All fall down von Leya ================================================================================ Kapitel 13: ------------ Disclaimer: Alle aus HP bekannten Figuren sind nur ausgeliehen und werden zurückgegeben. -*-*- All fall down 13 -*-*- Carl begleitete die letzten Gäste nach draußen und wünschte ihnen eine gute Nacht. Dann zog er die Tür zu und lehnte sich müde dagegen. Vorsichtig bewegte er seine breiten Schultern, um die Verspannung zu lockern, die sich in seinem Nacken aufgebaut hatte, doch es half nicht viel. Endlich Feierabend. Carl ging langsam in Richtung Küche. So gern er sich mit seinen Gästen unterhielt und ihnen ihre Wünsche von den Augen ablas, jetzt kam der Teil, auf den er sich überhaupt nicht freute. Das benutzte Geschirr stapelte sich beinahe turmhoch in der Spüle und auf der Ablage. Mutlos schob er einige Teller beiseite und überlegte, wie er das ganze am besten angehen sollte. Als er zwei Jahre zuvor sein eigenes Restaurant eröffnet hatte, da war er so voller Enthusiasmus gewesen, so voller Ideale. Doch schon bald hatte die Realität ihn eingeholt und die Sorgen des Alltags nahmen einen immer größeren Raum in seinem Leben ein. Für einen Squib war es harte körperliche Arbeit, ein Restaurant zu führen. Das, was Zauberer innerhalb weniger Sekunden mit einem Zauberspruch zu erledigen pflegten, dauerte bei ihm Ewigkeiten. Doch dieses Restaurant war sein Traum von Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung. Seine ganz persönliche Freiheit. Auch wenn es bedeutete, sich jeden Tag praktisch tot zu arbeiten. Irgendwann würde er genügend Geld besitzen, um einige Kellner zu beschäftigen. Und vielleicht konnte er noch ein oder zwei weitere Restaurants eröffnen... Genug geträumt. Die Arbeit erledigte sich nicht von allein. Carl schob seine Träumereien entschlossen beiseite. Er nahm sich einen Schwamm und begann mit dem Abwasch, doch als er die Teller in das heiße Spülwasser gleiten ließ, wanderten seine Gedanken schon wieder zu seinen Zukunftsplänen. -*-*- Frierend zog Francis den dünnen Umhang über seinen Schultern zusammen und wartete in den Schatten, bis die Lichter der Strasse nach und nach erloschen. Stundenlang hockte er nun schon in dieser kleinen Gasse und hoffte auf die Nacht, die ihm Schutz vor neugierigen Blicken bieten würde. Zeit, über sein Handeln nachzudenken hatte er in den letzten Tagen wirklich genug gehabt, doch irgendwie erinnerte er sich gar nicht gern an die jüngsten Ereignisse. Erst sein Streit mit Lucius, dann seine überstürzte Flucht. Warum war er weggelaufen? Weil er dachte, es wäre die einzige Möglichkeit nicht nur sich selbst, sondern auch Lucius aus dieser Falle zu befreien in der sie beide steckten. Er war weggelaufen, weil er Angst vor den Gefühlen hatte, die immer noch in seinem Inneren tobten und von ihm verlangten, auf der Stelle in Lucius' Arme zurückzukehren. Oder eher: in sein Bett. Dies war eine Wahrheit, der er sich nicht gern stellte. Er liebte Lucius, aber seine Liebe war nicht die eines Sohnes. Er wollte ihn als Liebhaber, wollte mit ihm zusammen sein. Wollte ihn berühren, ihn spüren, ihn lieben dürfen. Francis schloß die Augen, als er die ersten Tränen auf seinen Wangen spürte und drängte das aufkeimende Gefühl der Hilflosigkeit in den hintersten Winkel seines Herzens zurück. Keine Schwäche, jetzt nicht. Nicht, wenn er keine Ahnung hatte, wo er hingehen sollte. Leider hatte er dies bei seiner Flucht nicht bedacht. Das es keinen Ort gab, an