Crawling von YouLi ================================================================================ Kapitel 2: One step closer --------------------------   I cannot take this anymore Saying everything I've said before All these words they make no sense I found bliss in ignorance Less I hear the less you'll say You'll find that out anyway Just like before Everything you say to me Takes me one step closer to the edge and I'm about to break I need a little room to breathe Because I'm one step closer to the edge, I'm about to break I find the answers aren't so clear Wish I could find a way to disappear All these thoughts, they make no sense I found bliss in ignorance Nothing seems to go away Over and over again Just like before Shut up when I'm talking to you Shut up I'm about to break Früher November 1926 Percivals ganzes Leben hatte sich von einer Sekunde auf die nächste verändert. Doch die tatsächliche Veränderung trat schon vor Wochen ein. Schleichend und unsichtbar. Einige Wochen zuvor wurde er von der Präsidentin auf eine verdeckte Geheimmission nach Europa geschickt. Um Grindelwald aufzuspüren. Nun, das war ihm auch gelungen. Percival war damals knapp dem Tode entronnen. Obwohl er nie offen zugeben würde, wie knapp diese Angelegenheit damals wirklich gewesen war. Zurück in New York wurde von Präsidentin Picquery höchstpersönlich das Protokoll aufgenommen und in ihrem Beisein wurde Percival einigen Untersuchungen unterzogen. Er wurde unter Veritaserum befragt, er musste den Gegentrank zum Vielsafttrank zu sich nehmen, diverse Zaubersprüche, unter anderem der Revelio , wurden bei ihm angewendet. Immerhin ging es hier um Grindelwald. Da konnte man nicht vorsichtig genug sein. Das Ergebnis: Percival Graves, Leiter der Abteilung für magische Strafverfolgung, war keine Gefahr. Wie sehr man sich doch täuschen konnte. Percival dachte sich nichts dabei, als er plötzlich Nacht für Nacht von Albträumen heimgesucht wurde. Träume, in welchen Grindelwald Besitz über ihn ergriffen hatte. In welchen der gefährliche Zauberer Percival vollkommen ausgelöscht hatte. Sein Leben, seine Geschichte, seine Person. War es denn so verwunderlich, solche Art von Träume zu haben, wenn man dem dunkelsten Zauberer aller Zeiten gegenüber gestanden hatte und haarscharf dem Tod entkommen war? Verwunderlicher war eher die Stimme, die er in seinem Kopf hörte. Seine Stimme. Nun, Gellert Grindelwald war kein Mann, den man so schnell vergessen könnte. Diese bedrohliche Ausstrahlung, dieses gefährliche Charisma, gepaart mit dieser rauchig ruhigen Stimme, die jeden die Luft anhalten hielt ließ, nur um kein Wort aus dessen Mund zu verpassen. Denn jedes einzelne Wort dieses Mannes konnte über Leben oder Tod entscheiden. Percival traute sich selbst immer weniger, als er sein eigenes Arbeitsmuster scheinbar mutwillig immer wieder brach. Er verfolgte scheinbar unwichtige Spuren eines magischen Tierwesens statt sich um die Frage über Gellert Grindelwalds Aufenthaltsort zu sorgen. Er war schon kurz davor eine kurze Beurlaubung zu beantragen. Das an sich war schon sehr verdächtig - da das in seiner Laufbahn als Auror bisher noch nie vorgekommen war. Doch alle Kleinigkeiten zusammengezählt, hatte Percival langsam aber sicher das ungute Gefühl, dass ihn das Aufeinandertreffen mit Grindelwald doch mehr zugesetzt hatte, als vorerst angenommen. Doch etwas in ihm verbat ihm, dies zu tun. Nicht weiter merkwürdig, wenn man bedachte, dass er es sich auch sonst immer verbat freie Tage zu nehmen. Der Punkt, der ihm endgültig die Augen geöffnet hatte, war dieser