Polaroid von aois_koibito ================================================================================ Kapitel 1: KAPITEL EINS ----------------------- KAPITEL EINS Los Angeles, 2017 "Rosie!" Als ich leise meinen Namen hörte, brummte ich verschlafen. Ich wollte mich auf die andere Seite rollen und die Decke über meinen Kopf ziehen, doch die Decke rührte sich keinen Zentimeter. Verwirrt blinzelte ich. Zerknirscht starrte ich in das grinsende Gesicht meines Bruders. Doch ehe ich was sagen konnte, stieg mir der stechende Geruch von Qualm in die Nase. "Woah, du stinkst!", keuchte ich und rümpfte angewidert die Nase. Das brachte Ben zum Lachen. "Sorry! Wir hatten heute Nacht eine lange Übung!", erklärte Ben und zog mir die Decke weg. "Aufstehen, du Schlafmütze! Die Pancakes sind fertig!", freute er sich und nahm die Decke gleich mit sich. Gemeinheit. Müde setzte ich mich auf und strich mir durch das verstrubbelte Haar. Ich gähnte herzhaft und streckte mich zu meinem Handy. 06:18 Uhr! Ich seufzte. Ich tickte Gatsby an, der immer noch eingerollt neben meinem Kopfkissen lag, und leise schnarchte. Er schnaubte und blinzelte mich mit kleinen Augen an. "Ey! Sieh mich nicht so an! Wenn Ben mich weckt, musst du auch aufstehen. Geteiltes Leid, ist halbes Leid!", schmunzelte ich und drückte einen Kuss auf seine feuchte Nase, was ihn freudig bellen ließ. Ich stand auf und tapste müde in die Küche, wo es herrlich süß nach Pancakes duftete. Mir lief sofort das Wasser im Mund zusammen. Kaum hatte ich mich an den Tisch gesetzt, stellte Ben mir eine heiße Schokolade mit Sahne vor die Nase und zwinkerte mir zu. Ich musterte ihn skeptisch. "Feiern wir irgendwas?", nuschelte ich verschlafen und kraulte Gatsby den Kopf, der sich noch leicht schlaftrunken gegen mein Bein schmiegte. Ben bekam sofort rote Ohren und wich meinem Blick aus. Aha! Er wollte irgendwas. "Spuck's aus! Ich bin zu müde für sowas!", seufzte ich und genehmigte mir einen großzügigen Schluck von der heißen Schokolade. Die heiße Flüssigkeit wärmte wohlig meinen Bauch und ich lehnte mich entspannt im Stuhl zurück. "Amy will übers Wochenende wegfahren!", meinte er leise und musterte mich besorgt. Ich verstand seinen Blick zuerst nicht. Ich zuckte nur mit den Schultern und sah ihn gleichgültig an. "Okay?! Dann mach das doch!", erwiderte ich. Amy war Bens Freundin. Sie waren seit einem halben Jahr zusammen und sie hasste mich. Ben betonte zwar immer, wie gern sie mit mir Zeit verbringt, aber ich glaubte das war seinerseits nur Wunschdenken. Ich hatte immer das Gefühl, ihr ein Dorn im Auge zu sein. Spätestens wenn sie mich ansah und das Gesicht verzog als hätte der Hund einen fahren lassen, wusste ich, dass sie nicht wirklich gern mit mir Zeit verbrachte. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. "Ich kann dich doch nicht das ganze Wochenende allein lassen!", seufzte er und stellte einen riesigen Teller mit Blaubeer-Pancakes auf den Tisch. Er setzte sich mir gegenüber und sein Blick fiel auf die Narben an meinem Hals. Sofort fühlte ich mich unwohl und schob meine Haare über die Schulter, um meine Haut etwas zu verdecken. Er räusperte sich unbeholfen und nahm sich einen Pancake. Wir schwiegen. Während ich an meinem Pancake pulte, weil mir schlagartig der Appetit vergangen war, sah ich verstohlen zu ihm herüber. Er wusste genau, dass meine Gleichgültigkeit nur gespielt war. Er kannte mich einfach zu gut. Ich wollte nicht, dass er ging. Aber ich wollte auch nicht, dass er schon wieder Streit mit Amy hatte. Und je mehr er sich um mich kümmerte, umso mehr wuchs mein schlechtes Gewissen. Also mimte ich die Tapfere. "Ich komme schon allein klar. Ich bin kein Baby mehr!", murmelte ich leise und zupfte weiter an meinem Essen herum. Ben seufzte. Sein Beschützerinstinkt als großer Bruder war sehr ausgeprägt. Er war 16 Jahre alt gewesen, als ich, nett formuliert das Nesthäkchen, böse formuliert das Hoppla-Kind, zur Welt kam. Meine Schwester war zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem College, weswegen man unsere Beziehung nicht als besonders innig bezeichnen konnte. Und als der Unfall passierte und unser Vater gestorben war, weigerte sich Caroline mich aufzunehmen. Sie sagte, dass sie mich zwar lieben würde, aber mit ihren eigenen zwei Kindern und ihren Mann genug um die Ohren hätte. Für sie stellte ich eine Last dar. Für Ben nicht. Er hatte mich sofort aufgenommen, und mich großgezogen. Manchmal war er mehr Vater als Bruder. Und manchmal erkannte ich Dad in ihm. In einer Geste. In einer Angewohnheit. In einem Tonfall. "Natürlich bist du das nicht. Aber...", stockte er und sah mich wissend an. Ich nickte. Die Panikattacken. Der Unfall war zwar schon zehn Jahre her, dennoch passierte es manchmal, dass mich Kleinigkeiten wieder zurückwarfen. Dr. Hard fand damals schnell eine Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung. "Ist Josie nicht da? Oder ich frage, ob ich bei Sally übernachten kann.", schlug ich vor und ich sah wie sich Bens Gesicht entspannte. Josie, war unsere Nachbarin, die früher oft auf mich aufgepasst und mich auch manchmal von der Reha abgeholt hatte, wenn Ben auf der Wache war. Sie war eine gute Seele, nur leider war ihr das Alter nicht wohlgesonnen. Sally hingegen, war mein bester Freund. Ich hatte ihn an der Uni kennengelernt, wo wir schnell gemerkt hatten, dass wir auf der gleichen Wellenlänge lagen und waren seitdem mehr oder weniger unzertrennlich. "Josie ist zu Besuch bei ihren Enkeln, aber wenn das mit Sally okay ist, wäre das super. Aber sollte irgendwas sein, oder passieren, rufst du mich sofort an, verstanden!", bestimmte er streng und ich nickte artig. "Ich frag ihn gleich in der Uni!", versprach ich. Ben nickte. Wir wussten beide, dass Sally keine Einwände haben würde. Er malmte zerknirscht seine Kiefer aufeinander. Ich sah ihm an, dass er keine Lust hatte übers Wochenende wegzufahren. Und auf eine undefinierte Art und Weise freute mich das. Aber vielleicht tat es ihm ja mal gut. Eine Pause von Allem hier. Ich hätte auch gerne eine Pause. Eine Pause davon ich zu sein. "Wohin fahrt ihr eigentlich?", fragte ich leise und schob mir ein kleines Stück Pancake in den Mund. Verdammt war das köstlich. Ben brummte nur und zuckte mit den Schultern. "Amy meinte nur, dass es eine Überraschung ist!" Ich verkniff mir ein Augenrollen, und brummte verstehend. Ich hasste Überraschungen. Und Ben ebenfalls. Er hatte gerne alles unter Kontrolle und wollte immer auf alles vorbereitet sein. Ich denke als Feuerwehrmann, werden diese Eigenschaften automatisch antrainiert. "Das klingt... spaßig!", murmelte ich und hoffte, dass ich den Sarkasmus, der sich in meine Stimme schleichen wollte, erfolgreich herunterschlucken konnte. Ben sah auf und musterte mich schmunzelnd. Und damit war das Thema Amy für heute abgehakt. Wir verschlangen die Pancakes und ich lauschte Bens, übertrieben actiongeladenen, Erzählungen über die Feuerwehrübung der letzten Nacht. Er wusste wie er mich zum Lachen bringen konnte. Und ich lachte herzhaft. So herzhaft, dass mein Bauch schmerzte und meine Wangen rot glühten. Nach dem Frühstück ging ich beschwingt ins Bad, um mich für die Uni fertig zu machen. Gatsby trottete mir treu hinterher und legte sich vor die Badezimmertür. Ich stand vor dem Spiegel und sah in mein Spiegelbild. Das war einer der Aufgaben, die mir Dr. Hard aufgegeben hatte. Ich sollte mich jeden Tag meinen Ängsten stellen. Wenn ich das schaffen würde, würden auch irgendwann die Panikattacken verschwinden. Ich hasste Spiegel nicht, weil ich mich durch die Narben, die der Unfall mit sich gebracht hatte, nicht mehr schön fand. "Schön" war für mich ein dehnbarer Begriff. Mir gehörte die alte und verbeulte Polaroid-Kamera meines Vaters, die ich immer mit mir herumtrug. Sie war das Wertvollste und Schönste was ich besaß. Meine Abneigung gegenüber Spiegeln hatte nichts mit Eitelkeit zu tun, sondern eher mit Erinnerungen. Die Narben erinnerten mich permanent an meinen Vater. Meinen Vater der tot war. Meinetwegen. Die Narben erinnerten mich an die Schmerzen, die ich durch die ganzen Operationen und in der Reha erdulden musste. Es gab Zeiten, da habe ich mein Spiegelbild nicht ertragen, ich habe Spiegel wütend