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Breathtaking

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Weil auch mich der Kloß im Hals nicht losgelassen hat. Weil es raus muss. Weil es wichtig ist. <3 Ein kurzer Moment zwischen Addictive und Meerkatze, ein Moment zwischen Vater und Sohn. <3

Für Schneefeuer1117, auch wenn es nur ganz kurz ist. <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich habe vor über einem Jahr angefangen an diesem kleinen One-Shot zu schreiben und hab ehrlich gesagt selbst nicht erwartet, dass er bis heute fertig wird. Es ist... furchtbar kitschig xD und etwas anders als die Timeline, die wir uns zurechtgelegt haben und wird in der Form wahrscheinlich nie passieren, aber ich wollte die Gefühle der beiden trotzdem irgendwie zu Papier bringen und hoffe, dass mir Riley nicht zu OOC geworden ist ><
Der Titel sagt alles aus, was ich mir von den beiden verspreche. <3 Ich glaube, es ist egal wo sie sind, solange sie nur zusammen sein können, fühlen sie sich zu Hause. <3 Und weil die beiden so perfekt harmonieren, fand ich diesen Song einfach mehr als nur passend.

Happy Birthday, Schneechen. <3 Ich hoffe du findest beim Lesen die gleiche Ruhe, die ich beim Schreiben gefunden habe. <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Inspiriert vom Hochzeitswahnsinn der letzten Wochen und diesem Song <3 ich hoffe dir geht auch ein bisschen das Herz dabei auf. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und wieder ist ein Jahr vorbei <3 Ich wünsche dir von Herzen alles Liebe und Gute zum Geburtstag, Schneechen. Das Geburtstagssaufen holen wir nach, ganz bestimmt, aber bis dahin hoffe ich, dass du diesen kleinen Ausschnitt in das Leben unserer kleinen Ghettobrüder genießen kannst. Ich bin heilfroh, dass ich es heute noch fertigbekommen habe xD Happy Birthday <3 <3 <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Too late~ too late~ not too late~ xD I'm sorry, aber happy Birthday, Schneechen <3 Ich hoffe es ist ein schöner, wenn auch tragischer kleiner Einblick. ;_; <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Schneechen,

Happy Birthday <3

Ich weiß nicht, wann du Zeit finden wirst es dir anzuschauen, aber ich hoffe, wenn du es tust, dass du dich freust und es sich gelohnt hat es bis heute fertigzuschreiben.

Das Kapitel ist ein wenig anders aufgebaut als das letzte und aus zwei verschiedenen Perspektiven geschrieben. Ich hoffe es ist nicht allzu verwirrend... xD Aber beim Kursiven darfst du dir gerne Hadrians Stimme vorstellen :3 Alles andere dürfte selbsterklärend sein xD

Und jetzt nochmal richtig: Alles alles Liebe zum Geburtstag wünsche ich dir, Schneechen <3 ich hoffe, dass wir bald wieder mehr Zeit füreinander finden. <3 Komplett anzeigen

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Aftermath

„Was ist los, Großer?“
 

Es war eine Ewigkeit her, seit sein Dad ihn das letzte Mal so genannt hatte. Der Knoten in seinem Hals zog sich enger. Als ob es die Worte waren, die plötzlich einen Schalter umlegten, der den ganzen Tag schon darauf gewartet hatte, beachtet zu werden.
 

Er war erst einen Tag zu Hause.
 

Ein Tag, der nicht schnell genug hatte kommen können und von dem sich doch jede Sekunde wie ein endlos langer Sprint anfühlte. Nate hatte fest damit gerechnet – gehofft - dass sich, kaum zu Hause angekommen, das komische Gefühl von selbst in Luft auflösen würde. Dass er seinen Koffer wie jedes Jahr achtlos im Hausflur stehen lassen, zwei Wochen lang die nervigen Aufforderungen seiner Mutter endlich seine Sachen wegzuräumen, bejahen und doch ignorieren würde, bis das schwere Gepäckstück schließlich wie von selbst für die bevorstehenden Sommerferien zu Staub und Socken unter das eigene Bett wanderte. Es war jedes Jahr das Gleiche und auch jetzt stand der Koffer mit all den Büchern, der dreckigen Wäsche und Überbleibseln vom vergangenen Jahr unpraktisch im Weg zwischen Küchentür und Kommode und seine Mum musste jedes Mal halb darüber steigen, damit sie überhaupt ans Telefon kam.
 

Es war alles wie immer.
 

Also wieso fühlte es sich dann nicht so an?
 

Wieso war es so anders, als sein Dad ins Wohnzimmer kam, die ungewohnt sorgenvolle Miene nur vom warmen Licht der Leselampe in der anderen Ecke des Raumes erhellt. Mum und Thilda waren schon längst im Bett. Es war spät und schon dunkel. Nur er war heute noch kein einziges Mal in seinem Zimmer gewesen.

Der junge Gryffindor schob die Handflächen tiefer zwischen das weiche Sitzpolster der Couch und den eigenen, angespannten Oberschenkeln. Nicht, dass er bis dato gemerkt hatte, wie starr sich sein Körper wirklich anfühlte. Aber als sich das Polster neben ihm unter dem neuen Gewicht senkte, als die vertraute Stimme seines Dads leise aber auffordernd an der Schnur um seinen Hals zog, und er, statt dem Druck in seiner Brust nachzugeben, sich auf die Unterlippe biss, nur damit ihm genau dieser dünne Faden nicht abhanden kam, schien stattdessen die gesamte Ladung über ihm einzubrechen.
 

Er wusste nicht mal was es war.
 

Aber als er seinem Dad in die Augen sehen wollte, musste er blinzeln, um ihn überhaupt richtig zu sehen. Die Tränen bemerkte er erst jetzt.
 

„Ich kann nicht- nicht mehr zu-zurück gehn...“ Er musste schlucken, zu überfordert von der Kombination aus rohem Schmerz in der Kehle, den bebenden Luftzügen, die sich trotz allem schnappend nach vorn drängten, und den Worten, die versuchten sich noch irgendwo dazwischen nach draußen zu kämpfen. Dass es überhaupt seine Stimme war, die da krächzte, wusste er nur, weil jedes Wort so verdammt schwer über die eigenen Lippen rollte. Er wollte den Kopf schütteln, aber alles was er tat, war die Hände noch tiefer in das Polster unter seinen Beinen zu vergraben und die Nase hochzuziehen, die drohte dem salzigen Geschmack auf seinen Lippen zu folgen.
 

Harry sagte nichts, als er den Arm um die bebenden Schultern legte, und Nate wünschte sich, es würde zumindest nicht so verdammt wehtun. Dass es wenigstens das einfacher machen würde. Er wusste nicht mal, warum es so wehtat.

„S-Sag‘s nicht Mum…“ Seine Nase tropfte auf die ausgewaschene Jeans, die er schon vor zwei Tagen auf den Wäschehaufen hätte verbannen sollen. „Bitte sag‘s nicht M-Mum...“ Seine Hand löste sich erst von der Couch, als er das Gesicht unfreiwillig in das Hemd seines Dads vergrub, die eigenen Finger ungefragt folgend. Es war ewig her, dass sein Dad ihn so gehalten hatte; dass die warme, große Handfläche über seinem Ohr nur die beruhigend tiefe Stimme in tröstenden Wellen hindurch ließ. Keine Worte, nur Laute. Zwischen dem eigenen Schluckauf an Tränen kaum zu hören. Für Nate das einzige, das er wahrnahm.
 

Die Nacht war lang.
 

Als es hell wurde, war sein Koffer aus dem Flur verschwunden.

Home

Felder und Wiesen, Bäume und Sträucher, vereinzelte Häuser und Schafe, Schafe, Schafe. Die Landschaft war immer gleich – trübe und grau unter dem wolkenverhangenen Himmel, der nur darauf zu warten schien die ersten Tropfen gen Erde zu schicken. Es war ein typischer Septembertag, der über Schottland hereingebrochen war, und Henry fühlte sich als wäre er nach langem endlich wieder zu Hause.
 


 

─── I’m gonna stand by you

Even if we’re breaking down ───
 

Die Hand des jungen Zauberers fuhr über das ungewohnt kratzige Kinn. Es war erst eine Woche her… eine Woche, seit er das Krankenhaus verlassen hatte; eine Woche, die ihn müde und nicht ganz er selbst hinterlassen hatte. Der befremdliche Drei-Tage-Bart ein letztes Überbleibsel. Er hätte ihn schon längst loswerden sollen. Und doch, ganz entgegen seines eigenen Wohlwollens, hatten ihn Erschöpfung und Gedanken – Sorgen – davon abgehalten. Onkel und Tante hatten versucht ihn ans Bett zu fesseln, Noel und Rae für die Ablenkung gesorgt. Nach vier Tagen hatte er ihnen mit aller hufflepuff‘schen Geduld und Deutlichkeit zu verstehen gegeben, dass es reichte. Er liebte sie aufopferungsvoll, aber die Erschöpfung, die nach den vergangenen Ereignissen - nach den gut 3 ½ Wochen Krankenhaus - ein schwarzes Loch in sein Erinnerungsvermögen gefressen hatte und vielmehr seine Seele als seinen Körper zu belasten schien, prangte wie ein Mahnmal über seinem Kopf. Bemuttert zu werden, hatte die Schlinge nur enger um seinen Hals gezogen.
 

Die Wiesen waren weit. Endlos. Und überwucherten die Hügel, die beständig und immer mehr, mehr, mehr am Horizont erschienen. Ein Anblick, mit dem er groß geworden war, der Erinnerungen weckte und Luft in seine Lungen ließ, obwohl das Fenster ihres Zugabteils geschlossen war. Henry liebte seine Heimat. Das Grün, das Grau, die Seen und Hügel. Die Highlands und das stetig unruhiger werdende Vorland. Schottland hatte für immer einen Platz in seinem Herzen.

Und doch schien ihn das sanfte Pochen belehren zu wollen – es klopfte, klopfte, klopfte – und Henry wusste, es gab noch etwas anderes – jemanden – für den er selbst das aufgeben würde. Nicht, dass sein Gegenüber es jemals von ihm verlangte.
 


 

─── We can find a way to break through.

Even if we can’t find heaven,

I’ll walk through hell with you.

Love, you’re not alone,

‘cause I’m gonna stand by you. ───
 

Das Funkeln in Rileys Augen schien ihn zu rufen – festhalten zu wollen – und gewann haushoch gegen das satte Grün des späten Sommers. Ob die hügelige Landschaft der Auslöser für den träumerischen Glanz war oder doch eher die muggelhafte Art zu Reisen, vermochte der Schotte nicht zweifelsohne zu sagen. Die eigenen Mundwinkel hoben sich dennoch zu einem warmen Lächeln. Trotz seiner anfänglichen Zweifel war er nun froh dem Älteren gegenüber zu sitzen. Das Zugabteil war bereits relativ voll gewesen, als sie vor gut einer Stunde in Edinburgh zugestiegen waren und die beiden Sitze am Fenster neben der betagten Dame, die dort ganz offensichtlich Wurzeln geschlagen hatte, waren so ziemlich die einzigen freien Plätze gewesen. Er hatte glucksen müssen, als die alteingesessene Schottin angefangen hatte extra langsam mit dem Amerikaner zu sprechen, kaum dass sie Wind von dessen Akzent bekommen hatte. Von den neugierigen Fragen einmal ganz abgesehen. „Ach, es ist immer wieder schön zu sehen, wenn Onkel und Neffe so eng in Kontakt stehen. Der Bruder meiner Nachbarin ist ja vor gut 30 Jahren bereits nach Südafrika ausgewandert, wissen Sie, aber er hält immer noch Kontakt zu seiner Nichte und deren Kindern, natürlich. Wenn da nur nicht die Entfernung wäre, nicht! Aber wem sage ich das eigentlich, nicht wahr? Sagen Sie, wo wollten Sie noch einmal hin?“ Henrys Brauen waren dezent zur Stirn gewandert, während Riley bereits Luft geholt hatte, um der Schottin gewiss zu erläutern, dass sie tatsächlich alles andere als Onkel und Neffe waren. Doch die Dame hatte munter weitergeredet, sich nicht in ihrem Fluss über die, Zitat, „wundervollen alten Burgruinen Schottlands“ unterbrechen lassend. Vor zwei Stationen war sie endlich eingeschlafen und nun streifte die überdimensionale Schleife ihres Sommerhutes in regelmäßigen Abständen den Nacken des 34-Jährigen. Henry verkniff sich ein Lachen. Zu angenehm war die Ruhe, zu schön das Gefühl ungestört beobachten zu können, zu dürfen. Etwas, das bis vor wenigen Wochen für sie beide noch undenkbar gewesen war.
 

Ein Lehrer, der mit seinem 16 Jahre jüngeren Schüler anbandelte.
 

Nur zu gut waren Henry die wertenden Stimmen im Gedächtnis geblieben, vor allem nachdem er aufgewacht war und Riley an seinem Bett gesessen hatte. Dort wo das schwarze Nichts endete und endloses Blau anfing; wo Erleichterung Ohnmacht verdrängte und wo dieser eine Mann vor ihm die Leere ersetzte. Henry wusste, dass ihnen der Zweifel im Nacken saß. In Form von Blicken, von Moral und Meinungen, die nicht interessierten und dennoch laut wurden. Oh ja, sie beide waren sich dessen sehr wohl bewusst. Riley wohl noch besser als er selbst. Henry wusste nicht was genau während seines Krankenhausaufenthalts vorgefallen war, aber nach dem zu urteilen, was Noel ihm erzählt hatte, hatte es gereicht um seinem Onkel den Kragen platzen zu lassen. Und das musste etwas heißen.

Er hatte nicht weiter nachgefragt – weder Noel noch Onkel Ben. Es war Rileys Recht ihm davon zu erzählen – aus seiner Sicht, mit seinen Worten – und er würde warten, bis der Amerikaner soweit war. Vielleicht bis sich der Trubel gelegt hatte, oder vielleicht bis der Ältere sich selbst mit den Vorwürfen seiner Familie auseinandergesetzt hatte. Der Schotte wusste nicht allzu viel über ihr Verhältnis zueinander; konnte nicht wirklich einschätzen, wie sehr die Kommentare aus den eigenen Reihen Riley tatsächlich beschäftigten, obwohl er sich sicher war, dass sie es auf die eine oder andere Weise taten. Unter flackernden Lidern holten ihn die harschen Gedanken zurück ins Hier und Jetzt. Schuld – flüchtig aber messerscharf – versuchte Halt an ausgefransten Nerven zu finden, sich dort festzuklammern, wo Druck und Erwartungen von außen bereits Vorarbeit geleistet hatten.

Warme, sanfte Finger streiften die Hand des Schotten, auffällig in ihrer Beiläufigkeit. Nur der Hauch einer Berührung und doch hinterließ das Gefühl von Haut an Haut ein angenehmes Prickeln. Grüne Augen hoben sich – herausgerissen aus störenden Gedanken, angezogen von dem weiten, strahlenden Blau, das ihm entgegenblickte. Ein schwacher Ruck des Kopfes zur älteren Dame und Henry folgte – sah das ergraute Haar unter dem hellen Sommerhut hervorlugen, unverkennbar auf der Schulter des Amerikaners ruhend. Ein kleiner Stoß Luft kündigte das amüsierte Glucksen an, doch anstelle des Lachens – anstelle von purer Belustigung über das Bild, das sich ihm präsentierte – überrollte ein überwältigender Schwall von Erleichterung, von Freude, von purem Glück das auf einmal so schwache Bedürfnis zu lachen.

Stattdessen fand Grün also erneut Blau. Und die Wangen des Schotten hoben sich unter einem festen Lächeln, als sie den warmen Ausdruck ihres Gegenübers spiegelten. Sicherheit, Geborgenheit, Frieden. Das Zweifeln überließ er den anderen. Nie war sich Henry einer Sache so sicher gewesen. Und keine Sekunde wollte er wegsehen, wollte er verpassen - zu fasziniert von der jugendlichen Begeisterung in den hellen Augen; zu gefangen von dem Klopfen in der eigenen Brust. Stetig und warm. So wie die Hand, die da auf dem kleinen Tisch zwischen ihnen ruhte; so wie die Stimme, die noch immer in seinen Ohren klang. So wie Riley, wenn er ihn ansah, mit dem omnipräsenten Hauch eines Lächelns und den kleinen Lachfalten um die wissenden Augen. Er hatte zu viele Momente verpasst, zu viele Augenblicke versäumt. In seinem Kopf klaffte ein Loch. Und er wollte weder diese Augen, noch diese Blicke je wieder gehen lassen.
 


 

─── Hands, put your empty hands in mine

When the night has come

Scars, show me all the scars you hide

And the land is dark

And hey, if your wings are broken,

Please take mine, so yours can open, too.

‘Cause I’m gonna stand by you. ───
 


 

Sein Herz stolperte über den eigenen Rhythmus und Henry wünschte sich, Riley könnte es hören – spüren – so wie er. Stattdessen – statt sich zu ihm zu lehnen, ihn zu küssen, ihn n i e w i e d e r l o s z u l a s s e n – lehnte sich Henry zurück, Schläfe an die kühle Fensterscheibe gestützt, und ließ die Augen wandern. Von ihren Händen, die sich Daumen an Daumen berührten und sachte übereinander strichen, zum leisen Trommeln der ersten Tropfen gegen das Glas und vor allem dem Spiegelbild des Amerikaners, das ihm so vertraut entgegenblickte. Es war eine Schande, dass sie bald aussteigen mussten.

Henry musterte die Lippen des Älteren im Fenster, heimlich und verstohlen, wenn da nicht diese blauen Augen gewesen wären, die ihn auch jetzt nicht losließen, sondern es ihm gleichzutun schienen. Als das Schmunzeln seine Mundwinkel hob, kam es Henry vor als wäre es gar nicht erst weg gewesen und die Reflexion seines Professors tat es ihm gleich. Wärme bedeckte die eigene Hand und er erwiderte den sanften Druck ohne darüber nachzudenken, versucht dem Zauber des Augenblicks zu erliegen, die Augen zu schließen und zu träumen. Wenn – ja wenn – da nicht die Realität gewesen wäre, die mit einem plötzlichen Ruck des Zuges die Geschwindigkeit drosselte und nach ihnen griff.

Für den Bruchteil von Sekunden schlich sich Wehmut in das konstante Lächeln, obwohl es absolut unsinnig und noch weniger gerechtfertigt war, schließlich hatte ihr gemeinsames Wochenende gerade erst begonnen. Erst in ein paar Tagen würde Riley wieder in Hogwarts und er unter dem Dach seiner Familie sein.
 

„Lass uns weiterfahren.“
 

Henry ließ das Spiegelbild los, blickte stattdessen direkt in die ihm so vertrauten Augen, die dem wohl offensichtlichen Fragezeichen über seinem Kopf mit einem entschlossenen Glanz begegneten.
 

„Weiterfahren?“
 

Rileys Lippen stoben zu einem amüsierten Lächeln auseinander, der Kopf des Brünetten neigte sich in einer unschlüssigen Mixtur aus Nicken und Schütteln und wandte sich kurz der mittlerweile mit Tropfen überlaufenen Scheibe zu. „Ja! Lass uns einfach… weiterfahren! Egal wohin, wir steigen später aus. Wo auch immer es uns hinführt!“ Ganz offensichtlich wusste der Amerikaner selbst nicht genau, was ihn zu seinen Worten bewog. Und doch war sie da. Die funkelnde Begeisterung; die Abenteuerlust, die in beinahe kindlicher Vorfreude aus den blauen Augen hervorsprudelte. Henry kannte sie erst seit wenigen Wochen und doch hatte er sich bereits in sie verliebt.
 

So wie in diesen Mann.
 

Er spürte erneut den unsichtbaren Faden, der konstant an seinem Mundwinkel zu ziehen und, wie so oft in den letzten Wochen, sich auch längst an sein Herz geheftet zu haben schien. Es widersprach jeglicher Vernunft, jeglicher rationaler Erklärung. Sie widersprachen dem. Und doch fühlte es sich so an, als hätte es irgendwer da oben so gewollt, als wäre es nur so richtig. Die grünlich schimmernden Augen weiterhin auf seinem Gegenüber ruhend, lehnte sich Henry ein weiteres Mal im weichen Polster des Sitzes zurück. „Okay.“ Die Antwort war so simpel, so selbstverständlich, dass selbst seine Stimme keinen anderen Schluss zulassen mochte. Wenn Riley ihn nur darum bat, er würde ihm zum Mond und wieder zurück folgen. Solange sie nur zusammen waren.
 


 

─── And the moon is the only light we’ll see

Oh, tears make kaleidoscopes in your eyes

– No, I won’t be afraid –

And hurt, I know you’re hurting, but so am I.

– No, I won’t be afraid –

And love, if your wings are broken borrow mine, so yours can open, too

Just as long as you stand by me

I’m gonna stand by you. ───
 

Es war bereits Abend, als sie sich dazu entschieden auszusteigen. Der für Schottland leichte Nieselregen war mittlerweile einem konstanten Strom an Wassermaßen gewichen, der Himmel dunkel und wolkenverhangen. Die paar Menschen, die mit ihnen in dem kleinen, verschlafenen Städtchen ausstiegen, rannten augenblicklich mit über die Köpfe gezogenen Mänteln die Straßen entlang, entweder auf der Suche nach einem Unterstand oder aber um schnellstmöglich in die heimische Wärme und Trockenheit zu gelangen. Henry konnte es ihnen nur allzu gut nachempfinden. „Wir sollten uns besser ein Taxi nehmen.“ Doch als sich der Schotte zweifelnd nach der bis dato stummen Gestalt des Brünetten umsah, zupfte der bereits den Kragen des schier omnipräsenten Trenchcoats über seinem Kopf zurecht und Henry zweifelte kurzzeitig nicht mehr nur am Regen. „Taxis sind überbewertet! Ich glaube, ich habe da hinten ein Bed & Breakfast gesehen. Wir sollten uns eh eine Unterkunft für heute Nacht suchen, hm?“ Das auffordernde Lächeln entlockte dem Muggelstämmigen ein Seufzen, das kaum über dem Lärm des Platzregens zu hören war. Trotzdem schien sich sein Körper ein weiteres Mal zu verselbstständigen, als er - ein kaum merkliches Kopfschütteln später - die eigene Jacke packte und über seinen Nacken zog. Ihnen beiden war das amüsierte Funkeln in den grünen Augen nur allzu bewusst.
 

Tatsächlich fanden sie einige hundert Meter die Straße hinunter ein kleines Bed & Breakfast, das sich nur durch die weißen Fensterläden und dem ebenfalls weiß gestrichenen Holzverschlag vor der Eingangstür vom umliegenden Mauerwerk der Häuserreihe zu unterscheiden schien. Das fast schon trostlos wirkende Schild, das sich tapfer im wütenden Sturm hielt, war Henry kaum aufgefallen; Riley musste es also schon aus dem Fenster ihres Abteils heraus gesehen haben. Lange Zeit darüber nachzudenken gab ihm der Amerikaner allerdings nicht und das Gewicht der mittlerweile durchnässten Jacke über seinem Kopf gab ihm recht.
 

Die weiche, trockene Matratze des queen-sized Bettes war den kuriosen Blick der jungen Eigentümerin allemal wert gewesen, als sie bereits drauf und dran gewesen war ihnen den Schlüssel zu einem zweiten Zimmer rauszusuchen und sie dankend abgelehnt hatten. Doch es war zu spät und zu privat für Erklärungen gewesen und während sich Riley noch über der Türschwelle nach etwas Essbarem erkundigt hatte, war Henry im angrenzenden Bad verschwunden.