Junge. Der immer an diesen paar Orten, Straßengabelungen oder wichtigen Schauplätzen stand und seine Flugblätter verteilte. Der Junge mit dieser geduckten Haltung. Als ob er sich vor dem Leid der grausamen Welt klein machen wollte. Als ob er so unscheinbar wie möglich wirken wollte. Etwas an dem Jungen schien ihn zu faszinieren. Oder besser gesagt, etwas in ihm. Das tief in ihm geschlummert hatte und nun durch den Jungen entfesselt wurde. Etwas, das Percival von sich so noch nicht gekannt hatte. Etwas in ihm schien zu warten, zu lauern. Auf Reaktionen des Jungen. Tag für Tag stand er in verlassenen Gassen und beobachtete ebendiesen Jungen. Credence Barebone. Und dieser hatte ihn relativ schnell bemerkt. Sah immer zu ihm herüber, wenn Percival einfach dastand und ihn beobachtete. Als ob er warten würde, dass Percival endlich den ersten Schritt auf ihn zu machte. Es dauerte nicht mehr lange, da hatte eines verregneten Abends der innere Drang in Percival Überhand gewonnen und den Jungen tief in die Schatten einer engen Gasse gezogen. Dort war er dem Jungen nah gekommen. Etwas zu nah für seinen Geschmack. So kannte er sich selbst nicht. Und doch war es da. Dieser innere Drang, der ihn zu dem Jungen trieb. „Credence“, der Name rollte ihm über die Zunge, als ob er sein Leben lang keinen anderen Namen so oft ausgesprochen hatte wie diesen. „Weißt du, wieso ich hier bin?“ Er legte eine Hand in den Nacken des Jungen und zog ihn näher zu sich. Credence legte seinen Kopf schräg, schielte ihn von unten unsicher an, machte jedoch keine Anstalten zurückzuweichen. „Credence. Mein Junge. Du bist besonders. Das ist mir sofort aufgefallen“ Percivals Stimme war leise geworden, einschmeichelnd. Entschieden legte er seine Finger der rechten Hand auf den alten, sauberen Anzug des Jungen. Durch die Lagen von Stoff erahnten seine Finger die dürre Statur und die Wärme des Jungen. „Und du spürst es auch. Tief in dir.“ Der Atem des Jungen hatte sich beschleunigt, seine Augen weiteten sich, sein dunkler Wimpernvorhang flatterte unschlüssig. Hin- und hergerissen zwischen den Fragen, welche Credence auf seiner schüchternen Zunge brannten und dem Drang, dieser verlockenden Nähe nachzugeben, wand der Junge sich in Percivals Armen, die er beschützend um ihn geschlossen hatte. „Wer...wer sind Sie?“ Diese vorsichtig gehauchte Frage entfesselte etwas in Percival. Etwas, tief in ihm. „Mein Name ist Percival Graves.“ Nach diesem ersten Treffen fand sich Percival in seiner Wohnung wieder. Schwer grübelnd. Was war an diesem Abend passiert? Er hatte einen Jungen angefasst. Ihn in seine Arme geschlossen. Sanft sein Haar berührt. Wenn er die Augen schloss, spürte er immer noch den warmen Atem von Credence auf seiner Haut. Was war bloß in ihn gefahren? Und wieso, in Merlins Namen, war dieser Junge wichtig? Wofür könnte er denn wichtig sein? Fast war es so, als ob Percival in der Gasse nicht er selbst gewesen war. Als ob eine fremde Macht ihn beherrscht hatte. Seufzend stützte er beide Arme am Waschbecken seines Badezimmers ab und ließ den Kopf erschöpft hängen. Sollte er vielleicht doch nach Urlaub fragen? Um dem Jungen aus dem Weg zu gehen. Um sich selbst keinen Grund zu geben, ihn aufzusuchen. Egal, was mit ihm passierte, eins war klar: Er war nicht mehr Herr seiner Selbst. Kopfschüttelnd hob er seinen Blick und sah in den Spiegel. Ein gepresster Schrei brach aus seiner Kehle und hallte von den dunkelgrünen Wänden des Badezimmers wider. Nicht seine dunkelbraunen Augen starrten ihm aus dem Spiegel entgegen. Nein. Es waren blasse, unterschiedlich farbene Augen. Lauernd, beobachtend. Das Grinsen im Spiegel verhöhnte seine Reaktion. 