zerschlagen, oder sie unter dicken Decken versteckt. Doch ich wollte an mir arbeiten. Ich wollte, dass es mir gut ging. Ich wollte mein Leben leben. Und ich wollte, dass Ben es durch mich nicht immer schwerer hatte. "Wo bleibst du denn? Wir müssen los!", rief Ben und ich schreckte aus meinen Gedanken. "Bin gleich so weit!", rief ich mit schriller Stimme zurück und beeilte mich. Es war Zeit für die Uni. Schnell zog ich mich an und schnappte mir meinen Rucksack. Ich sah schnell hinein, um sicher zu gehen, dass ich alles eingepackt hatte, schwang ihn mir um die Schulter und leinte Gatsby an. Ben wartete bereits mit einer Lunchtüte auf mich. "Du musst das echt nicht mehr machen! Ich bin wirklich zu alt für sowas!", murmelte ich verlegen, griff aber trotzdem nach der Tüte. Bens Essen schmeckte, im Vergleich zu dem Zeug, das es in der Mensa gab, einfach köstlich. Ben winkte ab. "Du bist meine kleine Schwester. Und das wirst du immer sein, egal wie alt du bist!", zwinkerte er mir zu, und schob mich sanft nach draußen. Anscheint waren wir spät dran. Seufzend kletterte ich in seinen Jeep und Gatsby sprang neben mich. Ich kraulte ihm sein Ohr, was er mir dankte, indem er mir die Wange ableckte. Ich lachte. Ich wollte gerade die Jeeptür schließen, als eine fremde Hand die Tür packte und mich daran hinderte. Ich zuckte vor Schreck zusammen und Gatsby bellte sofort. "Oh, hab ich dich erschreckt? Das tut mir leid!", hörte ich eine Männerstimme sagen. Ich blinzelte gegen das Sonnenlicht und erkannte einen jungen Mann. Dunkelrotes Haar funkelte in der Sonne und glasblaue Augen schienen mich zu durchbohren. Ich schauderte. Meine Nackenhärchen stellten sich auf, und ich wich instinktiv zurück. Gatsby knurrte. "Ruhig alter Junge!", hörte ich Ben sagen, als er neben den Fremden trat. Er musterte ihn argwöhnisch. "Kann ich Ihnen helfen?", brummte Ben und musterte die Hand des Fremden, die immer noch die Jeeptür umklammert hielt. "Oh Entschuldigung. Ich sah euch beide nur gerade, und ich dachte ich sag schnell Hallo! Ich bin Tobi. Josie ist meine Tante und ich zieh für eine Weile hier ein, um das Haus zu hüten! Sie hat mir schon so viel über Euch erzählt! Es freut mich wirklich sehr, euch beide mal in Natura zu sehen.", plapperte Tobi munter drauflos und schüttelte Bens Hand sehr euphorisch. Ich konnte deutlich sehen wie sich Bens Muskeln entspannten. "Achso! Freut mich Tobi. Wir haben gerade leider keine Zeit, aber wie wäre es heute Abend? Komm einfach auf ein Bier vorbei!", lächelte Ben freundlich und schloss die Beifahrertür des Jeeps. Gatsby winselte. Ich streichelte ihn, lauschte aber weiterhin den, durch das Glas dumpf klingenden, Männerstimmen. Tobi. In meinem Hirn ratterte es. Josie hatte öfter über einen Tobi erzählt. Ich glaube er war Autor. Kein besonders guter, wenn man Josies Erzählungen trauen durfte. Ich hatte ihn mir aber irgendwie anders vorgestellt. Wie einen gepeinigten, unglücklichen Künstler mit verwuscheltem Vollbart, fleckigem Shirt und einer angedeuteten Plauze. Nicht so stark und gänsehauterregend. Ich sah, wie sich die beiden Männer verabschiedeten und verfolgte Ben mit den Augen als er um das Auto ging und auf den Fahrersitz kletterte. Ben startete den Motor und drehte das Radio auf. Ich ließ das Fenster herunter und sofort steckte Gatsby freudig den Kopf heraus. Ich schmunzelte und kraulte weiter sein Fell. "Was hältst du von dem?", fragte ich ihn und genoss den angenehmen Wind in meinem Haar. Ben zuckte nur mit den Schultern und fuhr auf die Road 101. "Er ist halt für die nächsten paar Wochen unser Nachbar. Da muss ich nicht groß was von ihm halten!", brummte er, und warf mir kurz einen fragenden Blick zu. "Mmmh!", machte ich nur und pulte an Gatsbys Leine. Ben seufzte tief. "Ach Rosie! Der Typ ist in ein paar Wochen wieder weg. Ich denke Dr. Hard sagt dir immer, dass du aufgeschlossener gegenüber Veränderung sein sollst. Nicht alle Veränderungen sind schlecht. Wer weiß... vielleicht freundet ihr euch an." Ich versuchte ihm nicht zu widersprechen. Ich hatte schon viel zu oft die Erfahrung gemacht, dass Veränderungen nicht gut waren. Die aktuellste Veränderung, namens Amy war nur ein Paradebeispiel. "Vergiss nicht, dass du nach der Uni zur Physio musst!", erinnerte Ben mich und tätschelte aufmunternd mein Knie. Ich hasste die Physiotherapie. Obwohl Hass vielleicht zu stark ausgedrückt war. Ich fand sie lästig. Aber der Arzt war der Ansicht, dass ich sie noch brauchte. "Ich hol dich dann direkt da ab. Ich versuche dieses Mal pünktlich zu sein. Sollte ich gerade auf einem Einsatz sein, schreib ich dir und du kommst direkt zur Wache!", erklärte er und ich nickte wissend. Diesen Satz sagte er jeden zweiten Tag. Ich spürte seinen Blick auf mir, aber ich starrte starr auf meine Hände. Ben drehte das Radio noch lauter auf und begann absichtlich schief mitzusingen, wodurch Gatsby anfing zu jaulen. Ich versuchte nicht zu lachen. Aber das hielt ich nicht lange aus. "Lern schön!", grinste Ben, als er mich an der Uni raus ließ. Ich schnitt amüsiert eine Grimasse und winkte ihm zum Abschied. Ich sah seinem Auto kurz hinterher und zuckte nicht zusammen, als sich ein Arm locker um meine Schultern legte. Ich erkannte das aufdringliche, süßliche Aftershave sofort. "Schade, dass dein Bruder schon vom Markt ist!", schmachtete Sally sehnsuchtsvoll, und sah ebenfalls in die Ferne. Ich kicherte und zwickte ihm in die Seite. "Ich dachte du stehst nicht auf alte Typen!", lachte ich, und Sally mustere mich amüsiert. "Dein Bruder ist heiß. Da ist das Alter egal!", tat er mit einer Handbewegung ab, und bückte sich um Gatsby ausführlich zu begrüßen. "Sag mal... kann ich am Wochenende bei dir pennen?", fragte ich und ging langsam Richtung Kunstgebäude. Sally kramte nebenbei in seiner Jackentasche herum. Er suchte seine E-Zigarette. Das war sein Versuch, sich die herkömmlichen Zigaretten abzugewöhnen und einen kleinen Augenblick später roch es auch schon nach Gummibärchen. Erst nach einem langen und von einem wohligen Seufzen begleiteten Zug, sah Sally mich wieder an. "Klar! Gibt es einen bestimmten Anlass?", grinste Sally und fuhr sich durch seine blauen Haare. "Amy will mit Ben wegfahren... und ich dachte... dass wir dann zusammen was machen könnten!", schlug ich vor und sah ihn fragend an. Ich wollte nicht zugeben, dass ich zu ängstlich war, um mit meinen 25 Jahren allein zuhause zu bleiben. Sally kannte meine Geschichte und konnte sich seinen Teil denken. Er nickte, und musterte mich kurz stirnrunzelnd. Verlegen senkte ich den Blick. "Welche Schuhgröße hast du nochmal?", grinste er und nahm noch einen tiefen Zug von der E-Zigarette. Ich sah ihn verständnislos an. "Hä?", machte ich schlau und strich mir eine Strähne hinters Ohr. Bereits jetzt rächte es sich, dass ich mich heute Morgen nicht mehr um meine widerspenstigen Haare gekümmert hatte. "Eric hat sich gestern den Knöchel verstaucht. Deswegen muss ich jetzt die Wochenendtouren machen! Und ich denke, du willst nicht den ganzen Samstag meinem Dad zusehen, wie er grimmig den Zaun flickt.", erklärte Sally und blies mir den Gummibärchenrauch ins Gesicht. Ich rümpfte die Nase. "Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist!", murmelte ich und senkte den Blick. "Rose! Jetzt zieh deinen Kopf aus dem Arsch und trau dich was! Du kriegst Butterblume! Mit dem Gaul bringt Eric kleinen Vorschülern das Reiten bei. Das tut keiner Fliege was zu leide. Und du musst mir einfach nur hinterher reiten." Ich sah Sally kurz in die Augen. Ich war schon öfter auf der Ranch seiner Eltern geritten. Aber immer nur auf der Weide. Während Sally das Pferd führte. Ich atmete einmal tief durch, und ermahnte mich innerlich, mich meiner Angst zu stellen. "38!", seufzte ich ergeben und öffnete die Tür zum Aktsaal. "Geht doch!", freute sich Sally, während wir uns auf unsere Stammsitze fallen ließen. Ich kramte aus meinem Rucksack meinen Zeichenblock heraus und stellte diesen auf die Staffelei. Gatsby gähnte herzhaft und legte sich breitbeinig unter meinem Stuhl. Ich tätschelte ihn kurz und suchte meine Kohlestifte. "Soll ich dich dann morgen nach der Uni direkt mitnehmen? Meine Mom würde sich freuen. Eine Person mehr die sie bekochen kann!", grinste