Die heiße Dusche hatte mehr als nur die hartnäckige Kälte aus seinen Knochen vertrieben und dennoch konnte Henry auch jetzt, da er nasse Kleidung gegen weichen Bademantel und unbequemes Polster gegen federndes Bett getauscht hatte, das nagende Gefühl in seiner Brust nicht vollends ablegen. Obwohl er wusste, dass Riley ihn aus diesem Grund überhaupt erst zu ihrer Reise überredet hatte. Selbst wenn ihm bewusst war, dass es nichts ändern würde. Und trotzdem, trotzdem… Wenn er wenigstens Gewissheit haben könnte, dass alles in Ordnung war…!

Wie so oft in den letzten Tagen fand sich der Schotte mit hängenden Schultern über den so unscheinbaren, taschenspiegelgleichen Gegenstand gebeugt. Ungewohnt fremd wirkte die tiefe Furche zwischen den dunklen Brauen; der vertraute Name auf den eigenen Lippen ein unbeantwortetes Echo im Raum. Und keine Verzweiflung, klein Flehen der ganzen Welt – egal wie sehr es in Mimik und Gestik geschrieben stand – schien das eigene Spiegelbild vertreiben zu können. Grüne Augen wurden schmal, drohten sich der Frustration über Nichts zu entziehen, hätte Henry nicht bis zuletzt an dem Funken Hoffnung festgehalten, doch noch einen Blick auf helle Gegenstücke zu erhaschen.
 

„Immer noch nichts?“
 

Balsamgleich legte sich der sanfte Ton auf wundgescheuerte Nerven. Langsam löste sich der dunkle Schatten von der hohen Stirn.
 

„Nein…“
 

„Ach, mach dir keine Sorgen! Flint geht‘s bestimmt gut, der Bursche ist zäh!“
 

Er wusste nicht, ob es Rileys Optimismus war oder vielmehr die Wärme, die sich um ihn ausbreitete. Doch als sich die Matratze neben ihm unter dem Gewicht des Älteren senkte und sich ein starker Arm um die eigenen Schultern legte, fühlte es sich tatsächlich an, als würde ein Teil der endlosen Gedanken von ihm abfallen. Henry wusste nur, dass er die Augen schloss und nickte, als die Lippen seine Schläfe berührten, nicht gänzlich überzeugt und doch seine Bedenken lindernd.
 

„Ja, ich weiß.“
 

Der kleine, quadratische Spiegel löste sich sanft aus seinem Griff, wanderte zum nahestehenden Beistelltisch. Henry folgte Rileys Hand nur, um sich näher an den vom heißen Wasser noch immer warmen Körper zu schmiegen. Der Amerikaner hatte Recht und das nicht nur, weil er dessen Urteil bedingungslos vertraute. Eine ganze Delegation von Auroren, rund um Tylers Bruder David, war für Georges Fall und dessen Sicherheit zuständig. Ergo gab es aus rationaler Sicht wenig Grund sich Sorgen zu machen. Zumindest hatte Tyler versucht ihm ähnliches zu versichern, auch wenn der Portugiese es nicht geschafft hatte mehr Informationen aus David herauszubekommen. Dass er es überhaupt versuchte, war Zeichen genug dafür, wie besorgt besagter Latino selbst war.
 

„Hey, du denkst schon wieder zu viel nach.“
 

Die sanfte Mahnung entlockte ihm ein Glucksen; leise, als ob es versuchte Rileys Aufmerksamkeit zu entkommen, oder vielleicht einfach nur zu eingeschüchtert vom stummen Wall drohenden Unheils. Warme, wohltuende Hände antworteten ihm, griffen nach der Erleichterung, die mit dem schwindenden Echo des Glucksens zu versinken drohte; berührten Kinn und Wange und hinterließen heiße Spuren, die kalt wirkten im Vergleich zu dem was folgte. Henry schmolz in den Kuss. Die Lippen, die so neu und doch so vertraut waren – so perfekt zu den eigenen passten. Linderung. Heilung. Hoffnung – sie versprachen all das und noch so vieles mehr. Wie hätte er ihnen nicht glauben können?
 

„Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe?“
 

Es war Flüstern und Bekundung zugleich, getragen vom warmen Hauch seiner Stimme – leise und doch so bestimmt. Es füllte die wenigen Millimeter, die ihn von Riley trennten und Henry musste die Lippen des Amerikaners nicht sehen. Er spürte das sachte Lächeln, den Anflug von Belustigung, der in Rileys Stimme mitschwang.
 

„Hmm, bestimmt fast genauso sehr wie ich dich.“
 

Ein Lachen formte sich in der eigenen Kehle, sprudelndes Glück und voller Erleichterung, dass es endlich gehört werden durfte. „Ich liebe dich“, flüsterte die Stimme in sein Ohr. Henry wusste nicht, ob es nur Einbildung gewesen war, denn bereits einen Herzschlag später spürte er den gleichen warmen Atem erneut an den Lippen.
 

Es war erst das harsche Klopfen an der Zimmertür, das sie schließlich unterbrach.
 


 

─── Yeah, you’re all I never knew I needed.

– If the sky that we look upon –

And the heart, sometimes it’s unclear why it’s beating

– should tumble and fall –

And love, if your wings are broken,

We can work through those emotions, too.

– and the mountains should crumble to the sea –

– I’m gonna stand by you – ───
 

Der lästige Drei-Tage-Bart verschwand am nächsten Morgen. Obwohl das Bett etwas zu schmal für zwei Männer ihrer Größe und nicht einmal sein eigenes gewesen war, fühlte sich Henry das erste Mal seit langem wieder erholt. Neben Riley aufzuwachen und dessen vertrauten Geruch in der Nase zu haben, statt des blumigen Dufts fremder Laken, war alles was er brauchte, um sich zu Hause zu fühlen. Und wenn es etwas schöneres gab als strahlende blaue Augen, die trotz Schläfrigkeit am frühen Morgen voller Wärme und Zuneigung steckten, musste der Schotte es erst noch finden.

Das bescheidene, kleine Frühstück war voll von diesen Augen gewesen; übersät mit Blicken, verstohlenen Berührungen unter dem Tisch und weniger heimlichen Lächeln. Egal ob versteckt hinter einer Kaffeetasse oder geradeheraus zwischen einer Ladung Toast und Ei, Henry wusste, dass sich jedes einzelne auf seinen Zügen spiegelte.

Oder vielleicht war er es, der nicht aufhören konnte zu lächeln und das Echo spielte sich auf Rileys Lippen ab.
 

Sie waren schließlich die letzten, die den kleinen Frühstückssaal verließen.
 

Wie sich schnell herausstellte, hatte sie ihre spontane Aktion vom gestrigen Tag beinahe den ganzen Weg bis nach Skye gebracht. Kyle of Lochalsh war eine verschlafene Ortschaft am Ufer des gleichnamigen Sees mit einem kleinen Hafen, der – so vermutete Henry zumindest – einen Großteil der knapp 600 Einwohner beschäftigte. Selbst jetzt, wo der Himmel aufklarte und Hoffnung auf zumindest einige Stunden Trockenheit gab, wuselten in der Stadt kaum mehr als eine Handvoll Menschen durch die Straßen. Es war friedvoll und der Schotte genoss jeden Augenblick.

Sie hatten Glück am Ortsrand einen kleinen Wagen anmieten zu können. Der in die Jahre gekommene Peugeot war zwar nichts besonders Aufregendes in Henrys Augen, doch die Euphorie des Amerikaners wirkte ungebrochen und es dauerte geschlagene 30 Minuten Fahrt bis Riley tatsächlich aufgab ihn davon überzeugen zu wollen selbst hinters Steuer zu kommen.
 

„Ich bin durchaus dazu in der Lage ein Auto zu fahren, Henry.“ Vielleicht doch etwas länger.
 

„Oh, ich weiß.“
 

Die Antwort kam ihm wohl etwas zu schnell und ein klein wenig zu heiter über die Lippen, als dass der Ältere sie ihm tatsächlich abkaufte. Ein kurzer Blick in dessen Richtung und wieder kam der unsichtbare Faden zum Einsatz. Schmollend – anders konnte er Rileys Gesichtsausdruck einfach nicht nennen – lehnte sich sein Professor zum veralteten Radio vor. Ganz offensichtlich hatte er sich dazu entschlossen – wenn er schon nicht fahren durfte – seine Fachkenntnisse über Muggeltransportmittel und deren Ausstattung auf andere Art und Weise unter Beweis zu stellen.

Die restliche Fahrt musste der Schotte zwischen grölenden Schlagern, sich plötzlich öffnenden Schiebedächern und ein Eigenleben entwickelnden Sitzheizungen verbringen.
 


 

─── Oh truth, I guess truth is what you believe in

– I won’t cry –

And faith, I think faith is having a reason

– No, I won’t shed a tear –

Love, if your wings are broken,

Borrow mine so yours can open, too

Just as long as you stand by me

And I’m gonna stand by you. ───
 

Der Ausblick von den Klippen war atemberaubend. Trotz des leichten Nieselregens, der mittlerweile eingesetzt hatte, und den grauen Wolken, die einfach nicht mehr aufhören wollten. Wahrscheinlich hatten sie es genau diesen Umständen zu verdanken, dass sich an diesem Tag kaum eine Seele nach Neist Point verirrte. Beständig brach Welle um Welle an steile Felswände, nur die hartnäckigen Rufe der Möwen mischten sich unter das laute Tosen. Es war hypnotisierend und fesselte Henrys Aufmerksamkeit beinahe auf der Stelle. Er konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen wie viel Zeit schließlich verging, bis er Rileys konstanten Blick auf sich spürte. „Ich dachte, wir sind hier um die Aussicht zu genießen.“ Eine sanfte Rüge, die voller Humor steckte. Die wortgewandte Zunge des Amerikaners verlor keine Zeit um nachzulegen. „Tue ich doch.“ Henry gluckste amüsiert, doch als er den Kopf zum Älteren neigte, voller Erwartung selbige Belustigung auf den Zügen seines Partners lesen zu können, blickte ihm stattdessen abschätzende Sorge entgegen. Das Lächeln wankte.

Henry rutschte näher auf dem kühlen Stein zum Brünetten heran, lehnte sich in einem Versuch zu beschwichtigen an die starke Schulter. „Mir geht’s gut. Wirklich“, versuchten sanfte aber bestimmte Töne zu vermitteln, doch selbst als sich warme Finger um die eigenen schlossen, schien es den dunklen Schatten auf Rileys Zügen nicht im Entferntesten zu mindern. „Wer ist jetzt derjenige, der sich zu viele Gedanken macht, hm?“
 

„… Henry, du warst fast zwei Wochen—“
 

„Und jetzt bin ich hier. Mit dir.“
 

Seine Worte brachten Riley dazu zurück aufs Meer zu blicken und das erste Mal seit sie sich kannten, hatte der Jüngere das Gefühl nicht zu wissen, was hinter der hohen Stirn vor sich ging. Es lag an ihm zu zögern. Doch bevor er sich dazu entscheiden konnte, ob er weiterhin versuchen sollte seinen Partner davon zu überzeugen, dass es ihm gut ging, oder aber es dem Anblick von Meer und Klippen überlassen sollte, schien der Halbblüter einen Entschluss gefasst zu haben.
 

„Ich… Ich weiß, dass es fürchterlich unangebracht ist. Vor allem nach allem was passiert ist. Und du bist erst seit ein paar Tagen wieder zu Hause. Wahrscheinlich ist das hier schon stressig genug für dich und du solltest dich erst noch richtig erholen. Auskurieren. Du weißt schon.“ Die Braue des Schotten wanderte dezent nach oben, was den Amerikaner aber keineswegs in seinem Redeschwall zu stören schien. Ganz im Gegenteil, er fing ganz offensichtlich gerade erst an. „Und wir kennen uns auch noch gar nicht so lange – also privat, versteht sich, ich meine kennen tun wir uns ja nun schon seit einigen Jahren, aber—“
 

„Riley.“
 

„—zusammen sind wir nun mal erst seit einigen Wochen – bei Dumbledores heiliger Robe, wir sind ja bisher noch nicht einmal zu du weißt schon was gekommen – was absolut okay ist, wirklich – und ich kann durchaus nachvollziehen, wenn du erst noch darüber nachdenken musst – oder mit Flint und Cortez darüber sprechen möchtest. Oder deiner Familie! Merlin, natürlich willst du erst mit deiner Familie darüber sprechen— Moment, nicht darüber, das wäre merkwürdig. Wobei du auch darüber mit ihnen sprechen kannst, wenn du das möchtest—“
 

„Riley—“
 

„—du bist gerade erst volljährig geworden und wahrscheinlich solltest du dich erst einmal um deine Karriere kümmern. Nicht wahrscheinlich; ganz sicher sogar. Nachdem du dich auskuriert hast, natürlich. Es wäre sicherlich nicht förderlich für deine Gesundheit, wenn du so schnell wieder anfangen würdest zu—“
 

Professor.
 

Es war das Zauberwort. Der hyperaktive Mund schnappte zu und blaue Augen fokussierten sich endlich wieder aufs Hier und Jetzt. Auf ihn. Henry konnte nicht anders als dem sanften Drang des Schmunzelns nachzugeben, als das tiefe Blau in einer stummen Aufforderung festzuhalten. Oh, er verstand, weshalb Riley das Meer so schnell vergessen hatte.
 

„Henry…“ Die Lippen pausierten. Der Schotte war sich nicht sicher, ob es das Schlucken war oder der kurze Moment, den der Ältere nutzte, um nervöse Hände in den tiefen Taschen seines Trenchcoats verschwinden zu lassen.
 

„Es ist mir egal wie... unangemessen das hier alles für manche Leute sein mag. Es ist mir egal, was Flint oder Cortez, deine und erst recht meine Familie dazu zu sagen haben. Es interessiert mich nicht, ob es zu schnell ist. Es ist mir – wie sagen Muggel noch gleich? – vollkommen schnuppig, was andere von uns denken.“ Ein Kopfschütteln, völlig ignorant dem kurzen Anflug eines Grinsens gegenüber. Riley senkte den Blick, brachte Henry dazu ihm zu kramenden Fingern zu folgen und plötzlich lag es am Hufflepuff jeglichen Sinn für Worte zu verlieren. Riley, wollte ihm die Stimme in seinem Kopf helfen, nur um nicht stumm wie ein Fisch dazuhocken; um sicher zu sein, dass ihm das Echo seines eigenen Herzschlages gerade keine Streiche spielte. Es pochte – deutlich und klar – lauter als die brandenden Wellen; durchdringender als schreiende Möwen oder gar belanglose Erinnerungen an wertende Blicke. Henry spürte das Schlucken in der eigenen Kehle, nicht weniger kontrollierbar als die plötzliche Unfähigkeit überhaupt zu blinzeln. Er konnte nicht wegsehen – von diesem Moment, von diesem Mann, von diesem kleinen schwarzen Etui.
 

Sein Herz polterte; überschlug den eigenen Rhythmus.
 

„Ich liebe dich so sehr…! Es fühlt sich richtig an, wenn wir zusammen sind. Und allein der Gedanke daran, dass es irgendwann nicht mehr so sein könnte… Ich will den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Und ich weiß, dass es fürchterlich schnulzig ist und wenn du erst noch darüber nachdenken musst, dann verstehe ich—“

Grüne Augen rissen sich von der kleinen, quadratischen Box los, blickten zu den Lippen, die sich immer noch zu bewegen schienen und doch keinen Ton bis zu ihm durchdringen ließen. Henry realisierte es nicht einmal mehr, als sich seine Finger hastig an stoppelbesetzte Haut legten. Blaue Pupillen fingen seinen Blick, groß und weit, und der Hufflepuff war sich nicht sicher, ob es sein eigener Puls war, der in seinen Ohren rauschte, oder doch der des Amerikaners. „Frag“, hauchte er und selbst wenn er das glasige Funkeln in den eigenen Augen bemerkt hätte, was spielte es schon für eine Rolle? Es war das Lächeln, das an den Mundwinkeln zog; die Sicherheit in Ton und Mimik, die alles andere überlagerten. Es gab keine Frage, denn es gab keine Zweifel. Er musste nicht darüber nachdenken; sich keine Antwort zurechtlegen, wenn diese doch schon längst feststand. Und trotzdem wollte er es von Rileys Stimme hören; sehen wie die Worte von den vertrauten Lippen perlten.

Warme, sanfte Hände griffen nach den eigenen, brachten ihn zum Loslassen. Und nur weil Riley keine Sekunde lang den Blickkontakt zu ihm brach, ließ er es geschehen.
 

„Henry.“
 

Das Etui geriet in sein Blickfeld, wollten ihn dazu zwingen vom strahlenden Blau abzulassen. Und er ließ es zu. Nur kurz. Nur für diesen Moment.
 

„Lass uns heiraten.“
 

Der Ring war ein schlichtes, dunkles Silber, unauffällig, ohne sichtbare Steine oder feminin wirkendes Design. Die Oberfläche wirkte rau – anders als die glattpolierten Schmuckstücke, die sonst so prominent in Schaufenstern und Werbung angepriesen wurden. Er war perfekt. Es war egal.
 

Er spürte wie Riley gezwungen war sich unter seinem Gewicht zurückzulehnen; wie sich ein Arm von ihm löste, wohl um irgendwo am umliegenden Gestein Halt zu finden. Doch nicht eine Sekunde dachte der Schotte daran sich zurückzunehmen.

Offen legten sich weiche Lippen auf ihre Gegenstücke, wirkten heiß im rauen Küstenwetter als sich Atem und freche Zungenspitzen vermischten. Und erst nachdem Riley seinen Halt zurück erkämpft hatte und seine Lungen nach Luft verlangten, erlaubte Henry eben jene zwischen sie zu gelangen – auch wenn es nur für einige Sekunden war. „Das war keine Frage“, lachte er leise, nur kurz den erhitzten Atem des Amerikaners spürend, bevor sich ihre Lippen erneut trafen. „Nein. War es nicht.“ Wenn das Grinsen nicht vom Tonfall des Älteren getragen worden wäre, waren Henrys Lippen bereits zu versiert, um die unscheinbare Regung ihrer Gegenstücke nicht zu erkennen. Er musste es nicht sehen, hatte überhaupt keine Zeit dafür die Augen zu öffnen und sich zu vergewissern. Zu sehr zog ihn das Gefühl der vibrierenden Stimme unter seinen Lippen an; zu gefangen hielten ihn Kuss, um Kuss, um Kuss.
 

Es war, wie Riley es zuvor so schön ausgedrückt hatte, furchtbar schnulzig. Aber sie hörten nicht auf, bis der sanfte Nieselregen sie vollkommen durchnässt hatte. Später – später würde er vielleicht daran denken den Amerikaner zu fragen, wo und wann er überhaupt dazu gekommen war den Ring zu kaufen.
 


 

─── I’ll be your eyes, ‘til yours can shine

I’ll be your arms, I’ll be your steady satellite

And when you can’t rise

Well, I’ll crawl with you on hands and knees, ‘cause I

I’m gonna stand by you. ───
 

Fragrance

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

At last

Spätestens als er den Kopf an Matthews Schulter lehnte, hätte er wissen müssen, dass er betrunken war. Tat er ja auch – irgendwo in diesem Mischmasch aus gelassener Benommenheit, zufriedener Gleichgültigkeit und angeheiterten Glücksgefühlen. Nicht, dass er auch nur eines davon zugeben oder gar den Gedanken aufkommen lassen würde, dass es wahrscheinlich eine gute Idee war an der Stelle mit dem Trinken aufzuhören. Aber angefangen hatte er eh nur, um das Ganze hier irgendwie halbwegs ungeniert hinter sich zu bringen. Geendet hatte es im Hier und Jetzt und einem lauten, rauen Lachen, das ihn selbst überraschte, obwohl es aus der eigenen Kehle kam. Es war dem Alkoholpegel geschuldet, keine Frage, und trotzdem erinnerte er sich nicht daran, wann es sich das letzte Mal so ungezwungen, so ehrlich angefühlt hatte. Vor allem, wenn man die Umstände bedachte. Blaue Augen senkten sich auf die eigene Hand, blieben an schimmerndem Gold hängen und dem hypnotisierenden Flackern des Kerzenlichts, das sich darin reflektierte. Zusammenhanglose Gesprächsfetzen schwirrten von der anderen Seite des provisorisch zusammengebauten Palettentischs um ihn herum und er musste glucksen, obwohl er kaum mehr einen Sinn hinter den Worten ausmachen konnte. Eine schwere, warme Hand legte sich über die eigene.
 

„Du hast schon ziemlich viel intus, hm?“
 

„Absolut“, gestand er sich – oder Matthew? – ohne Widerrede ein und spürte wie die genauso warme Schulter unter seiner Wange amüsiert bebte. Der Druck um seine Hand festigte sich kurz und Hadrian dachte gar nicht darüber nach, als er seine Finger zwischen die des Iren schob.
 

„Solange er noch reden kann, ist er noch nüchtern!“ Der Einwand kam entschlossen von seiner gegenüberliegenden Seite – Matthews Oma, wenn ihn nicht alles täuschte. Im Dunkeln war es manchmal schwer noch hinterherzukommen. „Apfel oder Kräuter,“ folgte direkt die nächste Frage, auch wenn es mehr einer Aufforderung glich, wie ihm nicht zum ersten Mal an diesem Abend klar wurde. Sollte ihm recht sein.
 

„Hauptsache hochprozentig,“ war die bereits in Fleisch und Blut übergegangene Antwort und er löste sich unter der röhrenden Begeisterung der irischen Anwesenden von der Schulter des einstigen Löwen.
 

„So muss das sein! Du gefällst mir, Junge!“ Das war von seiner linken gekommen, da wo sich schon vor zwei Stunden die Cousine des Gallaghers heimisch eingerichtet hatte. Direkt neben ihm, eine Hand sein Knie tätschelnd. „Hoch die Tassen!“ Die Schnapsgläser klirrten als sie gegeneinanderstießen. Übers schwache Licht der Kerzen hinweg konnte er die markanten Umrisse eines anfänglich ziemlich Fehl am Platz wirkenden McAlistairs erkennen. Selbst jetzt entgingen ihm die hochgezogene Braue und der unmerkliche Schwung im Mundwinkel nicht, die eindeutig an ihn gerichtet waren. Im nüchternen Zustand hätten bei ihm vielleicht die Alarmglocken eingesetzt – zu viel unausgesprochene Rührseligkeit, zu viele I’m happy for you-Vibes, die da aus Dorians Richtung geflogen kamen. Aber das Reinblut lehnte sich stattdessen mit seinem Muggelbier in der Hand zurück und ließ sich erneut in das Gespräch mit Nathan Lakewood verwickeln. Oder irgendeinem der so aussah wie er, war nicht immer ganz ersichtlich für ihn, vor allem um die Uhrzeit.
 

