Magister Magicae von Futuhiro (Magister Magicae 7) ================================================================================ Kapitel 2: „He, du kannst ja doch reden.“ ----------------------------------------- Danny blieb vor der Kellertür stehen und atmete tief durch. Er versuchte bewusst, sich zu beruhigen, bevor er zu ihr rein ging. Er wollte ihr nicht mit schlechter Laune gegenüber treten. Das wäre sicher das Letzte gewesen, was sie jetzt noch brauchen konnte. Selbst wenn er sich Unmut äußerlich nicht anmerken ließ, hätte sie es über die mentale Verbindung dennoch gespürt. Schließlich drehte er den Schlüssel im Schloss. Leider Gottes, er hatte die Ärmste einschließen müssen. Er konnte sie noch nicht frei rumlaufen lassen, sie war immer noch zu aufgewühlt und zu panisch in Gegenwart von Menschen. Sicher würde sie fluchtartig auf und davon rennen und nie wieder gesehen werden, wenn er ihr die Chance dazu ließ. Aber es fehlte ihr da drinnen ja an nichts. Der Keller war fast zu einer kleinen Wohnung ausgebaut. Es gab ein Bett, und sogar eine Dusche und eine Toilette, weil der Keller ursprünglich mal ein Waschhaus gewesen war. Der Keller diente sonst als Gästezimmer, oder auch gern mal als Ausweich-Schlafzimmer, wenn es im Hochsommer unter dem Dach zu warm wurde. Der Schüler trat mit einem betont fröhlichen Gruß ein und stellte erstaunt fest, daß sie sich endlich dazu durchgerungen hatte, ihre menschliche Gestalt wieder anzunehmen, auch wenn sie wie erwartet verängstigt in der hintersten Zimmerecke auf dem Boden kauerte. Oh, dieser Berg rabenschwarzer Locken mit den grünen Haarspitzen! Wie Danny das anhimmelte. Die zierliche Kleine war so verdammt goldig. „Hey, ich hab dir was zum Abendessen mitgebracht. Hast du schon Hunger?“, wollte er lächelnd wissen. Er stellte den Teller auf den Fußboden und ließ ihn mit einem kräftigen Stoß in ihre Richtung schlittern. Er wusste ja, daß sie es nicht ertrug, wenn man sich ihr auch nur einen Schritt näherte. Dann verfiel sie sofort in panische Verzweiflungsangriffe. Die Genia beäugte das Essen argwöhnisch, bis der knurrende Magen siegte. Auf allen Vieren robbte sie vorsichtig auf den Teller zu, schnappte sich ein belegtes Brot herunter und sprang damit förmlich in ihre Ecke zurück, um es dort mit Heißhunger herunter zu schlingen. Danny setzte sich gegenüber ebenfalls auf den blanken Boden, lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand, und schaute ihr zu. Sie war in ihrer menschlichen Tarngestalt so herzallerliebst, er hätte sie am liebsten geknuddelt. Er wusste nicht, ob jeder Schützling seinen Genius Intimus so empfand oder ob es nur ihm so ging. Aber sie war wirklich furchtbar niedlich. Gott, er hatte einen weiblichen Schutzgeist. Er konnte sich noch gar nicht vorstellen, sich von einem Mädchen beschützen zu lassen. Momentan hatte er eher das Bedürfnis, sie zu beschützen. „Verrätst du mir deinen Code-Namen?“, wollte er ruhig wissen. Jeder Genius Intimus hatte einen Decknamen, mit dem er draußen angesprochen wurde. Wenn man den echten, vollständigen Namen von jemandem erfuhr, hatte man zuviel Macht über ihn, konnte ihn mit Magie massiv aus dem Rennen nehmen oder ganz ausschalten. Das wäre im Gefecht ziemlich blöd. Dann konnte der Genius seinen Schützling nicht mehr verteidigen. Darum sah man zu, den echten Namen seines Genius im Beisein anderer möglichst nicht zu verwenden. Sicher gab es auch dieser verstörten Genia Sicherheit, wenn er ihren echten Namen erstmal noch nicht wissen wollte. Die Frage nach ihrem Code-Namen hatte Danny ihr seit gestern sicher ein Dutzend mal gestellt. Für gewöhnlich reagierte sie nicht auf Fragen, so wie auch jetzt nicht. Ob sie nicht reden konnte, oder nicht reden wollte, oder einfach nur kein Englisch verstand, hatte Danny aber noch nicht herausgefunden. Soviel er mitbekommen hatte, stammte der Zirkus, in dem sie gefangen gewesen war, nicht aus England. „Ist es okay, wenn ich etwas näher komme?“, hakte er also nach und erhob sich langsam vom Boden. Sie fauchte sofort drohend auf und presste sich zurück in ihre Zimmerecke. „Ist schon in Ordnung. Ich tu dir nichts. Ich will mich nur auf das Bett setzen.“ Danny machte zwei, drei Schritte auf sie zu. Der Abstand zu ihr wurde rasch kleiner. Groß war der ausgebaute Keller ja nicht. „Das ist bequemer als der Fußboden und ...“ Weiter kam er nicht, da wurde er von einer mörderischen Druckwelle von den Füßen gerissen. Noch in der Flugphase spürte er die riesigen Risswunden quer über seiner Brust und seinem Bauch. Dann wurden diese übergangslos von dem Aufprall rückwärts gegen die Wand überschattet, an der er gerade noch gesessen hatte. Danny knickte in den Beinen ein und sank keuchend zu Boden. War das die Genia gewesen? Wie hatte sie ihn über so große Distanz schlagen können? Quer über seinem Oberkörper prangten tiefe Wunden wie von einer dreifingrigen Klaue. Sein Hemd hing in Streifen von ihm herunter. Er stöhnte und kippte kraftlos zur Seite um. „Ich ... wollte dich ... nicht erschrecken ...