie in ihr Spielzimmer, dass sie kein Essen klauen konnten, bevor er selbiges auf dem Couchtisch ausbreitete. Er hatte für Natsu Fleisch in allen erdenklichen Variationen besorgt, was der Drummer mit leuchtenden Augen zur Kenntnis nahm, während er den Wein öffnete und ihnen beiden einschenkte. "Dann auf ein gelungenes Weihnachtsdate, Hi-Chan. Cheers", grinste er, bevor er mit dem perplexen Sänger anstieß. "Cheers", antworte Hiro mit belegter Stimme und nahm schnell einen Schluck, um seine Verlegenheit zu verbergen, nur um überrascht die Augen aufzureißen. Er mochte Wein eigentlich nicht besonderes gern, aber der hier schmeckte toll! "Wow! Der ist lecker!", platzte es aus ihm heraus und Natsu lachte leise. "Wusste ich doch, dass du ihn magst. Als ich ihn das erste Mal getrunken hab, hat er mich an dich erinnert. Ich dachte, das wäre ein gutes Geschenk." Perplex sah Hiro ihn an. Hatte er das gerade wirklich gesagt? "Wie... meinst du das?", purzelte es schon aus seinem Mund. Irritiert sah Natsu von seinem Weinglas auf. "Wie meine ich was?" "Wie kann dich ein Wein an mich erinnern?" Der Anflug eines Lächelns huschte über Natsus Züge. "Keine Ahnung. Es war einfach so. Er schmeckt so... auffällig." "Auffällig?" Der Drummer seufzte. "Das verstehst du nicht. Du trinkst zu selten Wein", wiegelte er schließlich ab. Hiro wusste, es wäre besser, es sein zu lassen, aber irgendwie konnte er nicht. Er nahm noch einen Schluck und forderte schließlich ruhig: "Erklär's mir." Natsus Blick durchbohrte ihn regelrecht und ihm wurde ganz warm. Was jetzt wohl kommen würde? Warum hatte er nur weitergebohrt? Er wollte das doch gar nicht wissen... "Nimm ein wenig von den Wein in den Mund, aber schluck ihn nicht runter." Diese unerwartete Aufforderung überraschte Hiro und machte ihn neugierig. Artig tat er also, was Natsu von ihm verlangte. Der Wein schien von Sekunde zu Sekunde anders zu schmecken, als er sich über seiner Zunge ausbreitete. "Schließ die Augen." Zögerlich kam er auch dem nach. "Versuche, herauszufinden, was du schmeckst. Da ist eine leichte Säure, was ist da noch? Dieser Wein ist außergewöhnlich. Wenn du glaubst, du hast eine Idee bekommen, schluck ihn runter." Die Geschmacksnuancen explodierten geradezu auf Hiros Zunge, aber er konnte nicht erschmecken, um was genau es sich dabei handelte. Verwirrt schluckte er irgendwann den Wein herunter und öffnete die Augen. Natsu sah ihn direkt an. Hiro stockte der Atem und sein Herz sprang ihm fast aus der Brust, so intensiv war der Blick des anderen. "Und?", fragte Natsu schließlich, aber der Sänger zuckte nur hilflos mit den Schultern. "Wein ist kompliziert. Es ist am Anfang immer schwer", meinte Natsu aufmunternd. "Ich wusste nicht, dass du dich so gut damit auskennst", versuchte Hiro abzulenken. "Es ist interessant", lachte sein Gast, "Es fasziniert mich irgendwie, dass etwas wie ein Getränk so kompliziert sein kann. Es ist alles nur Wein, aber jeder für sich ist so unterschiedlich. Die Vielfalt ist beeindruckend." "Bist du nicht noch zu jung für sowas?" Natsus heiteres Lachen erfüllte den Raum und ein Teil von Hiro schien zu schmelzen. "Bist du nicht zu alt, um gar nichts über Wein zu wissen?", fragte der Drummer. "Deswegen will ich ja, dass du mir erklärst, warum dich dieser Wein an mich erinnert." "Also gut", Natsu beugte sich ein wenig vor, "Aber wehe, du langweilst dich dabei." "Nein. Es interessiert mich brennend." Und das tat es wirklich, denn er konnte sich nicht im Geringsten vorstellen, was Natsu ihm gleich erläutern würde. "Nehmen wir zunächst einmal die Farbe." Der Jüngere hielt sein Glas ein wenig hoch, bevor er fortfuhr: "Der Wein ist absolut klar und noch sehr dunkel. Das lässt darauf schließen, dass er sehr hochwertig und noch relativ jung ist. Wenn er von schlechter Qualität wäre, wäre er trüb oder schlierig. Alte Rotweine werden meistens heller, aber der hier ist so dunkel wie Blut. Seine Farbe erinnert mich an das Desperate-Video, in dem du so blutverschmiert warst." Überrascht sah der Sänger ihn an, sagte aber nichts. Sein Mund war ganz trocken. "Kommen wir dann zum Geruch", referierte Natsu seelenruhig weiter und roch ein wenig an dem Glas, was Hiro dazu brachte, es ihm gleich zu tun, "Er riecht intensiv, irgendwie würzig. Wenn man ihn gerochen hat, will man ihn einfach kosten." Hiros Herz setzte einen Schlag aus. "Und dann der Geschmack", fuhr Natsu fort und genehmigte sich ein Schlückchen, "Er ist trotz seiner jungen Jahre schon so komplex. Die dezente Süße, die Würzigkeit, die leichte Säure. Wie er all das harmonisch in sich vereint. Die Geschmacksdichte ist beeindruckend. Er ist so kräftig und dann diese Feurigkeit." Ein schwärmerischer Ausdruck stahl sich in sein Gesicht und Hiro wusste vor Verlegenheit nicht mehr, wohin mit sich. Er fühlte sich wieder wie ein Teenager und befürchtete vor Scham und Verunsicherung zu sterben. "Verstehst du irgendwas von dem, was ich sage?", fragte der Drummer schließlich. Hilflos zuckte er wieder mit den Schultern. "Was hat das alles mit mir zu tun?" Natsu sah ihn an, als wäre er verrückt geworden. "Intensität, Kraft und Feurigkeit sind im Allgemeinen Dinge, die man mit dir in Verbindung bringt", stellte er in nüchternem Tonfall fest. "Aber-" Er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. "Warum auf einmal so schüchtern? Sonst bist du doch auch extrem selbstbewusst. Eigentlich hatte ich erwartet, dass du mich breit angrinst und mir zustimmst, wie fabelhaft das zu dir passt." "Du hast gesagt, 'Wenn man an ihm gerochen hat, will man ihn kosten'... Und dass er süß ist...", stammelte Hiro peinlich berührt, was Natsu schmunzeln ließ. "Ich denke, eine Menge Menschen finden dich süß und wollen dich kosten", meinte er amüsiert. 'Gehörst du zu diesen Menschen?', lag es ihm auf der Zunge, doch er blieb still. Sah ihn nur verloren an, bevor er endlich wieder zu sich selbst fand, ein Lächeln in sein Gesicht zwang und "Verdammt richtig" raunte, bevor er ablenkte: "Ich hab auch ein Geschenk für dich." Schnell drückte er ihm das Päckchen in die Hand, welches Natsu sofort öffnete und ein begeistertes Geräusch ausstieß, als er die Erstausgabe in den Händen hielt. "Ich hab Masa gefragt", beeilte sich Hiro, zu sagen. "Hab ich mir schon gedacht, aber es ist trotzdem fantastisch. Ich hab sie immer vergessen, abzuholen und dann war Midori nie da und ich wollte die andere nicht fragen, weil die immer so zickig wird, wenn man Sachen nicht sofort abholt", meinte er lachend und kratzte sich am Kopf, "Und jetzt muss ich es nicht einmal bezahlen. Vielen Dank, Hiro." "Gern. Wollen wir essen?" "Unbedingt!" Sofort belud sich der Drummer seinen Teller mit einem Berg Fleisch und Hiro startete den Film. Es war einfach faszinierend, wie ausgehungert sich Natsu auf das Essen stürzte und er musste sich sehr zusammenreißen, seinen riesigen Fernseher anzusehen und nicht den schönen, verfressenen Mann neben sich. Er wollte auch gerade zugreifen, da ertönte ein derber Fluch. Sofort sah auf und erkannte das Problem: eine dicke Haarsträhne hatte sich aus Natsus Zopf gelöst und der war unfähig, etwas gegen das vor seiner Nase baumelnde Haar zu unternehmen, da beide Hände und auch sein Mund schon vollkommen fettig von den den Chickenwings waren, die er sich gerade einverleibt hatte. Grinsend betrachtete er den Drummer, der ihn finster hinter seinem Haarvorhang anstarrte. "Jetzt hilf mir schon", maulte er. Hiros Nervosität schwang sich in neue Höhen, als er sich vorbeugte und ihm die Strähne hinters Ohr strich, von wo sie allerdings sofort wieder hervor sprang. "Ich befürchte, das wird so nichts", meinte er, "Willst du dir nicht kurz die Hände waschen und den Zopf neu machen?" "Bullshit. Mach schon." "Wisch sie dir an ner Serviette ab." "Willst du, dass meine Haare nach Frittierfett riechen?" "Mir ist egal, wie deine Haare riechen", bemühte sich Hiro, normal zu wirken. "Jetzt mach schon! Was bist du denn für ein Gentlemen? Dein Date ist in Nöten!", beharrte Natsu stur. Hiros presste seine Lippen zusammen. Warum musste er jetzt wieder davon anfangen? Als wenn er nicht schon fertig genug wäre! "Stell dich nicht so an. Mach es selbst." "Bitte...", jammerte Natsu und knabberte umständlich, ohne seine Haare zu berühren an einem Chickenwing, "Ich hab so einen Hunger..." "Du nervst", fauchte Hiro