'Erfreut mich wieder zu sehen, Graves?' Gellert Grindelwald sprach aus seinem Spiegel mit ihm. Nach einer kurzen Schrecksekunde versuchte Percival sich wieder zu fangen. Mit einer entschlossenen Bewegung hielt er den Zauberstab zielsicher auf den Spiegel. „Finite.“ Gellert Grindelwald grinste ihm weiter hämisch entgegen. 'Als Auror mit vorauseilendem Ruf fällt dir da nichts Besseres ein? Ich bin ehrlich gesagt enttäuscht.' Percival presste seinen Kiefer fest zusammen, sodass seine Kiefermuskeln hervortraten und sprach den nächsten Zauber. „Diffindo.“ Das Glas zerschnitt sich mit einem schrecklich klirrenden Geräusch, das in Percivals Ohren wie spitze Nadeln stach. Unzählige verschiedenfarbige Augenpaare starrten ihn aus dem Spiegel an, verhöhnten ihn mit ihrem kaltem Blick. Was war das? Um welchen Fluch handelte es sich hier? Grindelwald musste damals seine Gedanken verhext haben! Um ihn so langsam, aber quälend in den Wahnsinn zu treiben. Festen Schrittes eilte er in seine Küche und ließ einen gläsernen Topfdeckel in seine freie Hand angeflogen kommen. Ein Blick auf das Glas ließ ihn den Deckel erschrocken fallen lassen. Mit einem dumpfen Geräusch krachte der Deckel auf den Boden und Grindelwalds kaltes Lachen erfüllte die Stille. Panisch fasste Percival sich nun ins Gesicht. Hatte Grindelwald sein Gesicht verändert? Sah er nun so aus wie... er? Fassungsloser Schock rauschte durch seine heiß pochenden Adern. Seine Haut fühlte sich so an wie immer. Auch seine markante Gesichtsform hatte sich scheinbar nicht verändert. Mit einer flüchtigen Bewegung fuhr er sich durch sein dunkles Haar. Auch das fühlte sich an wie sonst. Dicht und schwer lag es in seiner üblich zurückgekämmten Frisur. 'Graves, Graves.', hallte Grindelwalds tadelnde Stimme in seinem Kopf wider. 'In einem Punkt muss ich dir Recht geben. Du bist nicht mehr dein eigener Herr. Das bin jetzt ich.' Das grauenhafte Lachen penetrierte Percivals Ohren und er taumelte aus der Wohnung. Lief auf die Straße und hoffte inmitten der Menschenmenge diese eingebildeten Stimmen wieder loszuwerden. Tief Luft holend zog er seine Weste zurecht und straffte seine Schultern. Er hatte seinen Mantel zu Hause liegen lassen. Die kalte Novemberluft legte sich stechend auf seine Brust, so würde er seinen Kopf sicher frei kriegen. Hoffte er. Aber dem sollte nicht so sein. Zielsichere, fast schon verbissene Schritte trugen ihn an das Ende der Straße. 'Du kannst nicht fortlaufen, Graves. Nicht vor dir selbst.' Percival versuchte die grausame Stimme mit einem abrupten, verärgerten Ruck aus seinem Kopf zu schütteln. Widerstand jedoch dem Drang, seine Hände auf seine Ohren zu pressen. Das hier war Wahnsinn. Es gab sicher eine Erklärung für das Ganze. In seinem Kopf ging er verzweifelt alle Möglichkeiten durch, während die eiskalte Luft in seinen Lungen brannte. Wo hatte er die letzten Tage gegessen? Im „Blutigen Stiefel“. In der „Flinken Hasenkeule“. Und im „Goldfasan“. Wie üblich. Nichts außergewöhnliches. Er wurde wie immer von den gleichen Wirten bedient, auch die Bedienungen waren bekannte Gesichter gewesen. Doch hatte das im Endeffekt überhaupt etwas zu sagen? Irgendjemand hätte genauso gut unter einem Imperiusfluch gestanden haben können oder von ihrem Körper wurde Besitz ergriffen. Was war mit dem Macusa? Jemand, der ihn loswerden wollte? Ein Komplott? Jemand, der seinen Posten wollte? Aber wer? Infrage kamen da einige, aber niemand, dem er so einen Plan zutrauen würde. Kurz schloss Percival die Augen und atmete regelmäßig ein und aus. Er würde morgen im Ministerium alles auf den Kopf stellen lassen, Inspektionen durchführen lassen. Und zudem die drei Gaststätten beschatten lassen. Mit neuer Entschlossenheit drehte er wieder um und lief mit sicheren Schritten die Straße zurück. Fremde Fußgänger drängten sich an ihm vorbei und er wich unbewusst etwas zur Seite. Ein kalter Schwall von Misstrauen hatte sich ihm heraufbeschworen. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, lief sicheren Schrittes weiter. Bis seine Beine ihm auf einmal nicht mehr gehorchten und mitten auf dem Gehweg stehen blieben. 'Soll ich es dir deutlicher machen? Sieh genau zu.' Erstarrt hielt Percival die Luft an, spürte wie sich seine Finger krümmten, die Magie pulsierte in ihnen. Grausame Magie. Er hielt inne. Der Auror kannte diese Macht. Er hatte sie zwar selten benutzt, doch dieses gefährliche Kribbeln erkannte er sofort. Der Cruciatus-Fluch lag in seiner Hand. Bereit auf jemanden angewendet zu werden. „Nein“, keuchte Percival erschrocken. Seine dunklen, sonst so distanzierten Augen weiteten sich kurz. Eine junge Mutter mit ihren beiden Kindern an ihren Händen kam ihm entgegen. 'Nein', rief er jetzt laut in seinen Gedanken, doch der Fluch verließ seine Finger. Mit geweiteten Augen sah er zu, wie die beiden Kinder sich krümmten und zu Boden gingen. Nein. Schmerzerfüllte Kinderschreie zerrissen die kalte Luft und Percival stand einfach nur da. „Darius! Lucille! Was in Gottes Namen fehlt euch?“ Die aufgelöste Mutter war neben den aufbäumenden Körpern ihrer Kinder in die Knie gegangen und rief verzweifelt um Hilfe. „Hilfe! So helfen Sie doch!“ Percival fühlte sich zu einer Salzsäule erstarrt. Auch, wenn er sich bewegen wollte, er konnte nicht. Aufgescheuchte Passanten machten einen Bogen um die drei Gestalten am Boden, leise Stimmen tuschelten etwas, von dem nur Fetzen an Percivals Ohr drangen. „...Besessen...vom Teufel...Hexenwerk...“ „Bitte! Helfen Sie doch! Meine Kinder!“ Die schrillen Schreie der Mutter brannten sich in sein Gehör, die verzweifelten Tränen auf ihrem Gesicht brannten sich in seine Netzhaut. 'Stopp!', donnerten seine eigenen Gedanken laut grollend durch seinen Kopf. In Merlins Namen. Er musste diesem Treiben Einhalt gebieten. Irgendwie. 'Ich hoffe, du siehst jetzt, dass ich die Macht über dich habe. Du kannst mir nicht entkommen. Dein Körper, deine Magie, das alles ist nun mir. Du wirst dich als guter Diener für das Höhere Wohl erweisen. Ob du es willst oder nicht.“ Die endgültigen Worte schallten in seinem Kopf, als ob Grindelwald sichergehen wollte, dass er sie Worte dutzend Male hörte. Um ihren Sinn auch wirklich zu verstehen. Und Percival verstand. Der Fluch brach direkt ab und er konnte seine Finger wieder bewegen. Seine Augen huschten über die zerbrechlichen Kinderleiber am Boden. Weinend und schluchzend klammerten sie sich an ihrer Mutter fest und Percival befand, dass es nun das Beste wäre zu verschwinden. Immerhin war er es, der ihnen das angetan hatte. Verletzungen, die geheilt werden mussten gab es keine. Und gegen den Schock und das Trauma konnte er nichts tun. Beziehungsweise, er wagte es nicht noch einmal Magie an den beiden kleinen Kindern anzuwenden. Doch trotzdem musste er sie obliviieren. Sicher war sicher. Seine Lippen bewegten sich stumm und der Schleier des Vergessens legte sich auf die kleine Familie. Tränennasse Gesichter blickten ihm entgegen, verwirrt darüber, was sie auf dem Boden zu suchen hatten. Ohne einen weiteren Blick ging Percival an ihnen vorbei. Versuchte seine Schritte nicht zu schnell werden zu lassen. Doch je näher er seiner Wohnung kam, desto hastiger wurden sie. Er flüchtete in das Innere des alten Backsteinhauses und eilte die Treppen zu seinem Appartement hinauf. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, legte er sofort diverse Schutzzauber um seine Wohnung. Was eigentlich irrwitzig war, denn die Gefahr lauerte nicht außerhalb. Sie lauerte in ihm. Er selbst war die Gefahr. Noch nie in seiner gesamten Aurorenlaufbahn hatte er sich so hilflos und ratlos gefühlt wie gerade eben auf der Straße. Sein Körper war wie gelähmt, eine fremde Macht hatte ihn gefesselt, und auch kein Zauber der Welt hätte ihn davon befreien können. Die Worte der Passanten wiederholten sich wie ein hallendes Echo in seinem Kopf. Besessen. Vom Teufel. Ja. Das war er. Er stürzte ins Bad, unterdrückte gewaltvoll den Drang sich zu übergeben, füllte mit nur einem Schnippen das Waschbecken bis zum Rand mit kaltem Wasser und drückte seinen Kopf ohne weiter zu überlegen unter das kühle Nass. Er musste es loswerden. Diese Gedanken. Dieses Übel. Seine Finger krallten sich in den marmornen Rand des Waschbeckens. Seine Lungen zogen sich qualvoll zusammen, seine Knie waren dabei nachzugeben. Voller Gewalt zwang er sich, seinen Kopf weiter unter Wasser zu halten. Die Welt um ihn herum hörte auf sich zu drehen. Alle Gedanken waren nur dumpf zu hören. Wie von ganz weiter Ferne. Die kalten Wassermassen wuschen seinen Gedanken wieder klar. Mit einem lauten Keuchen nach Luft tauchte er wieder auf. Seine schwarzen Haare hingen ihm nass ins Gesicht. Dutzende dunkle Augenpaare sahen ihm aus dem zersplitterten Spiegel an der Wand entgegen. Hoffnung keimte ihn ihm auf. Atemlos horchte er in die Stille. Stille. Vorsichtshalber blieb er zwei weitere Minuten so verharren. Alles ruhig. Und auch seine zersplitterten Spiegelbilder rührten sich nicht. Ein befreites Lachen drang aus seiner Kehle. War das am Ende doch nur alles eine Art der Paranoia? Er strich sich die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und versuchte nicht wahnsinnig zu werden. Der Spuk war vorbei. Kopfschüttelnd betrachtete er den zersplitterten Spiegel. 'Du hast es dir doch nicht tatsächlich so einfach vorgestellt?' Ein erstickter, protestierender Laut durchfuhr seinen Körper, als diese verrückten blassen Augen wieder im Spiegel erschienen. „Nein!“ Panisch eilte Percival in sein Gemach, öffnete die Türen einer dunklen, massiven Kommode und zog eine Holztruhe heraus. Innen lag unter anderem ein koboldgefertigter Dolch. Wenn etwas in ihm war, eine schwarzmagische Substanz, ein Fluch, dann würde er ihn mithilfe dieses Dolches beseitigen können. Hektisch riss er sich die Weste und danach das Hemd vom Leib, entblößte seinen definierten Oberkörper. Es galt keine Zeit zu verlieren. Er setzte sich auf das Bett und hoffnungsvoll wog er den Griff des Dolches in seiner rechten Hand, bevor er ihn an seinem linken Arm zum Schnitt ansetzte. Direkt über den Pulsadern. Er zögerte nicht, sondern durchtrennte sie mit einem präzisen Schnitt. Ein unsäglicher Schmerz durchfuhr seinen gesamten Körper. Das hatten koboldgefertigte Dolche an sich. Nur hatte er ihn bisher noch nie an sich selbst ausprobiert. Fast schon empfand er Mitgefühl mit den Verbrechern, die er damit verletzt hatte. Er betrachtete den Schnitt. Brennend wie Dämonenfeuer. So tief, dass das Blut sofort an die Oberfläche trat. So viel, dass es ihn unter anderen Umständen vielleicht erschrocken hätte. Aber er konnte sich solche Empfindungen im Augenblick nicht leisten. Stattdessen drückte