„Also—“ Matthews Mutter kämpfte sich aus dem Monstrum einer selbstgebauten Sitzbank nach oben und stakste beeindruckend zielsicheren Schrittes auf die schwarzen Musikboxen zu. Irgendwann im Laufe des Abends hatte Matthew versucht ihm zu erklären, dass sein Muggelton eigentlich die Musik machte und die Boxen nur zur Übertragung dienten. Ziemlich umständlich, wie er gefunden hatte, aber Nala schien kein Problem mit der Vorrichtung zu haben. „Wenn wir schon nicht zur Hochzeit eingeladen waren,“ ein missbilligendes Raunen erfüllte die kühle Sommernacht, Matthew warf ein warnendes „Mum!“ in die Runde, das aber ganz eindeutig allen galt, „dann will ich wenigstens den ersten Tanz sehen! Los! Zack, zack!“ „Mum!“, das Jammern in der rauen Stimme wurde kehliger und lediglich vom eigenen vehementen Protest überlagert. „Keine Chance!“ Doch weder das kategorische Kopfschütteln noch das das soll wohl ein Scherz sein-Schnauben seinerseits schienen bei der Muggeldame Gehör zu finden, denn im nächsten Moment setzte der bis dato rockige Beat aus.

„Doch, doch, doch, Honey. Du kommst hier nicht weg, bevor ihr euch nicht mindestens einmal blamiert habt.“ Schon wieder Matthews Cousine. Jen… Jennifer. Für dich reicht Jenny, Schatz. Wie war er nochmal zwischen die beiden geraten? Ein zierlicher Arm quetschte sich unter dem eigenen durch und zog ihn – mit überraschend viel Kraft – auf die Beine.
 

„Keine Sorge, ich stell‘s auch nur in die Familiengruppe, nicht ins Internet.“
 

„Das machen wir dann!“, grölte es von der anderen Seite unter lautem Gelächter und zum Anstoßen gehobenen Flaschen. Er war sich nicht sicher, ob er folgen konnte, aber lange Zeit darüber nachzudenken bekam er sowieso nicht. Energisch schob ihn Jenny mit den Händen an seinem Rücken in Richtung des schmalen, gepflasterten Platzes im Vorgarten der Gallaghers. Nicht mal Matthews Hand, die nach ihm griff – oder war er es, der seine Hand ausstreckte? – konnte ihn vor der wilden Entschlossenheit der Iren bewahren. Lag aber vielleicht auch daran, dass Matthew selbst von Mutter und Patenonkel auf die Beine gezogen wurde.
 

„Oh fuck“, fluchte er – anscheinend lauter als er eigentlich vorgehabt hatte, dem rollenden Gelächter nach zu urteilen. Aber dann stand Matthew auch schon vor ihm – beide an Ort und Stelle geschoben von etlichen irischen Händen und zurück blieben nur sie beide, begleitet vom peinlich berührten Glucksen des Muggelstämmigen.
 

„Ich befürchte, da müssen wir jetzt durch.“
 

Hah. Er befürchtete es auch.
 

„Ladies and Gentlemen,” dröhnte die Stimme von Nathan Lakewoods Vater. Harry, oder? Hier war echt halb Irland anwesend. „Mr. and Mr. Gallagher!”
 

Merlin sei Dank war er zu betrunken, um zu protestieren.

Ein langsamer Rhythmus stahl sich unter den lauten Pfiffen und Jubelrufen hervor. Warme Finger stärkten den Druck um seine Hand, stahlen sich auf gleiche Art und Weise an sein Becken. „Fuck,“ nuschelte er erneut, diesmal deutlich leiser, auch wenn es nicht weniger für sich selbst bestimmt war als beim ersten Mal. Auch wenn es deutlich abgeschwächter war als noch am Morgen als Matthew auf die glorreiche Idee gekommen war ihm zu stecken, dass seine Eltern eine Hochzeitsparty für sie geplant hatten (“Nichts Großes! Nur was für die Family und so… Wir grillen und trinken ein bisschen, das wars! Ich schwöre!“), konnte er doch den leichten Schwall von Panik nicht unterdrücken, der da erneut in ihm aufkeimte. Das hier war… intim. Intim auf eine Art und Weise, die ihn bisher, selbst wenn sie nur unter sich waren, dermaßen verunsicherte, dass automatische Fluchtinstinkte bei ihm Einzug hielten. Es war wirklich nur dem Alkohol geschuldet, dass das seichte, flaue Gefühl im Magen auch genau das blieb und er sich – statt abzublocken – an den Felsen in der Brandung klammerte. An die warme Hand, die ihn näher zu sich heranzog. An Matthew Gallagher, der ihm sowieso hinterhergerannt wäre.
 

At last
 

My love has come along
 

My lonely days are over
 

And life is like a song
 

Blaue Augen funkelten im Kerzenlicht. Strahlten. Leuchteten. Heller als die verzauberte Decke der Großen Halle es je geschafft hatte. Oder vielleicht war es das konstante Lächeln auf den dunklen Lippen, das fast schon als Grinsen zu werten war. Er sah glücklich aus, als ob ihm sämtliche Sterne vor die Füße gefallen waren. Als ob in ganz Irland und Großbritannien gerade die Uhren stillstanden und nur noch dieser eine Moment existierte. Es war leise, stumm um sie herum. Nur das sanfte Wogen der Musik war zu hören, das leise Wispern von Matthews Stimme an seinem Ohr.
 

„Ziemlich peinlich, oder?“, nuschelte sie, aber klang überhaupt nicht danach als wäre sie wirklich geniert. Zu sanft, zu träumerisch, zu glückselig.
 

„Hm. Ziemlich,“ gestand er sich seinerseits ein und doch schien irgendetwas in seinen Worten das Lächeln des Iren wachsen zu lassen, dem Funkeln eine Innigkeit zu schenken, der er selbst nur schwer standhalten konnte. Matthews Blick quillte über. Schäumte voller Zuneigung und Dankbarkeit und Liebe, die sich pochend und schwer in seinem Brustkorb ausbreitete. Unwillkürlich nahm der Druck um die Hand des anderen Mannes, seines Mannes, zu. Und der Ire gluckste auf – tief und warm – als sich die eigene Stirn mit einem unmerklichen Schütteln an dessen Schulter legte.
 

At last
 

The skies above are blue
 

My heart was wrapped up in clover
 

Wrapped up in clover, baby
 

The night I looked at you
 


 

“Hey.”
 

Als er keine Anstalten machte Matthew gehört zu haben, spürte er wie der Jüngere ihre verzweigten Hände an sein Kinn hob. Stoppel kitzelten über weiche Haut, verlockend genug, dass er schließlich doch einen Blick riskierte.
 

„Ich werd‘ dich jetzt küssen.“ Ob du willst oder nicht, war das was da noch fehlte und während es bei jedem anderen Paar – jedem normalen Paar – sicherlich awkward und ungeschickt gewirkt hätte, zeugte das vielversprechende Grinsen auf den Zügen des einstigen Gryffindor doch von so viel mehr. Es war sicherlich eine Art des Herantastens – nicht umsonst hatte sich der Brite derartigen Zurschaustellungen bis dato erfolgreich entzogen – aber Matthew kannte ihn zu gut; wusste, dass der Alkoholpegel zu seinen Gunsten lag und seine Mauern auf einem wackligen, weichgeklopften Fundament standen. Wenn nicht jetzt, dann gar nicht mehr heute Abend und wenn Hadrian eines wusste, dann dass der Ire bereits den ganzen Tag darauf gehofft hatte. Jetzt witterte er seinen Moment und gab ihm eine faire Warnung und gleichzeitig die Gewissheit, dass es kein Wenn und Aber gab. Vielleicht würde er sich Morgen noch daran erinnern, dass der Treiber ihm zumindest eine Peinlichkeit ersparte und sich im Takt der Musik mit dem Rücken zu den übrigen Gästen drehte, bevor er den Kopf zu ihm neigte. Das Pfeifen und Johlen um sie herum entlockte Matthew dennoch ein Glucksen, das vibrierend und lebendig an die eigenen Lippen stieß. Es blieb nicht nur bei den Lippen.
 

Hey,
 

I found a dream,
 

That I could speak to
 

A dream that I can call my own
 

I found a thrill to press my cheek to
 

A thrill that I
 

Have never known
 

Merlin sei Dank tendierte er nun wirklich nicht dazu rot anzulaufen – er ließ lieber rot anlaufen – aber als sich ihre Lippen lösten und das stoppelbesetzte Kinn stattdessen über seine Wange kratzte, versuchte ein sanftes Tippen an seiner Schulter Hadrian doch wieder daran zu erinnern, dass sie keineswegs alleine waren.
 

„Schwiegermama ist an der Reihe.“ Wären seine Sinne nicht bereits dermaßen benebelt gewesen, hätte er vielleicht versucht einen geschmeidigeren Abhang hinzulegen (ganz abgesehen davon, dass er sich nie, niemals in diese Lage hätte bringen lassen), aber so folgte dem kurzen Moment des Wehmuts ein erleichternder Funke der Erlösung. Er hatte sein Soll erfüllt und jetzt konnte er sich wieder den Shots— oh, oh.
 

Eine grinsende Jenny stand vor ihm und stibitzte Matthews Hand geradewegs aus der eigenen. Und während sein Hirn noch versuchte zu verarbeiteten, dass die irische Cousine gerade den irischen Löwen aufgefordert hatte, dann musste Nala nicht ihren Sohn gemeint haben, sondern— oh.
 

Oh Shit.
 

Dass ihm für eine Sekunde sämtliche Gesichtszüge entglitten, bemerkte hoffentlich nur der Treiber dessen Lachen mit einem kleinen da kann man wohl nichts machen-Schulterzucken zu ihm herübergetragen wurde. Aber dann war Matthew mit dem Rücken zu ihm und noch bevor er selbst die Flucht antreten konnte, legte sich eine fremde, feminine Hand an seinen Oberarm, während die andere seine eigene Hand an Ort und Stelle dirigierte.
 

Nala Gallagher war eine Naturgewalt. Dessen war er sich bereits am ersten Tag ihrer Begegnung bewusst gewesen. Wenn Matthew von irgendwem sein Temperament hatte, dann von ihr. Und trotzdem ging sie ihm lediglich bis zur Nasenspitze, die blauen Augen frech und fordernd unter einem rot-blonden Pony hervorlugend. Sie machte ihn nervös und das trotz Promille im Blut. Vielleicht weil sie ihm – nicht mit Worten, aber mit Gesten – bereits vor einiger Zeit ziemlich deutlich gemacht hatte, dass sie ihm etwas brechen würde, sollte er es wagen ihrem Sohn noch einmal das Herz zu brechen. Oder vielleicht weil sie ihm zur gleichen Zeit auch das komplette Gegenteil vermittelt hatte, so wie jetzt auch.
 

Ein verschmitztes Grinsen begegnete der eigenen Reserviertheit. Wenn sie ihm seine Anspannung ansah (und er wusste, dass sie es tat; seiner Vermutung nach konnte sie sowas riechen) dann ließ sie es sich zumindest nicht anmerken. Stattdessen schien sie das Spiel zu genießen und lehnte ihr Kinn gegen seine Schulter. Hadrian war sich nicht mehr sicher, wer gerade führte – sie oder er.
 

„Du weißt, dass unsere Tür immer offen ist. Egal wann.“
 

Er kam aus dem Takt. Ein kurzer Augenblick, in dem er einfach den falschen Fuß vor den anderen setzte. Matthews Lachen hallte über die Musik hinweg durch die kühle Nachtluft. Und in diesem Moment wusste er einfach, dass der Löwe auch das von seiner Mutter geerbt haben musste.
 

Er nickte, kurz und knapp, vielleicht abgestumpft in manchen Augen, doch Nala löste nur den Kopf von seiner Schulter und als sie ihm wissend einen Kuss auf die Wange drückte, spürte der Brite ihr Lächeln dahinter. War schon ziemlich warm mit dem ganzen Alkohol hier.
 

You smiled
 

You smiled
 

And then the spell was cast
 

Yes it was...
 

And here we are in heaven
 

For you are mine...
 

For you are mine
 

At Last
 

Nala schnappte sich ihren Sohn als nächstes. Mittlerweile hatten sich noch ein paar andere Pärchen um sie herum gefunden – eine Handvoll vielleicht, ziemlich überschaubar – aber es gab Hadrian die Möglichkeit den Blick einen langen Moment auf den beiden ruhen zu lassen ohne dabei sofort aufzufallen. Selbst im schwummrigen Licht der Kerzen konnte er die feinen Lachfältchen um die hellen Augen ausmachen, erkannte ihren Spiegel auf den Zügen der Muggeldame. Matthew musste ein Stück in die Knie gehen, als er sie an sich drückte und Nalas Arme sich wie eine Teufelsschlinge um seinen Nacken legten. Bildete er es sich nur ein oder glänzten ihre Augen verdächtig?
 

Eine Hand legte sich an seinen Rücken und als sich der ehemalige Adler ein klein wenig zu unkontrolliert umdrehte, kollidierte er fast mit der Gestalt seines besten Freundes. Dorian – immer der smarte Dachs, der er nun mal war – hielt ihn automatisch mit seiner Hand davon ab.
 

„Du bist betrunken,“ stellte er trocken fest, als ob es ihm erst jetzt aufgefallen war. Das belustigte Schnauben war Hadrian wohl vergönnt. Und da war sie wieder – diese eine dunkle Braue, die das Reinblut so gekonnt nach oben lupfte, nur das dieses Mal weniger Skepsis und mehr stummes Amüsement dahintersteckte. Es wäre ihm mehr auf den Sack gegangen, wenn er nüchtern gewesen wäre.
 

„Der Ring darf also dranbleiben?“
 

„Ich hasse dich.“
 

„Das halte ich für ein Gerücht.“
 

Dorian besaß die Dreistigkeit zu lachen – es war leise und kam nicht im Entferntesten an das laute Getöse der Gallagher-Lakewood-Gemeinschaft heran, aber es war bekannt und familiär und automatisch sackten Hadrians Schultern ein wenig nach unten, gemeinsam mit einem großen Teil seiner Anspannung. Die Hand des McAlistairs hob sich hingegen in einer stillen Frage und obwohl der Halbblüter seine Promillegrenze längst überschritten hatte, nichts würde ihn jemals davon abhalten dieser Einladung zu folgen.
 

Er ließ Dorian führen – das war okay. Wahrscheinlich wäre alles andere auch nicht mehr groß als Tanz durchgegangen. Und während der McAlistair ihm über den langsamen Takt der Musik hinweg erzählte, wie unbeholfen Matthew am Morgen noch vor seiner Tür gestanden hatte, um ihn Zähne knirschend darum zu bitten zur Feier zu kommen, ließ Hadrian die Stirn an die Schulter des Hüters sinken, das Lachen ungehindert in die irische Nacht entlassend.

Er hoffte wirklich, dass der nächste Morgen niemals kommen würde und das nicht nur wegen dem bevorstehenden Kater.
 

Yes you are
 

You're mine
 

At last
 

You're mine
 

At last
 

Brothers

Was für ‘ne Scheiße. Er hätte es echt besser wissen müssen als gestern Nacht noch nach Hause zu kommen. Zu Hause war sowieso ‘n ziemlich dehnbarer Begriff. Die Bruchbude am Bahnhof, wo sich die ganzen Penner rumtrieben, war im Zweifelsfall immer die bessere Alternative. Selbst wenn‘s nach Pisse und Kotze stank, aber der Geruch da trieb ihm zumindest weniger die Galle hoch als die ganze verfickte Scheiße hier.
 

„Tanz für mich, Baby. Tanz für Mommy.“
 

Es half nicht mal sich die miefende Decke über den Kopf zu ziehen, wenn die Wände einfach so dünn wie Pappmasche waren. Wobei, wahrscheinlich lags noch nicht mal daran. Wahrscheinlich wars einfach das Gekrächze da direkt vor seiner Tür, das genau auf der einen Frequenz lag, die Aggressionen bei ihm auslöste. Aggressionen, Brechreiz, was auch immer. Vielleicht wars aber auch das erbärmliche Kichern, dass ihn reflexartig die Hand ins Kissen krallen ließ, oder auch einfach die Stille, die so gehorsam folgte. Scheiße, das wars wohl mit schlafen.

Ächzend zog sich Cain die Decke vom Kopf, rollte halbherzig zum Bettrand bis er die filzigen Teppichfasern unter den Zehen spürte. Das verdreckte Giggeln war lauter als vorher. Es dauerte gefühlte Ewigkeiten bis sich der dichte Nebel in seinem Schädel soweit löste, dass er endlich die verdammten Augen aufbekam. Half nicht wirklich, dass er sich trotzdem gleich wieder unters Bett verkriechen wollte, wenn er einfach im Strahl kotzen konnte bei der Creepshow da vor seiner Tür. Es war ja noch nicht mal seine Tür. Seit er denken konnte, musste er sich mit der kleinen Zecke die Abstellkammer von einem Zimmer teilen… Oder hatte es sich teilen müssen bis die Houdinis da oben ihn weggezaubert hatten. Whatever, war ihm eh egal. Und er brauchte auch gar nicht erst hinschauen, um zu wissen, dass das alte Sofa auf der anderen Seite leer war – war ja kaum zu überhören. Wieso hatte er nochmal die Augen aufgemacht? Fuck, zu früh… viel zu früh. Urgh. Den Schnodder von letzter Nacht die Nase hochziehend fuhr sich Cain mit beiden Händen durch die Haare. Unter seinen Fingern fühlten sie sich fettig an. Vielleicht war ne Dusche mal wieder angebracht? Aber bei seinem Glück hatten die Deppen eh wieder das Wasser abgestellt. Ne Überraschung wär‘s zumindest nicht.
 

„Baby, du bist so schön. So heiß. I love you so much, Baby.”
 

Ein tiefer Atemzug später – nicht kotzen, nicht kotzen, nicht kotzen – und Cain raffte sich endlich auf. Brachte ja alles nichts. Das Giggeln bohrte sich noch immer konstant in seinen Schädel und mittlerweile erkannte er auch das armselige Rauschen im Hintergrund als ausgedienten Radio-Hit. Er hätte in Scheiß-Schottland oder Griechenland oder wo auch immer bleiben sollen.

Cain machte sich nicht die Mühe das miefige Tanktop oder die keine Ahnung wie alten Sweat Pants auszuziehen – was Sauberes würde er in der Müllhalde von Zimmer eh nicht finden und er lief im Regelfall sowieso so rum wie er gerade aufstand. Als ob es irgendwen in dieser Bruchbude interessieren würde.
 

„Mom“, drang endlich der lang überfällige Protest von der anderen Seite durch. Auch wenns zu scheiße leise war. Auch wenns nicht nach don’t you fucking touch me, bitch und mehr nach please don’t do this to me klang. Und fuck, wenn ihn das nicht noch mehr ankotzte als der ganze verfickte Drecksmist drum rum. Er hatte ihm gesagt, dass er aufhören musste so eine verdreckte Heulsuse zu sein; hatte ihm gezeigt, wie er sich verdammt nochmal selbst helfen konnte. Aber alles was der Pisser konnte war heulen, heulen, heulen und schreien und nach Hilfe rufen. Und was wenn keiner mehr da war, um ihm zu helfen? Was wenn er nicht mehr da war, um ihn daran zu erinnern, dass er verdammt nochmal nicht tun musste, was die Schlampe von ihm verlangte? Armseliger Feigling.
 

„Hey.“
 

Keine Ahnung ob‘s die Tür war, die gegen die Wand knallte, oder doch seine Stimme, die ihm die Aufmerksamkeit seiner ach so tollen Familie bescherte. Er sah nicht wirklich hin. Stattdessen schlurfte er ein paar Schritte ins Wohnzimmer, kratzte sich gelangweilt unter der schwitzigen Achselhöhle, und las im Vorbeigehen eine der unzähligen angebrochenen Flaschen auf, die seine Füße aus dem Weg räumten. Vodka, hm. Hätte sie ihm besser mal was von abgeben sollen, huh. Vielleicht wäre er dann besser drauf und hätte nicht so’n verdammten Schädel.

Er konnte hören wie sie sich hinter seinem Rücken drehte. Konnte sich vorstellen, wie sie ihn erst mit Blicken erstach, nur um dann die Hand in seinen Haaren zu vergraben; die Lippen an seine Schläfen zu legen. Baby, Baby, murmelnd, als ob Cain selbst gar nicht existierte. Als ob er ne Zecke war, die irgendwann schon wieder abfallen würde, wenn man sie nur lang genug ignorierte. Nur scheiße, dass nicht er die Zecke war. Und er verpisste sich auch nicht, wenn er fett genug war. Naja, meistens zumindest.
 

„Mom.“
 

Es dauerte eine Sekunde bis sie wohl kapierte, dass er sie meinte. Fair enough, vielleicht hatte sie den Teil ihres Hirns schon weggedröhnt, der sie daran erinnerte, dass da ja noch ’n Maul zu stopfen war. Ganz ehrlich, wahrscheinlich war sie sogar jetzt noch drauf, so wie sie sich gab. Überraschend wars jedenfalls nicht.
 

Mom.
 

„Was?! Herr Gott, bist du wirklich so dumm wie du aussiehst?! Die ganze Zeit treibst du dich bei irgendwelchen Pennern und Bullenschweinen rum und jetzt kommst du angekrochen?! Jetzt wo mein Baby endlich wieder da ist! Mein Baby, mein wunderschönes Baby ist da.“
 

Der kurze Ausbruch war so schnell vorbei wie er gekommen war. Schnippische Worte wurden getauscht gegen zarte Berührungen. Hände wanderten zurück an glatte Wangen, strichen bedacht und vorsichtig mit den Kuppen über blasse Haut, als ob sie Porzellan unter sich hätten. Als ob sie überhaupt ne Ahnung hatte, was Porzellan war. Und der Pisser? Der traute sich nicht mal ihm dabei ins Gesicht zu sehen.

Die Hand wanderte tiefer – fanden einen weiten Kragen; ein Hemd, das zu weit aufgeknüpft war – und tauchten hinab, als ob sie dafür gemacht worden waren. Cain schnalzte mit der Zunge – weil verfickt noch eins, wieso musste er eigentlich immer alles selber machen?
 

Er holte aus – die Vodkaflasche noch immer in der Hand – und war sich nicht zu schade dem Hauch Genugtuung nachzugeben, als seine Mutter vor ihm instinktiv zusammenzuckte. Sie kreischte – viel besser als das Gegiggel von vorhin – und während sie die Hände über ihren Kopf hob, streckte Mamas Babyboy schon seinen Arm nach ihm aus. Dabei hätte er verdammt nochmal lachen sollen, ihn anfeuern oder selbst zu ner verfickten Flasche greifen und die Sache beenden. Aber nö, stattdessen rollte alarmierter Protest von Abels Lippen, der im tosenden Klirren unterging als die halbvolle Flasche geradewegs an Mom vorbei durch die grelle Wohnzimmerscheibe flog.
 

Keine Ahnung was lauter war – der Knall selber oder doch das Gekreische vor ihm – war aber auch scheißegal. Das eigene Lachen blendete das meiste davon aus noch während das Geplärre Form annahm. Und bevor Mom sich genug einkriegen konnte, dass Fäuste (oder was auch immer gerade in Reichweite war) auf ihn eindroschen, schnappte Cain nach der Hand seines kleinen Bruders.
 

„Komm schon!“
 

Wa—
 

Er gab ihm keine Zeit zu protestieren. Seiner Meinung nach hatte er schon genug Zeit gehabt sich zur Wehr zu setzen, wenn er Eier in der Hose gehabt hätte nicht gegen ihn oder die scheiß Flasche, aber gegen alles andere, aber nö. Vielleicht hatte er ja auch einfach Mom‘s Pussi geerbt und musste gerettet werden wie ‘ne bescheuerte Disneyprinzessin. War ne Weile her, dass er die Zecke nackt gesehen hatte.
 