schließlich, beugte sich aber trotzdem vor, wobei er versuchte, zu ignorieren, wie verdammt nah er Natsu damit kam, als er das Zopfband löste und die langen Haare des Drummers seidig über dessen Schultern flossen. Er mochte es, dass er sie wachsen ließ und er mochte den Undercut. Natsu sah so noch schöner aus. Eigentlich viel zu schön. Mit zittrigen Fingern fuhr er durch die seidigen Haare, um sie an seinem Hinterkopf zu einem Zopf zusammen zu fassen und das Zopfband darum zu schlingen. Er hatte es schon fast geschafft, als Natsu seinen Kopf ein wenig schräg legte. Hiro hatte die ganze Zeit mit aller Kraft vermieden, ihn anzusehen, aber nun tat er es, befürchtete er doch, den Zopf zu straff zu gemacht zu haben. Er sah nicht den befürchteten Schmerz in Natsus Augen, sondern lediglich eine Art katzenhaftes Interesse. Dann drang zu ihm durch, dass seine Hände automatisch den Zopf fertig gebunden hatten, er aber immer noch nicht seine Finger aus seinen Haaren genommen hatte. Es war, als stünde die Zeit still, weil keiner von beiden sich bewegte. Lediglich Natsus Atem strich über Hiros Gesicht, was diesen darin bestärkte, dass er verdammt noch mal seine Hände aus den Haaren nehmen musste. Natsu legte seinen Kopf noch ein wenig schräger und sah auf Hiros Mund, während dieser langsam ernsthaft befürchtete, zu kollabieren, sich aber nicht rühren konnte. "Deine Lippen sind ganz rot vom Wein", raunte der Drummer und Hiro leckte sich unbewusst über selbige, während sein Blick sich ebenso am Mund seines Gegenübers verfing, auf dessen dunkelrot geschminkten Lippen der Wein unsichtbar blieb. Er war so verdammt nah. Er musste sich nur ein wenig nach vorn beugen und - Versonnen biss sich Hiro auf die Lippe und der Schmerz ließ ihn zu sich kommen. Sofort zog er seine Hände zurück und brachte Raum zwischen sich und seinen Gast, während er sich eine Serviette griff und sich verlegen den Mund abwischte. Tatsächlich war sie ganz rot verfärbt. "Bei dir sieht man es nicht", meinte er fahrig und versuchte, seine aufgebrachten Nerven zu beruhigen. Er hatte den Eindruck, man könne sein Herz von außen gegen seine Rippen hämmern sehen. "Ja...", erwiderte Natsu in einem rätselhaften Ton, doch Hiro traute sich nicht, den Blick zu heben. Er war zu durcheinander und hatte einfach Angst davor, dass der Drummer ahnte, was ihm durch den Kopf ging. Das er ihn gerade hatte küssen wollen. Konzentriert versuchte Hiro, normal zu wirken, sich seine Hysterie nicht anmerken zu lassen und Natsu so wenig wie möglich anzusehen und auf keinen Fall zu berühren. So sahen sie noch drei weitere Filme, bis Natsu schließlich vor Müdigkeit die Augen fast zufielen und er sich zum Gehen anschickte. "Das war das schönste Weihnachtsdate, das ich je hatte", meinte Natsu mit einem kleinen Lächeln, als er im Flur in seinen Mantel schlüpfte. Hiro mochte es, wenn der Drummer satt und müde war. Er war dann viel sanfter. Fast umgänglich. "Das freut mich. Hattest du schon viele Weihnachtsdates?", nuschelte Hiro in Richtung seiner Fußspitzen und spürte, wie er schon wieder rot wurde. "Du wirst es nie erfahren", amüsierte sich Natsu über seine Unwissenheit. "Ich weiß", murrte Hiro. "Du bist ganz rot. Zu viel Wein?" Er wäre am Liebsten im Erdboden versunken. "Ja. Zu viel Wein." Und zu viel Natsu. Viel zu viel Natsu. Da spürte er zwei Finger an seinem Kinn, die es hoch zwangen. Unwillig sah er den Grund für seine Gesichtsfarbe an. "Gib mir ein Küsschen, dann ist das Date perfekt", schnurrte Natsu geradezu. Hiro dagegen glaubte zu träumen und starrte ungläubig auf die dargebotene Wange. "Warum?", fragte er und klang heiser. "Das macht man so bei Dates oder nicht?" Hiros Wangen glühten, doch er hatte keine Wahl. Wenn er jetzt kniff, würde das extrem merkwürdig wirken, schließlich hatte ihm Natsu vorhin auch ein kleinen Kuss aufgedrückt. Es war ja auch nichts dabei. Trotzdem wäre er vor Aufregung fast explodiert, als seine Lippen die zarte Wange des Drummers berührten. Hiro hielt die Berührung zwar so kurz wie möglich, aber trotzdem hatte er das Gefühl, seine Lippen würden brennen, während er sich gleichzeitig in Grund und Boden schämte, als 31jähriger Mann derart auf einen Kuss auf die Wange seines Bandkollegen zu reagieren. "Ist alles ok, Hiro?", fragte Natsu natürlich unbarmherzig nach. "Ja. Warum?" Seine Stimme klang viel zu dünn, wie er beschämt feststellen musste. Natsu sah ihn prüfend an und Hiro betete, dass er es gut sein lassen würde, wurde aber nicht erhört. "Masa hat gesagt, du bist unglücklich verliebt. Warum erzählst du mir nichts davon? Sonst hast du mich doch auch nie mit Details aus deinem Liebesleben verschont." "Ich dachte, ich nehme mir ein Beispiel an dir. Du verschonst mich schon, so lange wir uns kennen, mit Details aus deinem Liebesleben", kam es derart trotzig über seine Lippen, dass Natsu amüsiert auflachte. "Warum interessieren sich immer alle so für mein Liebesleben?" "Weil es ziemlich geheimnisvoll ist, dass man dich wirklich niemals mit jemanden sieht." Der Drummer verschränkte die Arme. "Das ist doch Quatsch. Ich treffe mich zum Beispiel oft mit Sora." "Und das heißt, dass du ihn datest?" Wieder lächelte Natsu so seltsam. "Das habe ich nicht gesagt." "Ich weiß. Du sagst nie etwas dazu." "Weil ich weiß, dass es euch nervt. Ich nerve euch gern. Außerdem ist meine Sexualität ganz allein meine Sache." Hiro seufzte ergeben. Er hatte ja Recht. Es ging ihn nichts an. Es ging keinen etwas an. Aber... Sie waren doch Freunde, oder nicht? "Ich hab dir auch erzählt, dass ich bi bin." Natsus Blick verdüsterte sich. "Nicht jeder kann so offen sein wie du." Sofort tat es Hiro leid, dass er so einen Druck gemacht hatte, also versuchte er es, wie es nun einmal seine Art war, mit Albernheiten. "Aber da du mich heute gedatet hast, liegt die Sache ja wohl auf der Hand. Du bist mindestens bi", meinte er mit seinem breitesten Grinsen, das sein Gast sofort erwiderte. "Vielleicht bin ich ja sogar schwul, wer weiß?" Hiros Herz macht einen Hüpfer bei der Art, wie Natsu ihn ansah. "Ich werde es nie erfahren", sagte er. "Wer weiß. Wenn du Lust auf ein Silvesterdate hast, erfährst du es vielleicht." Mit riesigen Augen sah Hiro den Drummer an. "Was?", fragte er überfahren. Da legte Natsu seinen Kopf schräg, schenkte ihm einen wahnsinnig intensiven Blick und fragte: "Willst du auch mein Silvester-Date sein?" Unbewusst hielt Hiro die Luft an, während sein Puls derart raste, dass er befürchtete, umzukippen. "Ok", wisperte er nur. Eigentlich hatte er sich mit seiner Familie treffen wollen, aber verdammt, die mussten warten. "Fantastisch", raunte Natsu, verabschiedete sich mit einer sanften Umarmung und schon war er weg. Hiro sah noch eine ganze Weile die Tür an. Warum hatte er zugesagt? Das war doch idiotisch. Seine Mutter würde ihn umbringen. Aber andererseits: Hatte er eine Wahl gehabt? Kapitel 3: Jahreswechsel ------------------------ Vor Nervosität war Hiro ganz schlecht, als er auf den vereinbarten Treffpunkt zuging. Er fühlte sich seltsam in dem traditionellen, dunkelblauen Hakama, den er über seinem schwarzen Kimono mit den goldenen Applikationen trug. Die vielen Lagen Stoff waren einfach ungewohnt, aber andererseits auch praktisch, weil er so nicht fror. Es hatte ihn sehr überrascht, als Natsu für ihr Date einen gemeinsamen Tempelbesuch an Silvester kurz nach Mitternacht vorgeschlagen hatte. Hiro hatte eher damit gerechnet, dass sie zusammen Nudeln vor dem Fernseher essen würden, doch der schöne Drummer wollte mit ihm beten gehen. Um ehrlich zu sein, hatte er alles erwartet, aber nicht das. Hiro hatte sich sogar einen Hakama kaufen müssen, da er keinen eigenen besaß. Wozu auch? Er war eher selten zu Veranstaltungen eingeladen, auf denen formelle Kleidung erforderlich war und hatte sich bei den wenigen Gelegenheiten bisher immer einen ausgeliehen. Da er nun aber schon über dreißig war und in naher Zukunft einige Hochzeiten in seinem Freundeskreis und der Familie anstanden, hatte er beschlossen, sich einen zu kaufen und den erstbesten Hakama, der im von der Länge her gepasst hatte, genommen. Im Laden hatte er sich noch ausführlich zeigen lassen, wie er den Hakama allein anlegen konnte. Trotzdem war es verdammt kompliziert gewesen, sich ohne Hilfe und mit vor Aufregung zitternden Händen, in die Klamotten zu wickeln. Hiro