Orangentarte von _Supernaturalist_ ================================================================================ Kapitel 1: Das Café an der Ecke ------------------------------- Ich saß gern hier am Fenster, ganz hinten in dem kleinen, netten Café an der Ecke und beobachtete die geschäftigen Leute, wie sie draußen vorbei schnellten, mir und einander keines Blickes würdigten. Ständig fielen mir bei den bunten Bildern diese gewöhnlichen Metaphern von geschäftigen Ameisen ein und auch ich kann es nicht anders beschreiben. Und gerade jetzt, zur Rushhour, ähneln sie dieser Beschreibung nur noch mehr, während ich lächle, als ich merke, wie viele hunderte Autoren wohl damit Recht haben mussten. Faszinierender noch - die Geschäftsmänner und -frauen wissen dort draußen doch gar nicht, wie sehr ich mich manchmal über sie amüsiere, während sie ihrem inne liegendem Ruf nach gehen, immer in Bewegung und immer arbeitend zu bleiben.   Eben genau wie Ameisen.   Nun, das bunte Treiben auf der Straße, von mir nur getrennt durch eine Glasscheibe, war nicht das Einzige, was mich stätig in dieses Café zieht. Zwei Gründe gab es, die mich immer wieder daran erinnern, dass ich wohl bereits ein Stammkunde sein musste.   Der erste und sehr wichtige Grund war diese fabelhafte Orangentarte, welche stets frisch und mit viel Liebe zubereitet wurde. Leider steht sie nicht an jedem Tag auf der Karte, aber wenn ich sie bekommen kann, so esse ich mein Stück gern mit einem Klecks Schlagsahne und hebe mir die zur Dekoration gedachten Orangenscheiben bis zum Schluss auf. Kein anderes Gebäck hat je mehr meine Aufmerksamkeit erregt und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht hinter dem wohlgehüteten Rezept her war. Aber diese Tarte mit ihrem knusprigen Boden und der luftigen Füllung schmeckt einfach…ja, wie soll ich es nur beschreiben? Man schmeckt einfach die Frische der sonnengereiften Orangen und die sanfte Art, mit welcher diese Früchte geschält wurden. Es gab kein Fruchtfleisch, nichts, was einen an dem Genuss dieser Tarte stören könnte. Und dazu eine ganz sanfte Note von Ingwer – so sanft, dass ich sie erst nach dem fünften Mal geschmeckt hatte. Und ich schwöre – irgendwann entlocke ich diesem kleinen Meisterwerk all seine kleinen Geheimnisse.   Der zweite – aber wesentlich wichtigere - Grund für mein stätiges Erscheinen in dem Café war nichtsdestotrotz viel schöner. Weiblicher. Manchmal ein wenig zickiger. Aber – was soll ich sagen – mit ihren Haaren, die ebenso orange waren, wie die Orangen der Tarte und ihre Augen so braun wie der Schokoladen Kuchen in der Vitrine. Erst hatte ich angenommen, dass sie nur kellnern würde. Als ich dann aber herausgefunden hatte, dass sie dieses köstliche Meisterwerk erschaffen hatte, war mein Herz nur noch mehr von ihr gestohlen wurden und ich erfreue mich an jeden Tag, an den ich sie sehen kann.   Ich bin kein Stalker – um Himmels willen, Nein! Ich besuche schließlich jeden Mittwoch und Freitag das Café, egal, ob sie gerade arbeitet oder nicht. Wobei…die Besuche mir natürlich wesentlich mehr gefallen, wenn sie mir die Tarte bäckt und bringt.   „Tut mir leid…“, sagte plötzlich die engelsgleiche Stimme neben mir, als sie mir meine Orangentarte und eine Tasse Darjeeling auf den Tisch stellte, „…, es hat heute leider etwas länger gedauert. Unsere Kaffeemaschine hat den Geist aufgegeben und keine der Bestellungen wollte dadurch richtig voran gehen.