Mit Liebe Gekocht von tobiiieee (One-Shot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 9: Five Kisses ---------------------- First Kiss (Februar 2001) Zwanzig Jahre hatte Sephiroth für Shin-Ra vor sich hin gelebt, ohne je darüber nachzudenken. Jetzt, wo sich seine Gedanken nur noch um eines drehten, fragte er sich, wie das hatte passieren können. Lag es denn nicht in der Natur des Menschen? Nie war es ihm in den Sinn gekommen, dass es einmal jemanden geben könnte, dessen Nähe er ständig suchen würde. Vor allem nicht, dass es ein Mann sein würde. Es hatte ganz unbewusst angefangen. Als er Genesis kennenlernte, fand er ihn interessant – möglicherweise, weil er sich verstanden fühlte, wo sie doch so verschieden waren – und er wollte mehr über ihn erfahren. Wo kam er her, wie war er so geworden, wie war er denn? Doch irgendwann ging ihm Genesis nicht mehr aus dem Kopf. Sephiroth begann sich zu fragen, was Genesis wohl tat, was er über die neuesten Vorkommnisse dachte – und ob Sephiroth ihm auch fehlte. Sephiroth fühlte sich unwohl, wenn er nichts von seinem neuen Freund hörte und wurde schon Stunden vorher nervös, wenn er wusste, dass sie sich sehen würden. Mehrmals ertappte er sich dabei, wie er Ausreden zu erfinden versuchte, nur um irgendwo vorbeischauen zu können, wo sich, wie er ahnte, Genesis aufhalten dürfte. In Genesis‘ Gegenwart war Sephiroth glücklich. Froh, zu sehen, dass es seinem Gegenüber gutging, entspannte er sich endlich und genoss die gemeinsame Zeit, die wie im Fluge verging. Trafen sie sich, ging eine halbe Stunde vorüber, ehe einer merkte, dass sie sich wieder trennen mussten, aber Sephiroth wollte noch so viel mehr sagen, wollte noch so viel mehr hören, sehen – waren es nicht gerade nur wenige Minuten gewesen? Lange konnte er es nicht leugnen. Er hegte nicht nur freundschaftliche Gefühle für diesen attraktiven Mann mit den wunderbaren Kupferhaaren. So, wie sein Herz bei jedem Gedanken an Genesis zu rasen begann, wollte es ihm wohl nur eines sagen: Er war verliebt. Mittlerweile war es beinahe eine Qual, mit Genesis bei einem abendlichen Glas Wein im für ihn neu entdeckten Pausenraum zu sitzen. Regelmäßig schweiften seine Gedanken ab und es fiel ihm schwer, sich nicht durch Genesis‘ makelloses Gesicht von dem ablenken zu lassen, was er sagte. Zu gerne würde er seine Hand ausstrecken und die helle Haut an Genesis‘ Wange streicheln; die Lippen ertasten; die Lippen … Plötzlich trafen sich ihre Blicke und Sephiroth fühlte sich wie in der Falle. Es brachte ihn fast um den Verstand, als Genesis interessiert den Kopf leicht schief legte. Kurz hielten sie den Blickkontakt, bevor Sephiroth sich abwandte. Lange konnte er allerdings nicht wegsehen; fasziniert und mit laut klopfendem Herzen schaute er zurück zu Genesis, in dessen Augen Erkenntnis aufblitzte. Jetzt war es vorbei. Das wusste er. Männer, die Männer mochten – wurden in Gaia alles andere als gemocht. Deswegen hatte er mit niemandem über seine Gefühle gesprochen. Beschämt und hoffnungslos schlug er die Augen nieder. Er fühlte sich wie versteinert. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Genesis sich erhob, die paar Schritte auf ihn zukam und sich neben ihn setzte. Sein Herz raste. War er auf eine Abfuhr gefasst? Er zitterte am ganzen Körper. Ihm lief ein Schauer über den Rücken und er bekam eine Gänsehaut, als er Genesis‘ Finger an seiner Wange spürte. Vor Schock gelähmt sah er dabei zu, wie Genesis ihm die Haare zur Seite schob und sich zu ihm vorbeugte. Noch ehe er realisieren konnte, was geschah, hatte er die Augen geschlossen und fühlte Genesis‘ Lippen auf seinen. Der sanfte Druck auf seinem Mund ließ Sephiroth die Realität ausblenden. Die Zeit hörte auf zu existieren. Alles, was zählte, war die sinnliche Verbindung zwischen ihnen. Just One Kiss (März 2001) Seit ihrem ersten Kuss war es recht ruhig geworden um Genesis und Sephiroth. Sie waren sich noch zwei weitere Male über den Weg gelaufen; Sephiroth hatte sich gefühlt, als würde er unter Strom stehen. Er verzehrte sich nach dem Gefühl von Genesis‘ Lippen, wagte es allerdings nicht, sich ihm zu nähern, wie Genesis es zuvor bei ihm getan hatte. Wie Sephiroth so im Bett lag und an seinen Liebsten dachte, nahmen seine schönsten Vorstellungen vor dem Hintergrund der weißen Zimmerdecke Gestalt an. Seine Sehnsucht war dabei, ihn zu zerreißen. Sein Herz sagte ihm schmerzhaft, dass er nur noch bei Genesis sein wollte. Er wollte sein Gesicht in die Hände nehmen, es mit Küssen bedecken, ihn umarmen und in dieser Umarmung einschlafen. Was er nicht geben würde … für nur einen Kuss. Genesis wirkte sehr überrascht, als er mitten in der Nacht die Tür öffnete und Sephiroth vor sich fand. Verschlafen und in einem schnell übergeworfenen Hemd stand Genesis da, sich langsam mit der Hand durchs Haar fahrend. „Hast du eine Ahnung, wie spät es ist?“, fragte er missbilligend. „Nein“, erwiderte Sephiroth ehrlich. Er trat unaufgefordert ein und schloss die Tür hinter sich. Obwohl er von Genesis‘ Reaktion etwas verunsichert war, tat er nun das, wonach es ihn so sehr verlangte. Sanft legte er seine Hände auf Genesis‘ Hüfte und küsste ihn leicht auf die Lippen. Er spürte, wie überrascht Genesis im ersten Moment war, bevor er sich dem kurzen Kuss hingab. „Dafür kommst du extra mitten in der Nacht her?“, neckte Genesis ihn. „Offenbar schon“ war alles, was Sephiroth dazu einfiel. Genesis‘ Blick wurde verständnisvoll. „Komm mit“, sagte er in einem sanften Ton, den er Sephiroth gegenüber noch nie angeschlagen hatte. Er drehte sich um und bewegte sich in Richtung Schlafzimmer. „Und ausziehen“, wies er Sephiroth an. „Das wolltest du schon eine ganze Weile sagen, oder?“, fragte Sephiroth ihn, während er seine Kleidung abstreifte. „Ach was ...“, entgegnete Genesis aus dem Schlafzimmer. Dort lag er bereits im Bett, das Hemd unachtsam daneben, als Sephiroth in der Tür stand, und sah ihn auffordernd an. Sephiroth verstand. Er kletterte ins Bett und legte einen Arm um Genesis, sodass sie einander zugewandt waren. Sichtlich müde legte Genesis den Kopf an Sephiroths Brust und gab keinen Mucks mehr von sich. Sephiroth schmiegte sich an ihn und fuhr durch das weiche, kupferrote Haar. An diese idyllische Zweisamkeit konnte er sich noch gewöhnen. Hot Kisses Natürlich war an Schlaf nicht zu denken. Obwohl Genesis sich umgedreht und Sephiroth sein Gesicht in den duftenden roten Haaren vergraben hatte, obwohl alles ruhig war, kamen die beiden Männer selbst nicht zur Ruhe. Sephiroth sah, wie sich Genesis‘ Ohr immer wieder nervös in seine Richtung bewegte. Und sein eigenes Herz schlug laut gegen seine Brust und somit gegen Genesis‘ Rücken. Am Ende wandte sich Genesis ihm doch wieder zu. „Das hast du doch geplant“, warf er Sephiroth vor. „Klar“, erwiderte dieser und schob seine Finger zwischen die Kupfersträhnen. Von Genesis‘ Lippen magisch angezogen beugte er sich vor und genoss zum ersten Mal bewusst die Gefühle, die bei dem Kuss entstanden. In seiner Brust beginnend breitete sich eine stechende Hitze in seinem Körper aus; unter seinem Bauch bildete sich ein Pochen. Angeregt fuhr er über Genesis‘ Seiten und Brust zurück zu seinem Gesicht. Vorsichtig