Sally und klaute, mit einem frechen Lächeln auf den Lippen, den Kohlestift aus meiner Hand. Ich rollte mit den Augen und zog meinen Ersatzstift aus der Tasche. Ich war immer auf alles vorbereitet. Es war keine Zwangsstörung. Vielleicht eine leichte Neigung zu einer beginnenden Zwangsstörung, aber ich fühlte mich halt sicherer, wenn ich wirklich auf alles und jeden vorbereitet war. Vielleicht hatte Ben über die Jahre etwas auf mich abgefärbt. "Ich weiß nicht. Ben hat sich nur wage ausgedrückt. Aber ich sag mal ja!", seufzte ich. Bei der Erwähnung von Bens Namen, fiel mir wieder ein, dass ich ihm ja wegen dem Wochenende Bescheid geben wollte. Ich fummelte mein Handy aus der Hosentasche und tippte schnelle eine Nachricht. "Hoffentlich kriegen wir heute Kyle als Model!", raunte Sally vorfreudig und sah erwartungsvoll zur Eingangstür. Ich konnte ein Kichern nicht unterdrücken. "Meinst du denn, dass du heute seine Nummer kriegst?", fragte ich amüsiert und folgte Sallys Blick. Der Saal füllte sich langsam mit Studenten und das Stimmengewirr vermischte sich zu einem Summen. Es klingelte und Professor Hanks betrat mit Kyle den Raum. Ich hörte Sally sehnsuchtsvoll schmachten und ich schüttelte belustigt den Kopf. Da ich wusste, dass Sally jetzt jede Bewegung, Geste und jeden Blick Kyles kommentieren würde, schob ich mir die Hörer meines iPods in die Ohren und drehte die Musik auf. Beim Zeichnen brauchte ich immer Musik, weil ich es sonst nicht schaffte, den Kopf abzuschalten und meine Hände das tun zu lassen, was sie am besten konnten. Die Stunde verging wie im Flug. Meine Hände waren pechschwarz von der Kohle und als ich neben mich sah, war Sallys Platz leer. Ich runzelte die Stirn und zog mir die Kopfhörer aus den Ohren. Ich sah mich suchend um. Im Saal herrschte Unruhe, weil die Stunde sich dem Ende neigte, und sich die meisten schon zum Gehen bereit machten. Das erschwerte meine Suche. Doch noch ehe ich Sally in dem Gewirr aus Menschen ausmachen konnte, trat Professor Hanks neben mich und blätterte durch meine Skizzen. Er nickte stolz. "Weiter so!", knurrte er mit rauchiger Stimme und machte ein Häkchen auf seinem Klemmbrett. "Hier die neue Hausarbeit. Abgabe in drei Wochen!", murmelte er und drückte mir ein Stück Papier in die Hand. Ich bedankte mich. Er legte auch einen Zettel auf Sallys leeren Platz und ging in die nächste Reihe. Ich stand auf und begann meine Sachen zusammenzupacken, als Sally neben mich sprang, mich fest drückte und mir einen feuchten Schmatzer auf die Wange drückte. "Bah! Womit hab ich den denn verdient?", brummte ich und wischte mir angeekelt über die Wange, während Sally beschwingt um mich herum tänzelte. Ich zog eine Augenbraue hoch. Dass er sich seltsam benahm, entsprach ja eigentlich der Norm. Aber das war jetzt wirklich untypisch. "Ich habe seine Nummer!", zwitscherte er mit leuchtenden Augen und hielt sein Handy hoch, wo die eingespeicherte Nummer auf dem Display leuchtete. Ich musste leise auflachen. Ich freute mich für ihn. "WOOOW! Hat ja nur drei Jahre gedauert!", gluckste ich und packte meine Sachen in den Rucksack. Doch Sally schien mich nicht zu hören. Er war abgehoben. Auf Wolke sieben. Den gesamten Vormittag hatten Sally und ich zusammen Kurse. In der Mittagspause fuhren wir zum Strand, zogen unsere Schuhe aus und setzten uns in den warmen Sand, während Gatsby einem Stock im Meer hinterherjagte. Meine Haare wehten im Wind und ich ließ mich erschöpft zurückfallen. Ich schloss die Augen und genoss die warme Sonne auf meiner Haut. Sally tat es mir gleich, während wir uns schweigend Bens Lunchpaket teilten. "Jetzt brauchen wir nur noch einen Kerl für dich und dann können wir auf Doppeldates gehen!", seufzte Sally plötzlich und ich blinzelte verwirrt. "Hast du dich denn schon mit Kyle verabredet?", fragte ich leise und Sally schüttelte den Kopf. "Was nicht ist, kann ja noch werden!", grinste er siegessicher und wippte mit den Augenbrauen. Ich lachte auf und rollte mich auf die Seite um ihn besser ansehen zu können. "Oh ja! Vielleicht in den nächsten drei Jahren!!, ärgerte ich ihn und Sally schnippte mir gegen den Bauch, wodurch ich wieder kichern musste. "Lenk nicht ab! Ich weiß aus sicherer Quelle das Noah Williams auf dich steht. Und ich dachte du würdest dich mit einem Doppeldate wohler fühlen!", erklärte Sally plötzlich ungewöhnlich ernst und sah mir fest in die Augen. Ich wich seinem Blick aus. Davon hörte ich zum ersten Mal. Ich kannte zwar Noah Williams, aber nur vom Namen her. Er war der Star-Pitcher der Universität. Ich hatte in den letzten drei Jahren vielleicht zwei Worte mit ihm gewechselt, weil wir den gleichen Philosophiekurs besuchten. Und da ich mich nicht für Sport interessierte, war ich auch nie bei den Spielen dabei gewesen. "Wer?", tat ich unwissend, und malte mit meinem Finger kleine Muster in den feinen Sand. Ich konnte Sallys Augenrollen förmlich spüren. "Du weißt genau wer Noah Fucking Williams ist!", murrte Sally und wischte über die Muster, die ich in den Sand gemalt hatte. Ich hob trotzig den Kopf. "Nur weil ich weiß wer er ist, und er angeblich auf mich steht, heißt das nicht, dass ich mich mit ihm verabreden muss!", brummte ich. Ich hatte keine Lust auf dieses Thema und funkelte ihn deswegen böse an. Ein Warnung, dass er gleich zu weit gehen würde, wenn er nicht aufhörte. "Ich sag ja nicht, dass du ihn heiraten sollst!", seufzte Sally, in einem versöhnlicheren Ton. "Ehrlich gesagt, hab ich Schiss es mit Kyle gleich beim ersten Date zu verkacken... und ich dachte in einer Gruppe von vier Leuten wäre es nicht so gezwungen! Und weil Noah einen Blick auf dich geworfen hat, wären das zwei Fliegen mit einer Klappe!", erklärte er und ich zog die Stirn in Falten, während ich ihn mustere. War er etwa nervös? Ich hatte Sally in den letzten drei Jahren nicht einmal nervös oder gar unsicher erlebt. Und dann erkannte ich es. Ich musste wirklich blind gewesen sein. "Du magst ihn wirklich, oder?", flüsterte ich und ich sah wie sich Sallys Wangen leicht rosa färbten, bevor er nickte. "Maaaaan. Als beste Freundin kann ich ja jetzt schlecht nein sagen!", gab ich quengelnd nach und Sally sah mich strahlend an. "Ist das also ein 'Ja'?", fragte er grinsend und ich nickte. Na da hatte ich mir ja was eingebrockt. Aber Sally war mein bester Freund und ich wollte, dass er glücklich war. Und wenn das hieß, dass ich einen Abend die Anwesenheit von Noah Fucking Williams ertragen musste, war das ein Preis den ich gerne gewillt war zu zahlen. Ich stand auf und schnappte mir Dads alte Polaroidkamera. Ich ging zum Meer und fühlte die angenehmen kühlen Wellen um meine Füße. Ich warf Gatsbys Stock wieder ins Wasser, welchen er bellend verfolgte. Ich sah mich kurz um, und nahm die Umgebung in mich auf. Die Sonne glitzerte auf dem Wasser und die feinen Wassertropfen, die vom Wind fortgelockt wurden, reflektierten die bunten Farben des Regenbogens. Ich hob die Kamera an mein Auge, und kurz bevor Gatsby zu mir aus dem Wasser sprang, drückte ich auf den Auslöser. Ich steckte das Polaroid, welches summend aus der Kamera schoss, in meine Hemdtasche und lächelte zufrieden. "Na komm, alter Junge! Langsam müssen wir zurück!", winkte ich meinen Hund zu mir heran, welcher sich vor mich stellte und sich das Wasser aus dem kurzen Fell schüttelte. Ich quiekte amüsiert auf und lief schnell zu Sally zurück, der schon wieder am Handy hing. Bestimmt schrieb er mit Kyle. Der restliche Nachmittag verlief gewöhnlich und erwartungsgemäß ereignislos. Ich hatte meine Architekturkurse, während Sally Darstellende Kunst und Schauspiel belegt hatte. Mein letzter Kurs, mein geliebter Philosophie-Grundkurs fiel heute kurzfristig aus und ich setzte mich auf den Campus in den Schatten eines Baumes. Gatsby legte sich neben mich und während ich ihn kraulte, begann er leise zu schnarchen. Irgendwie war ich froh gewesen, dass der Kurs heute ausfiel. Ich wusste nämlich nicht, wie eilig es Sally mit diesem zwanglosen Doppeldate hatte und falls Noah mich heute darauf angesprochen hätte, hätte ich nicht gewusst was ich hätte sagen oder wie ich hätte reagieren sollen. Ich war nicht gut in solchen Dingen. Und der Ausdruck "nicht gut" war schon nett formuliert und