“   „Habe ich dir jeweils übelgenommen, dass du etwas zu spät brachtest, Nami-Schätzchen?“, entgegnete ich auf meine übliche, charmante Art, „Aber als Wiedergutmachung kannst du mir gern deine Nummer geben.“   „Haha…“, scherzte sie gleich und verdrehte diese tiefbraunen Augen, in welche ich mich gern verliere, „…träum weiter.“ Sie schüttelte grinsend den Kopf, bevor sie zum nächsten Tisch ging. Ich hingegen fasste mir ans Herz, welches wie wild bebte und seufzte tief.   „Eines Tages wirst du mir diesen Wunsch erfüllen, ich weiß es, werte Nami-lein! Du wirst mir nicht immer widerstehen können!“ „Ach, bisher geht es ganz gut. Und jetzt – husch – iss auf!“   Es war immer das gleiche Spiel zwischen uns – sie weiß, dass sie mich umgarnt hat und dass ich wie Wachs in ihren Händen bin, während ich nach ihrer Nummer frage und dafür eine Abweisung bekomme. Doch irgendwann wird sie – bestimmt – einwilligen.   Das weiß ich.   Während ein Kunde bei einer alten, funktionsunfähigen Jukebox saß, sich beschwert, wo den sein Kaffee bliebe, hörte ich, wie erneut ein leises Klingeln neue Gäste ankündigte.   Nami unterbrach sogleich ihre Schimpftriaden mit dem Mann und begann breit zu strahlen und ich könnte auch nicht anders, wenn ich an ihrer Stelle wäre. Schließlich hatten gerade ihre beste Freundin (ihr Name war Robin, wenn ich mich recht erinnere) und dieser komische, grünhaarige Typ, mit dem die schwarzhaarige Schönheit zusammen war (Zorro hieß dieser Moosschädel) das Café betreten.   Sie setzten sich an den Tisch vor mir, sodass ich gut zuhören konnte, von was sie da sprachen – nicht das es meine Absicht war.   Daher versuchte ich für einige Zeit den scheppernden Tönen des alten Radios zu lauschen, welches auf dem Tresen stand, da ich nur ungern fremden Gesprächen folgte.   Außerdem starrte mich dieser Typ schon wieder so finster und auf eine äußerst nervige Art an, bei welcher mir fast der Kragen geplatzt wäre.   Für einige Zeit aß ich in Ruhe meine Tarte und genoss meinen Tee, während ich einem gefallenen Popsternchen dabei zuhörte, wie sie von großen Erfolgen und zerbrochener Liebe sang.   Es war allerdings das Lachen meiner Angebeteten, dass meine Gedanken zurück in das Café holte und mich unweigerlich meine Ohren spitzen ließ:   „…, natürlich würde ich gern heute Abend mitkommen. Nur leider sieht das mein Budget für diesen Monat nicht vor.“   „Zuviel geshoppt, Hexe?“, fragte Zorro meine liebste Kellnerin und blickte sie finster an.   „Zorro, du weißt doch, dass-“   „Schon gut, Robin. Dein werter Freund ist aber kurz davor, sich eine kräftige Kraft Prügel abzuholen. Ich kann daher nicht garantieren, dass du ihn mit allen Einzelteilen wiederbekommst.“   „Du willst kämpfen?! Komm du erstmal in mein Dojo, dann zeige ich dir, wie man mit Schwertern umgeht!“   Ich konnte nicht fassen, wie dieser Kretin mit einer Frau umging und mit ihr sprach! Ich war kurz davor gewesen, diesem Affen an die Kehle zu springen, wenn Nami selbst nicht eingeschritten wäre:   „An dir mache ich mir doch meine Hände nicht schmutzig! Ich muss jetzt aber auch leider weiter arbeiten…“   „Du kannst es dir ja noch mal überlegen…Aber ich glaube, dass Brook sich freuen würde, wenn alle seine Freunde bei seinem Auftritt dabei wären.“   Ich hörte Nami seufzen und sah, wie sie mit ihren Schultern zuckte.   „Ich werde es mir überlegen, okay? Vielleicht schaffe ich es ja den Türsteher und den Barkeeper zu überreden, mir Eintritt und zumindest einen Trink zu erlassen. Ich schreibe dir noch mal…“   Ich sah wieder zum Fenster, um mein leichtes Schmollen zu verbergen. Es war kein Mitleid, aber es stimmte mich ein wenig traurig, dass Nami nichts mit ihren Freunden unternehmen konnte, da es ihr an Geld mangelte.   Verborgen unter dem Tisch zückte ich meine Geldbörse und blätterte durch die farbprächtigen Scheine.   Nun…, ich wollte nicht, dass sie sich schlecht fühlte, oder dass sie der Meinung sein musste, dass sie mir etwas schuldete, aber noch weniger wollte ich, dass sie ihre freie Zeit nicht mit ihren Freunden verbringen konnte. Schließlich waren diese doch für einen Menschen von äußerster Wichtigkeit.   Zumindest nehme ich das mal an – schließlich habe ich doch keine…   „Nami, ich möchte bitte zahlen!“   „Klar, ich hole mein Portemonnaie…“, sagte sie, als sie gerade wieder aus der Küche zurückgekommen war und auf ihrer Hand ein Tablett balancierte.   „Ach, schon gut. Ich habe es eh eilig“, antwortete ich und bevor sie die Chance zum Umdrehen oder Widersprechen hatte, drückte ich ihr den Hunderter in die freie Hand und warf mir mein Jackett über eine Schulter.   „Stimmt so“, sagte ich noch lächelnd und eilte zur Tür, „…, und viel Spaß heute Abend - mit deinen Freunden“.   Perplex betrachtete sie den Geldschein in ihrer Hand.   „O-okay…“, stotterte sie, noch immer nicht ganz im Klaren, das ich ihr ein Vielfaches mehr gezahlt hatte, als ich es normalerweise tat. Und dabei gab ich ihr immer ein sehr gutes Trinkgeld.   „U-und tschüss, Sanji…“, konnte ich sie dann aber noch über das leise Klingeln der Tür hören, bevor ich zu meinem Auto ging und verschwand. Kapitel 2: Kein leichtes Leben ------------------------------ „Hör zu, Nojiko…“, murmelte ich ein wenig betreten in mein Handy, während ich mit meiner Schwester sprach, „…, wenn ich irgendwie helfen kann-“ „Ist schon okay, Nami. Ich weiß doch, dass es du jeden Cent sparen musst. Es geht ja auch rein gar nicht um das Finanzielle…“, seufzte sie mit einer gewissen Traurigkeit, während ich mich gegen den Küchentresen lehnte und traurig zum Boden schaute. „Ich kann ja mal schauen, ob ich es schaffe vorbeizukommen. Ich glaube, dass ich in zwei Wochen mal einen freien Tag habe…o-oder in drei? Meinst du, dass das ein wenig helfen würde?“ Ich spürte regelrecht, wie sie am anderen Ende der Leitung lächelte, auch wenn wir beide wussten, dass es doch eh nichts werden würde. Weil ich nicht frei habe. Schließlich muss ich meine drei Jobs doch irgendwie unterbekommen. Zeit für einen freien Tag war da nun wirklich nicht. „Wenn sich das einrichten lässt~“, säuselte sie gleich fröhlich und mit einem Hauch von Hoffnung in ihrer Stimme. „Aber du musst mal auf die Buspläne schauen, ich glaube, dass die Verbindung sich geändert hat.“ Nun lächelte ich auch ein wenig – schließlich wusste ich dass schon lange, da ich diese besagten Pläne auswendig kannte. „Keine Sorge, das bekomme ich schon hin. Ich bin schließlich ein Profi, was Busfahren angeht – so ist es nun mal, wenn man kein eigenes Auto besitzt.