legte sich sein Freund über Sephiroth und naschte atemlos von seinen Lippen. Erhitzt küsste Sephiroth an Genesis‘ Kinn entlang, die Hände über dessen Körper wandernd. Als Sephiroth Genesis sanft in die Kissen drückte, fand er in einer sehr angenehmen Position zwischen dessen Beinen Platz. Neugierig auf den unter ihm liegenden Körper ging Sephiroth mit seinem Mund auf Erkundungstour ... Kiss Goodbye (Dezember 2009) Sephiroth versuchte sich einzureden, dass es nur daran lag, dass sie jetzt schon fast neun Jahre lang zusammen waren. Irgendein vernünftiger Teil in ihm wusste vermutlich, dass das Unsinn war, aber der Rest von ihm wollte es sich einreden. Sonst hätte er sich Gedanken darüber machen müssen, was Genesis‘ Verhalten bedeutete und was noch kommen könnte. Genesis war schon immer kurz angebunden gewesen. Dass er mittlerweile häufiger ernsthaft gereizt reagierte und nicht nur gespielt genervt war, konnte Sephiroth in seiner ruhigen Art geflissentlich ignorieren; er hatte gelernt, sich nicht daran zu stören, wenn Genesis ihn anherrschte. Ihm kam es nicht in den Sinn, dass es ein Ausdruck davon sein konnte, dass Genesis wirklich unglücklich war. Auch dass sie immer seltener miteinander schliefen, hielt er nach so vielen Jahren nicht unbedingt für ungewöhnlich. Sicherlich hätte ihm auffallen können, dass Genesis, wenn sie es doch taten, immer abweisender wurde; der Sex, den sie hatten, war keine Sache der Nähe mehr, sondern eine der reinen Bedürfnisse. Keuchen und Stöhnen hatten die Oberhand gewonnen; Küsse tauschten sie kaum noch aus. Es ging schnell, beide hatten bekommen, was sie wollten. So auch jetzt. Sephiroth zog sich aus Genesis zurück. Der drehte sich direkt auf die Seite und wandte ihm kommentarlos den Rücken zu. Für Genesis war das üblich; es war seine Art zu zeigen, dass der Sex, was ihn anging, jetzt beendet war. Sephiroth schaffte es noch, sich vom Kondom zu befreien und sich wieder neben Genesis ins Bett zu legen, bevor ihn eine bleierne Müdigkeit im Handumdrehen einschlafen ließ. Er konnte nicht lange gedöst haben, als er wieder aufwachte, aber Genesis stand bereits frisch geduscht neben der Zimmertür und knöpfte sich das Hemd zu; eine Hose trug er schon. Noch etwas verschlafen richtete sich Sephiroth auf. „Gehst du schon?“, fragte er. „Hm-hm“, machte Genesis bloß, ohne ihn anzusehen. Sephiroth streckte die Hände nach ihm aus. Als Genesis das bemerkte, richtete er seinen Blick doch noch auf Sephiroth. „Was?“ „Ein Kuss?“ „Wir hatten doch eben Sex.“ „Ich möchte trotzdem noch einen Kuss.“ Hatte er es früher häufig nur gespielt, um Sephiroth zu necken, war dies eindeutig einer dieser Momente, in denen Genesis aufrichtig genervt war. Er seufzte gereizt, ging ums Bett herum auf Sephiroth zu, beugte sich zu ihm herunter und setzte ihm einen kurzen, gefühllosen Kuss auf die Lippen. „Zufrieden?“ Sephiroth scheute sich sehr, die Frage zu verneinen, und nickte stattdessen nur. Jetzt, wo Genesis vor ihm stand, bemerkte er, dass er auch Schuhe trug. „Wo gehst du hin?“ Genesis schaute ihm nicht in die Augen. „Da ist so eine Ausstellung, die ich – ach, damit kennst du dich doch eh nicht aus.“ Er winkte ab. Sephiroth machte ein verstehendes Geräusch. Er fasste Genesis bei der Hand und zog ihn noch einmal zu sich herunter, um ihn zum Abschied zu küssen. „Bis später dann.“ „Ja.“ „Ich liebe dich.“ Genesis wirkte wieder genervt. „Jaja“, erwiderte er nur und verschwand. Sephiroth sah ihm noch lange nach. One Last Kiss (August 2010) Vergiss ihn. Vergiss ihn. Selbst Angeal hielt keinen besseren Rat für ihn bereit. „Vergiss ihn.