positiv ausgeschmückt. Vielleicht sollte ich das das nächste Mal mit Dr. Hard besprechen. Ich holte einen Apfel und den Zettel vom Aktunterricht von heute Morgen aus meiner Tasche. Während ich den Zettel mit der neuen Hausarbeitsaufgabe überflog, biss ich herzhaft in das süße Obst und schmatzte ungeniert. Ich kam nur bis zum zweiten Satz, als ein dunkler Schatten auf mein Blatt fiel. Ich sah auf und wurde sofort bleich. Ich sah direkt in das schief grinsende Gesicht von Noah Fucking Williams. Anscheinend war mir mein Karma heute nicht besonders wohlgesonnen. Ich starrte ihn nur an, während ich laut das Stück Apfel herunterschluckte und versuchte nicht zu husten. "Hi!", grinste er und schob sich den Schirm seiner Basecap nach hinten. "Äh... hey!", gab ich mit kratziger Stimme von mir, senkte den Blick und starrte wieder auf mein Blatt Papier. Er setzte sich dicht neben mich, sodass sein Körper gegen meine Seite drückte. Ich fand das unangenehm und lehnte mich leicht weg. "Philosophie fällt doch jetzt aus, wieso gehst du nicht nach Hause?", fragte er munter und ich sah ihn kurz verwundert an. So viel hatten wir das ganze letzte Jahr nicht miteinander geredet. Unbewusst ahnte ich, dass Sally da seine Finger im Spiel hatte. Anscheint konnte er es kaum erwarten mit Kyle auszugehen. Verdammt. "Das Gleiche könnte ich dich auch fragen!", murmelte ich ausweichend und starrte weiter auf das Arbeitsblatt. Nervös kraulte ich Gatsby, welcher nur ein müdes Gähnen von sich gab. Noah lachte. "Ich habe gleich noch Training. Da lohnt es sich nicht nochmal nach Hause zu fahren!", erklärte er und ich nickte. Ich überlegte angestrengt, wie ich mich höflich verabschieden könnte, ohne ihn vorm Kopf zu stoßen und das zukünftige Date nicht platzen zu lassen. Nur weil ich Sally versprochen hatte, einen Abend mitzuspielen, hieß das noch lange nicht, dass ich auch meine Freizeit mit Noah verbringen wollte. Er war zwar hübsch anzusehen: Dunkelbraunes Haar, bronzene Augen und ein durchtrainierter Körper. Aber mehr war da nicht. Er war nur eine hübsche Hülle, die talentiert in einer beliebten Sportart war. Ihm fehlte es irgendwie an Tiefe. Und das störte mich. "Wenn du Lust hast, kannst du mir gern zugucken! Vielleicht bringst du mir ja Glück!", brummte er charmant mit seiner tiefen Stimme, welche mich unangenehm schaudern ließ. "Du hast doch gar kein Glück nötig!", lachte ich nervös und hoffte, dass er endlich gehen würde. Noah winkte sichtlich gerührt ab. "Was hast du da?", fragte er und ehe ich mich versah schnappte er sich mein Arbeitsblatt. Als er es überflog lachte er laut auf. "Du hast den Aktkurs beim schrulligen Hanks belegt. Das hätte ich dir gar nicht zugetraut!", gluckste er hohl und ich zog meine Augenbrauen vor Skepsis und Ärger so weit nach oben, dass sie fast meinen Haaransatz berührten. "Was meinst du damit?!", knurrte ich und schnappte nach dem Blatt. Doch Noah ahnte was ich vorhatte und hielt das Blatt mit ausgestrecktem Arm von mir weg, sodass ich nicht mehr herankam, ohne mich auf ihn zu stürzen. Ich schnaubte verärgert. Er lachte und zuckte mit den Schultern. "Du wirkst halt sehr... brav. Nicht wie jemand, der sich jeden Tag nackte Leute anguckt!", schmunzelte er und zwinkerte. Ich sah ihn verständnislos an. Wie sahen denn Leute aus, die sich gerne nackte Leute ansahen? "Brauchst du Hilfe bei der Hausarbeit? Ich biete mich gerne als Model an!", grinste er und legte einen Arm um mich, um mich dichter an sich zu drücken. Der scharfe Geruch seines Aftershaves stieg mir in die Nase und seine Körperwärme schien mich zu verbrennen. Ich versteifte mich sofort und schüttelte seinen Arm ab, während ich aufsprang, meinen Rucksack packte und losmarschierte. Auch Gatsby sprang überrascht auf und folgte mir schnell. Ich hörte zwar das Noah Fucking Williams mir hinterherrief, aber ich verstand nicht was. Und ich wollte es auch nicht wissen. In meinen Ohren rauschte es so laut, dass ich glaubte mein Kopf würde gleich explodieren. Ich wusste nicht wohin meine Füße mich trugen, bis ich vor dem Uni-Theater stand. Mit funkelndem Blick begegnete ich der große Doppelflügeltür und stapfte die Treppe hoch. Hoffentlich stand Sally gerade nicht auf der Bühne. Ich hatte Glück. Er saß im Schneidersitz hinter der Bühne in einer einsamen Ecke und las in einem Skript, während er leicht die Lippen beim Lesen bewegte. "Was hast du ihm erzählt?", fuhr ich ihn sauer an. Er sah überrascht auf und lächelte mich an. "Auch hallo! Schwänzt du etwa?", grinste er ungläubig und in seinem Blick flackerte Stolz auf. Er hielt mir ständig Predigten darüber, dass ich mal Regeln brechen und das Leben mehr genießen solle. Er war ein wandelnder Glückskeks. Ich wischte seine Worte mit einer Handbewegung weg. "Was hast du Noah Fucking Williams erzählt, dass er herumstolziert, wie ein geiler Gockel?", fuhr ich ihn wieder an, und Gatsby bellte, was meinen Worten noch mehr wütenden Ausdruck verlieh. "Geiler Gockel?", lachte Sally und legte sein Skript weg. "Komm mal wieder runter Rosie! Ich habe lediglich angedeutet, dass du ihm gegenüber nicht abgeneigt wärst! Mehr nicht! Du warst doch mit der Verabredung einverstanden!", seufzte er und strich sich durchs Haar. Er verstand mich nicht. In solchen Dingen, ich nenne sie mal Liebesangelegenheiten, stießen wir immer aneinander. Er ging damit für gewöhnlich sehr locker und unbekümmert um und hatte auch kein Problem damit, mit Kerlen in die Kiste zu springen und sie am nächsten Tag nie wieder zu sehen. Für mich war das unvorstellbar. Ich wollte das, was meine Eltern gehabt haben. Zwar war mir nicht das Glück vergönnt gewesen, meine Mutter kennenzulernen, aber wenn Dad mir Geschichten von ihr und ihm erzählt hatte, hatte man die Liebe, die er immer noch für sie empfunden hatte, in seiner Stimme gehört, in seinem Blick gesehen und in seinen Erzählungen gespürt. Es war echt gewesen. War es denn so falsch etwas "Echtes" zu wollen? "Ich habe nur zugesagt dir einen Gefallen zu tun. Nicht, dass ich mich auf Noah einlassen würde!", widersprach ich und verschränkte die Arme. "Rose! Ich musste ihm doch Hoffnung machen. Sonst will er vielleicht nicht mitkommen!", erklärte er augenrollend und ich schnaubte. Ich zog verärgert die Augenbrauen zusammen, da ich mir gut vorstellen konnte, auf was er ihm Hoffnung gemacht hatte. Ich schnappte mir seinen Rucksack und kramte nach dem Akt-Arbeitsblatt. Meins hatte ja immer noch der geile Gockel. Ich fand es und stopfte es in meine Tasche. "Du musst mich nicht mehr zu Physio fahren! Ich gehe selber!", brummte ich und schnalzte mit der Zunge, damit Gatsby wusste, dass wir aufbrachen. "Warte Rose! Jetzt sei doch nicht sauer!", hörte ich ihn sagen, als ich die Tür zuknallte. Es hatte einen guten Grund, dass Sally mich sonst immer zur Physiotherapie fuhr. Die Praxis lag fast am anderen Ende von Los Angeles, und wurde von dem renommiertesten Physiotherapeuten der Stadt geführt. Er hatte schon so manche Berühmtheiten und Sportlegenden zusammengeflickt, was durch die gerahmten und unterzeichneten Bilder von Prominenten in seinem Wartezimmer unterstrichen wurde. Und da Ben für meine Gesundheit nur das Beste akzeptierte, war ich dort Stammpatientin. Es waren vier muffige Busse und ein halbstündiger Fußmarsch nötig, bis ich endlich an der Praxis ankam. Ich zog mein Hemd aus, wischte mir damit den Schweiß von der Stirn und band es mir dann um die Hüfte. Dabei fiel mein Blick auf einen sehr großen blauen Truck mit aufgemalten weißen und orangenen Flammen. Der blaue Lack glitzerte aufgeregt in der Sonne und ich stellte mich dichter an das Auto. Es war monströs. Gatsby schnupperte neugierig an einem der Vorderreifen und ohne darüber nachzudenken, zückte ich meine Polaroidkamera und hielt diesen Moment fest. Mir gefiel der Truck. Er war anders und stach hervor. Ich war neugierig, wie es sich wohl anfühlen würde, sich in den breiten Sitz zurückzulehnen, auf die Dächer der anderen langweiligen Autos zu schauen und den brausenden Wind in meinen Haaren zu spüren. Ich schüttelte leicht den Kopf um den Tagtraum abzuschütteln. Schnell sah ich auf mein Handy und atmete erleichtert auf. Ich war noch nicht zu spät. Ich eilte die Treppe hinauf und stopfte dabei das Foto und