“ Sie lachte. „Wie kann ich das nur vergessen?! Aber ganz ehrlich…“, flüsterte sie schließlich, als wolle sie nicht, dass jemand ihre nächsten Worte hörte, „…, komm wirklich mal vorbei, wenn du es schaffst. Wir würden uns sehr freuen. Vor allem Genzo. Wir…, wir wissen doch nicht, was hier passiert in einem Jahr. In einem halben… Und…und wenn etwas passiert – ich kenne dich – dann machst du dir nur Vorwürfe. Bitte, Nami…, bei aller Liebe. Nimm dir mal einen Tag Zeit. Ich gebe dir auch das Geld, was du in dieser Zeit verdient hättest.“ „Nojiko, das brauchst du wirklich nicht-“ „Es ist aber mein Ernst!“ Ihre Stimme wurde lauter und ich wusste, dass sie nicht scherzte. Und dabei war es doch eine riesige Ironie, dass wir beide, obwohl wir kaum etwas besaßen, uns gegenseitig Geld anboten, in der Hoffnung, dass es uns besser gehen würde. „Okay, Nojiko…“, seufzte ich, „…, ich versuche einfach, mal einen Tag freizuschaufeln. Und du brauchst mir dafür auch kein Geld zu schenken. Dann komme ich mal vorbei, versprochen?“ „Das ist alles, was ich will. Schließlich wissen wir doch nicht…wie lange er…“ „I-ich verstehe“, sagte ich schnell, während ich wieder den dicken Kloß verspürte, der in meiner Kehle hinaufgestiegen kam. Schließlich wollte ich an so etwas nicht denken. „Ich richte es ein – versprochen.“ „Gut…“, sagte sie dann nur noch, bevor sie auflegte. Ich wusste, dass ihr diese Gespräche nicht leichtfielen – keiner von uns. Und wir wollten auch gar nicht daran denken, was gesehen würde, falls… Das erneute Vibrieren meines Handys ließ mich schnell meine Tränen wegwischen, bevor ich auf das Display sah, um eine neue Nachricht von Robin zu entdecken. ‚UND?‘, las ich einfach und ich wusste, dass sie damit anfragen wollte, ob ich mich denn nun entschieden hatte. Doch das hatte ich noch nicht, hatte ihr nur gesagt, dass ich ihr Bescheid geben würde, wenn es denn so weit wäre. Für einige Zeit blickte ich stumpf auf dieses Display, nicht wissend, was ich ihr antworten sollte. Denn auf der einen Seite würde ich natürlich gern mit meinen Freunden ausgehen und ein wenig Spaß haben – alles für einen Augenblick vergessen. Auf der anderen Seite konnte ich es mir kaum leisten… Es war schon kein leichtes Leben, was ich da hatte… Schließlich war es gerade einmal Mitte des Monats, meine Miete hatte ich noch nicht überwiesen und ich musste noch Einkaufen für die nächsten zwei Wochen… Und dabei war mein Kühlschrank komplett leergeplündert, wie auch mein Konto. „Ach, ist doch alles Scheiße!“, brummte ich verstimmt zur mir selbst, als ich mich nun gegen den geräuberten Kühlschrank lehnte, mit nichts an mir, als meine Unterwäsche, da ich gerade erst meine Arbeitskleidung ausgezogen hatte. Was sollte ich nur tun?! Seufzend ging ich aus der Küche hinaus und zurück in mein Schlafzimmer, um das nach Kaffee riechende Kleid aufzusammeln, welches ich dort einfach hinterlassen hatte und holte mein Trinkgeld aus der Schürzentasche. Ich setzte mich auf mein Bett und begann zu zählen. Natürlich war das Café, in welchem ich arbeitete kein Nobelrestaurant und die Leute, die dort aßen, waren nur gewöhnliche Mensch mit gewöhnlichem Einkommen. Und so war auch das Trinkgeld nur ein recht…, Gewöhnliches. Natürlich freute ich mich über jeden Cent, den sie mir überließen, auch wenn es genug Leute gab, die mir nichts hinterließen. Und doch sparte ich alles davon, wenn es möglich war. Und doch brachte es mich für einen Augenblick zum Stutzen, als ich eine unüblich hohe Summe berechnete, weswegen ich erneut zählte. Und erneut. Hatte ich mich etwa auf Arbeit mit den Einnahmen verzählt und ich hatte einen falschen