Bedrohte Bestimmung von Varlet ================================================================================ Kapitel 25: Am Flughafen ------------------------ Richard lief angespannt die Treppen nach unten. Schnell schob er seinen Laptop in den Handgepäckkoffer und überprüfte die Vollständigkeit seiner Papiere. Er hasste spontane Reisen. Je weniger Zeit man hatte um sich auf ein Gespräch vorzubereiten, desto schlimmer konnte es werden. Wie wollte man jemanden überzeugen, wenn man sich nicht intensiv vorbereiten konnte? Und eigentlich war es genau das, was er tun musste. Die Schlagzeilen hatten der Firma zu sehr geschadet. Mit ein paar Worten würde er nicht unbeschadet aus der Sache herauskommen. Jetzt konnte er nur hoffen, dass sein Einsatz Früchte tragen würde. Richard steckte die Papiere zurück in die Tasche und sah zu seiner Ehefrau. Mit einer kleinen Dose in der Hand beobachtete sie ihren Mann. Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Du hast alles dabei.“ „Ich weiß.“ Cane seufzte. „Und trotzdem möchte ich auf Nummer sicher gehen. Wenn ich am Flughafen bin, will ich nicht feststellen, dass mein Ausweis oder das Flugticket fehlt. Oder noch schlimmer, wenn ich bei den Investoren sitze und merke, dass etwas Fehlt.“ Emily sah ihn überrascht an. „Ich dachte, du wolltest nicht so viele Unterlagen mit nehmen?“ „Das stimmt, aber ein paar Zahlen und eine Präsentation sollte ich trotzdem dabei haben. Es soll doch keine bösen Überraschungen geben.“ Emily nickte. „Bist du sicher, dass ich dich nicht zum Flughafen bringen soll?“ „Das bin ich“, antwortete er. „Ich hab das Taxi bereits bestellt. Wenn ich weg bin, kannst du dich wieder ins Bett legen und noch etwas Schlafen.“ Richard deutete auf die Dose in ihrer Hand. „Ist das für mich?“ „Natürlich. Damit du am Flughafen frühstücken kannst.“ Sie reichte ihm die Dose. „Was würde ich nur ohne dich machen?“ Richard schmunzelte. „Aber du weißt doch, dass es am Flughafen verschiedene Cafés gibt, wo ich mich vor der Abreise reinsetzen kann.“ „Jaja“, fing Emily an. „Und nachher dauern der Check-in und die Sicherheitskontrolle so lange, dass du zum Gate laufen musst. Es ist für deine Verhandlungen bestimmt nicht förderlich, wenn dir bei den Investoren der Magen knurrt.“ „Da hast du Recht“, antwortete der Geschäftsmann. „Mein Terminplan ist ziemlich eng getaktet.“ „So schlimm?“ „Leider ja. Nach meiner Landung um zehn Uhr muss ich mit dem Taxi zu unserem Kunden und vier Stunden später zu einem unserer Investoren. Und so geht’s die nächsten Tage weiter.“ Emily verzog das Gesicht. „Das wäre ja nichts für mich“, gab sie von sich. „Ich muss Schadensbegrenzung betreiben und das geht nur, wenn ich vor Ort bin.“ Cane seufzte. „Ich hoffe, ich kann in drei oder vier Tagen wieder zu Hause sein, aber erst mal muss das One-Way-Ticket reichen.“ Sie nickte. „Gut, dass das mit dem Flug geklappt hat.“ „Das stimmt. Zum Glück hat Maddock bei den Ermittlungsbehörden die Flugerlaubnis ausgehandelt. Ich weiß nicht, was aus der Firma wird, wenn die Investoren und Kunden abspringen. Wenn wir auf uns alleine gestellt sind…“ „Wir haben es immer irgendwie geschafft“, fiel sie ihm ins Wort. „Und wenn wir sparsam sein müssen, dann schränken wir uns eben ein. Ich kann ja mit Maddock reden, vielleicht hat er weitere Vorschläge oder kann uns ein bestimmtes Vorgehen anraten.“ „Das ist eine gute Idee“, entgegnete der Geschäftsmann. „Er hat schließlich auch daran Interesse, dass wir Solvent bleiben.“ „Jeder der an uns Geld verdient, hat daran Interesse.“ „Ja, das stimmt.