die Kamera in meinen Rucksack. Am Empfang wurde ich direkt von Anna, der Sprechstundenhilfe, mit einem breiten Lächeln begrüßt. "Hallo Rose! Heute bist du aber früh dran!", grinste sie und ihre Augen leuchteten fröhlich. Ich nickte nur und rang mir ein halbes Lächeln ab. "Aiden hat gerade noch einen Notfall-Patienten. Setz dich noch ein paar Minuten ins Wartezimmer, okay?", gurrte sie. Ich nickte und versuchte mich wieder an einem richtigen Lächeln. Sie konnte ja nichts dafür, dass ich keinen guten Tag hatte. Doch statt ins Wartezimmer zu gehen, verschwand ich erst auf die Toilette. Ich drehte den Wasserhahn auf und klatschte mir so viel kaltes Wasser ins Gesicht, dass mir eisige Wasserperlen über meinen Hals in meinem Dekolleté rollten und schließlich von meinem Tanktop aufgesaugt wurden. Gatsby sprang mit den Vorderpfoten aufs Waschbecken und schlabberte genüsslich am laufenden Wasserhahn. Ich schmunzelte und strich ihm sanft über die Ohren. Ich nahm eins der eingerollten Handtücher, die neben dem Waschbecken in kleinen perfekten Pyramiden gestapelt waren und trocknete damit mein Gesicht. Das Handtuch roch angenehm nach Zitronen. Das stetig vibrierende Handy in meiner Hosentasche ignorierte ich. Ich wusste, dass es Sally war. Aber es war besser, wenn ich jetzt nicht mit ihm sprach. Sonst würde ich noch Dinge sagen, die ich morgen bereuen würde. Gatsby ließ sich wieder auf den Boden fallen und leckte sich über das nasse Maul. Ich drehte den Wasserhahn zu und sah nur so lange in den Spiegel wie nötig, um zu überprüfen, dass ich nicht mehr so verschwitzt aussah, wie ich mich fühlte. Ein paar Strähnen, die nass geworden waren, kräuselten sich, meine Wangen glühten und mein Tanktop klebte mir an der Haut. Ich seufzte und zuckte mit den Schultern. Resigniert schob ich mich aus der Toilette und ging ins Wartezimmer. Ich wäre fast auf der Türschwelle verwundert stehen geblieben, als ich einen Kerl mit schräger Wollmütze sah. Er hielt sich sein Handy vor die Nase und sprach mit verstellter Stimme in die Handykamera, während er eine verstörende Grimasse schnitt. Ich runzelte die Stirn und musterte ihn kurz argwöhnisch. Als er sein Handy sinken ließ und mich direkt ansah, fuhr ich ertappt zusammen und setzte mich schnell auf den, von ihm am weit entferntesten Platz. Gatsby folgte mir schwanzwedelnd und hüpfte auf den leeren Sitz neben mir. Schweigen. Betretenes Schweigen. Er und ich waren die einzigen im Wartezimmer. Zu hören war nur Gatsbys Hecheln. Ich traute mich noch nicht mal, nach meinem Buch in meinem Rucksack zu greifen, aus Angst es würde zu viel Lärm machen. Verstohlen sah ich zu dem Fremden herüber. Mein Blick glitt über die schrillpinke Wollmütze, zu seinen gesenkten Augen, die er wieder auf sein Handy gerichtet hatte, hinunter zu seinem buschigen Bart, weiter zu seinem weißen, löchrigem Tanktop, dessen Aufdruck ich nicht erkennen konnte, weiter zu seinen großen, kräftigen Händen, mit denen er flink auf dem Handy herumtippte, bis zu seiner knallroten Bauchtasche. Weiter kam ich nicht, da er aufschaute und ich reflexartig eilig woanders hinsah. Ich spürte wie meine Wangen heiß wurden und hoffte, er hatte nicht bemerkt wie ich ihn angestarrt hatte. Ich ließ meinen Blick über die gerahmten Bilder schweifen und versuchte mich krampfhaft daran zu hindern, wieder zu dem Typen zu gucken. Er summte etwas und ich spitzte die Ohren. Die Melodie erkannte ich zwar nicht, doch seine Stimme klang schön. Sehr tief und kräftig. "Beißt der mich, wenn ich ihn streichel?", erklang seine melodische Stimme und mein Kopf fuhr zum wollmützigen Fremden herum. Ich schluckte und sah kurz zwischen ihm und Gatsby hin und her. Dann schüttelte ich den Kopf. Er grinste und sah mir direkt in die Augen, als er aufstand und sich vor mir und Gatsby hinkniete. Seine Augen bohrten sich förmlich in meine und ich hatte das Gefühl, er würde direkt in mich hineinsehen. Die Intensität seines Blickes raubte mir für einen Moment den Atem, und ich war froh dass ich saß und nicht umkippen konnte. Ich konnte meinen Blick nicht von seinen großen Augen lösen. Sie waren von einem klaren und leuchtenden Blau. Ich musste sofort an große, klare Gletscher in der Antarktis denken, die majestätisch durch das dunkle Blau des Meeres glitten. Gänsehaut erfasste mich. Lange, dunkle Wimpern umrahmten seine faszinierenden Augen und ich hätte am liebsten meine Kamera gezückt. Doch ich widerstand dem Drang, und biss mir auf die Unterlippe. Gatsby begann aufgeregt an der Hand des Fremden zu schnüffeln. Als er anfing diese freundlich abzulecken, lachte der Fremde auf und traute sich ihn zu streicheln. Ich beobachtete das still und war froh, dass die Aufmerksamkeit des Unbekannten nun Gatsby galt und nicht mehr mir. Das gab mir Zeit, mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich spürte, wie meine Wangen regelmäßig warm pulsierten und ich wischte mir unauffällig die schwitzigen Hände an meiner Hose ab. Was war denn nur los mit mir? Gletscher die durchs Meer glitten? Hatte ich das wirklich gerade gedacht? Das klang so kitschig, dass ich mich am liebsten in die große Zimmerpflanze neben mir übergeben hätte. "Wie heißt er?", grinste der Fremde und begann in einer albernen Babysprache mit Gatsby zu reden, was dieser leise bellend kommentierte. "Gatsby!", nuschelte ich und rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her. Vielleicht hatte ich mir ja auf dem langen Weg hier her, einen Sonnenstich eingefangen. "Nach dem Buch oder dem Film?", grinste er und kraulte Gatsby den Bauch. Ich sah den beiden kurz zu, ehe ich die Stirn runzelte. "Film?", fragte ich und zuckte ungeschickt mit den Schultern. Mein Bruder und ich waren beide keine großen Filmliebhaber. Wir hatten zwar einen Fernseher zuhause, aber den nutzten wir ausschließlich nur dann, wenn ein Football-Spiel lief und wir die Jungs von der Wache zu einem leckeren Barbecue eingeladen hatten. "Das beantwortet meine Frage! Ist aber schon ein sehr ungewöhnlicher Name für einen Hund!", grinste er schief und zwinkerte. Diese Kombination veranlasste mein Gesicht dazu, noch heißer zu werden. Ich hatte definitiv einen Sonnenstich. "Daran ist überhaupt nichts ungewöhnlich. Jay Gatsby ist ein intelligenter Charakter, er ist ein gewissenhafter Optimist, er scheut keine harte Arbeit und was er sich vornimmt zu erreichen, das erreicht er auch! Alles gute Eigenschaften für einen Hund!", hörte ich mich sagen, und hätte mir am liebsten die Zunge abgebissen. Statt eins meiner Lieblingsbücher zu verteidigen, hätte ich einfach nicken und lächeln sollen. Dann wäre der Kerl zurück auf seinen Platz gegangen, dass peinliche Schweigen hätte wieder eingesetzt und ich hätte nicht weiter nervös sein müssen. Aber wie immer waren meine Lippen schneller als meine Gedanken. "Naja, wenn man das so sehen will. Man könnte ihn auch als reichen Schnösel deuten, der sich gerne in seinem protzigen Reichtum suhlt, dunklen Geschäften nachgeht und wissentlich eine Ehe zerstören will, für eine Frau die nicht auf ihn gewartet hat. So intelligent klingt das für mich nicht!", erklärte er und ich sah deutlich, wie sich seine Mundwinkel frech verzogen. Seine Augen funkelten förmlich und weil ich mich automatisch zu ihm vorgelehnt hatte, konnte ich jetzt auch kleine, feine türkise Punkte um seine Iris herum erkennen. Kaum wahrnehmbar, und auch nur durch die Sonnenstrahlen, welche durch das Fenster ihren Weg fanden, ans Licht gebracht. Sofort begann ich darüber nachzudenken, welche Acrylfarben ich in welchem Verhältnis mischen musste, um die Intensität seiner Augen auf Leinwand festzuhalten. "Bei so einer Meinung, empfehle ich dringend, das Buch nochmal zu lesen!", seufzte ich und verschränkte die Arme. Er lachte. "Ist sein Spitzname dann auch 'Alter Knabe'?", fragte er amüsiert und gegen meinen Willen musste ich lächeln. "Nur wenn er ganz besonders artig war!", pflichtete ich ihm bei und Gatsby schnaubte fröhlich. Und dann tat der verdammte Kerl es schon wieder. Er sah mir direkt in die Augen. Ich schluckte schwer. Mein Herz musste sich im Rhythmus vertan haben, denn meine Brust zog sich zusammen. Es war ein ungewohntes und komisches Gefühl. Aber irgendwie gut. "Sag mal, was hä-", begann er, wurde