Betrag zurückgelassen? Aber…mein Chef hatte doch nachgezählt und es hatte doch gestimmt…Nicht? Wie konnte es dann also sein, dass ich… Plötzlich fiel es mir wieder ein und ich nahm den Hunderter in die Hand, den mir dieser Sanji zugesteckt hatte. Nach Abzügen waren etwa 90 noch übrig gewesen, aber ich konnte es gut mir dem restlichen Trinkgeld verrechnen, sodass nun 100 Berry vor mir lagen. Wir lange war es schon her, dass ich solch einen hohen Schein gesehen hatte? Es war…irgendwie faszinierend und meine Finger kribbelten regelrecht, als ich den Schein hin und her wendete. Doch warum hat er das gemacht? Sicher – Sanji gab mir immer ein sehr gutes Trinkgeld, was natürlich damit zu tun haben musste, dass er mir ein wenig verfallen war – schließlich würde er sonst nicht jedes Mal nach meiner Nummer fragen. Hatte er sich vielleicht vergriffen? Das glaubte ich nicht – er wirkte doch so selbstsicher, als er mir den Schein in die Hand drückte. Er musste es vollkommen bewusst gemacht haben. Natürlich fragte ich mich schon seit einiger Zeit, in welchem Unternehmen er arbeitete. Schließlich trug er immer teure Designeranzüge und ich konnte auch schon ein paarmal sehen, wie er in einen ziemlich teuren Schlitten eingestiegen ist. Doch dabei wirkte er nicht so, wie diese typischen, hochnäsigen Geschäftsleute, die ihr Geld nie in solch einem billigen Café ausgeben würden, wie in jenem, in welchem ich arbeitete. Er wirkte einfach – sofern ich das sagen konnte - viel zu freundlich dafür. Ja…ein komischer Typ war er schon, durch und durch. Erneut vibrierte mein Handy lautstark, was ich aus der Küche hören konnte und verdrehte meine Augen. Robin schien ungeduldig zu werden. Hastig stand ich wieder von meinem Bett auf, nahm das restliche Trinkgeld in die linke Hand, während ich den Schein in der rechten behielt und marschierte zurück in die Küche. ‚Wir würden uns freuen!‘, hieß es dabei auf dem erleuchteten Display, versuchte die Worte aber zu ignorieren. Schließlich wusste ich selbst noch keine Antwort auf die Frage des Mitkommens. Statt zu antworten, öffnete ich nun das Tiefkühlfach und griff nach ganz hinten, wo ich einen großen Becher mit Orangen-Schoko-Eis fand und diesen öffnete. In diesem feingesäuberten Behältnis fand ich eine kleine Plastiktüte, in welcher ich mein gesamtes Gespartes versteckte und warf das Trinkgeld hinein, so wie jedes Mal. Außer den Schein, welchen ich noch unsicher in meiner Hand behielt. Hatte Sanji mir schließlich nicht viel Spaß mit meinen Freunden gewünscht? Er musste uns wohl belauscht haben…Und doch schien er mir damit etwas Gutes tun zu wollen. „Du Vollidiot…“, murmelte ich grinsend und schüttelte meinen Kopf, bevor ich den Schein auf den Küchentresen legte und meinen kleinen Schatz wieder in seinem kalten Gefängnis versteckte. Dann griff ich endlich nach dem Handy und antwortete meiner Freundin: ‚Klar. Holt mich wer ab?