war mehrfach kurz davor gewesen, einfach nur den Kimono zu tragen, aber er wollte Natsu nicht enttäuschen und der hatte ihn, warum auch immer, um traditionelle Kleidung gebeten und das hieß nun mal in der Regel Kimono und Hakama. Hinzu kam, dass Hiro ihm unmöglich etwas abschlagen konnte. Hätte Natsu um Loli-Cosplay gebeten, würde er hier jetzt in Mädchenschuluniform und Perücke mit süßen Zöpfchen stehen. So einfach war das. Aber das durfte Natsu nie erfahren, würde er seine uneingeschränkte Macht über Hiro sicher schamlos ausnutzen. Es nervte den stolzen Sänger schon ziemlich, er seinem Angebeteten jeden Wunsch ohne zu zögern, ja sogar ohne nachzudenken erfüllte, denn jetzt taten ihm seine Füße in diesen verfluchten Holzsandalen weh. Doch das verflog, als er Natsu an einer Mauer lehnen sah. Seine Schönheit verschlug ihm den Atem. Er trug einen schlichten schwarzen Hakama, darunter trug er einen unglaublich schönen dunkelgrünen Kimono mit komplizierten Mustern und seine langen Haare waren kunstvoll hochgesteckt. Natsu sah derart sensationell aus, dass Hiro regelrecht einfror, sich keinen Millimeter rühren konnte. Paralysiert beobachtete er, wie ein kleiner Windhauch den Drummer umspielte und seine weiten Ärmel und einzelne, herunter hängende Strähnen verspielt in dem Luftzug flatterten. Er sah aus, als wäre er einem Anime entstiegen. Irrational schön. Als er Hiro entdeckte, schlich sich ein rätselhaftes Lächeln in sein kaum geschminktes Gesicht und er kam nahezu katzenhaft geschmeidig auf ihn zu gelaufen. Wie konnte er in diesen furchtbaren Sandalen nur so gehen? "Mach den Mund zu, Hiro", war die schroffe Begrüßung, die jedoch nicht halb so bissig klang, wie zu erwarten gewesen wäre. Eigentlich klang sie viel zu sanft, was die Scham, die Hiro überwältigte, weil er mit offenem Mund gegafft hatte, ins Unermessliche steigerte. Wie peinlich. Er musste ihn angeglotzt haben wie ein Schwachsinniger. Aber er war einfach so verdammt fasziniert gewesen. Wie war es nur möglich, dass er Natsu noch noch nie in traditioneller Kleidung gesehen hatte? Wenn es nach dem Sänger ginge, dürfte der Drummer nie wieder etwas anderes tragen. "Du siehst übrigens gut aus in den Sachen. Wie ein Shinigami", meinte die Schönheit in neutralem Tonfall und trug dabei immer noch jenes rätselhafte Lächeln zur Schau, das Hiro nur noch weiter verunsicherte. Er räusperte sich nervös und deutete eine Verbeugung an, bevor er zu einer Antwort ansetzte: "Danke. Du siehst auch... gut aus." Hiro wünschte, seine Stimme hätte fester geklungen. Er wünschte, er hätte Natsu sagen können, was er wirklich dachte: Dass er der schönste Mensch auf der ganzen verdammten Welt war und er niemals, niemals mehr jemand anderen ansehen wollte. Dass er so unfassbar fantastisch aussah, dass Hiro sich wohl noch als alter Mann an den Moment erinnern würde, als er auf ihn zugegangen war. Dass er so gottverdammt atemberaubend aussah, dass es weh tat. Und Hiros Herz schmerzte tatsächlich, als ihm Masas Stimme ungefragt durch den Kopf hallte: Vielleicht solltest du es ihm sagen. Ratlos sah er Natsu an. War es nicht wirklich an der Zeit, ihm die Wahrheit zu sagen? Sie hatten schließlich Dates? Aber meinte Natsu das alles ernst oder war es für ihn nur Spaß? Hatte er nicht ein Recht darauf, zu erfahren, wie viel Hiro das alles bedeutete? Wenn er nur nicht so schwer zu durchschauen wäre... "Wir sollten langsam zum Tempel gehen. Wir haben nur noch ein paar Minuten", murmelte er leise und genoss den Anblick von Natsus Lächeln. Wie schön er war. Und wie sanft seine Stimme klang, als er "Ja, gern" antwortete. Sie brachen sofort auf und das hölzerne Klappern ihrer Sandalen auf dem gepflasterten Weg kam Hiro seltsam irreal vor. "Hast du auch brav alle Bürden des alten Jahres hinter dir gelassen?", fragte der Drummer irgendwann in die Idylle. Irritiert blickte Hiro auf. Natsus Katzenaugen schienen unergründlich. Er wollte schon mechanisch bejahen, war es doch inzwischen Routine geworden, seine heimliche Liebe Jahr für Jahr mit sich zu schleppen, doch plötzlich konnte er nicht. Fragend legte Natsu den Kopf schräg und zog eine Augenbraue nach oben. Sag es ihm... "Nein", erwiderte Hiro schließlich schlicht. Natsus Augen verengten sich ein wenig. "So? Was hast du denn vergessen?" "Ich habe es nicht vergessen. Ich trage es seit Jahren mit mir herum und in den letzten Monaten denke ich an kaum noch etwas anders." Interesse blitzte im Gesicht seines Gegenübers auf. "Oh. Die ominöse unglückliche Liebe?" Plötzlich hatte Hiro einen Kloß im Hals und das Gefühl, kein einziges Wort heraus zu bringen, selbst wenn er es wöllte, also nickte er nur und sah auf den Boden. Wie schon an Weihnachten spürte er zwei Finger an seinem Kinn, die ihn zwangen, es zu heben. Seine Haut kribbelte an der Stelle, an der Natsu ihn berührte. "Du kannst nicht in letzter Sekunde damit anfangen und dann schweigen. Das bringt bestimmt Unglück." Sag es ihm! Ein kleiner Schauer rann über Hiros Rücken. "Willst du mir nicht sagen, wer es ist? Dann ist dein Herz leichter und ich kann gleich im Tempel mit dir dafür beten, dass deine Liebe im nächsten Jahr erwidert wird." Seine liebevollen Worte brachen Hiro fast das Herz. Es war selten, dass Natsu solche Sachen sagte. Umso rührender war es, dass er es in diesem Moment tat. Hiro zuckte ein wenig zusammen, doch als er in Natsus vollkommen ruhige Augen blickte, fiel seine Nervosität von ihm ab und ein warmes Gefühl hüllte ihn ein. Wie könnte er ihn anlügen, wenn er ihn so direkt danach fragte? Was machte es für einen Sinn, sein Geheimnis weiter zu hüten? Er nahm einen letzten Atemzug, bevor er sein Leben für immer veränderte und die Antwort gab, die er eigentlich um jeden Preis in sich hatte einsperren wollen: "Du bist es, Nat-Chan. Ich bin seit über fünf Jahren in dich verliebt." Für einen Moment weiteten sich die Katzenaugen seines Gegenübers und sein Mund öffnete sich ein wenig. Er sah wirklich überrascht aus, was bei Natsu extrem selten vorkam, doch Hiro musste trotzdem seinen Blick abwenden. Zu schnell schlug sein Herz vor Aufregung, weil er seine Liebe nach all den Jahren offenbart hatte. "Hiro...", wehte Natsus Stimme leise an sein Ohr und er wappnete sich innerlich für die erwartete Zurückweisung, doch da begannen die Glocken zu schlagen. Wie jedes Jahr würden sie 108 Mal schlagen, um die Sünden des letzten Jahres auszulöschen und das neue Jahr zu begrüßen. Verwirrt blinzelte Natsu. Er sagte nichts, bis sie aufhörten, zu läuten und dann war ein leises "Ein schönes neues Jahr, Hi-Chan" alles, was seine Lippen verließ. "Danke. Dir auch", erwiderte Hiro niedergeschlagen. Keine Antwort war auch eine Antwort. "Lass uns zum Tempel gehen." "Ja." Hiro fühlte sich seltsam taub. Zwar hatte er nicht wirklich geglaubt, dass Natsu ihm überglücklich in die Arme fallen würde, aber dass er gar nicht reagiert hatte, war schon niederschmetternd. Unsicher folgte er dem Drummer und ließ zu, dass dieser ihn während der Wartezeit in der Schlange vor dem Tempel in ein unverfängliches Gespräch über Bandangelegenheiten, die sie im noch jungen neuen Jahr erwarten würden, verwickelte. Er konnte nicht glauben, dass er wirklich so tat, als wäre nichts gewesen, aber er spielte trotzdem mit. Was hätte er auch anderes tun sollen? Er wollte ihn nicht verlieren. Erst als sie endlich im Tempel angekommen waren, er seine Hände zusammen legte und die Augen schloss, um zu beten, verflog die Taubheit. Er fühlte sich auf einmal einsam. So einsam, als hätte er nie in seinem Leben jemanden gekannt, als hätte er noch nie in seinem Leben auch nur ein Wort mit jemandem gesprochen. Als wäre er noch nie berührt worden. Als hätte ihn noch nie jemand angesehen. Und als würde all das auch nie passieren. Hiro fühlte sich ganz und gar verloren. Eine tiefe, schwere Schwärze schien aus seiner Brust, in der sein Herz immer noch viel zu schnell hämmerte, zu quellen und ihn vollkommen einzuhüllen, alles zu ersticken, was nach draußen dringen wollte. Ihm wurde schlecht und er begann, zu frieren. Bitte, lass mich ihn nicht verlieren. Bitte, lass mich ihn nicht verlieren. Bitte..., betete er in Dauerschleife. Er konnte an nichts anderes mehr denken. Es war vielleicht sogar das erste Mal in seinem Leben, dass er wahrhaft Angst verspürte, denn er hatte unbändige Furcht