“ Als es klingelte, horchte Richard auf. „Das wird das Taxi sein“, sagte er und ging an die Tür. Er öffnete sie und sah in das Gesicht des Fahrers. „Taxi für Cane.“ Der Geschäftsmann nickte. „Ich komme gleich. Nehmen Sie doch schon die beiden Koffer.“ Richard wandte sich wieder an seine Frau. Sie war ihm gefolgt und versuchte zu lächeln. Sachte legte er seine Hand an ihre Wange. „Ich melde mich, wenn ich gelandet bin. Und wir telefonieren jeden Abend. Versprochen.“ Emily nickte. „Pass auf dich auf“, sagte sie, ehe sie ihm einen Kuss auf die Lippen drückte. Akai fuhr auf den freien Parkplatz und stellte den Motor ab. „Du kannst manchmal ein richtiger Spielverderber sein“, entgegnete Laura und stieg aus. „Mhm?“ Shuichi öffnete seine Wagentür und trat ebenfalls nach draußen. „Du hast mich während der ganzen Fahrt ignoriert und mir nichts von deinem Besuch im Krankenhaus erzählt. Du warst doch dort, nicht wahr?“ „Wenn du es unbedingt wissen willst: Ja. Jodie ist auf dem Weg der Besserung. Marone hat ihr nie etwas über einen auffälligen Kollegen oder Geschäftspartner von Cane erzählt. Außerdem hat sie sich nie beobachtet gefühlt. Allerdings hat Beckster sie einst um eine Verabredung gebeten. Jodie hat abgelehnt und ihn danach nicht mehr wiedergesehen, zumindest nicht mit seinem richtigen Gesicht“, fasste er den Abend zusammen. „Oh“, murmelte Laura überrascht. „Beckster kam ihr schon so nah?“ „Zum Glück ist nichts passiert.“ Und er wollte auch nicht daran denken, was alles hätte passieren können. „Hat sie sonst noch etwas gesagt?“, wollte Laura neugierig wissen. „Sie ist danach erschöpft eingeschlafen. Jetzt ist ihre Mutter bei ihr.“ „Ich verstehe“, sagte die Agentin. „Wenigstens ist sie jetzt in Sicherheit.“ Akai nickte und ging auf das schwarze Fahrzeug seiner Kollegen zu. Er klopfte zweimal gegen die verspiegelte Scheibe. Die Agenten reagierten nicht. „Da stimmt was nicht.“ Shuichi verengte die Augen. „Welche Agenten haben Dienst?“ „Walsh und Kiening.“ Akai klopfte ein weiteres Mal gegen die Scheibe. „Agent Walsh, Agent Kiening, öffnen Sie unverzüglich die Tür“, sprach er. Erneut gab es keine Reaktion aus dem inneren des Wagens. „Laura, mach dich auf das Schlimmste gefasst“, gab Akai von sich und öffnete die Wagentür. Der Kopf von Agent Walsh lag auf dem Lenkrad, seine Augen waren geschlossen und er atmete regelmäßig. Der Kopf von Agent Kiening war nach unten gebeugt. Auch seine Augen waren geschlossen. Sofort prüfte Akai den Puls der beiden Agenten. „Sie schlafen.“ „Was? Nein, das kann nicht sein“, warf Laura vehement ein. „Sie würden doch nicht mitten in einem Einsatz einschlafen. Und warum so früh, sie haben doch erst seit knapp zwei Stunden Dienst.“ „Das glaube ich auch nicht“, entgegnete Akai. „Ich vermute, sie haben ein Schlafmittel zu sich genommen. Wie, ist mir noch unbekannt.“ Er ließ seinen Blick durch das innere des Wagens schweifen. „Informier Black oder Grayson, wir brauchen einen Krankenwagen und die Spurensicherung.“ Die Agentin nickte, zog ihr Handy heraus und schrieb beiden Agenten eine Nachricht. Shuichi schlug die Wagentür zu. „Hier sind sie erst einmal in Sicherheit“, sagte er und marschierte auf das Haus von Cane zu. „Jetzt warte doch!“ Laura hatte Mühe ihm zu folgen. „Wir sollten keine Zeit verlieren. Ich hoffe, mein Gefühl täuscht mich, aber wenn nicht, dann versucht Cane unterzutauchen.“ Er betätigte sofort die Klingel und wartete. Akai war ungeduldig, aber jede unbedachte Handlung konnte sich negativ auf die weiteren Ermittlungen auswirken. Die Tür ging auf. „Ja, bitte?