„Warte! Hey— Cain, stopp!
 

Ein Bus rauschte so schnell an ihm vorbei, dass ihm der Fahrtwind die Haare aus dem Gesicht wusch. Aber es war nicht die dröhnende Hupe oder der woah, Straße!-Gedanke, der ihn plötzlich an Ort und Stelle erstarren ließ – es war die Hand in seiner. Es war der Ruck an seinem Arm, den er im ganzen Körper spürte und plötzlich, mit einem Mal, schien die Welt für einen Augenblick stillzustehen. Er war nicht zu Stein geworden oder so ne Kacke, die man schon mal im Fernsehen sah. Stattdessen war einfach alles runtergefahren. Der Lärm um ihn herum, der Wind in seinem Gesicht, seine Arme, seine Beine, alles war einfach… still. Als ob die Welt aufgehört hatte sich zu drehen.

Die ganze Welt. Außer ihm.
 

„Ich hab‘ gesagt, du sollst warten!“
 

Abels Finger schlossen sich um seinen Oberarm und mit dem Rauschen seiner Stimme, geriet auch der Rest der Welt wieder ins Rollen. Cain blinzelte benommen, das Gesicht seines kleinen Bruders anstarrend und er konnte nicht anders als die Hand zum eigenen Brustkorb wandern zu lassen. Vielleicht hatte er gerade einfach n Herzinfarkt gehabt und seine Gehirnzellen hatten sich verabschiedet? Klang besser als zu glauben, dass der kleine Pisser gerade Matrix gespielt hatte. War doch Matrix, oder? Mit dem Zeitanhalten und so?
 

„Krasser Shit…“
 

Abel zog die Brauen zusammen, als hätte er keine Ahnung, was er da mal wieder vor sich hin brabbelte. War wahrscheinlich auch so, manchmal war Mr. Genius eben doch nicht so’n Einstein.
 

„Cain! Was zur Hölle?!“ War das nicht sein Text?
 

„Wolltest, dass sie weitermacht, hm?“
 

Keine Antwort. Klar. Wenn‘s hart auf hart kam, war Babyboy eben doch nur ein kleiner Hosenscheißer. Cain schnaubte abfällig und wenn er Bock auf Gefühle und so ’ne Scheiße gehabt hätte, hätte er vielleicht sowas wie Scham im Gesicht seines kleinen Bruders aufblitzen sehen. Mitleid bekam er deshalb trotzdem keines. Mitleid war für Loser und Pussies. Für die, die sich nicht selbst helfen konnten. Aber Abel konnte es. Cain wusste, dass er es konnte. Er hatte es ihm selbst beigebracht. Wieso er die scheiß Schlampe also noch nicht in ihre Schranken verwiesen hatte, war so’n Ding, das einfach nicht in seinen Schädel passte. War aber auch egal – irgendwo für musste sein großer Bruder Status ja gut sein.
 

„Komm schon.“
 

Er schnappte erneut nach seinem Arm und diesmal ließ sich Abel zumindest widerwillig darauf ein. Auch wenn er natürlich protestieren musste, war ja klar. Ehrlich mal, wer war hier nochmal der Idiot?
 

„Du hast noch nicht mal Schuhe an! Wo zur Hölle willst du überhaupt hin?!“
 

Huh? Oh. Jetzt wo er‘s sagte – seine Füße fühlten sich wirklich verdammt nass an. Ein kurzer Blick zum Boden, aber jup, Tatsache, seine Zehen blitzten ihm entgegen. Naja, war jetzt auch nicht weiter tragisch, lag ja kein Schnee oder so.
 

„Is doch scheiß egal. Komm einfach!“
 

Es stank Abel gewaltig – Cain musste kein Genie sein, um das zu merken – aber immerhin kam er mit ohne sich nochmal zu beschweren. Wahrscheinlich hätte er sogar seine Hand loslassen können und der Trottel wäre ihm trotzdem hinterhergelaufen. Tat er aber nicht, nur um sicher zu gehen.
 

Bis sie das Viertel hinter sich gelassen hatten und endlich da ankamen, wo Cain hingewollt hatte, fühlten sich seine Füße tatsächlich ein bisschen eisklotzhaft an. Regen minus Schuhe und Socken war also ne scheiß Kombi, gut, im Oberstübchen vermerkt, auch wenn er sich fast sicher war, dass er es morgen schon wieder vergessen hatte. Solange alle Zehen noch dran waren, wars auch eher Nebensache, wie er selbst fand.
 

„Wo zur Hölle sind wir?“
 

Abel starrte das Haus vor ihnen an, als ob es vom Mars war oder so. Vielleicht weil es das komplette Gegenteil ihrer Plattenbaubude war oder vielleicht auch nur weil die Miniatur-Villa ziemlich beeindruckend war, wenn man sie das erste Mal sah. Cain konnte es seinem kleinen Bruder tatsächlich mal nachvollziehen. Normalerweise bekamen ihn keine zehn Pferde in die rich and bitch-Abteilung, es sei denn es gab was zu holen. Also, so wie jetzt eben.
 

„Krass, oder? Gehört so ‘ner alten, reichen Tante. Hat alles eingesackt, als ihr Macker ins Gras gebissen hat vor… keine Ahnung… ‘nem Jahrhundert oder so.“
 

Der Blick, den Abel ihm zuwarf, sprach Bände. Das hör auf so ‘ne Scheiße zu labern inklusive.
 

„Ich meins ernst! Die Tusse hat die Bullen gerufen, weil sich angeblich irgendwelche Penner hier rumgetrieben haben und hat alles ausgespuckt.“
 

Jeez, wieso waren Leute nur so vertrauensselig, wenn jemand ne Polizeimarke anstecken hatte? Wenn er die Schweine sah, nahm er in die Regel die Beine in die Hand und rannte. Naja, es sei denn er war der Penner und der Bulle. „Die is‘ jedenfalls weg. Barrakudas oder so.“
 

Ein kurzer Moment der Stille, dann: „Du meinst Bahamas.“
 

Gott, er hasste es echt, wenn Abel den Streber auspackte. Als ob der Loser es darauf anlegte eine verpasst zu bekommen. Vielleicht tat er‘s ja auch. Würde ihn nicht wundern, wenn er in seiner fancy schmancy Schule mindestens einmal am Tag den Kopf im Klo stecken hatte. Oder vielleicht hokuspokusten Houdinis ja auch Toiletten auf Köpfe. Eins von beidem wars bestimmt. Verdient hatte er‘s.
 

„Bist du hier um klug zu scheißen oder kannst du auch was nützliches?“
 

Er meinte nach dem Seufzer noch leises Gebrabbel zu hören, sowas wie „…um zu klugscheißen“, aber Cain ignorierte es, beziehungsweise, verpasste Abel ‘n Faustschlag gegen die Schulter, was genauso gut war und ihm ein zufriedenstellendes Autsch bescherte.

Eigentlich hatte er vorgehabt durchs Fenster einzusteigen – ne zerbrochene Scheibe hinterm Haus fiel weniger auf als ne aufgebrochene Tür – aber es war Abel, der ihn am Träger seines Tanktops packte und mit einer viel zu selbstgefälligen Fratze zum Eingang zog. Dass er sich das ganze ohne Brecheisen sparen konnte war eigentlich klar, aber Cain sah trotzdem skeptisch dabei zu, wie sein kleiner Bruder das komische Zauberstabdingens von irgendwoher kramte. Vielleicht hatte er‘s ja im Arsch stecken gehabt, würde so einige Sachen erklären. Jedenfalls laberte er irgendwas von wegen Aloha vor sich her und machte einmal wischiwaschi hin und her und die Tür sprang auf als hätte sie nur auf das Sesam öffne dich gewartet. Aber wer Matrix konnte, konnte wohl auch das.
 

„War doch gut, dass ich dich nich‘ irgendwo ausgesetzt hab als Baby.“ Mit der Hand durch die Haare des Kleineren wuschelnd, rollte ihm das Lachen ganz alleine von den Lippen als Abel seinen Arm murrend wegschlug und ihm ins Haus folgte.
 

Es war massig; das komplette Gegenteil von ihrer Bruchbude und das nicht nur, weil es nach Blumen oder Parfüm oder sowas roch, statt nach Alkohol und Zigaretten und Kotze. Die Küche war so groß wie ihr ganzes Apartment und so sauber und aufgeräumt, dass Cain sich zu einhundert Prozent sicher war, dass die Tusse, die hier wohnte, nie auch nur n‘ Ei gebraten hatte. Wahrscheinlich war der Kühlschrank voll mit Schampus und Kaviar und so ein Mist, den keiner wirklich mochte, aber zum Protzen gut genug war. Hah, na bitte, zumindest die Champagnerflaschen waren da.
 

„Bock auf Pizza?“
 

Abels Stimme hinter ihm ließ ihn den Kühlschrank, Kühlschrank sein lassen. Die Zecke wedelte mit einem Bündel Scheine vor seiner Nase rum, den er in irgend ‘ner Schublade gefunden haben musste und Cains Mundwinkel hoben sich. Pizza war n guter Anfang.
 

Es dauerte ne Dreiviertelstunde, aber am Ende saßen sie mit Pizza, Chicken Wings, irgendwas das nach Kebab roch und mindestens fünf verschiedenen Softdrinks vor dem 70 Zoll Fernseher im Schlafzimmer. Nachdem sie das Haus genauer unter die Lupe genommen hatten und Cain sich nebst Socken auch ein paar neue Klamotten gegönnt hatte („Muss ihrem Macker gehört haben oder aber die Alte hat sich ‘n Toyboy geangelt.“), war recht schnell das Kingsize-Bett als Hauptquartier erkoren worden. Er war sich auch ziemlich sicher, dass Abel den Pulli, den er anhatte, aus ihrem persönlichen Kleiderschrank gekramt hatte – sowas konnte man nur anziehen, wenn man ne Möse hatte und das hatte er ihm auch genauso gesagt – aber dann war das Futter gekommen und das Mösenproblem vergessen. Jetzt saß er rülpsend auf dem Bett und zippte durch die 5 Millionen Kanäle, auf denen kein einziger Porno lief.
 

„Du bist widerlich.“
 

Du bist widerlich.”
 

„Wirklich geistreiche Erwiderung.”
 

Er rülpste nochmal, diesmal in Abels Richtung, aber mehr als seine angewiderte Fresse bekam er nicht zurück. Es dauerte eine Weile, bis Abel wieder den Mund aufmachte. Und obwohl Cain ihn erst teasen wollte, dafür dass er anscheinend selbst ne halbe Stunde brauchte, um sich ne schlaue Antwort auszudenken so viel zum Thema Genie, war es anscheinend etwas ganz anderes, dass seinen Bruder so lange hatte zögern lassen.
 

„Du solltest einfach mitkommen. Nach Hogwarts, meine ich.“
 

Abels Stimme war viel zu leise und ernst für seinen Geschmack. Nicht ganz so schlimm wie am Morgen, aber er hasste es trotzdem. Vielleicht ging er deshalb erst mal nicht darauf ein, sondern verzog die Lippen zu einer Grimasse und zappte weiter durch die Kanäle. Man, wenn er auf etwas keinen Bock hatte, dann auf diese Diskussion. Es war ja nicht das erste Mal, dass der Scheißer es anschnitt und jedes Mal wusste Cain was dahintersteckte. Mitleid. Dafür, dass Abel ihn als so einen Deppen abstempelte, war er ganz schön bescheuert, wenn er dachte, dass er das nicht checkte. Er hatte Mitleid mit ihm, weil er hier in dieser Dreckshöhle verrottete, während Babyboy in seine strahlende Zukunft ging. Weil Cain dumm wie Stroh blieb, während Wonderchild allen zeigte, dass Einstein von gestern war. Schön für ihn. Er würde ihm nicht das Gegenteil beweisen. Im alleine Durchboxen war er schon immer besser gewesen, als die Leute ihm zutrauten und vor allem besser als die Zecke.
 

„Cain.“
 

Der Fernseher wurde schwarz.
 

„Deine dämliche Eliteschule kann mir gestohlen bleiben.“
 

Abels kritischer Blick spiegelte sich im dunklen Hochglanzbildschirm vor ihm, aber er weigerte sich trotzdem ihn direkt anzusehen.
 

„Was für ne Eliteschule bitte? Hogwarts ist kein Internat für Hochbegabte. Jeder kann dort hinkommen, der so ist wie du und ich.“
 

Das grunzende Schnauben kam von allein seine Kehle hoch. Wie du und ich, schon klar. Weil sie sich ja so ähnlich waren. Weil sie ja bei Cain gedacht hatten na, so viel Ärger isser nun auch nicht wert und um seinen kleinen Bruder gekämpft hatten, bis Junkiemom doch nachgegeben hatte. So viel dazu. Aber okay – er war kein Arschloch, nur damit das klar war. Er gab zero fucks auf diese Bürohoudinis, die irgendwie entschieden wer die Mühe wert war und wer nicht, aber er gab umso mehr fucks, wenns um den Pisser ging. Auch wenn er ihm das in der Regel nicht unter die Nase rieb. Mochte sein, dass er das ganze Uri Geller-Gehabe für Schwachsinn hielt und er eigentlich keinen blassen Schimmer hatte, was genau Abel da am Arsch der Welt eigentlich trieb, aber als sie ihn weggeholt hatten, war er irgendwo auch… erleichtert gewesen. Irgendwie zumindest. Auch wenn es ziemlich pussihaft war es sich einzugestehen. Naja, whatever. Er selbst schlug sich schon irgendwie durch; hatte einen Weg gefunden, um sich in ihrem Viertel und alles was eben dazu gehörte zurechtzufinden. Abel war nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt. Noch nie gewesen und würde er auch nie sein. Er gehörte nicht auf die Straße, nicht dahin wo es Cain nachts hintrieb. Es war gut, dass er weg war. Aber genauso wenig wie Abel hier hingehörte, gehörte er dorthin.
 

„Na, lass gut sein.“ Er schüttelte den Kopf. Hob den Schalter zum Fernseher, um zu gucken ob jetzt mehr lief als nur Hausfrauenkacke. „Ich kann eh nich‘ so ne krasse Matrixscheiße wie du.“
 

„Matrixscheiße?“ Abel hatte scheinbar andere Pläne als sich damit abfertigen zu lassen und griff nach der Fernbedienung, um sie ans andere Ende des Bettes zu schmeißen.
 

„Hey!“
 

„Ich meins ernst, Cain! Ich hab‘ keine Ahnung was du mit Matrixscheiße meinst, aber ich weiß, dass du auch mit Magie umgehen kannst. Sonst hätten sie damals nicht versucht dich mitzunehmen. Jeder der Magie beherrscht, hat ein Recht nach Hogwarts zu gehen. Du auch!“
 

Die Zecke brachte ihn echt dazu mit ihm zu diskutieren. Noch schlimmer – er seufzte sogar und wenn er seufzte war er echt schon angepisst. Jeder andere hätte schon längst was in die Fresse bekommen. Hoffentlich wusste Babybrother seine Zurückhaltung zu schätzen.
 

„Ich meins auch ernst, Abel.“ Und auch wenn er null Bock drauf hatte drehte er sich widerwillig zur kleinen Zecke um; musterte das faltige Runzeln auf der Stirn mit einem Schnauben und schüttelte den Kopf, bevor er die Hand hob und so fest es ging dagegen schnippte. Der Kleine zuckte zurück und das schadenfrohe Lachen, dass Cain entwischte, nahm zumindest einen Teil der Anspannung weg.
 

„Das was du vorhin abgezogen hast? Der Shit mit dem Zeitanhalten? Oder das Aloha-Dingens vor der Tür? Das ist nicht mein Ding. So Zeug kann ich einfach nicht.“ Er zuckte mit den Schultern, weil es einfach so war. Eine Tatsache, die Abel einfach nicht leugnen konnte, egal wie sehr er schon ansetzte um dagegen zu wettern. Aber Cain war schneller.
 

„Ich kann nur… sowas hier.“ Und mit einem schrägen Blick zur eigenen Stirn, leuchteten da wo zuvor noch tiefschwarze Strähnen dominiert hatten ein helles Blond, das sich in Windeseile über seinem gesamten Schädel ausbreitete. Selbst seine Brauen verloren die dunkle Farbe.

Als er die Augen wieder auf Abel richtete, warf er ihm einen Blick zu der im wahrsten Sinne des Wortes Bände sprach. Für einen kurzen Moment fragte sich Cain sogar, ob er sich damit gerade ans eigene Bein gepinkelt hatte, weil sein kleiner Bruder so aussah als würde er sich am liebsten frustriert die eigenen Haare vom Kopf reißen diesen wieso bist du eigentlich so dämlich, genau davon hab ich doch gerade gesprochen-Blick kannte er einfach schon zu gut. Aber stattdessen atmete Abel einmal tief durch, begutachtete die blonde Haarpracht mit einem kalkulierten Aufblitzen in den Augen, das Cain nicht verstand und traute sich dann – oh Wunder – sogar an ein kackendreistes Schmunzeln. Pisser, ey.
 

„Netter Trick. Macht sich bestimmt gut auf deiner nächsten Geburtstagsfeier.“
 

Er ließ das Thema fallen. Ganz bewusst, das war klar, obwohl Cain keine Ahnung hatte wieso. Vielleicht hatte er gecheckt, dass er seine Meinung eh nicht ändern würde oder aber er hatte einfach genauso wenig Bock drauf wie Cain. Stur sein konnten sie immerhin beide ziemlich gut und am Ende hätte einer von beiden geheult, weil auf die Fresse bekommen. Wer von ihnen war ja wohl klar. Cain wusste es besser, als nicht auf das zweifelhafte Friedensangebot einzugehen.
 

„Als ob du ‘ne Ahnung von Geburtstagsfeiern hättest.“
 

„Arschloch.“
 

„Pussie.“
 

„Bastard.“
 

„Selber.“
 

Keine Ahnung wer zuerst mit dem Giggeln anfing, aber es endete ziemlich schnell in ‘nem ausgedehnten Lachanfall, der mindestens die Hälfte der halbvollen Pizzakartons und Fastfoodcontainern auf dem Boden landen ließ. Der Zwerg war sogar so dreist, dass er ein paar Kommentare über seine Dolly Parton-Haare fallen ließ keine Ahnung wer das sein sollte, aber er war sich ziemlich sicher, dass er den Schubser aus dem Bett durchaus verdient hatte und am Ende lagen sie beide Schulter an Schulter auf dem komplett zerwühlten Bett zwischen nem halben Dutzend Chicken Wings und nem ecklig klebrigen Fleck Cola. Es fühlte sich so gut, dass Abel wohl beschloss doch nochmal seine Eier auszupacken.
 

„Hey…“
 

„Hm?“
 

Obwohl die Stimme seines Babybrothers mal wieder diesen I’m not kidding-Ton anschlug, den Cain so sehr mochte, war es diesmal doch irgendwie anders als vorher. Er wollte nicht mit so Weichei-Worten wie sanft oder so ner Kacke ankommen, aber naja, Abel war halt ne Pussie, da lags halt nahe.
 

„Wenn ich wiederkomme… Wenn ich meinen Abschluss gemacht hab, dann gehen wir zusammen nach London.“
 

Es lag an ihm die Stirn zu runzeln. Keine Ahnung wie er jetzt auf die Idee kam. Obwohl Cain schon mal in die Hauptstadt getrampt war und sich da ein paar Nächte um die Ohren geschlagen hatte, kam ihm der Gedanke doch ziemlich weit hergeholt vor. Birmingham lag nahe – im wahrsten Sinne des Wortes und sie hatten bestimmt unzählige Tage dort verbracht, wenn sie mal wieder keinen Bock auf daheim gehabt hatten – aber was Abel ausgerechnet in London wollte, keinen blassen Schimmer.
 

„Weil dein Boyfriend da auf dich wart– Ouch!“
 

Okay, den hatte er verdient. Gut zu wissen, dass der Kleine doch nicht alles verlernt hatte. Cain rieb sich über die schmerzende Schulter – hin und her gerissen zwischen Lob oder Rache – als die Zecke sich auch schon erklärte. Er spürte den vielsagenden Blick auch ohne den Kopf zu drehen.
 

„Nein. In die Winkelgasse. Wir besorgen dir einen Zauberstab.“
 

Das amüsierte Grunzen rutschte einfach so raus. Ernsthaft jetzt? Hatten sie die Diskussion nicht gerade schon gehabt?
 

„So ’n Ding was du die ganze Zeit durch die Gegend wirbelst? Das is‘ doch Kinderkacke, sowas brauch ich nich‘.“
 

„Dieses Ding“ und Cain spürte wie sich Abel neben ihm bewegte, bis er blinzelte und ein erbärmlich aussehender Ast vor seinem Gesicht baumelte, „hilft dir dabei deine Magie zu lenken. Jeder Zauberer braucht einen.“
 

„Ich hab‘ doch gesagt, ich kann nich‘ so ne Houdini-Scheiße—“
 

„Doch, kannst du. Ich weiß, dass du es kannst.“
 

Und etwas in seiner Stimme brachte Cain dazu ihn anzusehen. Dunkle Augen waren auf ihn gerichtet, als ob sie sagen wollten glaub mir, glaub mir, glaub mir, obwohl er keine Ahnung hatte wieso er das tun sollte. Sicher, es passierten hie und da schon mal merkwürdige Dinge um ihn herum und er erinnerte sich daran, dass dieser alte Opa der auch Abel mitgenommen hatte irgendwas von wegen Anzeichen magischer Begabung oder so gefaselt hatte, aber… es hatte nicht gereicht, oder? Es hatte nicht gereicht, um ihn schlussendlich wirklich mitzunehmen. Für Abel ja, für ihn nicht.
 

„… Meinst du echt?“ Sein Blick sank nach unten. Irgendwo zwischen zerwühltem Laken und Abels Bienchen und Blümchen-Hemd. Aber kaum hatten die Worte seine Lippen verlassen, spürte er fremde Hände an seinen Schultern, entschlossen und fest. Blinzelnd sah er auf; tiefbraune Augen, die er viel zu gut kannte, brannten sich in sein Gedächtnis.
 

„Vertraust du mir?“
 

Die Frage kam so direkt und energisch rüber, dass Cain sich von ihr überrollt fühlte. Nicht, weil er keine Ahnung hatte, wie er darauf reagieren sollte okay, vielleicht schon, aber weil sie irgendwie in Gefilde abtauchte, die in seiner Familie eigentlich eher umschifft wurden. Klar hatte er eine Bindung zu seinem kleinen Bruder, die er um nichts in der Welt eintauschen würde und der Kackzwerg war ihm auch wichtig, aber Gefühlsduselei war nie ein Teil davon gewesen und das hier kam dem schon ziemlich nahe. Zu nahe, eigentlich, aber…

Der Druck um seine Schultern wurde stärker, intensiver und obwohl es Cain unangenehm war überhaupt auf sowas einzugehen, rang er sich doch zu einem abgehakten Nicken durch. Es war nicht viel, kaum der Rede wert, aber es reichte. Natürlich vertraute er ihm. Wem konnten sie schon vertrauen, wenn nicht sich selbst? So war es schon immer gewesen und so würde es auch immer sein. Bescheuerte Frage, ehrlich mal.