“ Seit acht Monaten hörte Sephiroth nichts anderes mehr. Vergiss ihn, versuchte er mittlerweile sogar sich selbst zu ermahnen. Erinnerung konnte eine schwere Bürde sein.** Er konnte nicht leugnen. Er konnte nicht vergessen, dass sie glücklich gewesen waren. Acht Jahre. Neun Monate. Genauso wenig konnte er vergessen, dass Genesis eines Tages ihre Beziehung beendet hatte. Ohne Vorwarnung. Und er war gegangen, verschwunden, hatte keine Nachricht hinterlassen, hatte nie wieder angerufen und war auch nicht mehr zur Arbeit erschienen. Von Lazard hatte er erfahren, dass Genesis sich für ein Jahr freigenommen hatte, mehr wusste er aber auch nicht. Über die Medien hatte Sephiroth außerdem erfahren müssen, dass sein Freund – streng gesehen sein Ex-Freund – in Lissabon war. Und aus den schlimmsten Klatschblättern schließlich erfuhr er, dass Genesis sich dort mit einigen Männern vergnügte. Gedemütigter hätte er nicht sein können. Und trotzdem … trotzdem war er nicht in der Lage, Genesis böse zu sein. Nichts konnte seine Gefühle ändern, die er nun seit über neuneinhalb Jahren für ihn hegte. Seit sie sich kennengelernt hatten, hatte er sich ein Leben ohne Genesis nicht mehr vorstellen wollen – nun wusste er auch, wieso. „Vergiss ihn“, hatte Angeal gesagt. Natürlich wäre es das Beste gewesen, aber – es war so logisch. Was hatten seine Gefühle mit Logik zu tun? Seit acht Monaten hatte Sephiroth keine Nacht mehr ordentlich durchgeschlafen. Es war nicht so, als ob er nicht müde gewesen wäre; im Grunde konnte er sich nicht einmal mehr daran erinnern, wie es war, ausgeschlafen und wach zu sein. Seine Augen brannten geradezu vor Müdigkeit. Und doch konnte er sie nicht schließen, ohne in Erinnerungen zu versinken, die eigentlich glücklich sein sollten, ihn aber nur weiter in sein Unglück herabzogen. Die ersten Nächte waren am schlimmsten gewesen. Alles, einfach alles roch nach Genesis. Die Wohnung. Alle Decken, alle Kissen, alle Laken. Der Lesesessel. Die Vorhänge. Selbst die Bücher, so schien es Sephiroth. Vielleicht auch gerade die Bücher. Er mochte Genesis‘ Geruch eigentlich; wo Genesis war, war alles gut, dort war er sicher. Zumindest war es einmal so gewesen. Jetzt ließ er nur noch sein Herz schmerzen. Sephiroth war sich nicht sicher, ob er manchmal doch kurz einnickte oder schon Halluzinationen hatte, jedenfalls hätte er manchmal schwören können … aber nein, das konnte nicht sein, er war in Portugal. Und wollte Sephiroth nie wieder sehen. Das hatte er ihm sehr deutlich gemacht. Und doch … Anfangs war es Sephiroth gar nicht in den Sinn gekommen. Genesis war weg, daran ließ sich nichts ändern. Als er auf die Idee kam, war er erschrocken – sowohl von der Idee selbst als auch davon, sie nicht vorher gehabt zu haben. Seit mehreren Wochen spielte er nun mit dem Gedanken, es einfach zu tun. Ihm war nicht ganz klar, was genau er damit erreichen wollte. Ihm war auch nicht klar, wie diese Idee vielleicht ausgehen könnte. Fakt war, dass es so nicht weitergehen konnte. Also musste er etwas tun. Etwas. Irgendetwas. Sephiroth hatte nicht erwartet, dass Lissabon direkt am Meer lag. Im Grunde war es ihm auch egal, er war nicht in Portugal, um sich schöne Städte anzusehen. Kaum auf der Straße, bemerkte er schon die ersten Photojäger, darauf aus, ein möglichst unvorteilhaftes Bild von ihm machen zu können. Seit Monaten berichteten die Medien über ihre Trennung – darüber, wie ausschweifend Genesis‘ Liebesleben mittlerweile geworden war und ob Sephiroth schon Ersatz gefunden hatte. Und dieses Mal hatten sie einiges zu kritisieren: seine Augenringe, die bleiche