aber unterbrochen, als die Tür polternd aufgerissen wurde. Ich zuckte ertappt zusammen und lehnte mich zurück in den Stuhl. "Hey Jared! Wir können! Der Doc hat mich wieder eingerenkt!", brummte ein glatzköpfiger Mann mit muskelbepackten Armen und einem breiten, charmanten Grinsen im Gesicht. Aber das nahm ich nur am Rande wahr. Jared. Der Fremde hatte jetzt einen Namen. Jared. Passte zu ihm. Er sah aus wie ein Jared. Jared erhob sich seufzend und sah mich entschuldigend an. "Okay. Anscheint muss ich los. Vielleicht sehen wir uns ja nochmal hier... dann können wir weiter über den Großen Gatsby diskutieren!", grinste er zwinkernd und ein leichtes Kribbeln fuhr über meine Haut. Ich nickte nur. Ich traute mich nicht den Mund zu öffnen, aus Angst welche Worte meine Lippen formen würden. Stattdessen lächelte ich leicht und winkte, während ich ihm nachschaute. Auf jeden Fall, war es ein sehr intensiver Sonnenstich. Die Tür fiel ins Schloss, und ich merkte erst jetzt, dass ich die Luft angehalten hatte. Gatsby winselte leise. "Hast du etwa auch einen Sonnenstich?", seufzte ich aufmunternd und kraulte ihm den Kopf, als er diesen auf meinen Schoß schob. Ich starrte die geschlossene Tür an. Ich hatte keine Ahnung was gerade passiert war. Aber das war auch nicht mehr wichtig. Schließlich würde ich den Typen nicht wiedersehen. Nein! Ich würde Jared nicht wiedersehen. Bei dieser Erkenntnis zog sich etwas in mir zusammen und ich spürte wie sich ein tiefes Seufzen in meinem Bauch bildete. Vielleicht sollte ich Anna nach einem Kühlakku für meinen erhitzten Kopf fragen. Mit einem Sonnenstich war nicht zu spaßen. Und was anderes war es nicht, was ich gerade fühlte. Bestimmt nicht! Zum Glück blieb mir keine Zeit mehr zum Grübeln, denn Anna kam in den Warteraum und führte mich ins Behandlungszimmer. Ich verzog mich hinter dem Vorhang und begann mir meine Sportsachen anzuziehen. Kaum war ich umgezogen, kam auch schon Aiden herein. Er stellte ein fröhliches mit vielen Zähnen geschmücktes Lächeln zur Schau und war wie immer in Plauderlaune. Das war mir nur recht. Ich ließ ihn reden. Er erwartete nicht, dass ich antwortete und so konnte ich ungestört an klare und leuchtend blaue Augen denken. Augen, die im Licht, wie kostbare Saphire schimmerten. Aiden dehnte meine Beine sehr gründlich, und machte mit mir die üblichen Übungen. Diese taten mal mehr und mal weniger weh. Danach massierte er jedes Bein sehr gewissenhaft, bevor er mir einen Wärmeumschlag anlegte. Alles Routine. Als ich die Praxis verließ, hatte ich das Gefühl, wie auf Wolken zu gehen. Unbeschwert und leicht. Ich fand den Gedanken, dass ich jeden zweiten Tag zum Physiotherapeuten gehen musste, um ein angenehmes Geh-Gefühl zu haben, zwar sehr ernüchternd, aber in diesem Moment war es einfach nur fantastisch. Ich war noch nicht mal ganz aus der Tür heraus, da hörte ich auch schon jemanden hupen. Ben wartete bereits und winkte mir grinsend zu. Ich beschleunigte meine Schritte und hüpfte freudig in den Jeep. Ben drückte mich an sich und strich mir väterlich über den Rücken. "Na Kleine!? Lief bei der Physio alles gut?", fragte er und musterte mich. Ich nickte und klaute ihm schmunzelnd seine Sonnenbrille von der Nase, um sie mir selber aufzusetzen. Er lachte und startete den Motor, während ich mich anschnallte und Gatsby sich zwischen meinen Füßen zusammenrollte. Wenn ich bei Ben war, dann war alles gut. Vergessen war der Streit mit Sally. Vergessen war die aufdringliche Art von Noah Fucking Williams. Doch die saphirblauen Augen waren hartnäckiger und so ertappte ich mich dabei, wie ich immer wieder in Gedanken zu ihnen abdriftete. Es juckte mich in den Fingern sie zu zeichnen. "Und was war in der Uni?", fragte Ben und ich biss mir auf die Unterlippe. Ich entschied mich, ihm nichts von Noah zu erzählen. Das war eine Sache zwischen mir und Sally. Und von der Auseinandersetzung mit Sally konnte ich ihm auch nichts erzählen, weil ich dann befürchten müsste, dass Ben nicht mit Amy wegfahren würde, weil er mich nicht zwingen würde bei Sally zu übernachten, wenn wir uns gerade nicht grün waren. "Ganz gut. Aber Philosophie ist ausgefallen!", antwortete ich neutral und sah aus dem Fenster. Immerhin hatte ich ihn so nicht angelogen. "Und was war bei euch los? Habt ihr arme Jungfern aus brennenden Häusern gerettet?", fragte ich munter grinsend, um das Thema zu wechseln. Es funktionierte. Ben lachte und wuschelte mir verspielt durch die Haare. "Nein! Leider nicht. Keine Jungfrau in Nöten in Sicht. Aber Dexter hat heute Kochdienst. Und sein Essen ist gefährlicher als brennende Infernos!", gluckste er und ich kicherte. "Das heißt wir bestellen uns Pizza?", fragte ich hoffnungsvoll und Ben nickte eifrig. Ich leckte mir hungrig über die Lippen. Als wir auf den Parkplatz der Feuerwehrwache fuhren, lieferten sich Scott und Adam vor dem Feuerwehrauto eine Wasserschlacht. Kaum hatte Ben geparkt, sprang Gatsby aus dem Auto und lief zu den beiden lachenden Männern, um mit seinem weit aufgerissenen Maul den Wasserstrahl aus den Schläuchen aufzufangen. Ich lachte und kletterte umständlich aus dem Jeep. Ich hörte Ben seufzen. Er war der Assistent Chief der Wache und trug dadurch eine große Verantwortung. Und das nicht nur gegenüber seinen Männern. Er setzte seinen strengen Blick auf, den ich persönlich nicht oft zu Gesicht bekam und fixierte damit Scott und Adam, welche sich grinsend entschuldigten und sich wieder schnell der Reinigung des Feuerwehrautos widmeten. Ich winkte den beiden, welche mir freundlich zuzwinkerten. In der Wache wurde ich direkt von James und Ethan begrüßt. Sie saßen angestrengt denkend an einem Schachbrett, auf dem noch viele Figuren standen. Ich verstaute meinen Rucksack in Bens Spind, und schlenderte in die Küche. Im Kühlschrank fand ich eine Cola mit meinem Namen drauf. Freudig nahm ich einen erfrischenden Schluck. Bei diesem warmen Wetter war das genau das Richtige. Mit der Cola in der Hand, machte ich mich auf die Suche nach Roxy. Sie war hier die Sekretärin und Buchhalterin. Ich half ihr regelmäßig mit ein bisschen Papierkram oder grafischen Angelegenheiten, um mir ein bisschen was dazu zu verdienen. So musste ich nicht immer Ben um Geld bitten, wenn ich mir Bücher, Kunstmaterial oder Polaroids kaufen wollte. Außerdem hatte ich dadurch eine gute und sinnvolle Beschäftigung bis Bens Schicht endete und wir nach Hause fahren konnten. "Du könntest heute die Einladungen für den Tag der offenen Tür fertig machen. Die müssen nämlich nächste Woche verschickt werden!", wies Roxy mich freundlich an, als ich sie gefunden hatte. Ich nickte und war dankbar für die produktive Ablenkung. Ich schnappte mir meinen Laptop und setzte mich in den gemütlichen Sessel in Bens Büro. Und während er fleißig Berichte schrieb, gestaltete ich die Einladungen. Ich hatte Roxy gerade die druckfertigen Entwürfe per Mail geschickt, als ein Räuspern die angehnehme Stille durchbrach. Ich sah auf und meine Mundwinkel zogen sich so weit nach unten, dass mein Mund einem umgedrehten "U" glich. Amy. Was wollte sie denn hier? "Hallo Schatz!", flötete Amy, warf gekonnt ihr goldenes Haar über die Schulter und schwebte förmlich zu Ben. Sie ignorierte seinen fragenden Blick und küsste ihn laut schmatzend. Mir stieg bittere Galle hoch. Ich versuchte meinen Brechreiz zu unterdrücken und heftete meinen Blick auf den Bildschirm. Wenn der Kuss schon so eklig klang, wollte ich lieber nicht wissen wie der aussah. Ich hörte, wie sie sich laut ploppend lösten und mein Magen zog sich zusammen. "Was machst du denn hier?", fragte Ben überrascht und hörbar außer Atem. "Ich wollte fragen, ob du endlich alles wegen dem Wochenende geklärt hast?! Oh! Rose! Du bist ja auch hier!", lachte sie mit hoher Stimme und ich zog eine Augenbraue hoch. War ich wirklich so leicht zu übersehen? Ich rang mir ein gemurmeltes "Hi!" ab. "Lässt du mich und Ben kurz allein!", fragte sie gepresst und ich hörte deutlich heraus, dass sie versuchte nicht genervt zu klingen. Ich sah fragend zu Ben, welcher leicht nickte. Ich seufzte tief, klappte den Laptop zu und ging schnell aus dem Büro, bevor ich noch mehr feuchte Küsse mitansehen musste. Ich schloss gerade Bens Bürotür hinter mir, lauter als