Bedrohte Bestimmung von Varlet ================================================================================ Kapitel 17: Zweifel ------------------- Richard Cane saß zu Hause in seinem Arbeitszimmer und lieferte sich ein Blickduell mit dem Computer und der Uhr. Nervös klickte er auf der Maus herum. Alle Medien berichteten über den Vorfall in seiner Firma. Publicity war normalerweise gut, aber ein Mord würde den Geschäftspartnern und Verbrauchern seiner Produkte noch lange in Erinnerung bleiben. Die Reporter waren wie die Geier. Kaum witterten sie einen Skandal, lagen sie schon auf der Lauer. Sie waren überall – in offizieller Angelegenheit oder in ziviler Kleidung – und standen mit ihren Diktiergeräten, Fotoapparaten, Handys und Notizblöcken abseits und beobachteten. Wenn sie Glück hatten, fanden sie die ein oder andere auskunftsfreudige Person oder schnappten Bruchstücke der ermittelnden Beamten auf. Und jetzt hatte er den Salat, nur weil ein Reporter zur falschen Zeit am falschen Ort war. Die Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Internet und schon bald würde sein Telefon nicht mehr still stehen. Cane ballte die Faust. Wie sollte er alles seinen Kunden und Geschäftspartnern erklären, wenn er selbst nur die halbe Wahrheit kannte. Es war alles schief gelaufen und jetzt musste er die Kohlen aus dem Feuer ziehen. Und am besten so, dass keiner etwas bemerkte oder noch schlimmer: hinter seine wahren Machenschaften kam. Er scrollte bis zum Textende. Neben einigen Mitteilungen, dass man Anteil nahm, fanden sich viele Kommentare rund um wilde Spekulationen und Anfeindungen. „Das darf doch nicht wahr sein“, murmelte er zu sich selbst. In nur wenigen Stunden war der Artikel schon in vollem Munde. Bald war es egal, was die offizielle Stellungnahme hergab. Alles Positive wäre nur mit wenigen Zeilen veröffentlicht worden. Das Negative hingegen fand sich immer auf der Titelseite oder wurde der Schlagzeile wegen ausgeschlachtet. Richard nahm sein Handy und wählte. Es klingelte mehrere Male ehe sein Gesprächsteilnehmer das Telefonat annahm. „Cane“, begann er. „Was habe ich Ihnen gestern schon gesagt? Möchten Sie, dass man Ihnen auf die Schliche kommt?“ „Wir müssen aber reden. Sie können mich nicht seit gestern Abend so behandeln und meine Anrufe ignorieren.“ Cane verzog das Gesicht. „Man kann mir nicht auf die Schliche kommen. Ich habe nichts getan. Sie sollten lediglich Marone und Saintemillion Geld für ihr Schweigen anbieten.“ „Richard, ich bitte Sie, glauben Sie noch an den Weihnachtsmann? Sie haben selbst Marone vor Jahren überprüft. Der Kerl hätte sich nie bestechen lassen. Und ich geh mit Ihnen jede Wette ein, dass die Verlobung auch nur eine Finte war.“ „Ich konnte doch nicht ahnen, dass sie für das FBI arbeitet. Ihre Vita war einwandfrei.“ Der Mann schnaubte. „Sie hätten sie besser überprüfen müssen. Dann würde jetzt nicht das FBI ermitteln. Wer weiß, wie lange sie und Marone schon gegen Sie ermitteln. Aber egal, jetzt stehen Sie so oder so auf dem Abschussgleis. Geldwäsche ist kein Kavaliersdelikt.“ „Es wird keiner etwas Erfahren. Die Bücher sind wasserdicht. Und alle weiteren Unterlagen, werde ich so schnell wie möglich vernichten.“ Cane stand auf und ging an das Fenster. „Seit gestern Abend steht der gleiche Wagen vor meiner Tür.