den er gehen konnte. Natürlich würde sein Vater ihn suchen. Und ganz gleich wo er sich versteckte, Lucius würde ihn irgendwann finden. Francis trat unruhig auf der Stelle, um die Kälte aus seinen Beinen zu vertreiben. Obwohl es gerade erst Herbst geworden war, wurden die Nächte schon empfindlich kühl und im Augenblick bereute er wirklich, so überstürzt aufgebrochen zu sein. Er hätte zumindest einige Kleider zum wechseln mitnehmen sollen, doch dafür war es nun zu spät. Jetzt zurückzugehen käme einer Niederlage gleich. Er würde sein Versagen eingestehen müssen und dann war da noch Lucius. Wer weiß, vielleicht würde er seine Drohung wahr machen und ihn in den Keller sperren. Trotz der Kälte musste Francis bei diesem Gedanken lächeln. Die Keller in Malfoy Manor waren sicherlich komfortabler und vor allem wärmer als dieser dreckige Hinterhof. Ein greller Streifen Licht fiel auf den Gehweg hinaus und Francis brachte sich rasch hinter einigen Mülltonnen in Sicherheit, ehe die Helligkeit ihn erfassen konnte. Von seinem Versteck aus beobachtete er, wie die Tür zum Restaurant sich öffnete und ein großer, breitschultriger Mann, wahrscheinlich der Wirt, ein junges Paar hinaus ließ. Der Mann wartete, bis die beiden in einer Nebenstraße verschwunden waren, dann schloß er die Tür und Francis war wieder allein in der Dunkelheit. Nachdenklich betrachtete er die nun wieder geschlossenen Türen des Restaurants. Dort gab es sicherlich etwas zu essen. Der Junge überquerte die Strasse und trat am Haupteingang vorbei in den Hof ein, der zur Hintertür des Restaurants führte. So etwas hatte er schon lange nicht mehr gemacht. Unsicher tastete er in seiner Tasche nach seinem Zauberstab und schüttelte gleich darauf über sich selbst den Kopf. Wie lange hatte er ihn schon nicht mehr? Vier Jahre? Fünf, sechs? Er erinnerte sich noch nicht einmal mehr. Jack hatte ihn damals an sich genommen, als er ihn bei sich aufgenommen hatte. ,Für das, was ich von dir will brauchst du keinen Zauberstab,' hatte er gesagt und Francis hatte dies nie in Frage gestellt. Vielleicht war es aber auch besser so. Er hatte schon so lange nicht mehr gezaubert, dass er sich wahrscheinlich bei dem Versuch nur verletzen würde. Er musste einen anderen Weg in das Haus hinein finden. -*-*- Mit einem erleichterten Seufzen stellte Carl das letzte Glas beiseite. Er war todmüde und das einzige, was er jetzt noch wollte, war endlich ins Bett zu fallen und seine Sorgen zumindest für diese Nacht zu vergessen. Der nächste Morgen würde noch früh genug kommen und mit ihm würde der tägliche Kampf ums Überleben aufs neue beginnen. Ein kaum hörbares Rascheln riß ihn aus seinen Gedanken. Blinzelnd legte er den Kopf schräg und lauschte, doch was immer es gewesen war, es war weg. Carl zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich nur Mäuse, die sich mal wieder über die Speisen hermachten, die er in einem kleinen Raum im hinteren Teil der Küche lagerte. Er musste endlich mal etwas dagegen unternehmen. Die widerlichen kleinen Nager fraßen ihm sonst noch die Haare vom Kopf. Wieder raschelte es, diesmal allerdings so laut, dass er es nicht mehr ignorieren konnte. Mit einem gereizten Stirnrunzeln schlich er lautlos zu dem kleinen Raum hinüber und presste das Ohr gegen die Tür. Das Rascheln wurde lauter und diesmal war er sich sicher, dass es keine Mäuse waren. Also blieb nur eine einzige Lösung. Es war jemand eingebrochen. Mit einem heftigen Ruck riß er die Tür auf und wurde