Haut, die matten Haare, die er zusammengebunden hatte, seine hängenden Schultern. Sie würden sich schon irgendetwas aussuchen. Nur war ihm auch das egal. Alles, was er wollte, war ein klärendes Gespräch mit Genesis. Es war nicht schwierig gewesen, Genesis‘ Adresse herauszufinden – bei Shin-Ra war man neuerdings sehr kooperativ gelaunt, wenn er vorbeikam. Sah er so furchterregend aus? Vielleicht war er etwas launisch und unberechenbar geworden. Aber er wollte einmal diese Zuckerlächelnsekretärinnen sehen, wenn sie nach neun Jahren verlassen wurden. Für einen kurzen Moment schien die Zeit stillzustehen, als Genesis die Tür öffnete und Sephiroth geschockt anstarrte. Seine sinnlichen Lippen waren vor Überraschung leicht geöffnet, die graublauen Augen leer und weit; für diesen einen Moment wirkte er unendlich verletzbar und berührt. Doch schon einen Augenblick später verfinsterte sich sein Gesicht wieder und er setzte einen missbilligenden Ausdruck auf. „Was machst du hier?“, fragte er abweisend. „Ich freu mich auch, dich zu sehen“, erwiderte Sephiroth – in einem Ton, den er so kalt gar nicht beabsichtigt hatte. In einem plötzlichen Aufkommen von Wut drängte er sich an Genesis vorbei ins Haus und ließ die Tür hinter sich laut ins Schloss fallen. „Hab ich dich rein gebeten?“ Auf Genesis‘ gereizte Bemerkung drückte Sephiroth ihn unsanft gegen die Tür. „Das hoffe ich für dich“, sagte er mit drohend blitzenden Augen. Sephiroth wusste, dass Genesis sich ausgerechnet von ihm nicht einschüchtern ließ; er musste ihm allerdings mit aller Klarheit verdeutlichen, dass er nicht vorhatte, sich erneut wegschieben zu lassen. Genesis‘ Blick wurde noch kälter. „Ich habe Besuch.“ Dann war es also wahr. Genesis hatte viele Männer in sein Bett gelassen. Anstatt ihn zu verunsichern, erfüllten Sephiroth diese Worte allerdings nur erneut mit Wut. „Und?“ Sie sahen sich lange unnachgiebig in die Augen. Schließlich ließ Sephiroth Genesis los; er machte den ersten Schritt. Genesis musterte ihn weiterhin, als ob er sehr intensiv darüber nachdachte, was er jetzt tun sollte. Dann nickte Genesis kurz zu Sephiroths Linken, sichtlich beeindruckt und damit beschäftigt, nicht beeindruckt auszusehen. Sephiroth ging in die ihm gewiesene Richtung und fand sich bereits nach ein paar Schritten in einem großen, hellen Wohnzimmer wieder. Zugegeben, der Kerl war hübsch; jung, ein Vollblutportugiese mit dunklen kurzen Locken und einem angenehm gebräunten Hautton. Im Moment jedoch wirkte er eher verwirrt. Sephiroth gefiel die latente Angst in den Augen des Burschen. Er kostete sie noch kurz aus, bevor Genesis, der ihm gefolgt war, den jungen Mann auf Portugiesisch und in mehreren Versuchen herauskomplimentierte; dann war Genesis‘ Bekanntschaft endlich an ihm vorbei und verschwunden. Mit Genugtuung hörte Sephiroth erneut die Tür auf- und zugehen. Tief durchatmend lehnte er sich gegen einen Tisch, der vor dem Fenster stand. Auf einmal bemerkte er, wie erschöpft er war. Der Gedanke, Genesis wiederzusehen, hatte ihn die acht schlaflosen Monate vergessen lassen. Sein Körper aber war nicht so nachgiebig. Genesis stellte sich ihm gegenüber ans Fenster und schaute ihn an, als ob er erwartete, dass Sephiroth etwas sagte. „Warum hat das jetzt so lange gedauert?“, war das erste, was ihm einfiel. Genesis‘ Lippen kräuselten sich spöttisch „Er sorgt sich um meine Sicherheit, weil ihn dein plötzliches Erscheinen erschreckt hat, und da er Angst hat, du könntest mir etwas tun, möchte er, wenn er nichts mehr von mir hört, die Polizei einschalten.