“ „Emily Cane?“, fing Akai an. „FBI. Ich bin Agent Akai, das ist meine Partnerin Agent McKnight. Wir müssen mit Ihrem Mann sprechen.“ „Oh“, gab die Frau von sich. „Das muss ein Missverständnis sein. Mr. und Mrs. Cane sind nicht zu Hause. Ich bin Fernanda Gomez, ich kümmere mich vormittags um den Haushalt.“ Shuichi musterte die Frau. „Wissen Sie wo Mr. und Mrs. Cane sind?“ „Leider nicht. Ich weiß nur, dass Mr. Cane für einige Tage auf einer Geschäftsreise ist.“ „Verflucht“, murmelte der Agent. „Wissen Sie, ob er die Bahn oder das Flugzeug genommen hat?“ „Keine Ahnung.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber wenn er reist, dann fliegt er immer. Mehr hat mir Mrs. Cane aber nicht gesagt.“ „Wie waren ihre genauen Worte?“ Fernanda überlegte einen Moment. „Sie sagte: Ach ja, Fernanda, wundern Sie sich nicht, mein Mann ist für ein paar Tage geschäftlich verreist. Er weiß noch nicht, wann er zurück kommt.“ One-Way, dachte Akai. „Sie arbeiten doch nur vormittags hier. Warum gab Ihnen Mrs. Cane dann diesen Hinweis?“ „Ich fange meistens gegen acht Uhr morgens an und mache um zwölf Uhr Feierabend. Es kommt vor, dass Mr. Cane noch zu Hause ist oder in der Mittagspause reinkommt. Dann mag er es nicht, wenn ich in seinem Arbeitszimmer putze.“ „Mhm…verstehe…ist Ihnen in seinem Arbeitszimmer etwas Verdächtiges aufgefallen?“ Sie schüttelte erneut den Kopf. „Nein, warum fragen Sie? Hat es etwas mit dem Tod seines Mitarbeiters zu tun? Sie glauben doch nicht, dass Mr. Cane etwas damit zu tun hat? Sowas würde er nie machen.“ „Wir stellen nur Routinefragen“, entgegnete Laura. „Sie haben nicht zufällig beim Putzen gesehen, wann sein Flug geht?“ „Nein“, antwortete Fernanda wahrheitsgetreu. „Als ich heute um acht Uhr anfing, war er bereits außer Haus.“ „Gut“, fing Shuichi an. „Wir schicken gleich ein paar Kollegen vorbei. Sie werden sich im Haus umsehen und ich muss Sie bitten, sich für weitere Fragen bereit zu halten.“ „Ja…natürlich“, nickte Fernanda. Akai sah zu Laura. „Gehen wir“, sagte er und lief mit ihr zu seinem Wagen. „Das ist nicht gut“, murmelte Laura und stieg ein. „Was glaubst du, zu welchem Flughafen ist er gefahren?“ „Schwer zu sagen“, begann Akai und stieg ebenfalls ein. „Wir haben in New York und Umgebung den JFK Airport, den LaGuardia Airport und nicht zu vergessen den Newark Liberty International Airport. Der bekannteste und meist genutzte Flughafen ist der JFK Airport. Aber wenn wir an die Nähe zu seinem Haus denken, kann er auch LaGuardia benutzen.“ „Und wo willst du jetzt hinfahren?“ Das war die Frage. Es brachte nichts, wenn sie nicht das genaue Ziel kannten und sich von ihrem möglichen Zugriffsort entfernten. „Kümmer dich um die Befragung der Haushälterin und sag den Kollegen, dass sie die Gesichtserkennung laufen lassen sollen. Ich überlege mir in der Zwischenzeit etwas.“ Laura nickte und zog ihr Handy raus. Keiner ihrer Kollegen hatte auf die vorherige Nachricht reagiert. Aber das war egal. Laura wählte die Nummer von James Black und klärte ihn persönlich über die letzten Erkenntnisse auf. Akai schloss seine Augen. Er ließ alles was er über Richard Cane, den Fall und die Flughäfen wusste, noch einmal Revue passieren. „Walsh und Kiening begannen ihre Schicht um sechs Uhr. In ihrem Wagen standen Kaffeebecher aus der hiesigen Bäckerei. Diese macht aber erst um sieben Uhr auf. Wenn wir davon ausgehen, dass sich das Schlafmittel im Kaffee befand und Cane vor acht Uhr zum Flughafen gefahren ist, haben wir ein Zeitfenster von etwa drei Stunden. Glück für uns, dass die Fahrt, der Check-in und das Boarding viel Zeit in Anspruch nehmen, wenn man mehrere Koffer dabei hat.