Schlimmer geht immer von Maginisha (Eine echt wahre Geschichte) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Wisst ihr, welchen Satz man bei einem ersten, richtigen Date als Mädchen nicht hören will? Genau. Es ist der Satz: „Meine Kumpel kommen gleich noch vorbei.“   Mal ehrlich, das konnte jetzt nur ein Scherz sein, oder? Ein Blick in das Gesicht meines eigentlich ganz lieben, aber in dieser Beziehung anscheinend vollkommen unerfahrenen, neuen Freundes zeigte mir: Es war keiner. Echt jetzt? Da hatte ich mich zwei Stunden aufgebrezelt, mich mit meiner Mutter bis aufs Blut über eine geeignete Heimkehrzeit gestritten, mir meine beste Unterwäsche angezogen (nicht, dass ich sie vorführen wollte, aber man wollte ja vorbereitet sein) und dann das? Ich sah auf die Spitzen meiner neuen Turnschuhe, die ich ebenfalls für dieses Date extra noch geputzt hatte, damit ich sie anbehalten konnte und nicht unsexy auf Socken bei ihm durch Haus latschen musste, und murmelte irgendwas von „Ist gut“ und ärgerte mich schwarz. Also gut, würden die beiden Affen eben auch hier rumhängen und zusammen mit uns Mucke hören. War bestimmt auch ganz nett. Einen der beiden mochte ich sogar ganz gerne, aber hier haben wollte ich sie bestimmt nicht.   Es klingelte kurze Zeit später und die romantische Stimmung, die sich im Licht eines einzelnen, aus einer staubigen Ecke gekramten Teelichts zu den Klängen einer gebrannten Kuschelrock-CD kurzzeitig entwickelt hatte, machte einen wenig dezenten Abgang, als die beiden mit einem Sixpack Bier, einem infernalischen Rülpsen und einem einstimmig gebrüllten „SCHULZ!“ das kleine, muffige und im Übrigen nicht mal aufgeräumte Zimmer stürmten. Na wunderbar. Konnte ich meine Mutter jetzt schon anrufen, dass ich nach Hause wollte, ohne das Gesicht zu verlieren?   „Was geht, Alter?“ und ähnlich sinnige Gespräche füllten den Raum neben Zigarettenqualm und Biergeruch. Ich saß am Rand des Bettes und nippte an meinem Glas Leitungswasser. Ich mochte kein Bier und sonst hatte er nichts da. „Kommt, wir gehen ins Kino“, schlug plötzlich einer der Kumpel vor. Ich sah zum Fenster, wo es in Strömen regnete. Also eigentlich eher wie aus Eimern schüttete. Und das nächste Kino lag ungefähr 20 Kilometer weit entfernt. „Wir wollen wir denn da hinkommen?“, murmelte ich kleinlaut und ahnte bereits Schreckliches. „Na mit dem Mofa“, war die wenig erfreuliche Antwort. „Und ich?“, fragte ich vorsichtig nach. „Na du kommst zu mir auf die 80er“, antwortete der ältere der beiden Kumpel. „Aber es regnet“, versuchte ich meinen letzten Trumpf auszuspielen. „Kriegst Regensachen von mir“, bot mir mein Freund an.   Ich war also drei zu eins überstimmt und bekam eine wunderbare, uralte, nach Benzin stinkende Regenkombi über mein sorgfältig ausgewähltes Outfit gestülpt. Nur Schuhe gab es natürlich keine. Das war dann auch mit das Einzige, woran ich die nächste, quälend lange halbe Stunde denken konnte, in der ich zitternd und bibbernd auf den zweiten Sitz der 80er gequetscht durch den eiskalten Regen fuhr und meine Schuhe sich bereits bis oben hin mit Wasser vollgesogen hatten. Na toll! Erst ein Scheiß-Date und dann auch noch ne dicke Erkältung. Vielen Dank für diesen tollen Abend.   Ich ahnte nicht, dass es noch schlimmer kommen sollte.   Am Kino angekommen war es genau zehn Minuten nach Beginn der Abendvorstellung und wir kamen somit nicht mehr rein. Mir war also eiskalt, ich hatte Hunger, weil ich vor Aufregung vergessen hatte, etwas zu Abend zu essen, meine neuen Schuhe waren ruiniert und ich stand mit drei Chaoten vor einem verschlossenen Kino. „Wir gehen so lange zu Mäkke.“ „Genau! Spätvorstellung rockt.“ „Los, ich hab Kohldampf.“ Ich trabte also brav zur 80er und ließ mich zu McDonald's kutschieren. Dort bestellten wir etwas und die drei lümmelten sich in einen Ecktisch, um die nächsten anderthalb Stunden damit zu verbringen, andere Gäste anzupöbeln und die Bedienung anzumachen. Ich saß daneben und wollte woanders sein. Ganz woanders. In einem fünfzehn Meter tiefen Loch zum Beispiel.   