Trotzdem – als Cain die Augen hob, hatte Abel noch immer nicht den Blickkontakt gebrochen. Stattdessen hob der Pisser doch tatsächlich die Hand und wuschelte ihm durch die noch immer blonden Strähnen. Konnte man mit ner gebrochenen Hand auch noch zaubern? Vielleicht wars an der Zeit es rauszufinden. Dabei allein beließ der Kleine es aber nicht. Scheinbar waren die Jahre im Kindergarten noch nicht lange genug her, denn mit einem dicken, fetten Grinsen bewaffnet, schob sich plötzlich Zeckes kleiner Finger zwischen sie. Er hätte ihn ja am liebsten ausgelacht oder verkloppt, weil was für ein Weichei war er bitte, aber irgendwas brachte ihn dazu genau das nicht zu tun. Trotzdem verdrehte er aus reinem Trotz die Augen – damit es zumindest so aussah als hätte er absolut keinen Bock auf die Scheiße – und dann krallte sich Abels kleiner Finger auch schon wildumschlossen um den eigenen.
 

„Wir gehen nach London. Du und ich. Versprochen.“

Mourning

„Koya!“
 

Sein Fokus lag auf dem Quaffel – ungeachtet der Blicke, die ihn verfolgten und den Flocken, die um ihn peitschten, als versuchten sie dem grellen Scheinwerferlicht in der Dunkelheit der Nacht zu entkommen. Es gelang ihnen nicht, genauso wenig wie dem verfluchten Ball.
 

Koya!
 

Es war ein Trainingsquaffel – speziell konzipiert fürs Ein-Mann-Training, die Bewegungen unvorhersehbar und willkürlich. Genau wie im Spiel gegen einen unbekannten Gegner oder inmitten einer neuen Mannschaft. Nicht, dass Koya sich noch als neu im Team bezeichnen würde. Es waren einige Wochen vergangen seit dem offiziellen ersten Match und auch wenn es noch einige Ecken und Kanten gab, die es zu beheben galt, wagte er zu behaupten, die wesentlichen Spielweisen seiner Teamkollegen begriffen zu haben. Zumindest waren sie voraussehbarer als das Eigenleben dieses Quaffels.
 

Jetzt reichts—
 

Bruchstücke der Konversation – mal hastiges Wispern, mal lautstarkes Wortgefecht – trug der Wind zu ihm hinauf. Er schenkte ihnen keine Beachtung, sondern widmete sich dem Rausch des Fliegens, des Adrenalins, das durch seine Adern pumpte. Hier oben war seine Welt. Alles, was da unten war, konnte ihm gestohlen bleiben.
 

„Hey— warte..! Warte, ich mach das, okay? Geh nach Hause, ich kümmer‘ mich darum.“
 

„…“
 

Die aufgeladene Diskussion auf dem sandigen, schneeverwehten Boden schien kurz zur nonverbalen Ebene abzurutschen. Koya bemühte sich, den tobenden Böen standzuhalten. Er war zu unstetig auf dem Besen – selbst mit dem Extragrip seiner Handschuhe musste er unzählige Male nachbessern. Es war zu nass, zu stürmisch, die Sicht eine Katastrophe. Und nicht das erste Mal an diesem Tag sprengte sein Puls jegliche Messwerte, als er aus einem Sturzflug heraus den Besenstiel nur knapp über dem Boden herumreißen musste. Aber er war immer da – direkt am Ball; immer gegen das haltend, was ihn aufzuhalten versuchte. Und das seit Stunden. Koya hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als A-ri vor geraumer Zeit eine Auszeit gefordert hatte – lange nachdem die anderen schon ihre Sachen gepackt und den Feierabend in Augenschein genommen hatten. Koya war auf dem Besen geblieben. Solange er noch Luft in den Lungen, noch Wind um die Nase hatte, und die Borsten unter seinem Hintern noch nicht protestierten, sah der Jäger keinen Grund dafür aufzuhören. Selbst A-ris drohender Griff zum Zauberstab – wenn er ihn denn am Spielfeldrand bemerkt hätte – war für den Japaner kein Zeichen, um langsamer zu machen. Er war drin – im Spiel, im Training, in seinem Element. Es war alles, was er brauchte.
 

„Wenn du ihn nicht in den nächsten zehn Minuten vom Besen holst, Kapitän…“
 

„Okay, okay— Vertrau mir, ja? Geh nach Hause, A-ri. Ich mach das.“
 

Die Skepsis war greifbar, selbst wenn sie nur für die beiden Spieler am Boden zu fassen schien. Fußstapfen knirschten im fast unberührten Weiß aus Sand und Schnee, nur hie und da aufgewühlt durch die riskanten Manöver aus der Luft. Ein vielsagender Blick über die Schulter zu Mannschaftskollege und schließlich in den Himmel. Vergebene Mühe, wenn der Jäger es seiner Beute gleichtat und immer wieder vom Licht ins Dunkel tauchte; vom wirbelnden Schneesturm in einen trügerischen Moment der Schwerelosigkeit.
 

Kein sag mir bitte Bescheid, kein ich verlass mich auf dich verließ die Lippen des Jüngeren als er nach langem Zögern die Kabinen ansteuerte. Zurück blieben nur berechtigte Zweifel, wenn man A-ri denn nach seiner Meinung gefragt hätte. Und trotzdem setzte er seinen Weg fort, die Brauen tief ins Gesicht gezogen. Es stand außer Frage, dass er sich Beweise für das Versprechen seines Kapitäns einfordern würde, sollten sie nicht von allein zu ihm finden. Wie viel Zeit er ihm dafür jedoch ließ, wusste wohl nur der Hüter selbst.
 

Notiz vom Schauspiel unter sich nahm Koya nicht. Weder vom Rückzug seines besten Freundes, noch von den Adleraugen, die ihn selbst unter diesen Bedingungen nicht zu verlieren schienen. Doch auch die Blicke, für die er vor kurzem noch alles getan hätte, schafften es nicht bis zu ihm hinauf.

Vielleicht war es besser so. Es gab so viel ungesagtes, so viele offene Fragen zwischen ihnen, von denen Koya in diesem Augenblick nichts wissen wollte. Zwischenfälle, die er nicht erklären konnte und die keinerlei Sinn ergaben an der Art gemessen, wie Noori ihn in den letzten Monaten behandelt hatte. Wenn er ihn ignoriert und sein Ding durchgezogen hätte, wäre Koya besser damit klargekommen als… als das hier. A-ris spöttisches Schnauben rang ungefragt durch seinen Kopf. Wenn er den Kapitän raushängen lassen wollte, dann bitte, aber stur konnten sie beide sein.
 

Er rechnete mit allem. Damit, dass Noori die Scheinwerfer ausschaltete, dass er seinen Besen mit einem Zauber zum Anhalten zwang und vor allem rechnete er mit einer dein Captain hat gesagt, jetzt ist Feierabend-Predigt.

Damit, dass er allerdings wie aus dem Nichts vor ihm auftauchte, rechnete der Jäger nicht.
 

Es war purer Reflex, der Koya dazu brachte im letzten Augenblick herumzureißen, um nicht frontal in den anderen Spieler hinein zu preschen, obwohl ihn der Ruck dennoch fast vom Besen holte. Mit nassen Ärmeln rieb der Japaner über die tropfenbesetzte Flugbrille – der Zauber zur freien Sicht musste vor einiger Zeit bereits an Wirkung verloren haben – helfen tat es allerdings kaum. Noori schwebte vor ihm wie ein Geist, verschleiert durch den heißen Dampf des eigenen Atems, der laut in den Lungen und der Luft zwischen ihnen brannte.
 

„Zeit zum Aufhören, Koya.“
 

Das grelle Scheinwerferlicht tauchte ihn in ein Spiel aus Licht und Schatten, gab den soften Konturen einen harten Edge. Wenn Koya seiner selbst gewesen wäre, hätten ihn die tänzelnden Flocken um die dunkle Silhouette ganz sicher in ihren Bann gezogen. Es war ein seltener Anblick und noch seltener hatten sie diese Momente der Stille auf dem Feld. Aber sie gingen unter – im Nachhall der Worte und dem auf Autopilot geschalteten Filter im eigenen Kopf.
 

Er blinzelte, rieb sich ein weiteres Mal über die schwere Brille, auch wenn es seine Sicht nur geringfügig besser machte. „Noch nicht.“
 

Dunkle Brauen zuckten verstimmt. „Das war keine Bitte— hey, Koya!!
 

Er ließ sich fallen; tauchte mit einem drei Meter Drop unter Noori hinweg, noch bevor dieser seinen Satz beenden konnte. War auch nicht wichtig – es spielte keine Rolle, ob Noori wollte, dass er aufhörte oder nicht, wenn Koya einfach noch nicht soweit war. Der Quaffel war da, am anderen Ende des Feldes, triezend und lauernd und rufend. Eiseskälte peitschte um seine Ohren, als sich der Jäger durch Wind und Wetter kämpfte, nur ein Ziel vor Augen, nur einen Sinn des Seins. Und so taub sein Körper sich auch anfühlte, so sehr ging er in dem Bewusstsein auf.
 

Koya!
 

Scheinbar hielt der Koreaner nicht viel davon sich von ihm abspeisen zu lassen. Ein Witz ganz anderer Art, wenn Koya dem Gedankengang freien Lauf gelassen hätte, aber das waren weder Gefilde, in die er gerne abrutschte, noch welche, für die Noori ihm die Zeit ließ sie zu erkunden. Das zweite Mal an diesem Abend tauchte der Jäger einem Phantom gleich vor ihm auf, dieses Mal jedoch, sah er es kommen.
 

Kopfüber streiften Haarspitzen den Schopf des großgewachsenen Koreaners, als Koya kurz vor ihm den Besen nach oben riss. Gut fünfzig Meter von ihm entfernt visierte der Quaffel die gegnerischen Torringe an. Er musste einen Zahn zulegen, wenn er ihn abfangen wollte—
 

Accio
 

Der Quaffel änderte abrupt die Richtung; Koya war darauf vorbereitet. Er beugte sich nach vorn, flog dem magischen Ball mit ausgestrecktem Arm entgegen, bereit das beinahe Tor des Gegners in Punkte fürs eigene Team umzuwandeln. Aber wie das Glück es so wollte, umschlossen die gegnerischen Arme den Quaffel zuerst. Wann genau Noori an ihm vorbeigerauscht war, konnte der Japaner nicht sagen, obwohl er von sich behauptete die Spielweise des Jägers wie kein anderer zu kennen. Trotzdem bäumte er sich hier vor ihm auf – umrandet von Licht und Schatten und Schnee – als ob er nicht nur Kapitän, sondern auch Jury und Richter war. Koya bremste ab, mit rasendem Puls und den Blick fixiert auf den Ball in Nooris Armen.
 

„Koya…“
 

Er musste ihn für ein scheues Reh halten, so langsam, wie er auf ihn zu schwebte. Obwohl der Jäger sich weigerte, diese Rolle einzunehmen, blieb er starr und still in der Luft.
 

„Es ist kurz vor Mitternacht... Du bist klatschnass, deine Lippen sind mehr blau als rot und ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, aber“ Noori, kaum mehr einen Fuß von ihm entfernt, zögerte kurz bevor er eine Hand vom Quaffel löste. Nur wenige Augenblicke später spürte Koya einen sanften Druck um die eigenen Finger, die sich unnachgiebig ins glattpolierte Holz des Besenstiels bohrten, „deine Hände zittern.“
 

Ruckartig zog der Japaner die Hand zurück.
 

„Es schneit.“
 

Die Erklärung war so simpel wie monoton – natürlich war er nass und natürlich war es kalt, als ob sie noch nie zuvor im Schnee gespielt hätten. Doch Nooris Blick verriet ihm, dass das nicht die erhoffte Reaktion gewesen war. Diese really-Augen, die sonst nur Nam-kyu von der Seite aus zugeworfen bekam.

Koya schnaubte, rieb sich ein paar verirrte Tropfen von der feuchten Nasenspitze und wandte den Blick ins dunkle Nichts.
 

„… Mir geht’s gut, Kapitän.“
 

Es war nicht das, was Noori hören wollte.
 

Geh nach Hause, Koya.“
 

Der Nachdruck hinter den Worten verriet so ziemlich alles. Genauso wie die rigorose Antwort darauf.
 

Nein.
 

Er wollte nicht nach Hause. Konnte nicht. Er brauchte die Ablenkung auf dem Feld, den Wind um seine Nase. Zu Hause, wo es warm und trocken und ruhig war, hatte er zu viel Freiraum, zu viel Zeit, um nachzudenken. Dabei gab es nur eine Sache, über die er nachdenken wollte.
 

Sein Training.
 

Alles andere war nebensächlich. Und sein Hirn brauchte keinen Anreiz dazu, auf andere Ideen zu kommen. Er brauchte das Adrenalin, den Puls kurz vorm Ende der Skala und das süchtig machende Brennen in den Lungen. Es musste wehtun, damit es sich lohnte, nur dann war es ein erfolgreicher Tag auf dem Feld. Und… er wollte einfach nicht. Der Koreaner schien ihm genau dieses Wissen anzusehen.
 

„Dann komm mit zu mir!“
 

Koya lachte – bitter und humorlos – ein vehementes „Keine Chance!“ von den eigenen Lippen stoßend, als ob die Vorstellung allein nicht vollkommen lächerlich war. Dass er Noori damit einen Stich versetzte, realisierte er im selben Atemzug, zu offensichtlich stand es in den dunklen Augen geschrieben. Aber er konnte jetzt keine Rücksicht darauf nehmen; konnte sich nicht auf ein Gefühl der Reue und Schuld einlassen, wenn es einfach nur der bitteren Wahrheit entsprach. Er würde nirgendwo hingehen, wo er nicht willkommen war. Scheinbar hatte der Kapitän den Kampf jedoch noch nicht aufgegeben.
 

„Du solltest gar nicht hier sein!“
 

Der Ton wurde rauer, langsam aber sicher, und der Jäger war sich nicht zu schade, die eigene Bitterkeit in seinen Worten mitschwingen zu lassen. Und wohl auch eine Brise Starrsinn.
 

„Wir haben Training. Natürlich bin ich hier.“
 

Ein endloser Moment der Stille, zäh und schwer in der trügerischen Leichtigkeit des Fliegens. Trotz der miserablen Lichtverhältnisse war der Koreaner sichtlich mit sich am Ringen. Koya erwartete die ich bin dein Kapitän, also tust du gefälligst, was ich sage-Karte, so wie schon seit zehn Minuten. Vielleicht auch die Yeon-bae-ssi wird uns beiden den Hals umdrehen, wenn du die nächsten Wochen ausfällst-Tour. Keine von beiden wäre auf Anklang gestoßen, was Noori zu hundert Prozent bewusst sein musste. Er hätte ihn ignoriert oder – wenn er ihm keine Wahl gelassen hätte – ihm zu verstehen gegeben, dass er sich seine Kapitänsbinde sonst wohin stecken konnte. Das hier geht dich nichts an. Geh du doch nach Hause. Er würde die volle Verantwortung gegenüber ihrem Trainer übernehmen. Alles möglich, alles auf der Zunge liegend.
 

„… Morgen ist die Beerdigung.“
 

Seine Hände krampften um den Besenstiel. Ah, die großen Geschütze also. Koya wandte sich ab. Scheinbar genug Grund für Noori, um sich mit Nachdruck zu wiederholen.
 

„Morgen ist die Beerdigung, Koya. Ich weiß, dass du nichts davon hören willst— Hör mir zu! Ich weiß, dass du denkst, dass du damit nichts am Hut hast, aber es geht dich was an. Es geht um deine Mutter, Koya— ich will einfach nicht, dass du es später bereust, nicht dagewesen zu sein!“
 

„Werde ich nicht.“
 

„Koya—“
 

„Nein – Kapitän, werde ich nicht! Ich bin done – Ich hab‘ alles erledigt, was ich erledigen musste!“
 

Der Wind heulte zwischen ihnen hinweg, ließ die Besen unstetig in der Luft taumeln und Koya musste dagegen steuern, um nicht den Halt zu verlieren. Vielleicht konnte er sich den Quaffel aus Nooris Armen klauen. Ob er sich auf ein Gerangel einlassen oder ihm den Ball einfach kampflos überlassen würde…?
 

„Du musst dich verabschieden! Richtig verabschieden…“
 

„Es gibt nichts zu verabschied—“
 

„Das ist deine letzte Chance deine Mutter noch einmal zu sehen!“
 

„Ich habe Nein gesagt!“
 

Er wechselte ins Japanische ohne, dass es ihm selbst bewusst gewesen wäre. Auch nach all den Jahren war es einfach eine Art Reflex – je stärker die Emotionen in ihm, umso leichter war es; umso einfacher konnte er reden ohne zu denken. Seine Hände zitterten nun nicht mehr vor Kälte, als viel mehr vor Wut.
 

„Ich war im Krankenhaus – ich habe mich verabschiedet. Ich habe sie identifiziert! Ich bin fertig damit! Es geht mich nichts mehr an! Ich bin im Training! Soll er doch zur Beerdigung gehen— sie ist seine Mutter, nicht meine!“
 

Koya schüttelte den Kopf, rasend vor Emotionen, vor dem was in den letzten Tagen passiert war. Er hatte eine Pause verdient! Er hatte es verdient auf dem Feld zu sein, seinem Training, seinem Traum nachzugehen, weil wann hatte sie sich je dafür interessiert?! Jahrelang hatte er nur das obligatorische Minimum an Kontakt zu ihr gehabt und jetzt – jetzt wo ihr Sohn vor seiner Tür aufkreuzte, hielt sie es für notwendig einen Trip nach Korea zu planen. Natürlich, was auch sonst. Sie war nicht wegen ihm hier. Es war ihr gar nicht bewusst gewesen, dass er überhaupt hier lebte—
 

„… war…“
 

Sein Herz setzte aus. Den ganzen Abend hatte er den tosenden Schneesturm ignoriert und jetzt – jetzt wo Noori ihn korrigierte, wo er ihn ansah als hätte er auf jedes seiner Worte gewartet – kroch die Kälte wie Maden unter seine Haut.
 

„… war seine Mutter, Koya. Und deine auch.“
 

Keine Ahnung, was ihn verriet – die Starre in seiner Haltung, das verräterische Blähen der Nasenflügel oder die Tatsache, dass er einfach aufhörte. Aufhörte zu argumentieren, aufhörte sich zu rechtfertigen, aufhörte zu atmen. Es war der letzte Tropfen – die Schnur, die sich langsam aber sicher zu zog. Der Laut, der seiner Kehle entwich, klang fremd. Wie ein Tier, das es nicht rechtzeitig von der Straße geschafft hatte. Aber er war kein Tier, er war ein Flieger, ein Spieler, der Sturm konnte ihm nichts anhaben, er war abgehärtet.
 

Wie in Zeitlupe sah er den Quaffel aus Nooris Händen fallen und in der Dunkelheit verschwinden. Plötzlich fühlte es sich so an, als würde er ihm folgen. Taub und hohl und— seine Augen fanden die des Kapitäns. Weit und groß und panisch. Doch bevor Koya den letzten Halt verlor, schlossen sich starke Arme um seinen Körper und ließen die Welt um ihn herum verschwinden.
 


 

*
 


 

Sie krachten wie aus dem Nichts ins Wohnzimmer. Ein nasser, dreckiger Haufen aus Armen, Beinen, Besen und Schnee. Der Teppich federte den kaum erwähnenswerten Aufprall ab und der Tisch rutschte knarzend zur Seite, als der Haufen aus Mensch und Holz zwischen ihm und Couch manifestierte. Irgendetwas fiel dem Schwung seiner Borsten zum Opfer und landete dumpf auf dem Boden, doch Koya hatte so schon Mühe hinterher zu kommen, da war das eine belanglose Nebensächlichkeit.
 

„D-der Quaffel!“
 

„Der wird Morgen auch noch da sein.“
 

Er zitterte, von oben bis unten, vom Kopf bis in die Zehenspitzen. Die Eiseskälte, die von ihm Besitz ergriffen hatte, schien im plötzlichen Schwall der häuslichen Wärme nur noch extremer unter seine Haut zu kriechen. Automatisch schlang er die Arme um den eigenen Körper, als ob es ihn davor bewahrte, weniger kalt zu sein.
 

„Seo-Seong-su…?“
 

Noori schüttelte den Kopf. „Kyu spielt Babysitter.“
 

Ein Grunzen – irgendwo zwischen Glucksen und verwundetem Drachen – war alles, was Noori als Reaktion darauf bekam. Die nächsten paar Minuten liefen in einer Art Trance an ihm vorbei. Behutsam, wie nur Koya ihn kannte, schälte der Koreaner ihn aus den nassen Klamotten, nahm ihm Brille, Handschuhe und Schuhe ab, bis er ihn mit gedämpften Worten und sachter Gewalt auf die Beine hievte. Hose und Langarmtrikot klebten an ihm wie eine zweite Haut und auch als sie nass und schwer den Wohnzimmerboden säumten, fühlte er sich noch immer klamm und taub an. Dass seine Zähne klapperten bemerkte er erst, als sich Nooris Hände sachte um sein Gesicht legten. Daumen befreiten seine Stirn fürsorglich von verirrten Strähnen, fuhren über die unschönen Abdrücke, die vom langen Tragen der Fliegerbrille zurückgeblieben waren. Jedem geflüsterten „kalt“ begegnete der Koreaner mit murmelnder Bestätigung und dem Versprechen von „Gleich. Ich weiß. Nur noch ein paar Minuten.“ Obwohl die Reihenfolge variierte, blieb der Inhalt immer gleich – warm und beständig und sicher. So wie Nooris Finger an seiner eisigen Haut.
 

Nae sarang.“
 


 

*
 


 

Heißer Dampf hüllte das kleine Bad in einen Schleier aus Trost und Geborgenheit. Es war eine gänzlich andere Art von Blase als noch zuvor auf dem Feld in der sich Koya plötzlich wiederfand. Wasser reichte ihm bis zur Brust, schwappte ab und zu aus der viel zu vollen, kleinen Wanne auf die unschuldig dreinblickende Fußmatte. Nooris Hände tauchten ab, nur um seine Schultern mit dem heißen Wasser zu bedecken. Noori, der hinter ihm saß; Noori, der sanft seinen Kopf massierte, ob mit Fingern oder Küssen. Koya ließ die Augen zufallen.
 

„Ich werd‘ nicht hingehen…“
 

Ob fünf Minuten oder eine halbe Stunde – er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, seitdem sie bereits in der Wanne saßen. Aber der Koreaner sagte nichts, nur das Gewicht von Nooris Kinn auf seinem Kopf zeugte von dessen Geduld und Aufmerksamkeit.
 

„Ich kann nicht gehen… Ich kann nicht…“
 

Zwing mich nicht dazu, stand ungesagt im Raum, obwohl Koya wusste, dass Noori ihn nie bedrängen würde, ungeachtet der eigenen Auffassung und wohl auch Erfahrung. Denn das war die bittere Realität oder nicht? Das, was er gerade durchlebte, hatte Noori bereits vor so langer Zeit selbst durchgemacht. Es war nicht die gesellschaftliche Norm, keine Erwartungshaltung an ihn als Sohn, dass er hinzugehen hatte. Es war das eigens Erlebte – der Schock, der Schmerz und all die Zweifel, der Wunsch nach hätte ich doch mal. Fehler, vor die Noori ihn bewahren wollte. Und wäre Koya dazu in der Lage gewesen, hätte er mehr Empathie an den Tag gelegt, hätte vielleicht darüber nachgedacht, ob er den Größeren mit seinem Verhalten verletzte, ob er Recht hatte... Aber er konnte nicht— er konnte einfach nicht.
 