“ „Das FBI beschattet Sie also. Das war abzusehen, weil ihre Agentin im Krankenhaus liegt.“ Cane schluckte. „Wir müssen etwas tun.“ „Überlassen Sie das mir“, sagte er. „Was? Nein! So hab ich das nicht gemeint. Sie werden der Frau nichts tun! Schlimm genug, was passiert ist, aber ich werde kein weiteres Menschenleben auf dem Gewissen haben.“ Er rollte mit den Augen. „In der Vergangenheit waren Sie doch auch kein Heiliger.“ „Das war damals. Seitdem habe ich mich geändert.“ Und sind noch geldgeiler geworden. Aber das würde er ihm nicht sagen. „Machen Sie sich nicht in die Hose. Sobald Sie sich anders verhalten, wird das FBI eingreifen“ Cane seufzte. „Das sagen Sie so leicht. Ein Mann ist tot, eine Agentin schwer verletzt im Krankenhaus und dann noch die ermittelnden Agenten. Soll ich nach draußen gehen und Interviews geben oder wie stellen Sie sich das vor?“ „Da haben Sie doch schon Ihre Antwort“, begann er. „Geben Sie eine Pressemitteilung raus und bekunden ihr Beileid und ihre Anteilnahme. Geben Sie ihren Angestellten meinetwegen ein paar Tage frei und wenn Sie von Reportern belagert werden, verweigern Sie die Aussage…nein noch besser, sagen Sie, dass Sie alles tun um das FBI bei den Ermittlungen zu unterstützen. Allgemeines Bla Bla eben. Sie sind doch sonst nicht auf den Kopf gefallen.“ Cane schwieg. „Haben Sie das verstanden?“ „Ja, hab ich“, murmelte er. „Gut. Wir werden in den nächsten Tagen keine Transaktionen durchführen, damit man keinen Zusammenhang zwischen dem Mord und der Geldwäsche erkennt. Und ich kümmere mich darum, dass das FBI auf eine falsche Fährte gelockt wird.“ „In Ordnung“, sagte Richard leise. „Und Cane?“ „Ja?“ „Wie viel haben Sie Ihrer Frau erzählt?“ Cane schluckte. „Noch…noch gar nichts, ich schwöre. Als ich gestern Abend nach Hause kam, lag sie schon im Bett. Danach habe ich nur noch versucht Sie zu erreichen. Sie hat heute Morgen noch geschlafen, als ich aufgestanden bin.“ „Gut. Sie sagen ihr genau das gleiche, was Sie auch dem FBI und allen anderen erzählen werden. Und keine übereilten Geständnisse. Frauen können manchmal unberechenbar sein, vor allem dann, wenn sie sich verraten fühlen.“ „Emily ist nicht so“, erwiderte Cane. „Das werden Sie erst wissen, wenn es soweit ist. Also spielen Sie ganz einfach alles runter. Verstanden?“ „Ja“, antwortete Cane. „Und was…“ Richard starrte auf sein Handy. Er hatte aufgelegt. Er hatte mitten im Gespräch aufgelegt und machte sich alles so einfach. Der Geschäftsmann seufzte und legte das Telefon auf den Tisch. Als er ein Poltern aus dem Flur vernahm, stand er auf und verließ sein Arbeitszimmer. Emily Cane lief von einem Raum in den nächsten und verrückte einige Gegenstände. Sie war nervös, besorgt, verwirrt und enttäuscht zu gleich. Ihr Mann hatte nichts gesagt und geschwiegen bis zum Ende. Und nun? Nun hatte sie es doch erfahren – aus der Zeitung. „Emily?“ Richard folgte ihr in die Küche. „Liebes, jetzt trag die Sachen doch nicht hin und her.“ Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Ein enttäuschter Gesichtsausdruck spiegelte sich auf ihrem Gesicht wieder. „Wann wolltest du es mir sagen?“, fragte sie leise. „Was meinst du?“ Richard überkam ein ungutes Gefühl. Wusste sie es etwa? Aber woher? Hatten sie ihre Freundinnen informiert? Emily ging zum Küchentisch und nahm die Zeitung in die Hand. „Ich hab vorhin die Zeitung reingeholt.