davor, dass Natsu sich von ihm abwendete, sobald er sich von dem Schreck über sein Geständnis erholt hatte. Seine Panik schwoll immer weiter an und seine Einsamkeit schien ihn zu zerreißen. Hiro befürchtete schon, er würde gleich durchdrehen, doch plötzlich wurde es still in ihm. Der Sturm hatte sich gelegt und hinterließ nichts als Leere. Als er seine Augen öffnete, fühlte er sich wie in einem Glaskasten. Als wäre etwas zwischen ihm und der Welt. Natsus Schönheit war unverändert, doch sie schien nicht wirklich zu Hiro durchzudringen. Emotionslos ging er also schützend vor ihm durch den Tempel und bahnte ihnen dann einen Weg durch die Menschenmenge auf dem Vorplatz. Dafür musste er sich nicht einmal anstrengen. Die Leute gingen ihm von selbst aus dem Weg, machten teilweise sogar viel mehr Platz als Hiro brauchte. Er wollte gar nicht wissen, was er für ein Gesicht machte, wenn dass die Reaktion darauf war. Dabei war gar nicht wütend. Er fühlte sich völlig ruhig. In ihm war es nahezu beunruhigend still. Es war, als wäre im Tempel all seine Energie abgeflossen. Als er am Rande der Menschenmenge angekommen war, blieb er schließlich stehen und wandte sich zu Natsu um. "Willst du mit zu mir kommen?", fragte der Drummer. Hiro sah ihn verständnislos an. "Du hast schon verstanden, was ich vorhin zu dir gesagt habe, oder?" "Ja", erwiderte Natsu schlicht. In seinem Gesicht war nichts zu lesen. "Warum lädst du mich dann zu dir nach Hause ein?", hakte Hiro also weiter nach. "Darf ich das jetzt nicht mehr?" Etwas rührte sich in Hiros innerer Stille. Wut. Was sollte das? Warum war Natsu immer so verdammt eigenartig? "Du hast mich abgewiesen", stellte er klar. Seine Emotionslosigkeit war dahin. Er war aufgebracht. Durcheinander. Verletzt. Natsus Augenbraue wanderte nach oben. "Habe ich nicht." Hiros Mund klappte auf. "Wie zur Hölle würdest du das denn sonst nennen?!", fauchte er. "Ich war überrascht. Ich... Ich...", zerrissen sah der Drummer auf, "Ich hab nicht damit gerechnet, Hiro. Bitte... Ich..." Seine Hände zitterten ein wenig und er sah so verstört aus, dass Hiro sofort einknickte. "Schon gut. Schon gut. Ich komme mit zu dir." "Danke", meinte Natsu nur leise und ging hastig voraus, während der irritierte Sänger Mühe hatte, ihm in den furchtbaren Holzsandalen zu folgen. Es war nicht weit gewesen bis zu Natsu. Erleichtert hatte Hiro sofort die fürchterlichen Schuhe abgestiffen und dankbar die von Natsu angebotene Wechselkleidung angenommen. So cool die traditionellen Klamotten auch aussahen, so ungewohnt fühlte es sich an, sie zu tragen. Vor allem, wenn man so aufgewühlt war wie Hiro gerade. Es war die reinste Wohltat, endlich das T-Shirt, das Natsu ihm gegeben hatte, über den Kopf zu ziehen. Es war zwar etwas eng, aber der Gedanke, dass es Natsus war, machte ihn ganz verlegen. Wann er es wohl zuletzt angehabt hatte? Ein kleiner Schauer durchspülte ihn, als er sich vorstellte, das es sich der Drummer bestimmt schon dutzende Male an- und ausgezogen hatte. Wie er es sich über den Kopf gezogen hatte, sich seine langen Haare auf seine breiten, nackten Schultern ergossen. Wie er sich vielleicht ein wenig streckte und sich das Spiel seiner Muskeln unter seiner samtigen Haut abzeichnete. Ein Lächeln stahl sich auf seine Züge, als er daran dachte, dass eben dieses Shirt, das er gerade trug, bestimmt auch schon ganz oft dabei gewesen war, wenn Natsu auch seine Hose ausgezogen hatte. Und die Shorts... Grinsend versuchte er, an etwas anderes zu denken, freute sich aber ein klein wenig, dass er seine Gefühle endlich wieder genießen konnte. Es war, als wäre beim Beten in dem Tempel all das Negative, das die Reinheit seiner Zuneigung vergiftet hatte, abgeflossen. Die anschließende Taubheit und auch die Wut waren schon wieder verflogen und Hiro fühlte sich endlich wieder wie er selbst. Was machte es schon, dass Natsu ihn nicht wollte? Er hatte nie wirklich erwartet, dass es anders laufen würde. Am Wichtigsten war, dass er ihn nicht verstoßen hatte. Er durfte weiterhin Zeit mit ihm verbringen, sogar in seine Wohnung kommen. Und so war Hiro einfach nur erleichtert, hatte er doch die Wahrheit ans Licht gelassen und musste endlich nichts mehr in sich einsperren. Das Einzige, das seine Stimmung trübte, war Natsus Laune. Er hatte den gesamten Weg zu seiner Wohnung geschwiegen, wirkte extrem unruhig und verwirrt. Es tat Hiro weh, ihn so zu sehen. Er wollte ihn aufmuntern, beruhigen, vermisste die garstige Kratzbürste, die er eigentlich war. Fest dazu entschlossen, diese wieder in ihm zu wecken, machte er sich auf zu Natsu, den er im Wohnzimmer auf der Couch sitzend fand. Er hatte seine Beine angezogen und die Arme darum geschlungen. Er wirkte so schrecklich klein und verloren. Das war gar nicht gut. Er musste etwas tun. Vorsichtig ließ Hiro sich neben ihm nieder. "Hör mal", begann er in sanften Tonfall, "Du musst keine Angst haben, dass ich dich irgendwie anmache oder irgendwas erwarte. Keine Sorge. Ich hab nie geglaubt, dass du meine Gefühle erwidern könntest, also-" "Sei still", unterbrach ihn Natsu kalt und der Sänger verstummte sofort, "Wenn ich sowas glauben würde, hätte ich dich ja wohl kaum hier her eingeladen." Hiro seufzte. "Warum bis du dann so..." Er wusste nicht, wie er es beschreiben sollte, ohne Natsu zu verletzen, also machte er nur eine vage, wedelnde Handbewegung. "Weil ich versuche, dir etwas zu sagen, das keiner weiß." Er klang wütend. "Das musst du nicht, wenn es dich so unglücklich macht!", beeilte sich Hiro, zu sagen. Jetzt war es an Natsu, zu seufzen. "Du verstehst das nicht, Hi-Chan. Du stürzt dich immer kopfüber in alles hinein, bist wild, schaffst es in Minuten, dich an völlig veränderte Bedingungen anzupassen. Ich... Ich bin nicht so. Veränderungen überfordern mich. Das musst du doch wissen!" "Es tut mir leid." Verärgert legte Natsu die Stirn in Falten. "Verdammte Scheiße, wofür entschuldigst du dich gerade?" "Für das, was ich gesagt habe." "Hast du es etwa nicht so gemeint, wie du es gesagt hast?" Betroffen sah Hiro ihn an. "Doch." "Dann sei still und hör zu. Aber was ich dir jetzt sagen werde, weiß niemand. Nicht Cazqui, nicht Masa, nicht einmal meine Mutter. Wenn du ein Wort darüber verlieren solltest, verlasse ich die Band und du siehst mich niemals wieder. Verstanden?" Hiro bekam eine Gänsehaut. Was jetzt wohl kommen würde? "Ja. Verstanden." "Gut", Natsu starrte auf den Boden, "Ich bin nicht asexuell." Erstaunt sah Hiro ihn an. Wenn er ehrlich war, hätte er auf diese Variante getippt. "Und? Hast du jetzt eine Wette verloren?", zischte der Drummer, als hätte er seine Gedanken gelesen. "Was?! Nein! Ich..." Natsu lachte leise. "Schon gut. War nur Spaß." 'Waraizome', schoss es Hiro durch den Kopf, das erste Lächeln des neuen Jahres. Und das auch noch von Natsu. Er war so wunderschön. Versonnen betrachtete er diese beiden Mundwinkel, die sich viel zu selten nach oben zogen. Hiro traute sich nicht, etwas zu sagen, hatte er doch zu große Angst, den Moment zu zerstören und nie zu erfahren, wie es um die geheimnisumwobenen Vorlieben seines Gegenübers bestellt war. Da atmete Natsu tief durch und begann zu sprechen: "Ich habe keinerlei sexuelles Interesse an Frauen. Ich stehe ausschließlich auf ältere Männer." "Wie viel älter?", überholte Hiros Mund sein Hirn, das noch nicht einmal begriffen hatte, was Natsu ihm gesagt hatte. Irritiert sah der Drummer ihn an. Er hatte wohl mit einer anderen Reaktion gerechnet, antwortete aber trotzdem: "Deutlich älter." Hiro grinste versaut. "Sprich in Zahlen zu mir, Natsu." Da begann auch Natsu, wieder ein wenig zu lächeln. Es war ein Lächeln, das Hiro noch nie gesehen hatte. Ein wenig verschämt. Ein wenig versaut. Absolut hinreißend. Und dann kam das Geständnis: "So 15 bis 20 Jahre älter. Ungefähr." Im ersten Moment war Hiro schockiert, doch wie es nun mal seine Art war, fing er sich schnell. "Du stehst also auf richtig alte Typen?", fasste er zusammen. Natsu zog eine Schnute, bevor er schlicht bejahte. "Ok. Das hätte ich auch verheimlicht. Daichi und Cazqui hätten dazu bestimmt ne Menge zu sagen." "Verdammt richtig." Noch breiter grinsend beugte Hiro sich vor und fragte in vertraulichem Tonfall: "Mit wem hast du schon heimlich gepoppt? Kenne ich einen von ihnen? Vielleicht mit Gackt oder so?" Entrüstet riss Natsu seinen Mund