„Shh, du hast alle Zeit der Welt. Wir gehen zusammen, wenn du soweit bist, okay?“
 

Zusammen.
 

Ohne einen Laut, ohne großes Aufsehen riss der seidene Faden entzwei. Das Bad füllte sich mit flüsternder Bestätigung, mit tröstenden Lauten und stummen Küssen. Koyas Schultern bebten unter dem Ansturm, den er nicht gewohnt war, der so untypisch für ihn selbst und seine Art war. Sein Atem verfing sich in seiner Kehle, versuchte sich ohne Erfolg an dem Knoten im Hals vorbei zu quetschen, aber er ließ es nicht zu. Kein Mucks begleitete die Tränen, nur Nooris Hände, warm und weich und da, fingen jede einzelne auf.
 


 

*
 


 

Das Bett war sein Zufluchtsort.
 

Er fühlte sich wohl unter der Decke, die Luft warm und stickig, genau, wie er sie brauchte. Das heiße Bad hatte die hartnäckige Kälte endgültig aus seinen Knochen vertrieben. Noori schien trotzdem auf Nummer sicher gehen zu wollen, denn er ließ keinen Millimeter Luft zwischen sie kommen – nur Haut an Haut an Haut. Der vertraute Geruch war genug, um Koya einzulullen, und der Schutzwall, den der Koreaner um ihn aufbaute, hätte ihn mit Sicherheit geradewegs auf Wolke 7 katapultiert. Er war kaputt. Mental, emotional, physisch. Trotzdem blieb Schlaf für ihn in dieser Nacht ein vages Erscheinungsbild. Wann immer er die Augen schloss, schlichen sich Gedanken ein, formten Erinnerungen, die unerwünscht und lange vergraben waren. So sehr der Jäger auch darauf beharrte nie etwas von seiner Mutter gehabt zu haben, so schwer klaffte das Nichts nun in seinem Kopf. Er hatte es nie bereut bei seinem Vater geblieben zu sein. Er liebte ihn abgrundtief. Und trotzdem entschied sich sein Gehirn dafür, sich auf die andere Seite zu fokussieren – auf die Basteleien zum Muttertag, mit denen Koya nichts hatte anfangen können. Auf die Telefonate zum Geburtstag, in denen betretenes Schweigen unangenehmen Smalltalk abgelöst hatte. Auf Bilder seiner Abschlussfeier, auf denen der linke Platz neben ihm frei geblieben war. Er vermisste sie nicht. Hatte sie nie vermisst. Er war glücklich gewesen, so wie es war. Vielleicht waren die Tränen einfach nur Pflichtgefühl.
 

Noori hielt ihn fest, die gesamte Nacht. Wenn die Blase drückte und Koya zurückkam, wartete er mit offenen Armen. Wenn die Luft zu kühl und die Decke nicht dick genug war, ließ er ihn Hände und Füße und Nase an ihm aufwärmen. Wenn Herz und Gedanken und Kloß zu schwer wurden, flüsterte er leise Bestätigungen in sein Ohr, ein sanftes Wiegen sein ständiger Begleiter. Ohne Frage war es nur dem Größeren geschuldet, dass Koya irgendwann abdriftete. Es war nicht erholsam und weit von dem entfernt, was er normalerweise als Schlaf bezeichnen würde, aber es gab ihm zumindest einen kurzen Moment des Aufschubs.
 


 

*
 


 

Das Rascheln von Stoff und leises Getuschel stahl sich durch den Nebel von Halbschlaf und Erschöpfung. Wahrscheinlich kam ihm auch zu Gute, dass es ihn einfach nicht kümmerte, was um ihn herum passierte. Niemand würde ihn aus seinem Kokon holen – es war seins, sein Refugium, seine Regeln, sein Ja oder Nein und nur er würde bestimmen, wann es Zeit war rauszukommen.
 

„Ich muss mit ein paar Leuten sprechen, aber ich bin so schnell es geht wieder da, sarang.“
 

Nooris Stimme war gedämpft, als sich der Druck auf der Matratze verlagerte und sanfte Finger Strähnen von seiner Stirn sammelten. Ein letzter Kuss, bevor die vertraute Wärme des Koreaners verschwand. Koya bildete sich ein das stumpfe Vibrieren eines Smartphones wahrzunehmen bevor noch mehr Getuschel folgte. Das war okay. Der Jäger war nicht dazu verpflichtet zu bleiben. Er war ja auch schon die ganze Zeit bei ihm geblieben, die ganze Nacht über, obwohl er überhaupt keinen Grund dazu hatte. Koya war gut aufgehoben in seinem Deckenfort; er hätte jederzeit gehen können und es wäre okay gewesen – er kam zurecht. Solange er hierblieb, kam er zurecht. Vielleicht würde er sich später aufraffen können zum Training zu gehen…
 

Die Matratze senkte sich erneut und kurz befürchtete Koya, dass Noori Gedanken lesen und ihm das Versprechen abringen würde, bloß nicht auf dem Feld aufzutauchen. Doch dann bohrte sich eine freche, spitze Nase in seine Wange und ließ den Japaner aufbrummen. „Idiotischer hyung…“ nuschelte die vertraute Stimme ganz dicht an seinem Ohr und der Jäger zögerte nicht lange als er Arme und Bein um die schmale Statur schlang. Zum Glück hatte Noori ihn nach dem Bad noch dazu gebracht wenigstens Shorts und Shirt überzuziehen.
 

A-ri blieb. Wenn ihm Koyas Anhänglichkeit irgendwann zu viel wurde, ließ er sich nichts davon anmerken. Er lüftete das Fort ab und an – sehr zum eigenen Missfallen – doch sämtliches Gemurre wurde entweder geflissentlich ignoriert oder aber mit unwiderlegbaren Argumenten im Keim erstickt. Der Jäger brummte unzufrieden.
 

Es mussten mehrere Stunden vergangen sein, als sich der Jüngere mit wenigen, entschuldigenden Worten, aber so viel Aufrichtigkeit aus seinem Kokon befreite. Er versprach zurückzukommen, rang ihm ein widerwilliges Ja ab auf die Aufforderung ihn anzurufen bevor er sich Hals über Kopf auf den Besen schwang, und Koya verfluchte sie alle dafür, dass sie viel zu viel von ihm wussten.
 

„Ich meins ernst, hyung!“
 

Ein Finger bohrte sich boshaft in seine Wange, bevor sich der Hüter endgültig von der Deckenwelt desintegrierte. Und dann war alles still.
 

Für eine Weile driftete der Japaner zwischen rastlosem Schlaf und gedankenlosem Nichts.
 

„Hyung, wir haben dir was zu essen gemacht.“
 

Licht durchflutete seine Höhle, als sich nach einer Ewigkeit die Decke hob und eine Welle von Düften mit sich brachte. Sein erster Instinkt war die Nase zu rümpfen. Er war weder sonderlich hungrig, noch triggerte die Mixtur an Gerüchen die Leere in seinem Magen. Bevor er seinem Unmut Luft machen konnte, kitzelte etwas über seine Wange, das definitiv nicht zur Stimme passte, die gerade unter den Kokon linste. Koya blinzelte, die Augen schwer und verklebt vom ewigen Balanceakt zwischen Schlafmangel und trögen Schlummern. Seong-su hockte neben dem Bett, die Augen groß und hoffnungsvoll und mit ach so vielen Erwartungen.
 

„Wir…?“
 

Seine Stimme war rau vom zu trockenen Hals. Wahrscheinlich hatten die Brummlaute, die er in den letzten x Stunden ausschließlich zur Kommunikation genutzt hatte, auch ihr wesentliches beigetragen. Verschwommen stoben die Lippen des Jüngeren auseinander, scheinbar happy, dass sein hyung eine Reaktion gezeigt hatte. Bevor er allerdings antwortete, stupste ein feuchter Klecks gegen seine Stirn. Und noch einer. Und ein dritter.
 

Es dauerte viel zu lange, bis sich die Info durch die Zahnräder im Kopf durchgemogelt hatte. Dann jedoch drehte sich der Japaner mit einem erkenntnisreichen Stöhnen auf den Rücken und hob glucksend die Hände zum Gesicht. Kleine Echsenfüße kletterten über seine Finger, während sich Koya den letzten Rest Sand aus den Augenwinkeln rieb. Die feuchte Zunge fischte vergnügt nach Staubfuseln.
 

„Du hast mit Lurchi gekocht?“
 

Hättest du nicht gemusst, wollte er gerade noch anfügen, doch Seong-sus offensichtliche Verwirrung hielt ihn davon ab. Der Jüngere blinzelte, offenbar keinen blassen Schimmer, wie Koya auf die Idee kam, bevor er geradeheraus und hörbar stolz sagte:
 

„Nein, mit Kyu-hyung.“
 

Lethargie war überbewertet. Kein Quaffel der Welt hätte Koya schneller aus dem Fort locken können, wie Seong-su es gerade getan hatte. Den kleinen Salamander noch immer an der Hand klebend, stolperte der Jäger beinahe über die eigenen Füße in seiner Hast die Tür zum Wohnraum aufzureißen. Der extreme Geruch – jetzt ganz eindeutig mit bitterer Note – schlug ihm wie ein Schwall entgegen. Und tatsächlich – voll ausgerüstet mit Schürze und Kochlöffel in der einen und Stäbchen in der anderen Hand, stand Nam-kyu vor der Küchenzeile am anderen Ende des Raumes.
 

„Was— was machst du?!“
 

Der Jung-Nachkomme drehte sich zu ihm um, noch während Koya in großen Schritten die Distanz überwand. Das irritierte Blinzeln gefolgt von einem genauso irritierten Blick in seine Richtung und wieder zurück zum Topf hätten dem Japaner schon Aussage genug sein sollen. Trotzdem hing das what do you think, duh ungesagt in der Luft.
 

„Reis,“ war die simple Antwort des Erben, während er die Stäbchen mit Gewalt in eine undefinierbare, weiße Masse steckte.
 

„In der Pfanne?!“
 

„Wie denn sonst?!“
 

„Wir haben auch noch Ramyeon gemacht!“ Zwitscherte Seong-sus optimistische Stimme hinter ihm und weckte im Jäger die Angst sich weiter in der kleinen Küche umzusehen. Ein heilloses Durcheinander folgte. Kyu beharrte darauf seine Position am Herd zu verteidigen, egal wie sehr Koya darauf beharrte, dass es besser für alle beteiligten war, es nicht zu tun. Lurchi sprang von einem zum anderen, ergatterte braune Reisfetzen mit der Zunge, die in hohem Bogen wieder zurück in die Pfanne flogen. Seong-su schlug wahllos Rezeptideen vor, die entweder er oder Kyu negierten, sprang aber nach einem kurzen Moment der Enttäuschung umso enthusiastischer wieder auf den Zug auf.
 

Irgendwann ertönte ein müdes, aber kaum überhörbares Seufzen hinter den dreien auf, das im gesammelten Chaos beinahe unterging. Dann schlossen sich zwei Arme, vertraut und selbstverständlich, um seine Hüften.
 

„Ich hab‘ schon was bestellt.“

Salvation - Prologue

„Ich hab dich.“
 

Sie kam in Wellen. Unmöglich vorherzusehen und doch in einem stetigen Rhythmus. Immer und immer wieder durchbrach sie das stetige Rauschen in seinem Kopf, die Wand aus dunklem Nebel, die versuchte ihn zu verschlingen. Doch sie war da. Und alles was er tun konnte, war sich an sie zu klammern, als ob sein Leben daran hing. Als ob…? Tat es das denn nicht auch irgendwie…?
 

„Ich hab dich, okay? Ich lass dich nicht mehr los…“
 

Die Stimme zitterte, der Kloß im Hals ihres Besitzers nur allzu offensichtlich, während das leise Flüstern immer und immer wieder einem Mantra gleich die kaum vorhandene Distanz zwischen ihnen überbrückte. Als ob sie gar nicht existierte; als ob sie nie existiert hatte.
 

Die Worte selbst waren heiß, als sie auf blasse, kühle Haut trafen. Die Lippen so nah, dass er sie an seinem Ohr hätte spüren können— müssen.
 

Er tat es nicht.
 

Nicht mehr.
 

Ihre Hitze, so sengend sie ihm auch in Erinnerung geblieben war, nicht stark genug um durch die eisige Kälte zu dringen, die längst von seinem Körper Besitz ergriffen hatte. Er wusste, was es bedeutete. Sie alle wussten es.
 

Ein Ruck ging durch seinen Körper als die kräftigen Arme ihren Halt um ihn stärkten, als sich die Hand des Mannes neben ihm – unter ihm? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob er ihn an irgendeinem Punkt nicht doch auf seinen Schoß gezerrt hatte, trotz vehementer Proteste seinerseits – in den zerzausten, hellen Strähnen vergrub, die sich vor Ewigkeiten mal eine Frisur geschimpft hatten. Er spürte dumpf, dass er ihn an sich drückte, spürte den warmen Hauch des fremden Atems. Oder vielleicht wollte er ihn auch einfach nur spüren. Vielleicht war all das hier nur Wunschdenken? Ein Traum? Vielleicht war er ja schon längst…?
 

Er blinzelte, langsam und träge. Nur vage nahm er die vertrauten Gesichtszüge des Jüngeren wahr, die bebenden Lippen und feuchten Wangen – wieso heulte er nochmal? Wegen ihm? Nein, er war doch noch gar nicht… er war doch noch hier oder nicht? Ah, verdammt. Langsam wurde es echt schwer dem Nebel in seinem Kopf standzuhalten.
 

Es würde nicht mehr lange dauern…
 


 

Merkwürdigerweise hatte es die Halbblüter zuerst getroffen. Nicht nur hier unter ihnen… Es war bereits von Anfang an so gewesen - überall auf der Welt, auch wenn es eine Weile gedauert hatte, bis man tatsächlich eine Verbindung zum Blutstatus hergestellt hatte. Es war ja nicht so, als ob Reinblüter oder Muggelstämmige verschont geblieben waren. Nur schienen Halbblüter eben besonders anfällig für es zu sein, auch wenn es am Ende jeden von ihnen auf die gleiche Weise hinraffte.
 

Eine Schwachstelle in der Struktur der magischen DNA war die Erklärung gewesen. Irgendein Geschwafel von leichter angreifbaren Zellen, die durch die Mixtur beider Blutlinien auftrat. Kein geschlossener Kreislauf, leichtes Spiel für es sich zwischen dem unausgewogenen Wirrwarr von reinen und unreinen DNA-Strängen auszubreiten.
 

Bullshit, war seine Meinung dazu gewesen. Immerhin traf es sie am Ende alle und wieso zur Hölle sollte er auf irgendwelchen Expertenmist hören, wenn besagte Experten noch nicht einmal wussten, was es eigentlich war. Magie? Ein Virus? Eine Mischung aus beidem? Vielleicht wäre es nicht soweit gekommen, wenn sie es damals schneller begriffen hätten… Damals, bevor es sich schleichend und unauffällig in den kleinsten Gemeinden der Zaubererwelt ausgebreitet hatte; bevor es nach Europa gekommen war und sich Stück für Stück durch die Bevölkerungsschicht gefressen hatte. Wieso bestand die Welt eigentlich aus solchen Idioten? Und wieso zur Hölle hatte er dazugehört?
 

Vielleicht… vielleicht hätten sie es stoppen können— bevor es London erreicht hatte; vor dem Shutdown des Ministeriums und bevor der letzte widerstandsfähige Rest in Hogwarts Zuflucht gesucht hatte, während die Welt da draußen vor ihren Augen zugrunde gegangen war. Dörfer, Gemeinden… Familien.
 

Etwas flackerte im trüben Blau eingesunkener Augen, als sich der Geist einer Erinnerung ungewollt und unerwünscht in den Vordergrund stahl. Fahle Haut, kalt und hart unter zitternden Fingern. Pechschwarze Adern, die sich einem Fremdkörper gleich netzartig über dem leblosen Körper ausgebreitet hatten.
 

Vielleicht… hätten sie sich auch einfach nur einen besseren Ort aussuchen können, um zu verrecken. Nicht dieses Drecksloch im Wald, nicht dieser feuchte, modrige Verschlag aus Brettern, der kaum genug Licht und noch weniger Luft zum Atmen durch die überwucherten Wände ließ. Aber jetzt… Jetzt war es eh zu spät. Für ihn sowieso. Und für die Anderen…
 

Er blinzelte ein weiteres Mal. Als ob der Gedanke an sie ihn zurück ins Hier und Jetzt holte. Noch immer spürte er den Mann an seiner Seite – nicht so wie sonst; nicht so, wie es hätte sein sollen – aber er war da und was brauchte er schon mehr als das?
 

Dennoch schweifte sein Blick am dunklen Schopf vorbei, tastete im spärlichen Licht, das durch die Ritzen der mit Brettern vernagelten Fenster fiel, nach ihren übrigen Begleitern. Denjenigen, die noch übrig waren, zumindest. Oder… auch nicht.
 

Er blieb zuerst an der schemenhaften Gestalt neben ihnen hängen. So nah— und doch waren die strähnigen Haare so dunkel; die Haut so fahl unter dem giftigen Netz, dass der reglose Körper beinahe selbst im Schatten des Raumes versank. Braune Augen offen und doch blind; erloschen. Er erinnerte sich nicht mehr daran, wann sie das letzte Mal geblinzelt hatten. Ah— deshalb heulte er.
 

Ein Scharren am morschen Holzboden lockte den verschwommenen Blick zur anderen Seite des Raumes. Er musste wieder und wieder blinzeln, um zumindest für einen Moment klar genug sehen zu können, um die beiden Männer zu erkennen. Obwohl er doch auch so hätte wissen müssen, wer die ineinander verschlungenen Personen waren.
 

Gewesen waren, korrigierte ihn das masochistische, leise Flüstern in seinem Kopf, als er langsam aber sicher das scharrende Geräusch dem Fuß des jüngeren der beiden zuordnen konnte – offenbar bemüht eine Position zu finden, die es ihm ermöglichte einen anderen, bessern Halt um die Person in seinen Armen zu bekommen. Verschwendung, schoss es ihm durch den Kopf, noch während er im Dämmerlicht der Hand des Brünetten folgte, die ungeachtet der mangelnden Reaktion Finger um Finger miteinander verwob.
 

Was auch immer passiert, wir müssen zusammenbleiben! Wenn wir zusammenbleiben, haben wir eine höhere Chance uns später zu erinnern. Wir müssen uns erinnern! Komme was wolle! Erinnert euch!
 

Für den Hauch eines Augenblicks dachte er tatsächlich die Stimme seines einstigen Professors hören zu können; unfähig Erinnerungsfetzen und Realität zu unterscheiden. Geisterhaft hallten die Worte in seinem Kopf wieder und er musste für eine Sekunde die Augen schließen um sich klar zu werden, dass er nicht mehr genau wusste, wann sich die Worte des Amerikaners in sein Gedächtnis gebrannt hatten. Er wusste nur, dass es vor einer Weile gewesen sein musste… bevor… bevor…
 

Ein goldenes Schimmern zwang ihn zum Aufsehen, als sich die mit pochenden Adern überzogene Hand in dunkle, braune Strähnen grub. Er wandte den Blick ab, als das Kinn des Schotten der Geste folgte und in einer intimen Geste, die nicht für seine Augen bestimmt war, den goldenen Glanz des Ringes verbarg.
 

Er spürte die Hand, die sich in den eigenen Strähnen verborgen hielt und plötzlich kam ihm der lächerliche Gedanke, dass dieser Hand wohl auch ein Ring gestanden hätte… Huh. Er wollte schnauben, doch kein Mucks verließ die eigene Kehle; zu trocken, zu lange unbenutzt.
 

Als sich die hellen Augen ein letztes Mal hoben, blickte ihnen das gleiche Blau entgegen.
 

Nein, gleich aber doch anders.
 

Es war schon immer anders gewesen und vielleicht hatte es ihn deswegen eine Zeit lang so sehr fasziniert. Jetzt… jetzt hatte ein anderes Blau seine Aufmerksamkeit, seine Hingabe gefunden, so selten er es in den letzten Jahren auch offen zugegeben hatte. Zu selten, wie ihm jetzt bewusst war. Trotzdem war es wohl offensichtlich gewesen. Genauso offensichtlich, wie die Hingabe des Mannes, der in diesem Moment seinem Blick standhielt, so sehr er sich anfangs auch gegen sie gesträubt hatte. Jetzt— wo der Arm um eine schlanke Hüfte und das Kinn auf strohblondem Haar ruhte, den bebenden Körper vor sich an den eigenen Brustkorb gepresst — jetzt war es klar. Er wollte ihm ein Grinsen schenken – Freundin im Arm und trotzdem nur Augen für einen, hm? – doch selbst wenn er noch die Kraft dafür hätte aufbringen können, er glaubte nicht daran, dass ihm sein Körper gehorcht hätte. Zu sehr hatte es ihn schon in Beschlag genommen; die tiefschwarzen Adern bereits bis zu seinem Nacken empor gekrochen. Er spürte sie – wie unsichtbare Schlingen, die sich um seinen Hals zogen; die ihm Blut und Magie gleichermaßen abschnürten, wie die Luft zum Atmen. Es würde nicht mehr lange dauern… er wusste es. Und sein bester Freund wusste es auch.
 

Und plötzlich verflog das Bedürfnis zu grinsen, wich stattdessen dem Wunsch lächeln zu können. In Dankbarkeit? Respekt? Anerkennung? Dafür, dass er nicht wegsah? Dass er kein Wort sagte und doch alles in dem so vertrauten Blau geschrieben stand? Er spürte, wie sich die eigenen Lider senkten; es schwerer und schwerer wurde den Blick fokussiert zu halten. Und doch konzentrierte er sich auf das glasig schimmernde Blau; auf die Tiefe und Entschlossenheit. Auf die Worte, die nicht da waren und doch im Raum hingen. Und er wollte nicken; ihm die Bestätigung geben, dass er verstand — doch stattdessen fielen die eigenen Augen zu. Unaufhaltsam. Unnachgiebig. Die Stimme an seinem Ohr kam näher – wurde intensiver, wärmer, so kalt es um ihn herum auch war.
 

„Ich finde dich. Hörst du, das verspreche ich dir— egal wo du bist, ich finde dich.“, und er wollte ihnen glauben. Den Worten— der Stimme.
 

Matthew.
 

Finger vergruben sich in seinen Haaren, schlossen sich an anderer Stelle um seine Hand. Er wusste nicht ob er es wirklich schaffte, ob es wirklich beim Iren ankam – doch mit aller Kraft, mit aller Magie, die er noch in sich trug, klammerte er sich an die Hand, die ihm so viel mehr gegeben hatte, als er selbst je hatte geben können.
 

„Ich finde dich, Hadrian. Egal wo du bist.“
 

Und dann verstummte sogar das Flüstern.

Salvation - Chapter 1: Here


 

Es hatte langsam und schleichend begonnen. Wie Wolken am Himmel – erst ist es eine, dann irgendwann zwei. Und plötzlich, eher man sich versieht, ist es nicht mehr das sanfte, blasse Blau, das auf einen herabsieht, sondern ein nahtloses Grau. So unscheinbar und trügerisch hell, als ob es den Menschen am Boden weißmachen will, dass sich doch überhaupt nichts geändert hat.

Und dann – dann – kommt der Sturm.

Schlagartig und unheilvoll bringt er Regen und Dunkelheit mit sich. Lässt sie wie Ameisen davonlaufen— vor dem Himmel, der doch am Morgen noch so blau, so voller Aussicht und Licht gewesen war.