“, hauchte er leise und mit schwindenden Sinnen. Ihm wurde langsam schwarz vor Augen. „Oh mein Gott!“, stieß die Genia entsetzt hervor, als habe sie erst jetzt richtig realisiert, was sie da eigentlich angerichtet hatte. „Nein!“ Sie stürzte sich hektisch auf den jungen Mann und drückte ihm beide Hände auf die Brust. Tränen schossen ihr in die Augen, als sie verzweifelt versuchte, seine Wunden wieder zu heilen. Sie besaß zwar Heilerkräfte, aber diese waren nur sehr schwach ausgeprägt und waren auch nie trainiert worden. Mit der schieren Macht der Verzweiflung schaffte sie es jedoch zumindest, die Blutung zu stoppen, so daß die aufgerissene Haut haltbar verkrustete. Als Danny keine Ahnung wie viel später wieder zu sich kam, lag er immer noch lang auf dem Boden und fühlte sich desorientiert und benommen. Ach ja, er war ja gegen eine Wand geschmettert worden, erinnerte er sich. Da gehörte sich das so. Er konnte nur Momente bewusstlos gewesen sein. Jedenfalls war er immer noch mit seiner Genia Intima allein im Keller. Er war noch nicht von irgendjemandem gefunden worden, der zu Hilfe geeilt wäre. Die junge Frau mit der grün-schwarzen Lockenmähne lag heulend auf seinem Oberkörper. Hatte dieser Ausrutscher sie endlich dazu bewogen, Nähe zu dulden? Bisher war sie doch schon in Panik verfallen, wenn man sich ihr nur näherte. „Heeeeey“, hauchte er gedämpft. „Es ist alles in Ordnung.“ Beruhigend legte er links und rechts seine Hände auf ihre Oberarme, auch wenn der Drang, sie komplett in die Arme zu schließen, schier unwiderstehlich war. Aber damit hätte er sie bloß wieder verschreckt. Sie hob den Kopf und sah ihn mit großen, dunklen, tränengefluteten Augen an. Dort, wo ihr Kopf gelegen hatte, kamen drei gefährlich aussehende Narben zum Vorschein, die ihn blutig anleuchteten. „Verzeih mir! Das wollte ich nicht!“, würgte sie mit belegter Stimme hervor. Danny musste lächeln. „He, du kannst ja doch reden.“ „Es tut mir leid, ehrlich“, bekräftigte sie nochmals. „Alles gut. Ich lebe noch. Ich war einfach unvorsichtig.“ Unglücklich ließ sie ihren Kopf wieder auf seine Brust sinken. „Ist es okay, wenn ich dich in die Arme nehme?“ „Hm-hm“, machte sie zögerlich zustimmend. Der Junge wanderte mit den Händen langsam über ihre Schultern hinauf und verschlang diese dann auf ihrem Rücken. Er spürte, daß sie unter der Berührung zitterte, aber trotzdem versuchte, tapfer still zu halten. „Hast du Angst vor mir?“ „Ich weiß nicht ... Was mir eigentlich Angst macht, ist, daß ich dich irgendwie mag ...“ „Ich bin dein Schützling. Sicher kommt die Sympathie daher. Wir sind mental miteinander verbunden.“ „Ist mir schon bewusst.“ „Ich mag dich auch total gern, weißt du?“ „Ich hab mich wie ein Idiot benommen“, hielt sie negierend dagegen. So jemanden konnte man doch nicht gern haben! „Sicher hatte das Gründe.“ Er strich ihr sachte durch die langen Haare. „Was haben sie dir bloß angetan, daß du so scheu und verängstigt geworden bist?“, seufzte er, ohne wirklich eine Antwort auf diese Frage zu erwarten. Er bekam auch keine. „Was meinst du, wollen wir raus in den Garten gehen, solange die Sonne noch nicht ganz weg ist? Du musst mal was anderes sehen als dieses Kellerloch“, schlug er vor. Sie hob den Kopf wieder. „Kannst du denn schon wieder aufstehen?“ Danny richtete sich in eine sitzende Position auf und wurde jäh von einem Schwindelanfall heimgesucht. Der verging jedoch glücklicherweise nach einigen Augenblicken wieder. „Es geht schon“, nuschelte er, etwas blass um die Nase. Die Risswunden auf seinem Oberkörper begannen unvermittelt wieder höllisch zu schmerzen und er bewegte sich sofort eine ganze Ecke vorsichtiger, damit sie nicht wieder aufrissen. Er sollte die dringend verarzten und verbinden. „Kann ich Urnue treffen?“, wollte sie kleinlaut wissen. Danny schaute von seinen Verletzungen auf und sah sie reichlich doof an. Ausgerechnet seinen Namen hatte sie sich in dem ganzen Chaos letzte Nacht gemerkt? Zugegeben, Urnue war der gewesen, der sie ansatzweise zur Vernunft gebracht hatte, damit man sie überhaupt hier her in Rupperts Haus hatte bringen können, ohne daß sie dabei jemanden umbrachte. Aber abgesehen davon hatte Danny keine Ahnung, warum sie sich ausgerechnet an ihn halten sollte. „So ... so hieß er doch, oder?“, hakte die Harpyie vorsichtig nach, weil sie diesen Blick nicht recht deuten konnte. „Ja, den wirst du schneller wiedersehen als du denkst. Er ist der Genius Intimus von meinem Vater.“ „Er wohnt auch hier?“ Die Genia begann zu strahlen wie ein Honigkuchen. „Sag mal, kennt ihr euch?“, warf Danny skeptisch eine Vermutung in den Raum. „Nein. Hab ihn vorher noch nie gesehen. Warum?“ „Weil du so explizit nach ihm fragst.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)