mit einem erschrockenen Aufschrei belohnt, dann huschte eine schmale Gestalt zu dem kleinen Fenster, welches auf den Hinterhof hinausging. "He!" Carl ließ seine Hand vorschnellen und erwischte den Dieb gerade noch, ehe dieser flüchten konnte. Das Licht aus der Küche fiel auf ein erschrockenes Gesicht, aus dem ihm große, graue Augen entgegen starrten, dann versuchte der Junge mit Verspätung, sich aus dem Zugriff des Mannes zu befreien. Carl seufzte nur und verstärkte kaum merklich den Griff, mit dem er das Handgelenk des Jungen umklammert hielt. "Komm schon, hör auf zu zappeln!" Der Junge hörte nicht auf ihn. Statt dessen versuchte er nun, nach dem Mann zu treten. Als eine Schuhspitze sein Schienbein traf, hatte Carl endgültig genug. Er klemmte sich den Jungen unter den Arm und trug ihn in die Küche, wo er ihn reichlich unsanft auf den nächsten Stuhl warf. Endlich hatte er Gelegenheit, sich seinen ungebetenen Gast genauer anzuschauen. Ganz so jung wie er zunächst angenommen hatte, war er doch nicht mehr. Vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Mager, ein wenig verwahrlost. Aber verdammt hübsch. Carl rief sich rasch zur Ordnung, auch wenn es ihm schwerfiel. Dafür war nun wirklich keine Zeit. "Also, wer bist du und warum brichst du bei mir ein?" Keine Antwort. Nicht das Carl wirklich eine erwartet hatte, doch der offenkundige Trotz des Jungen ärgerte ihn. Er umklammerte den Arm des Jungen und schüttelte ihn kurz, aber heftig durch. "Los! Antworte mir gefälligst!" "Lassen Sie mich los! Sie tun mir weh!" "Ich lasse los, sobald ich eine vernünftige Antwort bekommen habe!" Carl blieb unerbittlich und hatte schließlich wenigstens einen kleinen Erfolg zu verzeichnen. "Ich hatte Hunger!" fauchte der Junge ihn wütend an und obwohl er immer noch verstimmt über den unverschämten Einbruch war, hätte Carl beinahe laut aufgelacht. Mühsam hielt er seine Gesichtszüge unter Kontrolle. "Was du nicht sagst." Carl musterte den Jungen gründlich von oben bis unten. Es dauerte nicht lange und dieser rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her, offensichtlich mochte er es gar nicht, wenn er im Mittelpunkt stand. "Wie heißt du?" Schweigen. Carl seufzte leicht genervt und verschränkte die Arme vor der Brust, bewußt seine Größe einsetzend, um den anderen einzuschüchtern. Anscheinend aber ohne Erfolg, denn der Junge sagte immer noch nichts. Also musste er sich etwas anderes einfallen lassen. Wieder griff er nach dem Arm des Jungen und umklammerte ihn so fest, dass der dieser gequält aufstöhnte. "Francis." Zufrieden ließ Carl los und wurde mit einem giftigen Blick aus wütenden grauen Augen belohnt. Während Francis sich seinen schmerzenden Arm rieb, konnte der hochgewachsene Mann ein Grinsen nicht mehr unterdrücken. Er wusste, er war kräftig und normalerweise hielt er sich anderen gegenüber zurück, doch dieser Junge hatte etwas an sich, was ihn jede Rücksicht vergessen ließ. Er schob diesen Gedanken zur späteren Analyse beiseite und setzte sich dem Jungen gegenüber. "Also, Francis. Jetzt erzähl mir mal, warum du es nötig hast zu stehlen. Hast du denn niemanden, der sich um dich kümmert?" "Das geht Sie gar nichts an!" Meine Güte, der Bengel hatte wirklich eine große Klappe. Carl konnte nur noch den Kopf schütteln. "Du bist bei mir eingebrochen," erinnerte er den Jungen schließlich mit trügerisch sanfter Stimme, da dieser das anscheinend vergessen hatte. "Eigentlich müßte ich dich verhaften lassen und wenn du