Es wurde halb zehn und somit Zeit, endlich wieder zum Kino aufzubrechen. Dort angekommen standen wir vor einem neuen Problem. Es kamen noch genau zwei Filme. Einer davon war „Die Wiege der Sonne“ und der war ab 16. Ich war 15 und sah jünger aus. So viel zu der Idee. „Gehen wir halt in den anderen Film.“ „Wie heißt der?“, fragte ich vorsichtig und starrte auf das Kino-Plakat. Von dort prangte mir etwas entgegen, das ich weder glauben, noch sehen wollte. Ein unglaublich hässlicher Mann mit einem großen Sombrero und der Bildunterschrift: „Texas – Doc Snyder hält die Welt in Atem.“   Ich weiß, es gibt Leute, die mögen diese Art von Humor. Ich orakele aber mal, dass die meisten 15-jährigen Mädchen nicht dazu gehören. Falls doch, entschuldige ich mich an dieser Stelle. Ich zumindest gehörte definitiv zu den Leuten, die vor diesem Film Reißaus nehmen. Oder genommen hätten, wenn ich nicht weit weg von zu Hause mit eiskalten, nassen Füßen und drei Kerlen in einem Kino gehockt hätte, ohne die Möglichkeit, der Grausamkeit zu entkommen, die unglaubliche 86 Minuten mich in Atem hielt. Ich musste mich in dieser Zeit sehr bemühen, um nicht entweder zu schreien oder mich zu übergeben oder beides. Gleichzeitig.   Als es endlich vorbei war, dachte ich, das war es jetzt. Ihr auch, oder? Weit gefehlt, da kommt noch was. Haltet euch fest.   Es hatte aufgehört zu regnen. So weit, so gut. Die Schuhe waren leider immer noch nass, als die 80er mich endlich in Richtung zu Hause und warmes Bett brachte. Also zumindest hätte sie das tun sollen. Stattdessen fing sie an zu mucken und zu stottern und ich fragte mich, wie schlecht ich mich in einem vorherigen Leben eigentlich benommen hatte, um das zu verdienen. Wir hielten also mitten auf der Landstraße, um die vernichtende Diagnose: „Ölstand zu niedrig“ zu erhalten. „Kein Problem“, röhrte mein zukünftiger Ex-Freund „Ich hab noch Öl zu Hause.“   Also fuhren wir statt zu mir nach Hause, zu ihm nach Hause, weil sein Kumpel Angst hatte, seine Maschine sonst zu Schrott zu fahren. Es folgte eine lange, sehr lange und im Abschluss erfolglose Suche nach Öl. „Na ja, ich fahr dann mal. Ist ja schon spät, ne?“, verabschiedete sich der Kumpel samt 80er und ich wurde mir bewusst, dass es inzwischen weit nach Mitternacht war. Himmel, meine Mutter würde mir die Hölle heiß machen. „Lass mich schnell ein Taxi rufen“, sagte ich. „Ich habe Geld mit.“ „Geht nicht. Ich habe die Nummer nicht und außerdem ist das Telefon abgeschlossen.“ „Das Telefon ist WAS?“ Ich glaube, ich habe selten so dämlich geguckt, wie in diesem Moment. „Abgeschlossen. Hab zu viel telefoniert. Und ich kann meine Eltern nicht wecken. Aber ich habe da eine Idee.“   Ich gebe zu, ich wollte es nicht wissen. Aber ich konnte auch nicht mitten in der Nacht knapp zehn Kilometer nach Hause laufen. Also ließ ich mir die Idee zeigen. Die Idee war: Ein Trecker. Traktor. So ne Landmaschine. Ihr wisst schon. Die Dinger, die einen zum Wahnsinn treiben, wenn sie vor einem auf der Straße auftauchen, wenn man es eilig hat. Mein definitiver Ex-Freund hatte nämlich die Erlaubnis, so einen zu fahren und der Stall, in dem das Ding stand, war weit genug weg, um seine Eltern nicht zu wecken. Allerdings war er trotzdem so laut, dass wir nicht auf dem direkten Weg durch die Dörfer fahren konnten. Ist nachts um eins halt nicht so angebracht. Also fuhren wir auf Schleich- und Umwegen im Schneckentempo nach Hause und das Einzige, was ich davon noch weiß, ist die Tatsache, dass es in dem Ding das erste Mal an diesem ganzen, dämlichen Abend, warm war.   Ganz zum Schluss ließ mich mein Ex-Freund dann noch am Dorfrand raus, weil er ja nicht durch den Ort fahren durfte, und ich kam nachts um kurz vor zwei völlig durchgefroren zu Hause an und musste dabei so ein jämmerliches Bild abgegeben haben, dass meine Mutter die Standpauke auf den nächsten Tag verschob. Das Kontaktverbot trat jedoch sofort in Kraft und ich war nicht böse darum. Denn, mal ehrlich, nach dem Abend wollte ich den Typ einfach nie, nie, nie wieder sehen.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)