Aber wo ist das Blau jetzt?

Und wieso ist niemand auf die Idee gekommen zwischendurch mal einen Blick nach oben zu riskieren?
 


 

„Hast du keine spannenderen Themen anzubieten? Das Spiel von Arsenal letzte Woche zum Beispiel?“
 

Sein bester Freund und Mitbewohner sah vom Display seines Smartphones auf, als Nate mit der druckfrischen Ausgabe des Tagespropheten vor seinem Gesicht rumwedelte. Nicht, dass er eine große Wahl gehabt hätte, einen Röntgenblick konnte der Ire immerhin noch nicht für sich verbuchen, auch wenn er es sich dem Blick nach zu urteilen in dem Moment durchaus gewünscht hätte.
 

„Ich finde einfach, wir sollten den Kerl nicht auf die leichte Schulter nehmen…“ Er ignorierte Matts Anstalten – wie so oft in den letzten Wochen, wenn der Brünette mal wieder von Hormonen geplagt den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sah – und ließ sich stattdessen ins weiche Polster ans andere Ende der Couch fallen. Gleich nachdem er die Zeitung in Matts Schoß hatte fallen lassen, verstand sich. Und obwohl er den Muggelstämmigen in dem Moment nicht ansah, konnte er dessen Augenrollen quasi riechen.
 

„Komm schon, Nate! Der Typ ist ein Quacksalber, mehr nicht. Prophezeiung am Arsch… Was soll der schon groß prophezeien können als Squib?“ Sein eigenes Seufzen ging im Geraschel des Zeitungspapiers unter, als Matt – nicht einmal einen Blick auf den vollen Artikel riskierend – ihm die Ausgabe entgegenwarf. „Und jetzt hör auf mir auf den Sack zu gehen. Ich warte immer noch auf ‘ne Nachricht von Hadrian…“
 

„Echt jetzt? Deswegen starrst du die ganze Zeit auf dein Handy?“
 

„Hast du ‘nen besseren Grund?“
 

„Hast du nichts Besseres zu tun?“
 

Nate konterte das Couchkissen, das in seine Richtung geflogen kam, mit geübter Leichtigkeit. Und auch wenn ihm nicht nach Grinsen zu Mute war, konnte er das leichte Zucken der Mundwinkel doch nicht ganz ignorieren. „Da kannst du lange warten, wenn du mich fragst. Ich hab‘ Monate gebraucht, um Scotty zu erklären, wie er seines überhaupt entsperren kann. Ganz zu schweigen von WhatsApp und WiFi und so weiter… Ich fress‘ meinen Besen, wenn Hadrian Wynshire mehr von Smartphones versteht, als Scott.“
 

Der Seitenblick, den Matt ihm daraufhin zuwarf, hätte ihm Warnung genug sein sollen. „Vielleicht ist mein Freund auch einfach heller in der Birne als deiner.“
 

Jemals von der Frage nach dem Huhn oder dem Ei gehört? Dem Halbjapaner schien das Thema nie nähergelegen zu haben als in diesem Moment. Denn noch während er spürte wie ihm das Blut in den Kopf schoss, drang Matts schallendes Gelächter bereits an sein Ohr und er hätte im Nachhinein nicht mehr sagen können, was zuerst das jeweils andere ausgelöst hatte. Das beschämte Stottern seinerseits half jedenfalls in keiner Weise und die indignierten Ausrufe von „Scotty ist nicht…! Wir sind nicht—!“ und „Ich weiß nicht, was du damit meinst!“ gepaart mit dem gelegentlichen Jammern von „Matt!! Hör auf zu Lachen, verdammt!!“ taten ihr Übriges dazu bei, dass sich der ehemalige Gryffindor irgendwann Luft zu fächelnd vom Gerangel mit seinem besten Freund löste. Stattdessen stampfte er murrend durch das Chaos ihres kleinen Studentenzimmers zum Schreibtisch in seiner Ecke des Raumes und wühlte sich durch die Menge an alten Ausgaben des Tagespropheten, Ausschnitten und Fotos, bis sich seine Finger endlich um die erhofften Brillengläser schlossen.
 

„Willst du schon wieder weg?“
 

Matts Arm hing über der Rückenlehne der Couch, als sich Nate wieder zu ihm umdrehte, die runden Gläser bereits auf die eigene Nase geschoben.
 

„Ich hab‘ noch ‘ne Verabredung.“ Das Grinsen, dass sich bereits wieder auf den Lippen des Iren abzuzeichnen begann, ließ Nate ahnend die Stirn runzeln. „Nicht so eine Verabredung. Scotty ist in Argentinien auf Geschäftsreise unterwegs und—“ Matt kicherte und sein Herz hüpfte einen unangemessenen Moment lang aus dem Rhythmus. Was also anderes tun als mit Gewalt voran zu preschen, bevor die Hitze ein zweites Mal in den Wangen fußfassen konnte? „Ayscoughfee! Brooklyn Ayscoughfee! Erinnerst du dich an ihn?“
 

„Ayscoughfee?“ Das Grinsen wich von den Zügen seines Bruders im Geiste obwohl er so manches Mal daran zweifelte und Nate konnte ihm stattdessen ansehen, wie die Rädchen in seinem Hirn nach einem passenden Gesicht zum Namen suchten. „Ist das nicht der aus Slytherin gewesen? Vertrauensschüler oder so?“
 

„Ganz genau. Er war ein Jahr über uns.“
 

„Und was willst du mit dem?“
 

Nate seufzte, tastete mit den Händen über seine Gürtelschlaufen und Hosentaschen, um zu sehen, ob er auch alles hatte – Zauberstab, check; Notizbuch und Schreibfeder, check; und die Kamera bereits um den Hals gehängt. Alles da, wo es sein sollte.
 

„Er arbeitet jetzt als Heiler. Eigentlich ministeriumsintern auf Abruf für die Magical Law Enforcement-Abteilung, aber da im Moment kaum Einsätze stattfinden und es überall sonst an Personal mangelt, wurden sämtliche verfügbaren Heiler in die Krankenhäuser beordert. Ich habe einen Termin mit ihm im St.-Mungos.“
 

Matts Brauen hoben sich zur selben Zeit kritisch zur Stirn, als sich Nate ein zweites Mal die Brille zurück auf die Nase schob, mittlerweile sein ständiger Begleiter, wenn es um ein Interview für einen möglichen Artikel ging. Die magischen Gläser hatten sich immerhin als ganz schön praktisch erwiesen.
 

„St.-Mungos, huh? Und dafür musst du wieso noch gleich aussehen wie ein Nerd…?“
 

Es verschaffte ihm nur einen gewissen Grad an Zufriedenstellung, als die zerknitterte Zeitung von vorhin mit einem kurzen Schwung seines Zauberstabes genau in Matts gackerndem Gesicht landete.
 


 

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„Lakewood!“
 

Der heitere Klang seines Namens verleitete den Halbblüter den Blick über die eigene Schulter zu werfen. Die Hexe am Empfang hatte ihm gerade erst mit einem missbilligenden Blick, der sicherlich für sämtliche Presseangehörigen reserviert war, den Besucherausweis in die Hand gedrückt, als ihm auch schon der Grund für seinen Abstecher ins Krankenhaus entgegenkam.
 

Automatisch hoben sich die Lippen des Asiaten zeitgleich zum Arm, der den festen Händedruck von Seiten des Reinbluts gleichermaßen erwiderte. „Ayscoughfee. Lange ists her. Oder sollte ich jetzt Dr. Ayscoughfee sagen?“
 

Der Brünette lachte kurz, nur um gleich darauf mit einem Nicken anzudeuten ihm zu folgen. „Allerdings, das ist es. Und Brook reicht völlig. Geht leichter von der Zunge. Und schneller.“ Aus den Augenwinkeln konnte der Halbjapaner das kurze Grinsen aufblitzen sehen, während der Ältere sie durch die Gänge des weitläufigen Gebäudes vom Empfang weglotste. „In dem Fall - Nate“, bot er seinerseits an, konnte sich allerdings nicht lange genug auf das Reinblut konzentrieren, um dessen Reaktion mitzubekommen. Stattdessen glitt sein Blick über die zahlreichen Köpfe der Menschen, die überall im Gang verteilt standen und saßen. Keine Heiler oder Pfleger, nein, es sah eher so aus als würden sie warten – Patienten.
 

Nate schob den Knoten der Vorahnung bei Seite, der sich in seinem Magen zu bilden schien. Er hatte zwar aus einem ganz bestimmten Grund um das Interview gebeten, aber die ganzen Hexen und Zauberer waren doch sicherlich nicht deswegen hier, oder? „Ganz schön was los, was? Bist du sicher, dass du Zeit für ein Interview hast?“, fragte er zögerlich nach, doch der ehemalige Slytherin winkte seine Bedenken mit einer kurzen Geste ab.
 

„Keine Sorge. Die meisten Leute, die hier rumstehen, sind kerngesund und warten nur darauf genau das von einem Heiler bestätigt zu bekommen. Die wirklich erkrankten Fälle sind bereits in Behandlung.“
 

Nate runzelte die Stirn und wandte sich mit fragendem Blick von der jungen Pflegerin ab, die in eiligen Schritten gerade an ihm vorbei gerauscht war. Kerngesund? Bestätigt zu bekommen? „Du meinst wegen den Infektionen im Ausland? Mir war nicht bewusst, dass das schon so große Wellen geschlagen hat…“
 

Brooklyn blieb vor einer offenen, mit Jalousie-behangener Glastür stehen. Mit einem ernsten Ausdruck in den grünen Augen wandte er sich zu ihm um und deutete ihm mit einem Nicken an, voraus zu gehen.
 

„Deshalb bist du doch hier, oder nicht?“
 

Und auch wenn der Brünette es sicherlich nicht beabsichtigt hatte, spürte Nate wie sich der Knoten in seinem Magen, so klein und unscheinbar er sich zunächst auch angefühlt hatte, mit einem Ruck fester zusammenzog. Oh Vorahnung, du böses, kleines Mistvieh.
 


 

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Die Lippen zu einer harten Linie verzogen, tippte Nate ungeduldig mit der Schreibfeder auf dem Notizblock rum; überflog die Worte, die bereits in schwarzer Tinte auf dem gelblichen Papier geschrieben standen. Seufzend entließ er den fedrigen Schreiberling zurück in die Freiheit, der sich sogleich empört schüttelte, bevor er ein weiteres Mal bereit zur Wiederaufnahme seines Dienstes über den Notizen schwebte. „Mir war nicht klar, dass es sich doch schon soweit ausgebreitet hat. Ganz zu schweigen von der Panikmache…“ In einer schon automatischen Geste, schob sich Nate mit dem Zeigefinger die Brille zurück aufs Nasenbein, den Blick erneut von seiner fleißig vor sich hinkritzelnden Feder abwendend.
 

Seufzend lehnte sich Brook auf dem knarzenden Holz seines Stuhles zurück. „Naja, im Grunde genommen ist es nichts Neues. Es war schon immer so gewesen. Sobald Nachrichten von einer neuen Krankheit die Runde machen, denken alle erstmal das Schlimmste. Selbst unter Muggeln ist das nicht anders. Vor einigen Jahren gab es da diese Grippewelle – Novum X, eine Mutation des gewöhnliches Muggelgrippevirus – und plötzlich wurde der Impfstoff knapp, weil Jeder Vorsichtsmaßnahmen ergreifen wollte.“
 

Nate nickte, nur um einen Augenblick später mit gerunzelter Stirn innezuhalten und langsam den Kopf zu neigen. Er wusste, dass die Worte des Älteren dazu bestimmt waren seinen Unmut zu lindern, doch irgendetwas nagte da an seinen Instinkten… Irgendetwas stimmte hier nicht… „Aber… das hier ist… anders. Ich meine… ihr wisst nicht mal genau was es auslöst, oder?“
 

Der Heiler schien genauso wenig von seiner Frage zu halten, wie Nate sich dabei fühlte sie zu stellen, aber er war nicht hier, um um den heißen Brei herumzureden. Ganz im Gegenteil, manchmal war es besser das Pflaster einfach abzureißen. Das hatte er als angehender Journalist ziemlich schnell lernen müssen.
 

Brook senkte die Stimme zeitgleich zum eigenen Kinn und der Halbjapaner hätte lügen müssen, wenn er behauptet hätte, diesen Blick nicht einordnen zu können. Nicht, dass es die Sache auf irgendeine Art und Weise besser machte. „Hör zu… Ich habe zugestimmt, dir dieses Interview zu geben… Aber in der Hoffnung, die Menschen zu beruhigen. Das letzte, was wir jetzt gebrauchen können, ist eine Massenpanik—“
 

„Ich weiß.“ Es geschah aus reinem Impuls, dass der Schwarzhaarige die Stimmlage des Älteren imitierte. Er rutschte auf dem Stuhl nach vorne, lehnte sich zur selben Zeit zum Schreibtisch, hinter dem der Brünette saß, vor. „Und glaub mir, wenn ich sage, dass ich das genauso wenig will, wie du. Mir geht es darum Fakten zu sammeln. Wir müssen wissen, womit wir es zu tun haben und dann – wenn wir es wissen – müssen wir die Menschen davon in Kenntnis setzen! Auf… Auf eine… nicht panikhervorrufende Art und Weise.“
 

Der Blick, den Brook ihm widmete, strotzte voller Skepsis und auch wenn er es nicht gerne zugeben wollte, irgendwie konnte er den Heiler auch verstehen. Zur Hölle noch eins, vor ein paar Jahren hätte er der Presse bei sowas auch keine zwei Meter über den Weg getraut…
 

Nate seufzte einsehend und legte Schreibblock und -feder mit den tiefschwarzen Notizen nach unten auf den Tisch, bevor er in einer kurzen Geste des Friedens die leeren Hände hob. Der Brünette wollte nicht, dass etwas Falsches in der Zeitung landete, gut. Aber das hieß noch lange nicht, dass er bereits damit fertig war Fragen zu stellen. „Wisst ihr überhaupt, was es sein könnte?“
 

Es lag am ehemaligen Slytherin den Mund zu verziehen. Doch obwohl er es mit einem deutlichen Zögern tat, rang er sich schließlich doch zu einer Antwort durch. „Wir wissen, dass es für Muggel ungefährlich ist. Und dass Halbblüter tendenziell anfälliger für es sind, als Reinblüter oder Muggelstämmige.“
 

„Was aber nicht heißt, dass Letztere verschont bleiben…“, sprach Nate das aus, was ungesagt im Raum stand. Und wenn er bis dahin noch Zweifel gehabt hatte, dass es sich bei den sich ausbreitenden Symptomen um mehr als eine mutierte Form von Drachenpocken handelte, dann hatte der Reinblüter diese soeben wortlos im Keim erstickt.
 

„Nein… es gibt Verluste auf allen Seiten. Und sobald man infiziert wurde… Nun ja…“ Die Stimme des Ayscoughfees verlor an Stärke, bis er schließlich den Blickkontakt gänzlich brach.
 

Nate lehnte sich zurück; ein plötzliches Gewicht im Brustkorb spürend, das er im Gesicht des Heilers vor sich widergespiegelt sah. Und selbst die hölzerne Lehne im Rücken war nur ein schwacher Halt für die Erkenntnis, die Brooks unausgesprochene Worte in ihm auslösten. Auch er wandte den Blick vom Brünetten ab, als er spürte, wie ihm langsam die Farbe aus den Wangenknochen wich und er das in den Raum warf, was sich bitter hinter dem schweren Schlucken in der eigenen Kehle verbarg.
 

„…Ist es vorbei... Weil es keine Heilung gibt.“
 

„Weil es noch keine Heilung gibt“, korrigierte ihn der Ältere keine Sekunde später und als er den Blick hob, erkannte der Halbjapaner die Ernsthaftigkeit hinter den Worten. Sie waren keine leere Hülle, kein persönliches Wunschdenken des Reinbluts oder gar ein Versuch ihn – einen Journalisten – davon abzubringen, fatales Wissen als Schlagzeile in die Welt zu entlassen. Nein, er erkannte das Fieber im leuchtenden Grün; den Ehrgeiz, der so berühmt berüchtigt unter den Schlangen war. Der Engländer preschte weiter voran, als ob er ahnte, dass er nur so Nates Zweifel gänzlich auslöschen konnte. „Wir wissen noch nicht genau, was es ist. Ob es ein Virus, eine Vergiftung, ein Fluch oder eine Mutation aus mehreren Faktoren ist. Wir arbeiten daran es näher bestimmen zu können, aber der Verlauf und die Schnelle dessen sind von Fall zu Fall unterschiedlich. Das macht unsere Arbeit nicht gerade leichter.“ Ein kurzes Zögern, kaum erwähnenswert wirklich, wenn sich jede Sekunde des Schweigens nicht so verdammt bedrückend angefühlt hätte. „Aber— wir werden ein Heilmittel finden. Sobald wir mehr über die Infektion, über es wissen—“
 

„Merlin…“ Nate musste schlucken. Spürte, wie ihm trotz der Vehemenz seines Gegenübers auch die restliche Farbe aus dem Gesicht wich. Wenn es wirklich stimmte, was Brook sagte… Wenn es wirklich noch keine Heilung gab und sie noch nicht einmal wirklich wussten, womit sie es zu tun hatten, dann— gab es dann überhaupt noch Hoffnung für sie? Waren all diese Menschen, die dort draußen im Gang auf Behandlung warteten, bereits jetzt zum Tode verurteilt? „Ich nehme an, ihr wisst noch nicht einmal wie genau es sich ausbreitet, oder?“, fragte er in einem lächerlichen Versuch das Kratzen in seiner Stimme zu unterdrücken und nur weil er hoffte, das leichte Zittern seiner Finger unter Kontrolle zu bekommen bevor es noch mehr seines Körpers in Beschlag nahm, griff er nach der ruhenden Schreibfeder auf dem Tisch. Nicht um seiner Notizen Willen, sondern einfach, weil es sich in diesem Moment verdammt gut anfühlte etwas zum Festhalten zu haben.
 

Brook folgte seinem Griff zum Schreibutensil mit den Augen, schien allerdings die Absicht hinter der Geste mit unheimlicher Klarheit einschätzen zu können. „Wie gesagt, wir arbeiten daran. Bis dahin ist alles was wir tun können – und was wir auch allen Hexen und Zauberern dringendst empfehlen,“ und damit nickte er zum Block, den Nate vor sich liegen hatte; schien mit einem Mal beinahe nachdrücklich auf ihn einzureden, als ob es all das, was er bis dato geäußert hatte, ungesagt werden ließ. „–vorsichtig im Umgang mit Flüchen und Zaubertrankzutaten zu sein und intimen Kontakt mit möglicherweise Infizierten zu vermeiden. Schutzzauber sind ein erster Schritt. Schleimhautkontaktschutzzauber und -tränke und—“
 

Ein entsetzter Aufschrei schnitt in die Worte des Heilers, brachte beide Männer dazu den Blick zur Tür zu heben, die durch die Lamellen der Jalousie Ausblick auf heranlaufende und zum Stehen kommende Menschen gab. „Was zum—?“ Es war der Ältere, der sich zuerst von seinem Platz erhob. Doch als Nate es ihm gleichtat und mit der Last der Erkenntnis noch immer schwer auf den Schultern den ersten Schritt in den überfüllten Flur wagte, überkam ihn das überwältigende Gefühl, als würde eben jenes Gewicht mit einem Mal sein gesamtes Sein unter sich begraben.
 

Es war lächerlich, wirklich, dass der ehemalige Gryffindor — die Augen gespannt auf dem geisterhaft flackernden Bild ihres Zaubereiministers gerichtet — sich dumpf an eine Mischung aus Patronus und der Cyberpunk-Version eines futuristischen Fernsehers erinnert fühlte. Und wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte er wohl durchaus angefangen zu lachen, denn ganz im Ernst – wenn die Magier sich bei dieser Art der Kommunikation nicht Inspiration von den Muggeln geholt hatten, würde er seinen Namen in Ethelred den Immerbereiten ändern – doch ihm war leider alles andere als zum Lachen zu Mute.
 

Er spürte, wie sein Magen drohte sich einmal um die eigene Achse zu drehen. Im Nachhinein wusste er nicht einmal weshalb ihm der Anblick des toternsten Ausdrucks auf den faltigen Zügen überhaupt einen derartigen Schauer über den Rücken jagte. Doch es musste wohl die altbekannte Vorahnung gewesen sein, denn als sich eine belegte Stimme über unsichtbare Lautsprecher in allen Ecken und Winkeln des Krankenhauses verteilte, war es, als ob sie ihm den Boden unter den Füßen wegriss.
 

„Das Ministerium spricht hiermit ein sofortiges Ein- und Ausreiseverbot für sämtliche südamerikanischen Länder aus. Portschlüssel und das Apparieren sowie sämtliche anderen Flug- und Reisemöglichkeiten nach und von Südamerika und dessen umliegende Inseln werden ab sofort und unverzüglich unter strenge Bewachung gestellt. Lediglich befugtes Personal wird weiterhin—“
 

Was...? Bei Merlins blauem Nachthemd—Nein—
 

„—auf unbestimmte Zeit, bis eine Ausbreitung der Pandemie nach Europa von der Abteilung für göttliche Gesundheit ausgeschlossen werden kann—“
 

Oh Gott, Nein. Scott… Scotty— Scotty.
 

„Nate? Ist alles in Ordnung?“ Er spürte eine Hand an seiner Schulter; wusste, dass es Brooks war, genau wie dessen Stimme. Doch alles was er wahrnahm — worauf er sich konzentrieren konnte — war das wackelige Chaos, das sich seine Beine schimpfte, und der sich unaufhörlich bewegende Mund des alten Mannes, der redete und redete und redete—
 

„Die folgenden Länder sind von dem Reiseverbot betroffen: Brasilien, Argentinien, Peru, Chile, Uruguay—“
 

Das war ein Scherz… oder? Ein früher Aprilscherz von Seiten des Ministeriums. Es musste ein Scherz sein, weil, weil—
 

„Hey— ich brauche hier einen Stuhl!!“ Brooks Stimme, schon wieder. So anders als der konstante Bariton des Zaubereiministers. Nate spürte ein Gewicht an seinem Ellbogen, doch erst als sich braune Augen zum Ayscoughfee hoben und sich sein Verstand durch den Nebel an Verwirrung und Schock und Emotionen – Gott, so verdammt viele Emotionen – kämpfte, bemerkte er, dass das Gewicht nicht an seinem Ellbogen war, sondern er selbst den Älteren mit sich nach unten zog. Wann war er… auf die Knie gefallen?
 

„Ich… ich muss los.“
 

„Nate—“
 

„Ich— tut mir leid, ich muss… weg.“
 

Wahrscheinlich war es seine Profession als Heiler, die Brook dazu brachte ihm zurück auf wackelige Beine zu helfen, statt ihn dazu zu zwingen an Ort und Stelle auf den verdammten Stuhl zu warten. Was es auch war, der Halbjapaner war ihm dankbar dafür – oder wäre ihm dankbar gewesen, wenn er auch nur einen Gedanken an die Notion hätte verschwenden können. Doch sein Kopf war woanders, seine Herz nicht mehr dort, wo es sein sollte, und nur leise drang die Stimme des Reinbluts noch an sein Ohr, als er sich aus dem festen Griff löste und benommen und verwirrt an all den fremden Menschen – an den womöglich schon Totgeweihten — vorbei zum Ausgang stolperte.
 