ich es beabsichtigt hatte, als mein Handy wieder zu vibrieren begann. Auf dem Display wurden mir elf Anrufe in Abwesenheit angezeigt. Alle von Sally. Mir wurde das Herz schwer. Ich eilte vor die Wache, um ihn endlich zurückzurufen. Ich war nicht gut im Streiten. Und noch schlechter im Nachtragend sein. Es ertönte gerade der erste Freizeichenton, da erkannte ich sein Auto, das auf den Parkplatz bog und direkt vor mir anhielt. Überrumpelt legte ich auf und sah Sally mit großen Augen an als er geschickt aus seinem Auto sprang. "Es tut mir leid! Es tut mir leid! Es tut mit wirklich sooooo leid!", begann er sofort und kam schlitternd vor mir zum Stehen. "Ich hab wirklich nicht viel zu Noah gesagt. Es war alles ganz harmlos. Ich hab nur gefragt ob er Lust hätte mit zum Pier zu kommen, wenn du auch dabei wärst und solche Sachen. Ich weiß nicht warum er sich aufgeführt hat wie ein... ein... wie nanntest du ihn nochmal?", fragte Sally außer Atem und strich sich durch seine wirren Haare. Ich verschränkte die Arme und versuchte zerknirscht auszusehen. "... ein geiler Gockel!", half ich ihm auf die Sprünge und biss mir auf die Innenseite der Wange um nicht zu lächeln. Ich war ihm schon nicht mehr böse gewesen, als er aus dem Auto gesprungen war. Aber das musste ich ihm ja nicht verraten. Sallys Mund zuckte kurz belustigt, er war aber anständig genug sich am Lächeln zu hindern. "Genau! Keine Ahnung warum, er sich so aufgeführt hat. Ich hab ihn mir auch schon zur Brust genommen! Also keine Sorge! Wenn du willst, lassen wir das mit dem Doppeldate sein.", plapperte er und sah mich entschuldigend an. "Du hast mit ihm geredet?", fragte ich überrascht. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. "Natürlich! Schließlich warst du ziemlich durch den Wind, als du bei mir aufgetaucht warst. Und das konnte ich so nicht stehen lassen! ", brummte er ernst und ich sah ihn gerührt an. "Danke!", murmelte ich und lächelte sanft. "Also... wieder alles gut?", fragte er und mustere mich vorsichtig. Ich nickte und umarmte ihn. Ich konnte deutlich spüren wie die Anspannung seinen Körper verließ, als er die Umarmung erwiderte. "Ich hasse es, wenn wir streiten!", flüsterte er mir ins Ohr. Es kitzelte und ich kicherte leise. "Ich auch. Und das mit dem Doppeldate können wir trotzdem machen. Nur brauchen wir einen Ersatz für den geilen Gockel!", flüstere ich und Sally löste sich etwas um mir ins Gesicht sehen zu können. "Wirklich?" Ich rollte amüsiert mit den Augen. "Natürlich. Schließlich will ich später nicht schuld sein, dass du deine wahre Liebe nie gefunden hast, weil du nie ein Date mit Kyle gehabt hast!", zog ich ihn auf und er zwickte mir in die Seite. Ich schrie lachend auf und rieb mir die zwiebelnde Stelle. Und in diesem Moment musste ich wieder an glasblaue Augen, mit feinen kleinen türkisen Tupfern, denken. Gänsehaut überzog meinen gesamten Körper und ich schauderte. "Okay! Zum Glück haben wir ein ganzes Wochenende Zeit, dir eine Verabredung zu beschaffen!", grinste Sally und ich nickte. Ich versuchte Jared aus meinen Gedanken zu vertreiben, doch je mehr ich versuchte nicht an ihn zu denken, umso intensiver wurden die Details meiner Erinnerungen an ihn. Verdammt. Ich musste mich ablenken. "Und zur Besiegelung unserer Versöhnung...", begann Sally feierlich und öffnete die Beifahrertür. Ich beobachtete ihn neugierig, wie er im Auto herumkramte, und nach einer gefühlten Ewigkeit eine Packung "Ben & Jerry's" mir grinsend vor die Nase hielt. Caramel Chew Chew! Meine Lieblingssorte. "Du warst dir deiner Sache aber sehr sicher!", lachte ich und schnappte mir freudig das Eis. Er zuckte nur zwinkernd mit den Schultern und bot mir seinen Arm an. Ich hakte mich freudig bei ihm unter und zusammen gingen wir in die Küche der Wache, um uns die leckere Eiscreme zu teilen. Wir lästerten lachend über den geilen Gockel und grübelten über eventuelle Wochenendbeschäftigungen. Und als unsere Bäuche voller Eiscreme und der Becher leer und aufgeweicht war, sah ich wie Amy das Büro von Ben verließ. Ich rümpfte die Nase. Sally entging das natürlich nicht. "Wow! Du kannst sie wirklich nicht leiden! Du hasst sie richtig!", grinste er, und versuchte mit dem Löffel die letzten kleinen Eis-Reste aus dem Becher zu kratzen. "Sieht man das so doll?", fragte ich verlegen und wischte mir mit dem Ärmel über den klebrigen Mund. Sally lachte und nickte eifrig. "Es steht dir mit großen fetten Buchstaben auf der Stirn geschrieben!", grinste er und tippte mir gegen den Kopf. Ich verzog das Gesicht und wollte mich gerade verteidigen, da kam Ben in die Küche geschlendert. "Oh! Hey Sally! Ich sehe ihr habt euch den Appetit fürs Abendessen verdorben!", schmunzelte Ben und schenkte sich eine frische Tasse Kaffee ein. "Ach! Wir haben immer Appetit!", winkte Sally ab und Ben setzte sich neben mich. Wie selbstverständlich legte er seinen Arm auf meine Rückenlehne und zupfte mir verspielt an den Haaren. "Alles okay bei euch?", fragte er und Sally und ich nickten synchron. "Ich hoffe, ihr stellt am Wochenende keinen Blödsinn an!", brummte Ben und sah Sally ernst an. Es war seit Jahren das erste Mal, das Ben für zwei Nächte nicht zuhause war, und anscheint machte das nicht nur mich nervös. "Ben? Was sollen wir denn Blödsinniges auf einer Ranch machen?", kicherte ich und stieß ihm leicht in die Seite. "Oh mir würden da viele Sachen einfallen!", lachte Charlie laut, als er zur Kaffeemaschine schlenderte. Ben nickte zustimmend seinem Kollegen zu und sah Sally ernst an. "Ihr haltet euch an die drei goldenen Regeln!", brummte er plötzlich ernst und sah Sally eindringlich an. Ich rollte genervt mit den Augen. "Ben, das muss jetzt nicht sein!", seufzte ich und wollte aufstehen, doch Bens Arm lag plötzlich auf meinen Schultern und drückte mich zurück auf den Stuhl. Sally beobachtete die Szene mehr als amüsiert und salutierte vor Ben. "Über was für Regeln sprechen wir genau?", grinste er frech und sah mich dabei verschmitzt an. "Kein Feuer! Keine Drogen! Keine Jungs!", zählte Ben mithilfe seiner Finger auf und ich sah Sally deutlich an, dass er sich bemühte nicht loszulachen. "Aye aye, Sir! Ich werde Rosie von allen offenen Feuerstellen, zwielichtigen Drogendealern und hormongesteuerten Typen fernhalten!", nickte er ernst. Ich seufzte und klatschte mir meine Hand auf die Stirn. "Das ist ja gerade so überhaupt nicht peinlich!", murmelte ich und versuchte Bens Arm abzuschütteln. "Ich sehe wir verstehen uns!", freute sich Ben und klopfte Sally mit der freien Hand auf die Schulter. In dem Moment kam ein großer Trupp kräftiger Männer die Treppe hochgestiefelt. Die Nachtschicht war da. "Feierabend!", freute sich Ben und zwinkerte mir zu. "Rosie und ich bestellen uns Pizza! Kommst du mit?", fragte Ben Sally, welcher vergnügt die Nachtschicht abcheckte. "Ich würde gern! Aber ich muss jetzt nach Hause!", seufzte er mit einem Blick auf die Uhr an seinem Handy. "Bis morgen Rosie!", grinste er und lehnte sich weit über den Tisch, um mich zu umarmen. Ich erwiderte liebevoll die Umarmung und ein kleiner Teil in mir, begann sich auf das Wochenende zu freuen. Kaum als Sally gegangen war, packten wir alle unsere Sachen und gingen geschlossen zu den Autos. Die Wache gehörte nun der Nachtschicht. "Wisst ihr beide schon, was ihr am Wochenende macht?", frage Ben und startete den Wagen. Ich spielte mit Gatsbys Halsband und zuckte unverfänglich mit den Schultern. "Sally wird mich nötigen zu reiten!", brummte ich leicht zerknirscht. Die ganze Date-Angelegenheit würde ich Ben nicht erzählen. Ich würde mich dabei sehr komisch fühlen, mit Ben über Dates und alles was dazugehörte zu reden. Außerdem würde das gegen seine dritte goldene Regel verstoßen. Bei den Gedanken an Dates, schoben sich wieder Bilder von intensiv dreinblickenden blauen Augen in meinen Schädel und ich schüttelte leicht den Kopf. Ich hörte Ben lachen. "Oh bitte mach ein Foto davon!", gluckste er und strich mir aufmunternd übers Knie. "Wenn ich den Ausritt überlebe, kannst du so viele Fotos haben wie du willst!", seufzte ich und zückte meine Polaroidkamera, um den, von der Dämmerung verfärbten, Himmel zu fotografieren. Als wir endlich zuhause ankamen, atmete ich erleichtert auf. Irgendwie war