‘ Kapitel 3: Weißes Kleid, weinrote Flecken ----------------------------------------- Ich schaute auf meine Uhr und sah, dass es beinahe Elf war und seufzte. Ich verspürte noch keinerlei Müdigkeit und wusste, dass ich eh ausschlafen konnte. Wozu also die Eile, ins Bett zu kommen… …außer… Von meinem Platz am Hotdog-Stand hatte ich einen guten Blick auf den Club, der auf der anderen Straßenseite lag. Die Geschöpfe der Nacht drängten sich dicht an dicht zusammen, während sie in einer Menschschlange auf Einlass warteten. Ich sah hübsche Frauen, in glitzernden, schrillen und vor allem knappen Kleidern, die mein Aufsehen sehr erregten und von Scharen von Freundinnen begleitet wurden. Mit langen, wellenden Haaren und einer guten Menge Make-Up, willig suchend nach dem Mann ihrer Träume. Ich liebte solche Frauen. Für ein paar Drinks tanzten sie mit jedem bis in die späten Abendstunden und wenn man wollte, teilten sie das Bett, nur um schnell am nächsten Morgen zu verschwinden. Natürlich war ich nicht immer ein Jäger, der sich gern in Ihresgleichen mischte, doch ab und an überkamen auch mich gewisse Gelüste, durch welche mein Jagdinstinkt geweckt wurde. Ferner war nicht ich es, der diese geheimnisvollen Wesen ansprach, um sie weg von ihren Rudeln zu leiten – ich wartete schließlich immer, bis sie es waren, die den schnellsten Weg zum nächsten Bette suchten. Schließlich war ich nach wie vor ein Gentleman. Mit der Serviette wischte ich mir den Senf aus den Mundwinkeln und drückte die Zigarette aus, bevor ich hinüber auf die andere Straßenseite ging und die Schlange entlangwanderte, bis ich zum Türsteher gelangte, der das Partyvolk nur grimmig beobachtete und keinem mehr Einlass gewähren wollte. Er war ein großer, blonder Mann, mit dunkeln Augen und einem symmetrisch geformten Gesicht, was die Knie vieler Damen weichwerden ließ, auch wenn er dabei durch seine Persönlichkeit (und durch sein seltsames Lederoutfit) manchmal Schwierigkeiten hatte. Als er mich nach einigen Augenblicken in der Dunkelheit erkannte, grinste er breit und freundlich und hieß mich gleich mit offenen Armen willkommen. „Junger Meister!“, krächzte er gleich voll Freude, während ich mich fragte, wie ich nur seine Bekanntschaft machen konnte (Mal abgesehen davon, dass wir mal in einen Streit gerieten, in welchen ich ihn ein wenig vermöbelte und dann für das Richten seines Gesicht bezahlte – wodurch er nun wesentlich attraktiver wirkte). „Hallo Duval…“, sagte ich knapp, während der mich weiterhin freudig in den Himmel lobte. „…, ist noch Platz?“ „Natürlich, natürlich! Aber heute treten hier einige Bands auf. Leider keine DJ’s, aber heiße Mädels kann ich dir trotzdem versprechen. Und du weißt doch, dass ich jetzt Handsome heiße, junger Meister!“ „Bands? Ich habe nichts gegen alternative Musik“, sagte ich, mit den Schultern zuckend, „Und den Aspekt mit den Mädels finde ich doch gut. Kann ich rein?“ Natürlich gewährte er mir Einlass, was einige Leute hinter mir ein wenig erzürnte. „Die Ladys lässt du doch auch rein, nicht?“, fragte ich, als ich mich zu seinem Ohr lehnte, um ihn diese Worte zuzuflüstern. „Umso mehr hübsche Damen, desto besser ist es doch für euren Club, nicht?“ „Was der junge Meister will, das soll er auch bekommen!“, rief Handsome noch hinter mir, während ich bereits die Treppen zum Inneren des Clubs hinabstieg. Und er hatte auch Recht behalten. Schon am untersten Absatz der Treppe erblickte ich die Bühne auf der anderen Seite der Tanzfläche, auf welcher eine bunte, rockige Band ihre Musik spielte, zu welcher die Leute tanzten. Ein wenig irritierte mich dabei das Aussehen des Sängers und Gitarristen, welcher sehr groß und schlaksig war und durch seine Statue mich sehr an ein Skelett erinnerte und dabei seinem großen, schwarzen Afro ganz schönes Leben verpasste. Und die Leute schienen diese Band regelrecht zu lieben. Auch ich fand die Musik gar nicht