Aber er weigerte sich zu glauben— es konnte einfach nicht sein, dass…!
 

Die frische Luft vor dem Krankenhaus wirkte wie ein willkommener Schlag ins Gesicht. Sie linderte nicht die plötzliche Panik, die sich in Form von kurzen, heftigen Atemzügen an die Oberfläche kämpfte, oder das Zittern in den Fingern, das ihn verfluchte vier Versuche kostete, bis er endlich das verdammte Handy aus seiner Hosentasche gefischt hatte.
 

Doch es half gegen die Benommenheit. Die Verwirrung. Und Nates Finger flogen automatisch über den Touchbildschirm seines Smartphones, mussten den Pinn nur zwei Mal und Scottys Nummer kein einziges Mal neu eingeben, denn er kannte sie – in- und auswendig – und wenn er nur Abheben würde, wenn das verdammte, scheiß Läuten endlich aufhören würde und Scottys Stimme nur—
 

„Nate!!“
 

Sein Herz setzte einen Schlag aus.
 

Doch es war nicht die Stimme, die er gehofft hatte zu hören. Und sie kam auch nicht durchs Telefon.
 

„Matt—“
 

Noch bevor sich der Halbblüter komplett umgedreht hatte, spürte er bereits das Gewicht vertrauter Hände auf seinen Schultern.
 

„Was—“
 

„Ich hab‘ gehört, was passiert ist. Der Campus ist voll von diesen komischen Dingern.“
 

Nate nickte, die Lippen zu einer harten Linie verzogen, sah sich aber nicht dazu in der Lage weiter auf seinen besten Freund einzugehen. Er wartete schließlich immer noch darauf, dass Scotty endlich an sein verdrecktes Handy ging—
 

„Er geht nicht ran…“, nuschelte er leise, als die Voicemail ansprang und Nate ein weiteres Mal die Nummer des Argentiniers anwählte. „Er geht nicht an sein verdammtes Handy— Wieso geht er nicht ran?!“
 

„Komm schon, Nate“ Matt versuchte sich in sein Blickfeld zu schieben und wäre die Situation anders gewesen, hätte der Asiate vielleicht den schwachen Versuch ihn zu beruhigen zu schätzen gewusst. „Du hast selbst gesagt, dass Scott es nicht so mit Technik hat… Vielleicht hat er einfach wieder vergessen, wie man abhebt?“
 

Aber die Situation war nicht anders.
 

Und Matt hatte keine Ahnung, weil nur er mit Brook gesprochen hatte und wusste—
 

„Er geht nicht ran!! Voldemort Merlin Dumbledore Christ!“ Fluchend ließ er das Smartphone sinken, trommelte erneut Ziffer für Ziffer auf dem sensiblen Touchbildschirm ein. Und wieder. Und wieder—
 

„Hey— hey! Nate, ich bin sicher ihm geht’s gut! Nur weil er gerade nicht an sein Handy geht, muss das doch noch lange nichts heiß—“
 

„Es kann alles heißen!!“ Der Ire zuckte sichtbar zusammen unter seinem plötzlichen Ausbruch, doch anstatt sich zu entschuldigen, wandte Nate den Blick zum Display seines Handys mit beiden Händen festumschlungen, während zitternde Daumen zum x-ten Mal um die Wette tippten. „Scheiße, scheiße, scheiße—
 

„Nate?“
 

Er konnte Matts Unsicherheit hören; wusste, dass er ihm eine Erklärung für all das hier – für die Art seiner Reaktion und seine Panik – schuldig war, aber er hatte keine Zeit! Er musste Scott irgendwie ans Telefon kriegen! Er musste sichergehen, dass Scotty okay war; dass es dem Argentinier gut ging; dass das Halbblut—
 

Oh Gott—
 

Das Handy traf klappernd auf nassen Asphalt, die unvollständige Nachricht mit dem blinkenden Cursor ein stummer Vorbote.
 

Oh Gott, nein
 

„Ich muss nach Argentinien.“
 

„Was?!“
 

„Ich muss… ich muss nach Argentinien. Ich muss zu Scotty— Ich muss Scotty da wegholen—! Oh Gott, ich muss—“
 

„Wow, wow, wow!“ Matts Hände legten sich erneut an seine Schultern. Dieses Mal jedoch weniger aus Support, als ihn an Ort und Stelle zu halten. „Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank?! Du kannst nicht nach Argentinien! Hast du nicht gehört, was der Zauberfutzi gesagt hat?!“
 

„Mir ist scheißegal was Voldemort persönlich dazu zu sagen hat! Ich muss zu Scotty, Matt, ich muss—” Seine Stimme kippte und Nate war sich nicht sicher, ob es das war oder doch das Brennen hinter seinen Augen, das sein bester Freund lesen konnte wie kein Zweiter, aber er sah das Schlucken des Brünetten - das auf und ab wippen seines Adamsapfels - und er wusste, dass Matt verstand, selbst wenn er nicht genau begriffen hatte, weshalb.
 

Wenn Nate allerdings geglaubt hatte, dass der Gallagher damit sein Vorhaben absegnete, hatte er sich gehörig getäuscht.
 

„Nate. Du kannst nicht nach Argentinien. Selbst wenn es keine absolute Schnapsidee wäre— Wie denn?! Es gibt keine Portschlüssel. Das Ministerium hat einen Apparierstopp eingerichtet… Zur Hölle noch eins, selbst die Muggel haben sämtliche Flüge gestrichen! Ich hab‘s vorhin im Radio gehört—“
 

Es lag an ihm zu schlucken. Braune Augen fielen zum erloschenen Display seines Handys und langsam – nur langsam – begann er den Kopf zu schütteln. Doch nichts konnte das nagende Gefühl, den wachsenden Druck in der Kehle, am Überlaufen hindern. „Dann— dann werd‘ ich eben…“
 

Was? Was wollte er? Einen Roadtrip bis nach Südamerika auf die Beine stellen? Per Anhalter einmal quer über den Atlantik? Oder noch besser, er schnappte sich einfach seinen Besen und legte unterwegs eine Pause im Bermudadreieck ein!
 

„Matt—“ Seine Stimme zitterte, so belegt und schwer sie auch über seine Lippen kam. Sie zitterte oder vielleicht war es auch der ganze Rest seines Körpers, der nicht aufhören, nicht still bleiben konnte. „Ich muss zu Scotty. Ich kann nicht einfach…! Scott ist doch—“
 

Es musste angefangen haben zu regnen. Das Display seines Handys füllte sich mit Tropfen und ihm war es nur recht, wenn es ihm half so tun zu können, als würden sich seine Wangen deshalb so feucht anfühlen. Er durfte doch jetzt nicht einfach Heulen! Wenn er anfing zu Heulen, hieß das dann nicht, dass er schon das Schlimmste befürchtete? Dass er die Hoffnung schon aufgegeben und Scotty schon längst abgeschrieben hatte…? Nein, nein, er war nicht am Heulen – es war der Regen, der angefangen hatte. Der blöde Regen, nichts weiter…
 

„Ich… Matt—“ Bebende Hände bohrten sich in bunten Stoff. „Ich muss zu ihm! Ich kann doch nicht einfach… Scotty und ich…!“
 

„Ich weiß.“ Matts Stimme kratzte nicht. Und sie lachte auch nicht, wie sonst immer, wenn Nate sich selbst und den Argentinier in einem Satz erwähnte. Sie war einfach nur da. Eine starke Präsenz, so wie das breite Kreuz des Treibers selbst; wie die Hand, die sich um seinen Nacken legte und schwarze Strähnen an karierten Stoff pressten. „Ich weiß…“ Und Nate konnte die Augen nicht vom schwarzen Display auf dem immer dunkler werdenden Asphalt abwenden. Nicht als Matts Stimme wieder und wieder an sein Ohr traf; nicht als die Tränen alles in ihrem Blickfeld in ein schwammiges Meer aus Feuchtigkeit hüllten.
 

Es dauerte drei Wochen bis sein Handy endlich klingelte. Und als es das tat, war es nicht Scottys Stimme, die seinen Namen sagte, sondern Mrs. Mercados und Nates Welt brach ein zweites Mal vollkommen in sich zusammen.
 


 

Es war hier, unter ihnen. Auch wenn an diesem Tag leise Stimmen voller Erleichterung flüsterten—

────── Merlin sei Dank, ist es bloß in Südamerika. ──────

────── Das Ministerium sorgt schon dafür, dass es nicht zu uns kommt! ──────

────── Die armen Seelen… Zum Glück hatten sie‘s schnell hinter sich. ──────
 


 

—nur wenige von ihnen wussten es besser. Brooklyn Ayscoughfee und Nathan Lakewood zum Beispiel. Und ja, auch die obersten 20 des Ministeriums waren sich durchaus über die prekäre Lage bewusst. Dennoch sahen sie sich unfähig der Unbekanntheit dieses neuen Übels gegenüber; wussten nicht, wie sie jene Bedrohung eingrenzen oder gar abwenden konnten. Wahrscheinlich taten sie genau deshalb das, was sie stets zu tun vermochten, wenn es keine einfache Lösung für ein Problem gab: sich mit ihren fetten Ärschen in ihren noch fetteren Sesseln zurückzulehnen und es anderen zu überlassen. Schließlich konnte der, der sich die Finger nicht schmutzig machte, am Ende auch nicht als Sündenbock dastehen. Richtig?

Falsch.
 

„Hadrian—“
 

Hadrian!
 

Eine Hand riss an seinem Oberarm. Fest und unnachgiebig umklammerte sie den Ärmel seines dunklen Jacketts. Vielleicht hätte er protestiert. Vielleicht hätte er dem Besitzer dieser Hand auch ein unmoralisches Angebot gemacht, dass es auch andere Mittel und Wege gab, wenn er es gern auf die Tour mochte. Doch er nahm weder die Hand, noch den Mann, dem sie gehörte, wahr. Tatsächlich hatte er ihn nicht einmal hereinkommen hören. Wieso auch? Was sollte Dorian McAlistair auch in seiner – ihrer – Abteilung verloren haben? Weshalb sollte sein bester Freund plötzlich aus dem Nichts hier auftauchen, wo er doch sicherlich als Auror alle Hände voll zu tun hatte? Immerhin, immerhin
 

Fahle, bleiche Haut. Kaum mehr sichtbar unter pulsierenden, schwarzen Adern, die sich netzartig unter dem Kragen des blütenweißen Hemdes hervorgestohlen und längst Nacken und Kopf in Beschlag genommen hatten. Doch nein, halt, sie pulsierten nicht mehr. Hatten aufgehört vor… vor…
 

Wann?
 

Fünf Minuten? Zehn? Einer Stunde?
 

Er wusste es nicht. Wusste gar nichts mehr, außer dass er— dass sein Vater—
 

Hadrian!
 

Die Hand riss erneut an seinem Arm; rissen seine Finger von kalter, toter Haut weg; von leeren, braunen Augen, die ihn ansahen. Vorwurfsvoll, anklagend, ablehnend, blind – nein, nein
 

„Nein. Das ergibt keinen Sinn…“ War das seine Stimme? Es musste seine Stimme sein, die so dürftig, so kraftlos nach außen drang – schließlich würde es den Schmerz in der Kehle erklären; den Druck, der so unbekannt und unerwünscht war.
 

„Das ergibt einfach keinen Sinn…“, nuschelte er erneut, gefangen vom Anblick vor ihm. Von der reglosen Gestalt am Boden des Mannes, der stets voller Skepsis und Erwartungen vor ihm gestanden hatte. Mit erhobenem Kinn und diesem Blick
 

„Hadrian, wir müssen hier weg! Das Ministerium ist nicht mehr sicher, wir – Hey!
 

Die Hand an seinem Arm verschwand, schloss sich stattdessen um sein Gesicht. Erst eine, dann zwei. Und er musste wegsehen. Sah wie glanzloses Braun durch fiebriges Blau ersetzt wurde und ein Ruck ging durch seinen Körper. Nur ob es an Dorian lag, der versuchte ihn wachzurütteln, oder an der plötzlichen Erkenntnis des Hier und Jetzt, vermochte er selbst nicht zu sagen.
 

„Er ist ein Reinblut… er sollte doch gar nicht… nicht so schnell—"
 

„Wir können nichts mehr für ihn tun! Aber wir müssen hier weg, verstehst du?! Sofort!“
 

Vielleicht hatte er genickt, vielleicht auch einfach nur regungslos ins Gesicht des einstigen Hufflepuffs vor ihm gestarrt. Was sich jedoch in sein Gedächtnis brannte, als sich Dorians Finger ein weiteres Mal ins Fleisch seines Oberarms bohrten, waren nicht bloß die leblosen Körper, die ihren Weg aus der Abteilung säumten. Nein, es war vor allem die dröhnende Stimme des Radios aus unsichtbaren Lautsprechern, die einfach nicht verstummen wollte, egal wie viele Türen auch hinter ihnen ins Schloss fielen.
 

Das Ministerium ist gefallen! Ich wiederhole— Das Ministerium ist gefallen! Alle Überlebenden und Nicht-Infizierten haben sich unverzüglich zu evakuieren! Sämtliche Evakuierungszentren in North- und Central-London sind voll. Die Aurorenquartiere in Watford, Croydon, Brentwood und Twickenham—
 

Er wusste nicht, wohin Dorian sie führte. Wusste nicht wie oft er über das Chaos auf ihrem Weg durch die Korridore und leeren Hallen stolperte oder sein Blick noch zurückfiel. Tatsächlich nahm er gar nichts mehr wahr, als das altbekannte Gefühl von sich zusammenziehenden Muskeln und Knochen ihn ein für alle Mal vom wiederhallenden Klang des Radios wegrissen.
 

Alles was von ihm und Dorian inmitten von panischen Hexen und Zauberern noch zurückblieb, war das charakteristische Plopp eines in Eile ausgeführten Apparierzaubers.
 

Es sollte das letzte Mal sein, dass er die Hallen des Ministeriums zu Gesicht bekommen würde.
 


 

Es war hier. Unter ihnen.


 

Und alles, was sie vermochten zu tun, war davon zu laufen.


 

Wie eine Horde Schafe vor dem großen, bösen Wolf.


 


 


 


 


 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Neist Point erschien mir wie der richtige Ort für die beiden. <3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Schneefeuer1117
2020-08-30T16:32:36+00:00 30.08.2020 18:32
Live-Mitschnitt |D
YuriXav, YuriXav, YuriXav..!!! >////< *wirbelt durch den Raum, zumindest in Gedanken* Die Sechs! Die Sechs! Wooooohoooo!

Gosh, es fängt ja schon genial an, wie könnte es mir da nicht gefallen?! Tag Doom ist super . . . auch wenn mir die lange Fassung seeehr gut gefallen hat. xD
Uh. Ezras kleine Berührungen . . . ach, schön, wie du unsere neu-entbrannte-alte-Freundschaft der beiden direkt mit einbringst, das gefällt mir sehr, sehr gut! Ich sehe sie beide da sitzen, ganz so, wie du es beschrieben hast und innerlich will ich Yuri anschreien, dass er gefälligst SEINE HAND NEHMEN SOLL! xD
Gosh.
Und die Vorwürfe, die Yuri sich direkt jetzt schon macht, sind einfach goldig. Ich mag ihm in die Wange kneifen :> Und mag mir Mac gar nicht apathisch vorstellen, neinneinnein, das will ich nicht! D: *Ez-Mode-on*
Arw, und alle zusammen bei Frankie . . . ja, du hast das gut nach dem Ausschlussprinzip geschrieben. Wohin sollten sie sonst gehen? OH! DER KÜHLSCHRANK! OOOOH! >////< YAY! Ich .. äh .. bin überwältigt von dem Alltag dahinter und wie casual sich das anfühlt, dass Yuri, Xav und Ez in der Küche rumlungern und Xav Yuri hinterherräumt - NATÜRLICH <_< - und Yuri dann dort erst diesen gewissen Geruch bemerkt und das Shampoo, hehe, und das Verhältnis zwischen Ez & Yuri dort ist auch toll.
Und ich kann gar nicht anders, als an deine Küche zu denken, blöde Schnee xD *schüttelt über sich selbst den Kopf*

Ich mag die Vorstellung, wie Chewy a Xavs Bett Wache hält und dass das auch noch später so ist. Dass Yuri instinktiv seine Nähe sucht und das aber nur als Hundchen kann, weil es ihm anders nicht möglich ist, es auszudrücken. Und die Vorstellung, wie das große weiße Fellnknäul Xav durchs Gesicht schnuppert, ist einfach zu goldig <'3 Und ich sehe schon, wie Xav genervt-gerührt das Gesicht verzieht . . . ich wüsste gerne, was Xav in diesen Momenten denkt. Ob er nur CHEWY sieht, oder ob er klammheimlich daran denkt, wie es wäre, neben YURI aufzuwachen . . . Hm :>

QUIDDITCH! Er kann wieder fliegen, juhu <3
Ahahaha und mein innerer Xav ist gefangen zwischen lautem, schadenfreudigen Lachen und besorgtem Stirnrunzeln, ich sags dir xD Hat er verdient, der blöde Russe! <//< Wenn er nur wieder träumt . . . dann fliegt er eben vom Besen, hm! Und dass Ez & Wes darüber lachen, ist ja klar. AHAHA! Ezra! Du bester aller Kuppler! >D Der macht das gut, der Junge, weiter so! Lass dich nicht unterkriegen von Yuris Keifen! oó

Oh, er benutzt ein Krumm-Sprichwort <3 Danke, Moony! Das klingt so sehr nach ihm ♥

Oh. Oho. ö//ö Yuri sitzt auf ihm. Und hält ihm den Mund zu. Aha-aha-aha.
Oh Gott O///O Er küsst ihn! ER KÜSST IHN! Mal von der nackten Haut ganz abgesehen, ER KÜSST IHN! WHAT THE-?! Gosh, ich bin mindestens genauso verwirrt wie Xav |D Aber - hallelujah - wer kann es ihm verübeln, wenn Yuri ihn so überfällt?! D: Das .. also .. YURI! Schrei ihn nicht so an xD
Aber ja, Xav hast du super eingefangen, ich glaube, der würde wirklich keinen gescheiten Ton herausbekommen und wäre viel zu überrollt von Yuris Aktion, aber auch von den eigenen Reaktionen darauf, als dass er da viel reden könnte xD Und braves Werwölfchen wie er ist, gehorcht er natürlich, jaha, und wie könnte er auch nicht x///X' Aber faszinierend, dass Xav noch an die anderen Jungs denkt xD So viel Weitsicht hätte ich ihm nicht zugetraut xD
Gosh, das kann man ja nur mit verschlossenen Augen lesen |//D
Oh, und wie Xav die Muskeln erst jetzt auffallen, obwohl er ihn schon so oft zumindest oben ohne gesehen hat, aber eben nie GESEHEN hat . . . das passt zu dem kleinen Trottelchen, hehe.
Oh, und wie 'romantisch' er erwidert "die beste, die ich je hatte", arwwww. Gut so, Xav! Weiter so!
ARWhocheintausend! Yuri macht ihm ein Kompliment >///< KIYAH!
Ahahahaa, und wie sie selbst jetzt noch streiten . . . Man, Jungs! xD Ihr macht es einem aber auch echt nicht leicht, grrngr. Aber marw, dass Xav trotzdem um Erlaubnis fragt . . . D: Er ist eben zu nett. Immernoch.
Oh. Ooooh. Xav erkennt die Unsicherheit D: Das .. ist cute. Unheimlich cute. ARW!
Hehe. Abgöttisch x) Na, wenn das jetzt nicht Canon mit meinem Kopf wird, weiß ich auch nicht ♥

Ach, die Narbe - und die Reaktion darauf. Das ist so schön ;///; Und auch, dass Xav stumm versteht und den Entschluss fasst, dass er all das fortwischen muss, jetzt und hier. Und das Ende ist wirklich schön~ Ich kann mir so gut vorstellen, wie sie da beide noch vollkommen in ihrer eigenen Welt gefangen liegen und es der erste wirklich STILLE Moment ist, den sie bisher hatten . . Hach. Es ist beinahe romantisch und das bei den beiden <3

Oh Kacke! KACKE! Ich spüre Xavs Panik beinahe so, als wäre es meine eigene x'D
CHEWY! Ahahaha, das hast du schön gelöst, ich musste sehr lachen xD Scheiße, die ganze Panik umsonst, verdammter Drecksrusse! MOAH, aber Ezra MUSS jetzt ja auch nochmal betonen, dass da das blöde Gel sichtbar ist und . . . argh xD Blöder, blöder Otter! Und überhaupt! Blöde Freunde! Und blöder Russe! <///<

Aber eine ganz wundervolle Geburtstagsüberraschung, Moonylein <//3 Gut, dass ich alleine war, da hast du Recht *lach* Bei den beiden weiß man eben nie, was man bekommt - Schlägerei oder Stelldichein xD Hehe. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es tatsächlich so ablaufen wird und hach ♥ HACH!
Danke dafür, Moony. Aufrichtig <3
Von:  Schneefeuer1117
2018-08-29T23:01:14+00:00 30.08.2018 01:01
Und wie schnulzig es ist...!! Aber so so sooooo perfekt! ;\\\\; von wegen es sei nicht ganz passend oder ein bisschen anders als das was wir geplant haben... Ich finde du hast das so wundervoll und Gefühlsecht und zum anfassen geschrieben! Ich habe Riley sehr gut erkannt (beim Autofahren konnte ich ihn mir sooooo gut vorstellen!) und musste herzlich lachen als er beim Antrag (!!! >\\\\<) so sabbelt... Kiyah! Es ist Riley!
Und Henry... Oh Henry du wundervoller wunderschöner lieber toller aufopferungsvoller hinreißenender junger Mann! Ich weiß so genau warum Riley dich über alles liebt! >\\\< gosh die beiden sind perfekt und lesen sich wo wundervoll... Ich danke dir so sehr für das kleine-große Kapitel und all die Gefühle und Inspirationen und ooooh! Die Anspielung auf George! Oh Georgie... Und Henry! Henryyyy! Er ist sonl perfekt! Das ganze Kapitel ist sooooo perfekt und ich liebe es!
Ich.liebe.es!
Dankedankedankeeeee!
Eine wundervolle Überraschung!
Von:  Schneefeuer1117
2017-08-11T17:16:02+00:00 11.08.2017 19:16
Das..! Das..!
Moony, es ist wunderschön! Nicht, dass ich Nate gerade bildlich vor Augen habe, wie er zittert und bebt und genau das doch nicht will, wie seine Hilflosigkeit einfach beinahe greifbar ist und man gar nicht weiß, wie man ihn anfassen soll, um ihm zu helfen. Ich sehe ihn vor mir, neben Harry auf dem Sofa und hab auch einen riesigen Kloß im Hals und .. und .. Gott, du armer, armer Junge ;____; Er tut mir so unendlich leid! Ich finde es trotzdem wunderschön, wie du in diesen wenigen Worten das Gefühl einfängst, das uns beide bei der Planung begleitet und das Nate nicht in Worte fassen kann, nicht greifen kann und gleichzeitig alles ungesagt lässt, während eigentlich alles gesagt ist.
Es ist ein wundervolles Stück kurzer Geschichte, eine schöne Brücke zwischen Addictive & Meerkatze.
Danke, Moony ;___;
Es wird Zeit, dass wir Nate ganz fest in den Arm nehmen und nicht mehr loslassen!! ♥ ♥ ♥


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