auf. "Das geht dich einen Scheiß an! Und nein! Ich habe nicht mit Gackt geschlafen. Spinner." "Was ist mit Jüngeren?" "Jünger als ich? Keine Chance." "Nein. Jünger als 40. Ich bin schließlich schon 31, Baby", scherzte Hiro und wackelte mit den Augenbrauen. Natsu verpasste ihm einen Tritt ans Schienbein. "Du hast gesagt, du machst mich nicht an!" Der Sänger aber lachte nur fröhlich. "Mann, Natsu. Das war doch nicht ernst gemeint." "Wirklich?" Sofort bereute Hiro seine dumme Reaktion und legte ganz vorsichtig seine Hand auf die des Drummers. Dabei hoffte er inständig, das würde nicht auch als Anmache gewertet. "Du kennst mich doch. Ich bin albern. Tut mir leid. Ich wollte mich nicht über dich lustig machen, oder so. Du weißt hoffentlich, dass ich dir sehr dankbar bin, dass du mir das von dir erzählt hast. Dein Geheimnis ist bei mir sicher." Scheu sah sein Gegenüber ihn an. "Du warst ja auch ehrlich zu mir." "Ist jetzt immer alles irgendwie komisch zwischen uns?", sprach Hiro leise seine Ängste aus. Natsu seufzte. "Es ist zumindest nicht mehr so wie vorher." "Ich kann gehen, wenn du Abstand brauchst." "Nein!", rief Natsu schon fast und zog seine Hand weg. Erschrocken über die heftige Reaktion betrachtete Hiro das Gesicht des Hausherren. Er wirkte vollkommen panisch. "Was ist denn mit dir, Nat-Chan?", fragte er deshalb so sanft er nur konnte. Dieser schüttelte nur den Kopf. Was er damit ausdrücken wollte, verstand Hiro nicht, doch er traute sich auch nicht, nachzufragen, wartete einfach nur ab. "Kannst du hier schlafen, bitte?", flüsterte der Drummer irgendwann erstickt. "Natürlich. Wenn du das möchtest." Natsu hatte die Augen geschlossen. Es schien ihn Überwindung zu kosten, weiter zu sprechen. "In meinem Bett?" "Nein! Schon gut! Du musst nicht auf die Couch!" Er wollte auf keinen Fall Umstände machen. "Verdammt, Hiro!", schnauzte Natsu da zornig los, "Mit mir in meinem Bett! Idiot!" "Was? Ich... WAS?!" "Du hast schon verstanden...", murrte der Drummer nun leise, fast beschämt. Hiro konnte kaum glauben, was er gehört hatte hatte. Er sollte mit Natsu in einem Bett schlafen? Warum? War das ein Test ob er wirklich nicht über ihn herfallen würde? Aber selbst wenn es so war, er würde sich dem stellen. "Wenn du das möchtest, gern", sagte Hiro also fest. "Gut." Angestrengt starrte Hiro in die Dunkelheit und versuchte eben jene Frage, erfolglos zu unterdrücken, die ihm plötzlich einfach so über die Lippen glitt: "Warum liegen wir beide in deinem Bett, Natsu?", hallte es unnatürlich laut durch den kleinen Raum. Wieder einmal verfluchte er sich für seine raue Art. Er hätte flüstern sollen. Vielleicht schlief Natsu schon. Vielleicht hatte er ihn erschreckt. Andererseits war es nach dem, was in den letzen Stunden passiert war, verdammt unwahrscheinlich, dass der Jüngere schon eingeschlafen war, neigte er doch eher zur Schlaflosigkeit. Es raschelte neben ihm. "Ich will etwas versuchen. Nicht erschrecken", flüsterte Natsu. Hiros Herz blieb trotz der Ankündigung fast stehen, als Natsus Hand auf seiner Brust zum Liegen kam. Sekunden später schmiegte sich der Drummer an seine Seite. Hiro wurde fast schwindlig vor Aufregung und er hatte keine Ahnung, was das werden sollte. "Ähm... Natsu? Was-" "Shhh." Er musste trocken schlucken, als sich Natsus Kopf weiter auf seine Schulter schob und ihm der Duft seines Shampoos in die Nase stieg, während seine seine Hand auf dem trainierten Oberkörper des Sängers nach unten wanderte. "Verdammte Scheiße, dein Sixpack ist echt krass", flüsterte er, während er mit einem Finger die Furchen von Hiros Bauchmuskualtur nachzog. Dem standen unter dieser Behandlung alle Haare zu Berge und er würde lügen, wenn er behaupten würde, die Berührungen und die Nähe des Mannes, nach dem er sich schon so lange verzehrte, ließen ihn kalt. "Natsu, was-" "Weißt du, ich wollte deine Muskeln schon immer mal anfassen...", wurde er erneut unterbrochen. Natsu klang so ruhig, als würde er über das Wetter reden. "Ich habe niemanden, wahrscheinlich nicht einmal mich selbst, so oft oben ohne gesehen wie dich. Du trägst gefühlt nie ein Oberteil. Und nun weißt du ja, dass ich Männern nicht abgeneigt bin. Wenn ich ehrlich bin, hab ich sogar mal nach einem Konzert beim Wichsen an dich gedacht. Dabei habe ich mir aber nichts weiter gedacht. Ich meine, sieh dich an. Du verursachst bestimmt jeden Tag hunderte von Orgasmen. Wenn du so total verschwitzt ins Mikro raunst und dabei diese Bewegungen mit deiner Hüfte machst... Verdammte Scheiße, du bist schon irgendwie ziemlich heiß." "Aber, ich-" Hiro hatte wohl sein Rederecht endgültig verwirkt, denn er wurde schon wieder unterbrochen."Weißt du, ich hatte noch nie eine richtige Beziehung", sagte Natsu zusammenhangslos. "Was?" "Wenn deine Partner so viel älter sind als du und auch noch ebenso Männer, zeigen sie sich nicht mit dir. Man hat keine Dates. Man trifft sich in Lovehotels, treibt es in Abstellkammern, in Autos. Man lernt weder die Freunde kennen, noch teilt man ein Stück Alltag miteinander. Wie oft habe ich mich mich wertlos gefühlt, wenn sie mich an all diesen Orten allein zurück gelassen hatten. Und doch habe ich nie etwas anderes gesucht. Ich kannte nichts anderes. Wollte nichts anderes." Unwillkürlich umarmte Hiro Natsu, der sich inzwischen regelrecht an ihn geschmiegt hatte. Es fühlte sich so gut an, den anderen in der Dunkelheit im Arm zu halten. "Ich hatte den Eindruck, das wäre alles ok so und ich würde nichts anderes brauchen...", fuhr er leise fort, "Und dann sagst du mir, Sekunden vor dem Jahreswechsel, dass du mich schon so lange liebst." Hiros Wangen begannen zu glühen, doch er schwieg. "Ich habe nichts geahnt. Wenn ich gewusst hätte, was in dir vorgeht, hätte ich doch nie diesen ganzen Date-Kram abgezogen. Die Sache ist die: Ich fühlte mich einsam. Ich brauchte Bestätigung. Du bist bi und leicht zu begeistern. Ich liebte die Art, wie du mich zu Weihnachten angesehen hast. Oder vorhin vor dem Tempel. Wenn ich darüber nachdenke, hast du mich schon oft so angesehen, doch ich habe es nie ernst genommen, weil du so... emotional bist. Das war nicht richtig von mir. Es tut mir leid." Hiro konnte kaum glauben, was er da hörte. "Schon gut." "Aber als du mir gestanden hast, was du für mich fühlst... Weißt du, was mein erster Gedanke war? Ich dachte 'Warum nicht? Hiro ist gut zu dir. Hiro ist ehrlich. Hiro führt Beziehungen.' Und dann bin ich panisch geworden. Wir sind Bandkollegen. Das ist gefährlich. Es wäre genauso wie immer. Es wäre keine Beziehung. Alles wäre Heimlichtuerei. Es-" Diesmal konnte Hiro nicht anders, als Natsu ins Wort zu fallen: "Masa weiß es." "Was?!" "Masa weiß seit Jahren, dass was ich für dich empfinde." "Wirklich?", fragte Natsu ungläubig. "Zunächst war er beunruhigt, aber seit es mir deswegen immer schlechter ging, hat er mich ermuntert, es dir zu sagen." "Warum?" "Keine Ahnung. Er war der Meinung, es würde mir danach besser gehen." "Hatte er damit recht?" "Ja." Er schloss Natsu noch etwas fester in seine Arme. "Aber was glaubte er denn, was passieren würde?" "Er meinte, vielleicht funkt es ja bei dir auch, wenn ich es dir sage. Und wenn nicht würden wir schon eine Lösung finden und ich könnte vielleicht damit abschließen." "Aha." Mit dieser vagen Antwort wollte sich Hiro nicht abspeisen lassen. "Und hatte er Recht? Hat es bei dir gefunkt?", hakte er unbarmherzig nach. Was hatte er schon zu verlieren. "Ich liege gerade in deinen Armen." "Na und? Vielleicht willst du nur ein wenig Nähe, egal von wem. Aber warte. Sag bitte nichts dazu. Ich genieße einfach das, was du bereit bist, zu geben." "Meinst du das ernst?" "Ja. Aber lass uns jetzt versuchen, noch ein wenig zu schlafen. Wir wollen doch den Sonnenaufgang nicht verpassen." Eine Weile war es still im Zimmer, dann stimmte Natsu leise zu und kuschelte sich noch ein wenig dichter an Hiro.     