mal so schlecht. Vorsichtig bahnte ich mir den Weg zur Theke, während ich mit meinen Augen bereits die Tanzfläche abscannte, auf der Suche nach ein paar Damen, die ich gern in meiner Gesellschaft wissen würde. Dabei fand ich natürlich auch ein paar, die meinem Geschmack sehr entsprachen. Doch zu Beginn benötigte ich einen Drink, um mich aufzulockern. Ich stellte mich zwischen einer großen Gruppe aus Männlein und Weiblein, welche aufgeregt dem Spektakel auf der Bühne zusahen und Fotos und Videos machten – sie erschienen mir die Band zu kennen – und einigen Typen, die bereits sehr betrunken an der Bar rumhangen. Ich bestellte ein kleines Glas Rotwein, da ich den Geschmack der Hausmarke hier sehr schätzte und mein Selbstbewusstsein auf Hochtouren brachte. Während der Barkeeper meiner Bestellung nachging, lehnte ich mich gegen den Tresen und versuchte einen Blick auf die Bühne zu erhaschen, doch die Gruppe vor mir war leider zur groß und zu aktiv in ihren Bewegungen, als dass ich etwas mitbekommen konnte. Mir genügte natürlich auch der entzückende Blick auf den Rücken der Orangehaarigen vor mir, welche ein nettes, weißes Kleid trug, das mir ihre schmalen Schultern und einen Teil des berauschenden Rückens offenbarte. Ein wenig erinnerte sie mich an meine liebste Kellnerin aus dem kleinen Café, doch dann fiel mir ein, dass diese Stadt viel zu groß sei, als dass ich sie hier tatsächlich antreffen würde. Just in jenem Moment, als der Sänger sich bedankte und ein neues Lied anstimmte, jubelten die Leute um mich herum und so auch die Gruppe vor mir. Und dies war auch der Moment, in welchen ich gerade mein Trinken zum Mund führen wollte. Doch schon stieß irgendjemand gegen mich (es musste dieser riesenhafte, Muskelbepackte Typ mit der seltsamen, türkisfarbenen Frisur gewesen sein) und der Rotwein landete anstelle in meinem Mund, auf meinem Hemd und Jackett und – wissend von der Macht des Getränks – ruinierte es. Nun innerlich ein wenig verstimmt, sah ich wohl für die hübschen Ladys aus wie ein Vollidiot und tippte den Typen, den ich meinte der Übeltäter dieses Dilemmas gewesen zu sein, an. „Entschuldige mal-!“, knurrte ich, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Doch er hörte mich nicht, was mich nur noch mehr kochen ließ. Stattdessen, und zu meiner Überraschung, drehte sich dann aber die junge Frau mit dem weißen Kleid um, welche mein Aufregen wohl wahrgenommen hatte. Und wir erstarrten, hatten wir wohl beide nicht damit gerechnet, uns hier zu sehen. „Oh?“, konnte ich ihre Verwunderung über den Klang der Gitarre hören, während ihre Anspannung ein wenig abfiel und den Rotwein auf meiner Kleidung sah. Ein peinlich berührter Blick erfüllte ihre wunderschönen, braunen Augen und sie legte ein wenig den Kopf schief. „Sag mir bitte nicht, dass einer von meinen Freunden daran Schuld ist…“ Ich hingegen stand noch immer in voller Schockstarre vor ihr – ihr, die sich doch als meine Lieblingskellnerin herausgestellt hatte und betrachtete sie nur voller Erstaunen und Erregung, meine Gedanken nicht davon abhaltend, sie in diesem weißen Kleid mit schwarzer Schleife unter der Brust absolut umwerfend zu finden. Dennoch erkannte mein geschultes Auge schnell, dass es eine Kopie eines Designerkleides war, welches ein halbes Vermögen kostete. Ich fragte mich gleich, warum solch eine schöne Frau nicht das Original an ihrem Körper trug. „Ääh-“, brachte ich dämlicher Weise gerade mal hervor und blickte zu ihrem hünenhaften Freund hinüber, der noch immer den Sänger bejubelte. Sie seufzte. „Du musst meine Freunde heute ein wenig entschuldigen. Sie freuen sich einfach für Brook, der heute seinen ersten großen Auftritt mit seiner Band hat. Oh- Moment, ich helfe dir!