“ Sie hielt die erste Seite mit der Schlagzeile hoch. „Mr. Marone ist tot und seine Verlobte wurde lebensgefährlich verletzt. Du warst gestern dort. Warum…muss ich aus der Zeitung davon erfahren? Richard, was ist in deiner Firma los?“ Cane schluckte. „Ich hatte keine Zeit um…“ „Du hattest keine Zeit?“, sie wurde lauter. „Ist das dein ernst? Du hättest es mir erzählen müssen. Weißt du eigentlich, wie ich mich fühle, weil ich das aus der Zeitung erfahren musste?“ „Emily!“, begann er. „Als ich gestern Abend nach Hause kam, hast du schon geschlafen und als ich heute Morgen aufstand, warst du noch nicht wach. Ich wollte es dir in Ruhe erzählen.“ Er seufzte. „Ich wollte doch nicht, dass du es aus der Zeitung erfährst.“ „In Ruhe. Du wolltest es mir in Ruhe erzählen?“, wiederholte sie leise. „Du hättest mich wecken müssen.“ „Es tut mir leid, Emily“, fing Cane an. „Wir hatten gestern unseren Hochzeitstag und du fandest es doch schon nicht gut, weil ich noch in die Firma gerufen wurde, obwohl ich Feierabend hatte. Ich wollte nicht auch noch dich damit belasten. Und wenn ich ehrlich bin, hab ich nicht damit gerechnet, dass der Mord an Marone schon so schnell in den Medien ausgeschlachtet wird. Keiner weiß doch noch, was genau passiert ist.“ Emily schwieg. „Emily?“ „Es hätte auch dich treffen können“, wisperte sie. „Vielleicht war der Anschlag gegen dich, nur wusste der Täter nicht, dass wir unseren Hochzeitstag feiern. Oh mein Gott…das darf nicht wahr sein…“ „Emily, nicht…“ Richard biss sich auf die Unterlippe. „Es geht mir gut. Und ich kooperiere mit dem FBI, damit sie herausfinden, wem der Anschlag galt. Ich werde die Sicherheitsvorkehrungen bei uns zu Hause verstärken, aber du musst verstehen, dass ich trotzdem wieder in die Firma muss. Wenn sie zu lange geschlossen bleibt, machen sich auch die Angestellten Sorgen und kündigen. Und auch die Geschäftspartner müssen besänftigt werden. Wenn es falsch läuft, bin nicht nur ich arbeitslos. Deswegen müssen wir so tun, als wäre alles in bester Ordnung, auch wenn es uns schwer fällt.“ Emily seufzte. „Ich weiß nicht, ob ich das kann“, gestand sie. „Und wenn du den ganzen Tag in der Firma bist…ich werde mir immer sorgen machen. Was wenn die Person noch einmal zuschlägt und du dieses Mal in deinem Büro bist?“ Emily wischte sich alle aufkommenden Tränen weg. „Allein die Vorstellung…“ „Ich werde die Glasscheiben durch Panzerglas in allen Räumen ersetzen und Wachpersonal einstellen. Wenn es dich beruhigt, lasse ich in meinem Büro eine Kamera aufstellen und Sorge dafür, dass auch die Fassade welche bekommt. Sarah werde ich anweisen, dass sie mich über jeden Besucher, egal zu wem er will, informieren soll.“ Emily nickte. „Das würde mich etwas beruhigen. Du musst mir aber versprechen, dass du dich regelmäßig bei mir melden wirst, wenn du dort bist. Ich versteh ja, dass du Geschäftstermine hast…aber zwischendurch eine kurze Nachricht…“ „Versprochen“, entgegnete Richard ruhig. „In den nächsten Tagen werde ich allerdings von zu Hause aus arbeiten müssen. Die Firma wurde noch nicht vom FBI freigegeben und danach…muss ich dort aufräumen.“ Er meinte ein Säuberungsteam welches auf Tatortreinigungen spezialisiert war. „Bitte pass auf dich auf.