Er hatte natürlich keine Sekunde geschlafen, als sie beide einige Stunden später aufstanden. Hiro rauchte gerade verschlafen auf Natsus Balkon, als dieser sich zu ihm gesellte. "Da bist du ja", meinte der Ältere lächelnd und Natsu steckte sich wortlos eine Zigarette an, bevor er sich ein wenig an Hiro anlehnte. Schmetterlinge flatterten durch den Bauch des Sängers, als sich einige Momente später Natsus Arm um seinen Taille schlang. Mit geschlossenen Augen nahm er einen tiefen Zug seiner Zigarette und genoss den Augenblick aus ganzem Herzen. Der erste Sonnenaufgang des Jahres... Und Natsu hatte seinen Arm um ihn gelegt. Zufrieden rauchten sie nebeneinander und Hiro hätte nicht glücklicher sein können, als die ersten Sonnenstrahlen des neuen Jahres hervor brachen und das Gesicht des Mannes, der ihm das Wichtigste auf der Welt war, in ein zartoranges Licht tauchte. Verzaubert sah er ihn an und irgendwann trafen sich ihre Blicke. Es war, als wären Natsus schwarze Pupillen Treibsand. Hiro versank hoffnungslos in ihrer Tiefe und je mehr er versuchte, wegzusehen, umso hoffnungsloser verstrickte er sich. Abwesend nahm er zur Kenntnis, dass Natsu ihm seine Zigarette aus der Hand zupfte und sie zusammen mit seiner ausdrückte. Warum er das tat, war ihm zwar schleierhaft, aber auch irgendwie vollkommen egal, denn sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als der Jüngere ganz langsam immer näher kam, sich ein wenig streckte und seine Augen schloss. Noch ehe Hiro verstand, was vor sich ging, lagen die Lippen des Mannes auf seinen und auch Natsus zweiter Arm schlang sich nun um seine Taille. Hiros Augen hatten sich wie von selbst geschlossen, ein Schauer rann über seinen Rücken und dessen heftiges Kribbeln breitete sich in seinem ganzem Körper aus.   Natsu küsste ihn.   Es war überwältigend. Er hatte sich so danach gesehnt, gar nicht gemerkt, wie dringend er diesen Kuss gebraucht hatte. Langsam hob er seine Hände und schob sie in Natsus offene, seidige Haare, als dessen Zunge an seine Lippen stupste. Zögerlich öffnete er seinen Mund, wollte den Moment hinaus zögern, so lange er konnte, doch als sich ihre Zungen trafen, schaltete sich Hiros Kopf endgültig aus. Der Kuss, den die beiden teilten, war so zart und verspielt. Er löste ein gewaltiges Feuerwerk mit den buntesten Farben in Hiro aus. Er fühlte sich so leicht, so beschwingt, so unglaublich glücklich! Als sie sich nach einer ganzen Weile voneinander lösten und Hiro seine l Augen öffnete, war ihre ganze Umgebung schon in das Licht der aufgehenden Sonne getaucht. Natsus Blick irritierte ihn. Schwer atmend und irgendwie fassungslos sah er Hiro an. Es war, als suche er etwas in dem Gesicht des Älteren, fand aber nicht das, was erwartet hatte, doch der Sänger konnte einfach nicht so tun, als wäre er nicht der glücklichste Mensch der Welt. Es war ihm unmöglich, entspannt zu wirken, um den Jüngeren nicht zu erschrecken. Alles, wozu er fähig war, war den Mann, in den er seit Jahren verliebt war und der ihn soeben von sich aus geküsst hatte, anzulächeln, egal wie sehr ihn dessen Reaktion irritierte. Selbst wenn Natsu ihn jetzt wegschicken würde, weil er bei dem Kuss so gar nichts empfunden hatte, wäre es ok. Denn dieser eine Kuss war so viel mehr gewesen, als sich Hiro erhofft hatte. Eine ganze Nacht hatte er mit Natsu in seinen Armen wach gelegen, weil er so erfüllt gewesen war, von der Nähe des anderen und dass ihn dieser nun geküsst hatte, war eine so unglaubliche Erfahrung gewesen, das würde ihm keiner mehr nehmen können.   Doch Natsu schickte ihn nicht weg. Stattdessen streckte er sich. Wieder trafen ihre Lippen aufeinander. Erneut berührten sich ihre Zungen, doch dieses Mal war es anders, denn Natsu presste sich dicht an seinen Körper und küsste ihn auf eine Weise, der Hiro nichts entgegen zu setzen hatte. Er verschlang ihn regelrecht. Hiros Hände glitten aus seinen langen Haaren seinen kräftigen Rücken hinunter. Aus der zärtlichen Umarmung wurde eine stürmische Umklammerung. Er konnte Natsus Körper plötzlich gar nicht mehr fest genug an sich drücken, ihn gar nicht leidenschaftlich genug küssen. Er war fasziniert von der Grobheit, mit der Natsu ihm entgegen trat. Er schmiegte sich nicht an ihn, er zog ihn mit der gleichen Kraft an sich, wie er es selbst tat. Er war genauso wild und unnachgiebig, wie er es sich gewünscht hatte, was ihn unglaublich anmachte. Nach einer Weile löste sich Natsu von ihm und als Hiro das schmutzige Lächeln in seinem Gesicht sah, schämte er sich auf einmal, so zu rangegangen zu sein. Verlegen kratzte er sich am Kopf. "Wirst du gerade ernsthaft rot?", fragte Natsu spöttisch. "Ach was. Das ist das Licht vom Sonnenaufgang", murmelte der nur ertappt und zündete sich eine neue Zigarette an, um sein Gegenüber nicht ansehen zu müssen. Natsu folgte seinem Beispiel sofort. "Was machen wir jetzt?", fragte er irgendwann in die Stille und blies eine große Wolke Rauch aus, die so schnell von Wind fort geweht wurde, als wäre sie nie da gewesen. "Warten, bis der Sonnenaufgang vorbei ist und dann weiter schlafen?", antwortete Hiro unsicher. "Gute Idee. Aber ich meinte eigentlich was wir jetzt so Allgemein machen?" Der Sänger seufzte. Natürlich würde er nicht so leicht davon kommen. "Ich weiß auch nicht. So weit habe ich nie gedacht. Wie wäre es, wenn wir einfach einen Schritt nach dem anderen machen? Wir finden eine Lösung." Erleichterung machte sich in Natsus Gesicht breit. "Gute Idee", brummte er und Hiro konnte nicht anders, als ihn an sich zu ziehen und erneut zu küssen. Wer wusste schon, was die Zukunft brachte, ob sie zusammen alt werden oder sich schon in ein paar Wochen mit einem großen Knall wieder trennen würden? Oder in zwei Jahren, falls einer von beiden jemanden fand, der ihm wichtiger war? Aber eins würde ganz sicher nicht passieren: Natsu würde ihm nie vorwerfen müssen, dass er nicht bei der Sache war. Denn er war bei der Sache. Er war so verdammt bei der Sache wie noch nie in seinem Leben. Kapitel 4: Ende Juli -------------------- Gelangweilt streckte sich Hiro auf dem Sessel im Proberaum. Die Zeit wollte und wollte einfach nicht vergehen, dabei hatten sie sich doch so lange nicht gesehen. Natsu war eine ganze verdammte Woche bei seinen Eltern gewesen und war erst kurz vor der Probe nach Tokyo zurück gekehrt, sodass sie sich vorher nicht treffen konnten. Die beiden waren in dem letzten halben Jahr noch nie länger als ein paar Stunden voneinander getrennt gewesen. Sie klebten regelrecht aneinander und er liebte seinen Schmusekater. Aus ganzen Herzen. Hiro war noch nie so verdammt glücklich gewesen, wie er es mit Natsu war. Und er hatte noch nie jemanden so sehr vermisst wie ihn. Und jetzt war er endlich wieder da und er durfte ihn nicht anfassen. Sie hatten sich noch niemandem anvertraut. Einfach, weil sie ihr noch so junges Glück nicht unnötig beschweren wollten. Sie waren seit jenem Neujahrsmorgen jeden Morgen nebeneinander aufgewacht. Sie hatten gemeinsam ihre Guten-Morgen- und auch die Gute-Nacht-Zigaretten geraucht, die Mahlzeiten und häufig sogar die Dusche miteinander geteilt. Hiro hätte nie erwartet, dass Natsu derart anhänglich sein konnte, doch Natsu suchte permanent seine Nähe. Aber das tat er nicht aufdringlich, es waren nur Kleinigkeiten. Ein Streichen durch Hiros Haar, wenn er vorbei ging. Ein kleiner Klaps auf den Hintern, wann immer er sich bückte. Ein Fuß an seiner Wade, wenn sie gemeinsam essen waren. Unzählige, wie zufällige, Berührungen. All diese kleinen Stupser gaben Hiro zum ersten Mal in seinem Erwachsenenleben ein echtes Gefühl von Geborgenheit. Als wäre er genau da, wo er hingehörte. Da, wo er sein sollte. Vielleicht war der Drummer ja auch nur so verschmust, weil dieser ganze Pärchenkram neu für ihn war, aber er schien es in vollen Zügen zu genießen. Er war sogar weniger mürrisch als sonst. Und all die niedlichen kleinen Momente entschädigten Hiro tausendfach für die raue Art, die nun einmal zu Natsu gehörte wie seine wachsamen Katzenaugen. Der Sänger liebte es, wenn er in der Öffentlichkeit immer wieder Hiros Hand mit seinen Fingern streifte, wenn er einen Raum betrat und in dem Moment, in dem sich ihre Blicke trafen, dieses klitzekleine Lächeln über sein Gesicht huschte, wenn er manchmal auf einmal wegen völlig banaler Dinge, wie einer aufgehaltenen Tür total verlegen wurde, obwohl er im Bett ohne mit der Wimper zu zucken die versautesten Dinge abzog. Man könnte tatsächlich sagen, Hiro hatte in den letzten sechs Monaten mehr neue Seiten an dem Drummer entdeckt, als in all den Jahren davor. Es war schon erstaunlich, wie verschlossen Natsu auf der einen Seite war, aber wie unglaublich er sich Hiro in dieser kurzen Zeit geöffnet hatte. Als er ihn einmal darauf angesprochen hatte, hatte Natsu mit