“ Laura hielt noch das Handy in der Hand. „Agent Black bestätigt, dass Cane keine Privatmaschine besitzt.“ „Sehr gut“, entgegnete der Agent und öffnete die Augen. „Ist er noch in der Leitung?“ „Ja.“ Shuichi griff nach dem Handy und hielt es sich an das Ohr. „Agent Black, wir müssen an allen Flughäfen die Meldung über Cane rausgeben. Das Sicherheitspersonal soll ihn durchlassen und so in Sicherheit wiegen. Sie sollen sich melden, wenn er gesehen wurde und am besten wäre es, wenn alle Flüge erst einmal ausgesetzt werden.“ „Wir werden es als technischen Defekt ausweisen“, sprach Black. „Gut. Danke. Wir fahren jetzt zum JFK Airport. Wenn Sie andere Informationen haben, geben Sie sie uns so schnell wie möglich durch.“ Akai legte auf und fuhr los. „Wieso ausgerechnet JFK?“, wollte Laura wissen. „Wenn ich mich absetzen will, würde ich in die Schweiz reisen. Ein neutrales Land würde ihn nie ausliefern. Nicht zu vergessen, dass er im Fall von Geldwäsche bestimmt ein paar Schweizer Konten hat. Und soweit ich weiß, gehen nur vom JFK Direktflüge in die Schweiz“, antwortete Akai. „Das macht Sinn“, sagte Laura und sah nach draußen. „Hoffentlich finden wir ihn noch rechtzeitig.“ Der Agent nickte und trat auf das Gaspedal. Während der 25-minütigen Fahrt schwieg er weitestgehend und ließ sich keinerlei Emotionen anmerken. Seinen Wagen stellte er auf der Taxispur vor dem Flughafen ab. Das Hupkonzert hinter ihm ignorierte er und hielt stattdessen seine Dienstmarke in die Höhe. Sofort trabten er und Laura an der Menschenmenge vorbei und suchten einen Informationsschalter auf. Statt sich anzustellen, ging Akai an der langen Schlange vorbei. Von hinten kamen grimmige Rufe. „FBI“, beruhigte Laura die Masse. „Mein Boss hat Sie bestimmt schon informiert, dass wir kommen“, sagte Akai zu der Mitarbeiterin am Schalter. Sie nickte. „Was kann ich für Sie tun?“ „Hat mittlerweile ein Richard Cane eingecheckt?“ „Einen Moment.“ Die Frau tippte den Namen ein. „Ah, hier, da haben wir es. Gate 13, Delta Air Lines. Der Flug geht nach Toronto.“ „Kanada“, murmelte Akai und sah zu seiner Partnerin. „Gehen wir.“ „Warten Sie.“ Akai sah zu der jungen Mitarbeiterin. „Ein Kollege wird Sie abholen. Dann können Sie direkt zum Gate durchgehen.“ „Danke.“ Ein großer, recht stämmiger und bärtiger Mann kam auf die Beiden zu. „Sie sind die beiden Agenten?“ Laura nickte. „Kommen Sie mit. Es geht hier entlang“, sagte er und ging vor. Laura nickte und folgte ihm. „Hast du einen Plan?“, wollte sie von Akai wissen. „Wir schauen uns an, was Cane macht. Wenn es die Lage zulässt, nehmen wir ihn fest. Ansonsten warten wir auf Verstärkung.“ Der Mann blieb nach einer Weile stehen. „Da sind wir. Das Gate ist dahinten. Sie kommen alleine klar?“ „Ja.“ Shuichi zog seine Dienstwaffe aus dem Schulterholster und steckte sie in die Jackentasche. Griffbereit. Langsam bewegte er sich auf den wartenden Cane zu. „Er scheint wirklich nur zu warten“, flüsterte Laura. Richard saß vor dem Gate und blätterte seelenruhig in einer Zeitung. „Dann nehmen wir ihn jetzt fest und schauen, was er uns zu seinem Partner sagen kann. Überlass mir das Reden.“ Shuichi ging schneller und blieb vor dem Geschäftsmann stehen. „Richard Cane.“ Der Angesprochene sah nach oben. „Eh…“ „Wir verhaften Sie wegen Anstiftung zum Mord an Nick Marone und Anstiftung zum zweifach versuchten Mord an Jodie Starling…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)