“ Sephiroth schnaubte. Gewalttätig hatte ihn noch nie jemand eingeschätzt. Auch Genesis lächelte. „Hierzulande kennt man dein sanftes Gemüt nun mal nicht.“ Sie schwiegen eine Weile. „Und schönen Dank auch“, meinte Genesis sarkastisch, als von Sephiroth nichts weiter kam. „Gern geschehen“, antwortete Sephiroth, jetzt wieder etwas bissig, und doch meinte er es ernst – er wollte nicht, dass Genesis mit noch mehr Männern schlief. Einer plötzlichen Eingebung folgend lehnte sich Sephiroth neben Genesis ans Fensterbrett. Eine Weile standen sie so da, Sephiroth genoss Genesis‘ Gegenwart und den Duft, der von ihm ausging. „Du siehst übrigens schlimm aus“, stellte Genesis schließlich fest. „Danke“, erwiderte Sephiroth lachend. „Also, was willst du hier?“ Sephiroth begegnete Genesis‘ fragendem Blick mit Unverständnis. „Du bist einfach so abgehauen, glaubst du nicht, da gibt es ein paar Dinge, über die wir reden sollten?“ „Zum Beispiel?“ Genesis zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Doch Sephiroth war abgelenkt von der Haut an Genesis‘ Hals, die er schon seit Monaten nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. „Keine Ahnung“, sagte er, sich zusammenreißend. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich bis hier komme.“ Ungläubig sahen sie sich an, bevor Genesis zu lachen anfing. „So kenn ich dich ja gar nicht“, meinte er lächelnd. Wieder entstand Stille zwischen den beiden, eine angenehme Stille; es war mehr eine Idylle als ein Schweigen, in der Sephiroth angestrengt darüber nachdachte, was er sagen sollte. „Was ich meine“, fing er langsam an, während sich Genesis‘ Augen wieder auf ihn richteten, diesmal neugierig, „ist, dass du – einfach so abgehauen bist. Ohne etwas zu sagen. Du – und … und –“ Er stockte. Was genau wollte er? Er wusste nur: „Und ich kann dich so nicht gehen lassen.“ Genesis wandte sich ab und sah aus dem Fenster. Als er wieder zurücksah, war sein Blick verständnisvoll. „Jetzt, wo du hier bist …“, sagte er, unterbrach sich allerdings. „Ja?“, animierte Sephiroth ihn weiterzusprechen. „Nichts“, meinte Genesis und sah wieder weg. „Cheru*“, bat Sephiroth. Er wollte wissen, was Genesis auf dem Herzen hatte. Doch dieser schaute ihn nur gereizt an. „Sag das nicht!“ Sephiroth sah, dass Genesis von sich selbst überrascht war. „Es ist nur … ich hab das seit Ewigkeiten nicht mehr gehört …“ „Seit acht Monaten, um genau zu sein“, erinnerte ihn Sephiroth. „Ja, ich weiß …“, räumte Genesis ein. Plötzlich wurde sein Ton geschäftlich. „Du meinst also, ein letzter Kuss würde es besser machen? Eine letzte Nacht und du kannst das mit uns begraben?“ Sephiroth musste zugeben, das war der grobe Plan gewesen, selbst wenn er das nicht so gut hätte erklären können. Doch so, wie Genesis es sagte, klang es einfach hirnrissig. Was hatte er sich dabei gedacht? Wie sollte so ein Plan funktionieren? „Jetzt, wo du hier bist“, sagte Genesis wieder, „möchte ich mich gar nicht von dir verabschieden.“ Der Blick, den Genesis ihm diesmal zuwarf, traf Sephiroth mitten ins Herz. Er konnte nicht anders: Er nahm Genesis‘ Gesicht in seine Hände, näherte sich ihm … und tat es doch nicht. Kurz überlegte er, ob er sich wieder zurückziehen sollte, doch als er in Genesis‘ blaue Augen sah und dort die gleiche Sehnsucht erkannte, die er selbst empfand, konnte er nicht widerstehen. Vorsichtig strich er mit seinen Lippen über die Genesis‘, bevor er sie in einem liebevollen Kuss einfing. „Vergiss ihn“, hatten sie gesagt. Ja, dachte sich Sephiroth, er würde die letzten acht Monate vergessen – mit Genesis an seiner Seite. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)