den Schultern gezuckt und gesagt, er vertraue ihm. Es machte Hiro stolz, sein Vertrauen gewonnen zu haben, da Natsu eigentlich ziemlich scheu war. Aber es war wohl auch, zumindest entnahm er das seinen spärlichen Erzählungen über seine bisherigen Verhältnisse, das erste Mal, dass sich jemand so richtig um ihn kümmerte. Tage, Wochen und Monate mit ihm verbrachte, ohne ihn wegzuschicken, zu verstecken oder zu verleumden. Es musste hart sein, immer nur das schmutzige, kleine Geheimnis zu sein. Nie getöstet zu werden, wenn man traurig war, nie gemeinsam einkaufen zu gehen oder einfach nur zusammen vor dem Fernseher zu entspannen. Dabei waren das doch gerade diese Sachen, die einem ein nachhaltig gutes Gefühl gaben. Hiro konnte nicht so recht verstehen, warum viele der Meinung waren, der Reiz würde verloren gehen, wenn man sich die ganze Zeit sah. Bei ihm war es eher umgekehrt. Je länger er Natsu betrachtete, umso geiler fand er ihn. Der Jüngere konnte kaum etwas tun, ohne dabei irrsinnig sexy zu wirken und dieser beiläufigen Erotik, die Natsu wie eine Aura umgab, hatte er einfach nichts entgegen zu setzen. Das wusste der auch ganz genau und er provozierte ihn manchmal in den unmöglichsten Situationen. Spielte damit, dass keiner von ihnen wusste und Hiro nicht einfach seinen Gelüsten nachgeben konnte, wann er wollte. Und offensichtlich war Natsu gerade in Spiellaune. Sein durchdringender Blick lag auf Hiro, als er sich auf den Sessel gegenüber fallen ließ. Gemeiner Weise hatte er sich auch noch in die wahrscheinlich engste Hose der Welt gezwängt und dazu ein Shirt an, das seine gesamte rechte Schulter entblößte. Er sah wirklich extrem heiß aus und Hiro wurde schon bei seinem bloßen Anblick fast wahnsinnig vor Gier. Fuck, er wollte ihn endlich umarmen und küssen und anfassen... und... naja... Zum Glück achtete keiner auf sie. Cazqui und Daichi fummelten an ihren Gitarren rum und Masa war auf Toilette. Hätten sie Hiro nur einen flüchtigen Blick gegönnt, hätten sie wahrscheinlich sofort gesehen, was im Kopf des emotionalen Sängers vor sich ging. Er konnte nicht anders, als Natsu immer wieder anzusehen. Er sah so verdammt sexy aus, es brachte ihn fast um, wie der Drummer mit ihm spielte. Scheinbar gelangweilt ließ er immer wieder einzelne Strähnen seiner langen Haare, durch seine Finger gleiten, wusste er doch ganz genau, wie sehr der Sänger seine Mähne liebte. Genüsslich versank er in dem Anblick einer Strähne, die über Natsus nackte Schulter floss, als dieser seinen Blick hob. Langsam verzog sich dessen Mund zu einem sehr schmutzigen Lächeln und er ließ Hiro nicht aus den Augen, als er sich ganz weit nach vorn beugte, um seine Schuhe neu zu binden. Dabei rutschte ihm scheinbar zufällig das Shirt über die Schulter nach vorn und der weite Ausschnitt gab einen sensationellen Ausblick auf den Oberkörper des lasziv lächelnden Drummers frei. Von seiner Position aus konnte Hiro zum Bauchnabel seines Liebsten sehen, der ihn dabei mit einem sehr eindeutigen Blick bedachte und sich als Krönung der Provokation auch noch in seine Unterlippe biss. Hiro musste all seine Beherrschung aufbringen, um ihn nicht auf der Stelle zu packen und ins nächste Hotel zu zerren. Um seiner sexuellen Frustration trotzdem irgendwie Luft zu machen, widmete er sich wieder seinem Handy, öffnete den Messenger und tippte folgenden Text ein: 'Beug dich ruhig noch einmal so nuttig weit nach vorn, Schätzchen. Dann werde ich dir direkt nach der Probe noch im Auto die Klamotten von Leib reißen und dir so viele Knutschflecke und Bissmale verpassen, dass du nicht mehr so schnell schulterfrei raus kannst. Wobei nach heute Nacht sowieso keiner von uns beiden so schnell mehr irgendwo hingehen können wird...' Masa kam gerade wieder rein, was hieß, dass die Probe gleich weiter ging, also sendete er die Nachricht schnell ab, dass Natsu sie in jedem Fall noch las, bevor er sich wieder hinter seinen Drums verstecken konnte. Als jedoch eine Sekunde später vier unterschiedliche Nachrichtentöne im Raum erklangen, wurde ihm klar, dass er etwas sehr, sehr Dummes getan hatte. Ein genauer Blick auf sein Handy offenbarte auch sofort seinen entsetzlichen Fehler: Er hatte es nicht an Natsu sondern an den Bandchat gesendet! Schlagartig brach ihm der kalte Schweiß aus und er sah sich panisch um. Natsu starrte ihn schweigend und unendlich schockiert mit riesigen Augen und offenem Mund an, während Masa eine Hand vor den Mund schlug. Daichi und Cazqui dagegen glotzten noch ungläubig auf ihre Telefone und dann von Hiro zu Natsu und wieder zurück zu schauen. Dem Sänger sprang unterdessen fast das Herz aus der Brust. So hatte er sich ihr Outing nun wirklich nicht vorgestellt. Ängstlich starrte er seinen Freund an, der immer noch wie versteinert war. "Reife Leistung, Hiro!", brach schließlich Daichi kichernd die bleischwere Stille, die sich über den Raum gesenkt hatte. Doch der Sänger hatte nur Augen für Natsu, der ihn nach wie vor unbewegt mit zusammengepressten Lippen anstarrte. Hiro konnte sich nicht im Entferntesten vorstellen, wie er reagieren würde, wenn der erste Schock verflog. "Er hat es dir gesagt?", fragte da Masa, der plötzlich neben dem Drummer aufgetaucht war und ihm eine Hand auf den Arm legte. Natsu zuckte unter der Berührung zusammen und sein Blick schnellte zu dem Bandleader, während er zaghaft nickte. "Und ihr seid jetzt zusammen?" Wieder ein scheues Nicken. "Das ist ja wunderbar!", freute sich Masa und zog den vollkommen verstörten Drummer in eine überschwängliche Umarmung, die der erst nach mehreren Sekunden verhalten erwiderte. Vorsichtig näherte sich Hiro seinem Geliebten, der ihn über Masas Schulter nach wie vor schweigend anstarrte. Der Sänger formte eine stumme Entschuldigung mit den Lippen, da wurde er schon von Masa umarmt. "Ich hab mich schon gefragt, warum ihr so gut drauf seid", kicherte der Bandleader an seinem Schlüsselbein. Er schien sich ehrlich zu freuen und Hiro erlaubte sich ein kleines Lächeln, als sie sich voneinander lösten, auch wenn er nach wie vor panische Angst davor hatte, dass Natsu jede Sekunde wegrennen konnte. Aber das tat er nicht. Stattdessen fischte er nach Hiros kleinen Finger, den er mit seinem verhakte, bevor er sich ganz leicht an Hiro anlehnte. "Du bist so ein Idiot", murrte er dabei. "Ja...", pflichtete Hiro ihm leise bei, "Bin ich denn noch dein Idiot?" "Natürlich", meinte Natsu mürrisch, "Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis es auffliegt. Ich hatte nur gehofft, dass es weniger... wortgewaltig passieren würde." "Es tut mir so leid...", wisperte Hiro zerknirscht. "Shhh... Schon gut. Entschuldige dich lieber weiter, wenn wir allein sind", flüsterte Natsu ihm ins Ohr und hauchte ihm dabei einen winzigen Kuss auf sein Ohrläppchen, was einen wohligen Schauer durch Hiros Körper kribbeln ließ. "Und ihr zwei vögelt also miteinander?", zerstörte Cazqui in geschäftsmäßigen Tonfall den Moment. Sofort zog sich Natsus Augenbraue missbilligend hoch. "Ja. Was dagegen?" Überrascht beobachtete Hiro , wie Natsu seine Arme vor der Brust verschränkte und sein Kinn vorreckte. Er sah richtig bedrohlich aus, wenn er so schaute und Hiro hatte das in der Intensität bei ihm noch nie gesehen. Aber Cazqui blieb völlig unbeeindruckt. "Nein. Ich bin nur überrascht", meinte der Gitarrist ruhig und rief fröhlich, "Du schuldest mir ne Schachtel Kippen, Dai-Chan!" Hiro hielt eine Sekunde die Luft an, hatte er doch Angst, Natsu würde hochgehen, aber erstaunlicherweise​ begann der, zu lachen und boxte Cazqui freundschaftlich in die Seite. "Ihr Penner habt echt gewettet?!" Da gesellte sich auch Daichi zu ihnen und steckte Cazqui eine Schachtel Zigaretten in die Tasche. "Nur ein bisschen", schnurrte er und beide Gitarristen grinsten unschuldig. "Schämt euch", wahrte wenigstens Masa den Schein und die beiden zogen eine Schmollschnute und piepsten synchron: "Tut uns leid, Nat-Chan." Ihr Anblick war steinerweichend süß. Hiro schmolz förmlich, so niedlich waren die beiden anzusehen, doch an Natsu perlte all das einfach ab. Er murrte nur: "Jaja. Ich hab Hunger." Das war Hiros Stichwort, der sofort zu seiner Jacke huschte und mit einem Proteinriegel zurückkam. Im letzten halben Jahr hatte er auf die harte Tour gelernt, wie unglaublich wichtig es war, absolut immer etwas zu Essen für Natsu