das heute ein anstrengender Tag gewesen. Ich schmiss meinen Rucksack aufs Bett und füllte Gatsbys Napf, während ich eine große Familienpizza bestellte. In zwanzig Minuten würde mein Bauch voll von leckerer warmer Salamipizza mit extra Käse sein. Mir lief schon jetzt das Wasser im Mund zusammen. Und während Gatsby sich schmatzend über sein Fressen hermachte, schlenderte ich zurück in mein Zimmer. Es war Zeit für mein abendliches Ritual. Ich suchte alle Polaroids zusammen, die ich heute geschossen hatte, um sie an meine Wand zu kleben. Es war bereits die zweite Wand meines Zimmers, die ich nun von oben bis unten damit tapezierte. Ich wusste nicht mehr genau wann und warum ich damit angefangen hatte, aber ich konnte auch nicht mehr damit aufhören. Es lag wohl daran, dass ich mich meinem Vater näher fühlte, wenn ich seine Kamera benutzte. Als wäre er dabei gewesen, als das Polaroid entstand. Es beruhigte mich, die Polaroids an meiner Wand zu betrachten und mich an die Momente zu erinnern, die ich festgehalten hatte. Zuerst klebte ich das Polaroid vom Sonnenuntergang auf, dann das Foto von Gatsby der an dem Reifen des blauen Trucks schnupperte. Ich strich gedankenverloren über den Truck, als mir plötzlich auffiel, dass ein Polaroid fehlte. Ich war mir sicher gewesen, dass ich am Strand auch ein Foto geschossen hatte. Ich schüttelte meinen Rucksack über mein Bett aus und suchte danach. Nichts. Ich tastete meine Hosentaschen ab, und gab ein frustriertes Stöhnen von mir, als ich auch dort nicht fündig wurde. Und dann fiel es mir plötzlich ein. Ich hatte es in meinem Hemdtasche gesteckt. Ich sah sofort nach, doch die Tasche war leer. "Verdammt!", fluchte ich leise und ging zu Bens Jeep. Ich hoffte, dass es dort aus meiner Hemdtasche gefallen und irgendwo im Fußraum liegen würde. Ich bückte mich und tastete jeden Zentimeter ab. "Kann man dir helfen?" Ich schrie erschrocken auf und stieß mir den Kopf an. Ich hörte jemanden lachen. Ich rappelte mich verärgert auf und begegnete Tobis frostigen Blick. Er grinste mich zwar an, doch erreichte sein Grinsen seine Augen nicht, und meine Nackenhärchen stellten sich auf. "Sorry! Ich wollte dich nicht erschrecken! Schon wieder! Aber gut, dass ich dich hier treffe!", freute er sich und drückte mir ein Sixpack Bier in die Hände. "Kannst du das deinem Bruder geben und mich entschuldigen? Ich musste mit jemandem die Schicht tauschen und muss jetzt zur Arbeit und wir waren ja eigentlich auf ein Bier verabredet!", erklärte er und strich sich eine rote Locke hinters Ohr. Ich nickte und schloss schnell die Autotür. "Danke! Bis dann!", lächelte er schief und ging zu seinem Auto. Ich wusste nicht, was ich von unserem neuen Nachbarn halten sollte. Hoffentlich kam Josie früher zurück. "Was machst du denn da?", fragte Ben, welcher gerade auf die Terrasse getreten war und sah mich forschend an. "Tobi war da und hat dir Bier gebracht!", erklärte ich und ging zurück zum Haus. Ben sah mich verständnislos an. "Er muss arbeiten und kann deswegen nicht kommen! Du hattest ihn heute Morgen auf ein Bier eingeladen!", erklärte ich und ich konnte seine plötzliche Erkenntnis an seinem Gesicht erkennen. "Stimmt ja! Hatte ich schon wieder ganz vergessen!", seufzte er und nahm mir das Bier ab. Er setzte sich auf die hölzerne Hollywoodschaukel und klopfte neben sich. Ich kam seiner stummen Bitte nach und setzte mich seufzend neben ihn. Er lachte auf. "War dein Tag so hart, ja?", schmunzelte er. Wenn er nur wüsste. Ich rollte genervt mit den Augen und schnitt eine Grimasse. Er lachte leise auf, öffnete eine der Bierflaschen und reichte sie mir. Ich nahm sie dankend an und hielt sie gegen meine warmen Wangen. Die Temperaturen zu dieser Jahreszeit kühlten sich abends nicht sonderlich ab. Man hatte eher das Gefühl in einer Sauna zu sitzen. Eine Sauna mit einem besseren Ausblick. Ben öffnete für sich auch eine Flasche und zusammen stießen wir an. Das Bier war so herrlich kalt, dass ich spüren konnte, wie es in meinem Bauch floss und sich eine leichte erfrischende Gänsehaut von dort ausbreitete. Ich nahm gleich noch einen Schluck. Ben legte den Arm hinter mich und zusammen sahen wir der schwindenden Sonne zu, während der Himmel in den schönsten Farben zu versinken begann. Es war ein perfekter Moment. Ben neben mir. Gatsby zu meinen Füßen. Und der leichte Nachgeschmack von süßem dunklen Bier auf der Zunge. So könnte es immer sein. Und ich wäre glücklich. Der idyllische Moment wurde vom Pizzaboten unterbrochen. Doch es war eine willkommene Störung. Wir teilten uns die Pizza auf der Veranda und scherzten über Nichtigkeiten, während wir Gatsby heimlich kleine Salamistückchen zusteckten. Ich musste auf der Hollywoodschaukel eingeschlafen sein, denn als der Wecker mich am nächsten Morgen weckte, konnte ich mich nicht daran erinnern, wie ich ins Bett gekommen war. Noch leicht desorientiert schlug ich die Bettdecke beiseite und setzte mich auf. Ich rieb mir ausgiebig den Schlaf aus den Augen und gähnte herzhaft. In der Küche hörte ich leise Geräusche. Ben war also schon wach. Gatsby streckte sich müde neben mich und ich streichelte über sein seidiges Fell. Unmotiviert stand ich auf, kramte meine Reisetasche aus dem Schrank und begann fürs Wochenende zu packen. Weil auch Ben sich gestern Abend nicht mehr überwunden hatte fürs Wochenende zu packen, war der Morgen sehr hektisch. Tee und Toast aß ich hastig über der Spüle, während Ben den Jeep belud. Bei der Menge an Taschen, fragte ich mich, ob er wirklich nur übers Wochenende wegfuhr. "Wenn dir nicht wohl bei der Sache ist, kann ich jederzeit zurückkommen! Wirklich! Das macht mir nichts!", wiederholte mein besorgter großer Bruder nun schon zum fünften Mal, als er vor der Uni hielt. Ich sah ihn mit großen Augen an. Ein, zu meiner Schande, sehr großer Teil in mir, wollte ihn anflehen hier zu bleiben. Ich schluckte meine Bedenken aber herunter. Ich würde das schon schaffen. Schließlich hatte ich mir vorgenommen mich zu bessern und eigenständiger zu werden, damit Ben sein eigenes Leben führen konnte. Das war ich ihm schuldig. Schweren Herzens nickte ich. "Ich weiß! Aber das wird nicht nötig sein! Hab ein schönes Wochenende!", hörte ich mich sagen und ich schaffte es sogar zu lächeln. Ben musterte mich prüfend und verzog kurz das Gesicht. Dann zog er mich fest an sich und umarmte mich. "Ich hab dich lieb, Rosie!", murmelte er leise und ich löste mich. "Ich dich auch!", flüsterte ich und wusste jetzt schon, dass ich ihn schrecklich vermissen würde. Aber eine Ben-Entwöhnung war ein guter Anfang zur Eigenständigkeit. Ich stieg aus, und Ben reichte mir meine Reisetasche. "Denk an die drei goldenen Regeln!", zwinkerte er, aber seine Stimme hatte einen todernsten Unterton. "Wie könnte ich die vergessen!", nickte ich und winkte ihm nach, als er davonfuhr. Ich seufzte schwer und Gatsby winselte. Mit schief gelegtem Kopf sah er mich an und ich kraulte ihm das Ohr. "Vermisst du ihn auch schon?", fragte ich meinen Hund und klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken. Ich sah mich suchend nach Sally um. Ich wollte meine Tasche in sein Auto legen, damit ich sie nicht den ganzen Tag durch die Uni schleppen musste. Doch als ich mich umsah, fand ich nicht Sally, sondern den blauen mit orangenen und weißen Flammen geschmückten Truck. Den hatte ich vor der Uni noch nie gesehen. Und dann passierte es. Es war als würde jemand auf die Pause-Taste drücken und alles um mich herum einfrieren. Ich hörte nichts. Und ich sah nichts. Ich spürte nur. Ich spürte wie sich ein Blick in meinen Rücken bohrte. Ich spürte wie sich meine Nackenhärchen aufgeregt aufstellten. Und ich spürte wie mein Herz sofort schneller schlug. Ich leckte mir nervös über die Lippen und drehte mich langsam um. Zumindest kam es mir langsam vor. Meine Augen trafen auf ozeanblaue Augen. Sie waren wie ein Lasso, das sich eng um meinen Körper schlang und mich zu ihnen zog. Ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Ich konnte meine Füße nicht daran hindern, dem Drang der Anziehungskraft nachzugeben. Da stand er. Lässig an einem Baum gelehnt. Mit einem frechen Grinsen im Gesicht. Und glühenden Augen. Jared! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)