Mit Liebe Gekocht von tobiiieee (One-Shot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 15: So Suddenly The Wind Blows -------------------------------------- Genesis war einem akuten Zustand von tiefem Glück verfallen. Auch wenn ihm die heißen Sommertemperaturen nicht zusagten, so konnte er doch nicht anders, als sich zufrieden seufzend am Ufer des Sees bei Banora umzusehen. Die Sonne, die von einem komplett blauen Himmel herabstrahlte, tauchte den Grasfleck, an dem er saß, und die Bäume um das Wasser herum in eine friedliche Idylle; die Familien aus dem Dorf hatten sich versammelt; die Kinder sträubten sich gegen ihre Eltern, weil sie lieber direkt in den See stürmen wollten, als sich vorher mit wasserfestem Sonnenschutz einschmieren zu lassen; ein paar begabte Jünglinge lieferten sich ein spannendes Volleyballspiel und auf der anderen Seite hatten die Schulkinder ihren Einweggrill aufgebaut. Als Genesis von seinem im Sonnenschein glänzenden Ehering aufsah, war der Dorfnachwuchs bereits freudig kreischend bis zum Wasser vorgedrungen. Er musste grinsen; sie belagerten seinen Seph, dessen langes Haar mittlerweile fast bis zu den Schultern durchnässt war, wie ein Klettergerüst. Die leichte Sommerbrise wehte ihm angenehm ins Gesicht und Genesis fühlte sich genau hier perfekt aufgehoben. Er dachte daran, wie sehr die Luft in Midgar stehen musste, schloss die Augen und genoss das Rascheln der Blätter, die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht, das Beisammensein mit den anderen aus dem Dorf, die Ruhe und vor allem das Gefühl völliger Unbeschwertheit. „Mit Kindern kann Seph gut, oder?“, riss ihn sein anderer Begleiter, den er aus Jugendtagen kannte, aus seinen Gedanken. Er sah ihn an. Starres dunkles Haar umgab ein energisches Gesicht von olivefarbenem Teint, in dem lange Wimpern dunkle Augen einfassten, die von Freundlichkeit und Durchsetzungsvermögen zugleich sprachen. Er lächelte mit schönen großen Zähnen. „Ja …“, erwiderte Genesis schlicht. „Hm“, machte sein Begleiter. „Dann ist‘s ja schade mit euch beiden.“ „Pass auf, was du sagst“, entgegnete Genesis gelassen, „sonst jubel ich dir Alkohol unter.“ „Das wagst du nicht!“, entrüstete sich sein muslimischer Freund. „Nein, natürlich nicht“, räumte Genesis lächelnd ein, woraufhin er erneut vor Glück seufzte. Es war ein schöner Tag mit Seph und Ergin. ~*~*~*~*~*~*~*~* ~*~*~*~*~*~*~*~* ~*~*~*~*~*~*~*~* ~*~*~*~*~*~*~*~* ~*~*~*~*~*~*~*~* ~ So suddenly things went wrong Just like that you were gone ~ Genesis schloss vorsichtig die Tür hinter sich, was in der klirrenden Kälte laut widerhallte. Er atmete kurz durch – weiße Wölkchen bildeten sich vor seinem Gesicht – und wappnete sich innerlich für seinen Weg. Er machte sich auf durch den Schnee, den Kopf eingezogen und die Hände tief in den Taschen vergraben. Alleine wanderte er vorsichtig den Hügel hinab ins Dorf und zog dabei Spuren durch den beinahe knöcheltiefen Schnee. Vorbei ging es an kargen, zugeschneiten Bäumen und Büschen; sogar der Fluss, der Banoras Wasserquellen speiste, war zugefroren. Weit und breit sah Genesis niemanden auf den Hügeln über Banora. Langsam näherte er sich dem Dorfkern mit der Hauptstraße, an der sich das Wirtshaus und der Laden befanden. Auf dieser kam ihm Katie mit ihrem kleinen Sohn entgegen. Zuerst hatte er vor, sich an ihnen vorbeizustehlen, doch das war gar nicht nötig, denn der kleine Mann beanspruchte die ganze Aufmerksamkeit seiner Mutter, weil er jammerte, nicht in den Kindergarten gehen zu wollen. Eine Weile beobachtete Genesis das Schauspiel abwesend, dann entschied er, seiner ehemaligen Schulkameradin und guten Freundin unter die Arme zu greifen. Er ging auf die beiden zu. „Na, Großer, willst du nicht in den Kindergarten gehen?