dabei zu haben, denn hungrig mutierte sein kratzbürstiger Liebling zur reinsten Furie. Und wenn er jetzt hungrig trommelte, würde er vollkommen unterzuckern und anschließend auf bösartigste Weise so lange Streit suchen, bis er ihn fand, was wiederum hieß, dass es keinen entspannten Du-hast-mir-so-gefehlt-Sex für Hiro geben würde. Ein Risiko, das er keineswegs bereit war, einzugehen. Sicher, Wutsex war mit Natsu auch sensationell, aber danach stand ihm einfach nicht der Sinn. Heute war er voll auf Kuschelkurs und hatte zu Hause schon Essen und alles, was man sonst so brauchte, wenn man nicht plante, innerhalb der nächsten drei Tage die Wohnung zu verlassen, gebunkert. Hiro hatte Natsus Rückkehr glühend entgegen gefiebert und freute sich schon darauf, ihn so richtig zu verwöhnen. Und dazu gehörte es auch, sein Katerchen bei Laune zu halten, das beim Rascheln der Verpackung, die Hiro gerade von dem Proteinriegel löste, schon aufblickte und ihn verschmitzt anlächelte. "Schön den Mund aufmachen", meinte der Sänger sanft und Natsu öffnete tatsächlich seinen Mund und biss gierig von dem Riegel ab, den Hiro ihm entgegen steckte. Innerhalb von Sekunden verputzte er alles und schaute danach schon viel zufriedener in die Welt. Als er merkte, dass alle Blicke auf ihm ruhten, fuhr er sich verlegen in die Haare und murmelte: "Auch, wenn ich das bestimmt gleich bereuen werde, aber hat vielleicht jemand Fragen wegen... uns?" "Wie wollt ihr in der Öffentlichkeit damit umgehen?", fragte Masa leise. Hilfesuchend sah Natsu Hiro an, der das Wort ergriff: "Naja, die letzten sechs Monate hat ja auch keiner Verdacht geschöpft. Ich schätze, wir machen einfach so weiter. Und falls mal Gerüchte laut werden, geben wir uns einfach ein Küsschen auf der Bühne. Dann denken alle, es ist nur Fanservice. Ich sehe da kein großes Problem." "Zumindest so lange ich dir dein Smartphone wegnehme. Nicht dass du deine Anmachen noch auf Twitter postest", meinte Natsu grinsend und zu den anderen: "Also wir haben nicht unbedingt vor, Pärchenfotos hochzuladen oder so. Keine Sorge." "Soll ich das Management informieren?", fragte Masa weiter. "Gibt das nicht nur Probleme? Was ist, wenn sie es uns verbieten wollen?" Natsu klang extrem alarmiert. "Ich weiß von einem ähnlichen Fall bei unserem Label und da gab es keine Probleme. Das Label hilft euch sogar, eure Privatsphäre zu schützen und "Ausrutscher" wie PR-Gags aussehen zu lassen, wenn ihr eure Beziehung nicht öffentlich machen wollt." "Aber was wäre, wenn wir es nicht ewig verheimlichen wöllten?" Erstaunt betrachtete Hiro seinen Freund. Er hatte gar nicht gewusst, dass dieser sich solche Gedanken machte. "Ich hab nicht vor, jemals mit einer Frau zusammen zu sein. Vielleicht wird es irgendwann legalisiert und ich will einen Mann heiraten? Fliege ich dann aus der Band? Ich hab keine Lust, mich mein Leben lang zu verstecken. Man sieht doch an euch, wie neugierig das nur alle macht", fuhr Natsu fort und Hiro konnte nicht anderes, als seine Hand zu greifen und beruhigend mit dem Daumen über seinen Handrücken zu streichen. Masa lächelte entspannt. "Du fliegst doch nicht aus der Band, weil du schwul bist oder einen Mann heiratest. Und wenn es deswegen jemals Ärger mit dem Label geben sollte, suchen wir uns ein anderes. Aber als Hiro mit Taku zusammen war, haben sie auch keine Probleme gemacht. Mach dir keine Sorgen." Natsu nickte erleichtert und schmiegte sich wieder ein wenig an Hiro, der ihm einen Kuss in den Haaransatz hauchte. "Was ist, wenn ihr euch trennt?", fragte Cazqui ohne Umschweife weiter. "Ich hab nicht vor, die Katzbürste jemals wieder los zu lassen, aber wenn wir uns irgendwann trennen sollten, finden einen Weg. Ich für meinen Teil werde mein Bestes geben, dass wir jederzeit professionell miteinander umgehen können", antwortete Hiro ernst. "Und ich werde dir deine verdammten Augen auskratzen", kicherte Natsu. "Oh komm schon, du magst meine Augen." "Nicht, wenn du dich von mir trennst." Sanft striff Hiro mit seiner Hand über Natsus Wange und raunte: "Warum sollte ich das tun?" Als Antwort bekam er nur ein warmes Lächeln. "Sonst noch was? Sonst können wir ja weiter machen. Der Proteinriegel wird nicht ewig halten", fragte Hiro in die Runde. Daichi sah ihn drängend an, sagte aber nichts. "Ja, Dai-Chan?" "Nein nein. Schon gut", meinte der nur und sah weg, was wiederum Masa auf den Plan rief: "Wir sollten lieber jetzt alles klären, was uns auf dem Herzen liegt. Es sollte nichts zwischen uns stehen." "Ich hab Angst, dass Natsu mich beißt, wenn ich frage", grinste der. "Das würde er doch nie tun", versicherte der Leader sofort. Natsu dagegen zuckte nur mit den Schultern. "Wer weiß..." Hiros Interesse war geweckt. "Was hast du denn auf dem Herzen?" Da holte Daichi Luft und bei dem Lächeln, das sein Gesicht erhellte, wünsche sich der Sänger, er hätte lieber nicht gefragt. "Wer toppt bei euch?", ließ der freche Gitarrist da die Bombe platzen. Hiro brach, gemeinsam mit Cazqui spontan in Gelächter aus, während Masa bestürzt aussah und Natsu... der fauchte ein "Verdammtes Miststück" und stürzte sich auf den sich schon präventiv auf der Flucht befindlichen Gitarristen. Eine wilde Verfolgungsjagd entbrannte im Proberaum. Fasziniert sah Hiro dem Schauspiel eine Weile zu, einfach, weil er es mochte, wie Natsu sich bewegte, dann machte er aber zwei Schritte vor und griff unbarmherzig nach dem Flüchtenden, als er das nächste Mal bei ihnen vorbei flitzen wollte. "Die verbünden sich! Das ist gemein!", krakelte der Festgehaltene empört, als Natsu sich ihm mit einem bösen Grinsen im Gesicht genüsslich langsam näherte. Hiro lief bei seinem sadistischen Blick eine Gänsehaut auf und er packte den zappelnden Daichi noch etwas fester. "Danke Baby", raunte Natsu und fasste dann wieder seine Beute ins Auge, "Und Dai-Chan? Wo soll ich dich beißen? Hier?", fragte er dunkel und strich mit dem Finger über Daichis Hals, der sich lautstark beschwerte und zappelte wie verrückt. Ihn festzuhalten war für Hiro allerdings kein Problem, schließlich war er deutlich kräftiger, doch eine leise Eifersucht begann, an ihm zu kratzen, als er darüber nachdachte, dass sein Liebster Daichi tatsächlich beißen könnte. Seine Lippen sollten keinen anderen berühren. Schon gar nicht den schönen Daichi, der so ein filigranes Wesen war, wie Hiro es nie sein könnte. Langsam näherte sich Natsus Mund Daichis Hals, der inzwischen aufgehört hatte, sich zu wehren, doch ein paar Zentimeter vor seiner Haut hielt er an und brummte dem erstarrten Gitarristen honigsüß ins Ohr: "Hast du ein Glück, dass Hiro so eifersüchtig ist. Dieses eine Mal lasse ich dich also davon kommen. Aber wage es nicht, uns jemals wieder eine so respektlose Frage zu stellen." Während er das sagte, sah er Hiro tief in die Augen. So tief, dass dieser nicht anders konnte, als sich über Daichis Schulter zu beugen und Natsu einen Kuss zu geben. So sollte eigentlich ein zarter Kuss werden, aber Natsu erwiderte so heftig, dass das ganze ziemlich schnell eskalierte. Auch der inzwischen wieder lauthals schreiende Daichi zwischen ihnen änderte daran zunächst nichts. Als er sich aber nach einer Weile so stark wehrte, dass es wirklich schwierig wurde, ihn festzuhalten und er dabei irgendwas von zwei Ständern , die an ihn gedrückt werden würden, keifte, schob Hiro ihn einfach weg, um sich ganz seinem Liebling zu widmen. Stürmisch schlang Natsu seine Arme um Hiro, der die Umarmung nicht minder heftig erwiderte. "Du hast mir so gefehlt...", seufzte er in den Kuss. "Und du mir erst... Das nächste Mal kommst du mit." War die heisere Antwort. "Alles, was du willst..." Er würde ihm überall hin folgen. Verliebt vertiefte er den Kuss. "Vögelt gefälligst nach der Probe!" Ach ja. Die waren ja auch noch da. Bedauernd löste sich Hiro von seinem Liebsten und nuschelte eine Entschuldigung. Bei wem er sich für was entschuldigte, war ihm dabei selbst nicht so ganz klar. Irgendwie brachten sie die Probe aber dann doch hinter sich und danach... nun... danach schafften sie es gerade noch so, Hiros Wohnungstür hinter sich zu schließen, bevor die ersten Hüllen fielen und sie es sich ineinander verschlungen auf dem Flurboden besorgten. Die Wohnung verließen sie in den nächsten drei Tagen nicht ein einziges Mal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)