“ Hastig griff sie eine Handvoll Servietten vom Tresen und drückte sie gegen meine Brust, als hoffe sie, tatsächlich den Schaden noch etwas begrenzen zu können. Ich hingegen wünschte mir, dass da kein Stoff und kein Papier wäre, als Barriere zwischen meiner Haut und ihren Händen. „Also konntest du es doch einrichten?“, fragte ich sie über die Musik hinweg, während sie weiter tupfte, bemerkte aber ihren fragenden Blick und entschuldigte mich gleich: „Verzeihung! Ich wollte euch heute nicht im Café nicht belauschen…“ „Nicht schlimm…, aber sag mir – das mit dem Schein, war das mit Absicht, oder ein Versehen?“ Ich bemerkte, dass mittlerweile einige ihrer Freunde sich zu uns umgedreht hatten und uns mit Belustigung und Bewunderung beobachteten. „Absicht. Aber nicht, dass du jetzt Denken musst, dass du mir was schuldest. Ich bin eh der Meinung, dass ich dir zu wenig Trinkgeld gebe. Wird Zeit, dass ich mal etwas Aufstocke, nicht?“ „Uuuh~ Wer ist das? Dein Freund?“, fragte nun einer ihrer Freunde mit einer absurd langen Nase, während er sich auf ihre Schulter lehnte, um mich genau zu mustern. „Sonst fasst du Kerle doch nie so an!“ „Nami hat einen Freund?“, fragte ein anderer, kleiner Typ, der mich auf eine bizarre Weise an ein Rentier erinnerte. „Einen Freund? Und wir wissen nichts davon?“, fragte nun der Große, der mich angerempelt hatte und zog seine Sonnenbrille von der Nase. „Haltet die Klappe!“, zischte sie gleich und nahm (leider) die Hände von meiner Brust, wahrscheinlich, da sich die Papierservietten vollgesogen hatten. „Er ist im Café mein bester Kunde!“ „Uuuuuuuh~“, raunten ihre männlichen Freunde, während einer davon, der einen Strohhut und ein breites Grinsen trug, nun seinen Arm auf meine Schultern legte und meinte: „Ja cool! Namis Freunde sind auch meine Freunde. Willst du dann mit uns kommen? Wenn Brook fertig ist, wollen wir noch was Essen gehen! Und – Junge – ich verhungere gleich! Hier um die Ecke gibt es einen Hammer Burgerladen! Das Fleisch dort ist einfach lecker!“ „Lasst mal, Jungs. Ich denke, dass er noch etwas vorhat. Du wartest doch bestimmt auf jemanden, nicht? Du wärst doch sonst nicht allein hier, oder?“, sagte nun Nami, die ihre Freunde wegschob, als diese immer näherkamen. Ich wusste gar nicht was ich sagen sollte. Schließlich hatte ich doch andere Pläne und ich wollte mich auch nicht aufdrängen. Nami sollte nichts Falsches von mir Denken. Was würde sie schließlich von mir halten, wenn ich ihr sage, dass ich keine Freunde habe und tatsächlich allein in diesem Club war… „E-eigentlich warte ich auf meine Freunde-“ „Haben sie dich versetzt?“, fragte nun ihre schwarzhaarige Freundin Robin, die mich mit ihren eisigen, blauen Augen ansah, als würde sie bereits die Wahrheit kennen. Daher nickte ich knapp, um nicht noch mehr lügen zu müssen. „Nehmen wir diesen Klimmstängel wirklich mit?“, brummte der Moosschädel neben ihr und verschränkte die Arme. „Klar!“, sagte nun wieder der schwarzhaarige Strohhutträger. „Umso mehr Freunde, desto besser!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)