“, fragte er den Jungen. Dieser stampfte beeindruckend mit dem Fuß auf. „Nein!“, heulte er. „Willst du lieber mit mir mitkommen?“ Katie schaute Genesis irritiert an, aber das überging er. „Wohin gehst du denn?“, fragte ihn ihr Sohn strahlend. Genesis beugte sich tief hinunter, bis er dem Kind genau ins Gesicht sehen konnte. „An einen sehr traurigen Ort*“, sagte er mit allem Ernst, den er aufbringen konnte. Das verfehlte seinen Effekt nicht: Erschrocken konnte der Junge gar nicht schnell genug mit seiner Mutter wegkommen. Sie hauchte Genesis noch ein „Danke“ zu, dann waren sie weg und er stand einen Moment lang etwas ratlos auf der Stelle. Dann fiel ihm sein Ziel wieder ein. Mit einem Blick über die Schulter fragte er sich kurz, ob er sich im Wirtshaus etwas Moral dafür aneignen sollte, doch das schien ihm besonders in diesem Fall nicht angemessen**. Resigniert seufzend setzte er seinen Marsch durch den Schnee fort, bis ihm kurz vor dem angestrebten Ort eine gute Freundin seiner Mutter über den Weg lief. Gut gelaunt begrüßte sie ihn. „Heute ganz in Schwarz?***“, fragte sie ihn nach seiner Kleidung. „Ja“, sagte er nur. „Das ist ja ein schöner Kontrast zu dem ganzen Schnee“, plapperte sie drauflos, „und Schwarz steht dir auch so gut.“ Er nickte gedankenversunken. „Ich wollte jetzt eigentlich auch weiter, weißt du.“ „Ach“, sagte sie, ein wenig vor den Kopf gestoßen. „Dann will ich dich nicht aufhalten. Grüß deine Mutter von mir.“ Er murmelte noch eine unbestimmte Antwort, bevor er seinen Weg nun widerwillig erneut fortsetzte. Ein wenig fühlte er sich, als würde er auf seinen Galgen zugehen, dabei war es nicht sein Ende, dem er entgegenlief. Immer tiefer versank er in Erinnerungen, in traurig-schönen Erinnerungen, die ihn nicht losließen, seit etwas gar Schreckliches vorgefallen war. Als er angekommen war, wagte er es erst nicht, sich umzudrehen, doch er wusste, dass er da war; diese Strecke war er in letzter Zeit zu oft abgegangen. Genesis schloss die Augen und lauschte. Stille. Niemand. Die Luft war kalt und ungastlich. Es würde nichts darum herumführen. Indem er sich umwandte, richtete er seinen Blick auf den schlichten Grabstein vor sich: Ergin Aydın D. 19.12.1976 Ö. 28.09.2012 **** Genesis sank auf die Knie. Seine Augen brannten in der kalten Luft. Er fühlte sich unendlich verloren in der Weite der Schneelandschaft um den Friedhof herum und die Stille erdrückte ihn, während kein Atemzug seine Brust ausfüllen wollte. Der Schmerz über den brutalen Verlust eines seiner ältesten Vertrauten schlug in blinde Wut um, sein Magen brannte lichterloh, wann immer er daran dachte, wer ihm Ergin gewaltsam entrissen hatte. Doch tief in sich spürte Genesis noch etwas, was sich zu Trauer und Zorn mischte. Er war in seiner Nähe gewesen, er hätte da sein können. Warum hatte er Ergin allein losziehen lassen? Immer noch auf dem Boden kniend sah Genesis gen Himmel. Wie er sich immer weiter in sich verlor, wehte ihm der Wind ins Gesicht. ~ I’ll leave when the wind blows. ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)