er den Griff des Dolches fest gegen seine Schläfen und murmelte unaufhörliche Austreibungsformeln. Langsam und konzentriert fuhr er mit dem Dolch seinen Hals entlang, über seinen Arm bis hin zu seinen Pulsadern. Mittlerweile floss das Blut wie in Strömen aus der Wunde und tropfte unheilvoll auf den dunklen Holzboden. Nichts. Keine dunkle Macht, keine schwarzer Zauber, der gemeinsam mit seinem Blut aus seinem Organismus trat. Kurz legte er den Dolch zur Seite und nutzte seine rechte Hand um den Schnitt mit Heilmagie zu schließen. Die Wunde schloss sich ohne Probleme. Er war sogar noch in der Lage, einen Teil des Blutes, der sich noch auf seiner Haut befand, gereinigt in seine Adern zurückfließen zu lassen. Das Gleiche tat er nun mit seiner rechten Hälfte. Zuerst den Schnitt und dann das Austreiben möglicher schwarzmagischer Substanzen. Auch hier wieder Nichts. Es war zum Verrücktwerden. Ratlos legte der Auror seine Stirn in Falten und wollte gerade den zweiten Schnitt verschließen, bevor er zu viel Blut verlieren würde. 'Das hast du dir wohl so gedacht, nicht?' Die Gefahr, die bedrohliche Macht lauerte schwer in jedem Wort, das er vernahm. Er fuhr zusammen. Konzentrierte seine ganze Magie darauf, die Wunde zu versiegeln, doch sie versagte daran. Wieder war er nicht mehr Herr seiner Bewegungen. 'Dir selbst beim Verbluten zuzusehen wird dir sicher beim Verstehen helfen. Dass du mir machtlos ausgeliefert bist - egal was du versuchst. Es gibt Magie, derer sogar du nicht mächtig bist.' Gelähmt starrte der Zauberer auf das Blut, das aus seinen Pulsadern floss. Auf dem Holzboden hatte sich eine dunkle Blutlache gebildet und alle Beschwörungen, verzweifelten Versuche sich zu rühren, blieben erfolglos. Seine Pupillen waren unnatürlich geweitet, der kalte Schock saß ihm brennend in den Adern. Er konnte das Blut nicht stoppen. Konnte das Monster in seinen Gedanken nicht aufhalten. Nach und nach verlor er das Gefühl in seinen Fingern, danach in seiner Hand und ihm wurde schwindelig. Seine Welt wurde schwarz. Er verlor jedes Körpergefühl und fiel von der Bettkante. Keuchend versuchte er seine Augen aufzureißen, um ja nicht das Bewusstsein zu verlieren. Auch wenn ihm schwarz vor Augen war, er durfte der Dunkelheit nicht nachgeben. Hustend kämpfte er gegen den Würgereiz an, als er sich an seinem eigenen Blut verschluckte. Er war direkt mit seinem Gesicht in die Blutlache gestürzt. Das durfte nicht sein Ende sein. Kraftlos senkte er seine Augenlider und versuchte nur ganz flach zu atmen. Vielleicht konnte er so seinen Tod hinauszögern. Und auf irgendein Wunder hoffen. Vielleicht kam ja irgendeiner vorbei. Ein Nachbar. Das wäre mehr als nur unwahrscheinlich. Oder seine Untergebene, Tina Goldstein. Auch das war ein eher unvorstellbares Szenario. Er hatte niemanden, der sich privat einen Dreck um ihn scherte. So bitter es auch war. Sonst kam dieser Fakt ihm eigentlich ziemlich entgegen, doch diesmal wäre das Gegenteil die optimalere Voraussetzung gewesen. Langsam verlor er das Bewusstsein und er zwang sich dazu, einen letzten Gedanken zu formen. Etwas Schönes. So wie man sich das so vorstellte, wenn man an seine letzten Sekunden dachte. Er sah eine Frau. Mit blauen Augen und Haaren, wie schwarze Seide. Ein leiser Teil in ihm fragte sich, wieso er dieses Bild nach so langer Zeit wieder vor seinem inneren Auge sah. Doch die Antwort lag auf der Hand. Die Dunkelheit verschluckte ihn. Nur eine Stimme begleitete ins Ungewisse. 'Lass dir das eine Lehre sein, Percival Graves.'     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)