nicht innerhalb der nächsten zehn Minuten in einer netten, kleinen Zelle landen willst, wirst du genau das tun, was ich dir sage." Francis schnaubte verächtlich, doch in seinen Augen zeigte sich zum ersten Mal eine andere Gefühlsregung als Trotz. Unentschlossen nagte er an seiner Unterlippe, bis er zu einer Entscheidung zu kommen schien. "Was wollen Sie wissen?" "Schon besser." Als Carl die Anspannung bemerkte, die vom Körper des Jungen ausging, wurde seine Miene weich. "Erzähl mir ein bisschen von dir. Hast du kein Zuhause?" "Nein. Seit ich denken kann, lebe ich auf der Strasse." Das war eine glatte Lüge. Carl kannte sich mit Herumtreibern und all den anderen zwielichtigen Gestalten aus, die gerade in diesem Stadtteil oft um die Häuser strichen und dieser Junge mochte zwar ,jetzt' auf der Strasse leben, aber seine Kleidung erzählte eine andere Geschichte. Entweder hatte er erst einige Tage zuvor einen Kleiderladen ausgeräumt, oder aber er war noch nicht lange unterwegs. "Du bist davongelaufen." Das war eine Feststellung und als der Junge erschrocken zusammenzuckte, wusste Carl, dass er ins Schwarze getroffen hatte. "Deine Eltern machen sich sicher schon Sorgen um dich! Deine Mutter wird bestimmt..." "Meine Mutter ist schon lange tot!" unterbrach der Junge ihn plötzlich ziemlich heftig und Carl spürte einen kurzen Stich der Trauer. "Und dein Vater?" Diesmal wartete Carl vergeblich auf eine Antwort. Er seufzte. Anscheinend hatte der Junge sich mit seinem Vater gestritten und glaubte nun, nicht mehr zurück zu können. Es war doch immer das gleiche. "Du solltest mit ihm reden, Junge. Er wird krank vor Sorge sein." "Das ist mir egal." Entgegnete Francis mit neu erwachtem Trotz in der Stimme und Carl zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Hoppla. Anscheinend war die Sache ernster als er angenommen hatte. "Wirklich? Es gibt nichts wichtigeres als eine Familie, Junge. Wirf das nicht einfach so weg, nur weil du dich einmal mit deinem Vater gestritten hast." Wieder prallte Carls gutgemeinter Ratschlag auf eine Mauer des Schweigens und mit einem leisen Seufzen gab er auf. Zeit, das Thema zu wechseln. "Wo schläfst du im Augenblick?" Francis zog erstaunt die Augenbrauen hoch. "Warum interessiert Sie das?" "Weil ich dir helfen möchte. Ich weiß wie es ist, wenn man auf der Strasse lebt. Du könntest dir mehr Schwierigkeiten einhandeln, als du bewältigen kannst." Der große Mann verlor sich in Gedanken, als er über seine eigene Kindheit nachdachte. Bei dem letzten Satz des Mannes schlich sich ein amüsiertes Grinsen auf Francis Lippen. Wahrscheinlicher war, dass der Mann überrascht sein würde, sobald er von seiner Vergangenheit erfuhr. Aber ihm jetzt davon zu erzählen hätte die Sache nur komplizierter gemacht als nötig. Außerdem wollte dieser Kerl anscheinend seine soziale Ader ausleben. Am besten, man ließ ihn einfach gewähren. Aber es gab noch etwas, das er wissen musste. "Werden Sie mich jetzt verhaften lassen, oder nicht?" Abrupt aus seinen Gedanken gerissen zuckte Carl mit den Schultern und meinte dann: "Ich denke nicht..." "Dann bin ich hier fertig." Francis sprang auf und stürzte an Carl vorbei zur Tür. Dieser war so überrascht, dass er sich erst rührte, als es zu spät war. "Warte doch, Francis! Ich..." Die Tür schlug zu und Carl war wieder allein. Lange Sekunden blieb er reglos auf seinem Stuhl sitzen, dann löschte er das Licht und ging zu Bett. tbc Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)