“ Richard zog seine Frau in seine Arme und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Mach dir um mich keine Sorgen. Ich bin ein Stehaufmännchen, das weißt du doch. So schnell kriegt mich keiner klein.“ Das Telefon läutete und holte ihn aus seinem wohl verdienten Schlaf. Müde setzte er sich auf und sah auf seinen Nachttisch. Drei Handys – in unterschiedlichen Hüllen – lagen dort. Grün für private Zwecke, blau für seinen Nebenverdienst und rot für brisante Aufträge. Er griff nach dem roten Handy und nahm das Gespräch entgegen. „Was ist?“ „Die Agentin ist noch am Leben.“ Er gähnte herzhaft. „Kann sein. Dieser andere FBI Typ ist auf einmal aufgetaucht und hat mich verfolgt. Ich konnte gerade noch durch das Fenster fliehen. Ich muss sagen, dass war überraschend…aber der Adrenalinstoß war berauschend.“ „Wieso haben Sie sie nicht sofort erledigt?“ „Jetzt machen Sie mal halblang. Ich hab Ihren Auftrag ausgeführt und Marone erledigt. Die kleine Maus vom FBI hatte einfach nur Glück.“ Er leckte mit der Zunge über seine Lippen. „Ich erledige sie schon. Früher oder später trifft es jeden.“ „Mir wäre früher lieber. Gestern Abend hätten Sie eine viel bessere Chance gehabt. Jetzt wird sie sicher überwacht. Ich hab Sie angeheuert, damit sie Beide erledigen und nicht damit Sie sie auf unsere Spur führen. Was haben Sie sich dabei gedacht? Sie hätten den anderen Agenten auch erledigen müssen.“ „Zwei tote FBI Agenten…Sie haben ja Nerven. Und jetzt machen Sie sich mal nicht in die Hose“, begann er. „Ich arbeite diskret. Gestern war das FBI zu aufgescheucht. Heute werden sie bei weitem unvorsichtiger werden. Wie ich sie kenne, werden sie an verschiedenen Fronten ermitteln und das mache ich mir zu Nutzen.“ „Von mir aus“, knurrte er. „Aber Sie wissen, was Sie sagen sollen, wenn man Sie erwischt.“ „Falls, mein lieber, falls man mich erwischt…“ Er stand auf und ging in den Nebenraum. Dort betrachtete er seine neusten Masken und grinste. Die Idee war so gut, dass es ihn sogar selbst überraschte. Man würde ihm nicht so schnell auf die Schliche kommen. Mit den verschiedenen Gesichtern konnte er bisher jeden Auftraggeber zufrieden stellen. „…sage ich, dass Dr. Richard Cane mich engagiert hat um Marone und Saintemillion zu erledigen. Den Grund kenne ich nicht, aber das hat mich nicht interessiert.“ „Wunderbar.“ Er wirkte erleichterter. „Bevor Sie sich um die Agentin kümmern, müssen Sie noch etwas anderes machen.“ „Das kostet extra.“ Er verzog das Gesicht. „Geld spielt keine Rolle. Sie müssen sich in den Wohnungen von Marone und Saintemillion umsehen. Lassen Sie jeden Hinweis auf uns verschwinden. Und passen Sie auf, das FBI hat die Wohnungen sicherlich über die gesamte Nacht beobachtet.“ „Halten Sie mich nicht für einen Anfänger. Ich weiß genau, was ich tue. Und jetzt weiß ich auch mit wem ich es zu tun habe.“ „Gut, ich verlasse mich auf Sie.“ Er legte auf und sah auf seinen Computer. Alles lief nach Plan. Cane machte sich in die Hosen und sein Attentäter erledigte den Feind. Am Ende lief alles bei Richard Cane zusammen. Egal was der Geschäftsmann auch tat, er war der perfekte Sündenbock. Seit Jahren scheffelten sie gemeinsam das Geld, aber wenn es um Leben und Tod ging, war jeder auf sich gestellt. 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