und dann war alles anders von XdramaX ================================================================================ Kapitel 9: Montag, 13. August 2018 ---------------------------------- Gedankenverloren saß ich auf einer halbhohen Mauer vor der Schule und baumelte mit den Füßen. Meine Gedanken waren weit, weit weg bei dem, was Samstagnacht mit mir passiert war. Und bei diesem Footballer, den ich einfach nicht erkennen konnte… Grace neben mir beobachtete mich aufmerksam von der Seite und schlurfte ihren Kakao. Nahele auf der anderen Seite hatte eine Hand auf den Backstein aufgestützt und tat es ihr gleich. „Oh mein Gott.“, sagte er plötzlich und riss mich damit aus meinen Gedanken. Verwirrt sah ich ihn an: „Danke, Serena reicht.“ Doch er grinste breit. „Was ist?“ „Ich hätte es NIE für möglich gehalten, dass ausgerechnet du dich mal verliebst.“ Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. „Verlieben? Ich?“, fragte ich verwirrt und Grace begann zu kichern. „Natürlich du.“, erklärte sie und sah zum Himmel hinauf. „Da kommt ein Typ im Dunkeln, behandelt dich wie ein Kleinkind und – bumm – schon ist es um dich geschehen.“ Sie lachte weiter, was mir gar nicht gefiel. „Also, Süße, wer ist der Glückliche? Du weißt es doch bestimmt inzwischen.“, bemerkte Nahele weiterhin grinsend, doch zu seiner Enttäuschung musste ich mit dem Kopf schütteln. „Wie, du weißt es nicht? Bist du nicht diejenige, die mit allen Kerlen der Mannschaft geschlafen hat?“, fragte er verwirrt. „Ach, mit dir auch?“, konterte Grace amüsiert und witterte bereits eine neue Story, aber Nahele hob sofort abwehrend beide Arme und schüttelte den Kopf. „Wie kommst du darauf? Nein! Bloß nicht!“ Mir klappte die Kinnlade runter, doch begann sofort zu lachen und trat nach ihm. „Dankeschön, ich habe dich auch lieb!“ „Falsch! Du liebst mich! Lieb haben und lieben sind zwei unterschiedliche Schuhe.“ Ich zögerte einen Moment und sah ihn an. Erst behaupten, dass ich verliebt wäre und dann sagt er das? Ich hatte den Typen von gestern nicht erkannt. Vielleicht war es doch Nahele? Mein durchdringender Blick schien ihm aufzufallen und er wedelte sofort wieder mit den Händen: „Hey, ehe du auf dumme Gedanken kommst: Ich war gestern gar nicht beim Wohnheim! Ich habe Zeugen!“, er sah kurz hilfesuchend zu Grace. „Das stimmt, Sera. Nahele hat mit uns gekocht, dann waren wir zu acht Uhr im Kino und danach noch bis fast Mitternacht Billardspielen. Ich habe bei den beiden auch übernachtet, weil Elli uns eine Nachricht geschrieben hat, dass eine Party im Wohnheim im Gange ist. Er hat uns nicht verlassen.“ Ich seufzte tief und nickte. „Hm… Dann weiß ich auch nicht weiter.“ „Eigentlich komisch.“, meinte Nahele plötzlich nachdenklich. „Wenn das ein Kerl wäre, der dich einfach nur in die Kiste bekommen wollte, dann hätte er dich nicht angezogen, sondern die Dunkelheit ganz anders genutzt.“ „Apropos, warum war es eigentlich plötzlich dunkel?“, unterbrach ich Nahele einfach und sah zu Grace. Als Bewohnerin des Wohnheims musste sie ja wissen, was vorgefallen war. „Frag nicht“, knurrte sie mürrisch und biss in ihr Brötchen. „Bei eurer Party muss ein Vollidiot auf die Idee gekommen sein trotz Alkohol mit dem Auto heimfahren zu wollen. Anstatt aber rückwärts auszuparken, hat er den Vorwärtsgang eingelegt und mit Volldampf den Hauptstromkasten umgefahren.“ Wir sahen sie mit großen Augen an und begannen zu lachen. „Was? Wie dumm kann man sein?“, feierte Nahele. „Hey, das ist nicht lustig! Wir haben noch immer keinen Strom!“, klagte Grace, musste nun aber ebenfalls grinsend. Ich kicherte weiter. Ich hoffte, dass es dem betreffenden Schüler gut ging, aber gleichzeitig war ich ihm unendlich dankbar. Wäre er nicht so blau gewesen, dann wäre ich diesem Unbekannten wohl nie begegnet. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen, was den anderen natürlich nicht entging. Grace und Nahele tauschten Blicke und begannen zu kichern. „Ich werde mal schauen, dass ich beim Training ein wenig lange Ohren mache.“, verkündete mein Freund dann. „Also, wie war das? Braungebrannt, ordentliches Sixpack, Celvin Klein Unterhose… Hm…“, er hob sein Hemd an und präsentierte seinen perfekt trainierten Bauch. Aus dem Bund der Anzugshose unserer Schuluniform zog er seine Unterhose ein Stück hervor, sodass das Label der Marke zu sehen war: Celvin Klein. „Ob ich doch bei der Party war?“, überlegte er angestrengt und wir lachten los. Natürlich, auf ihn passte die Beschreibung auch – deswegen war ich ja auf ihn gekommen – aber nein, mit ihm konnte ich mir nicht vorstellen so nahe zu sein. „Die Unterhose konntest du doch nur sehen, weil er kein Oberteil trug.“, meinte Grace dann. „Ist dir denn jemand aufgefallen, der – bevor es dunkel wurde – kein Shirt an hatte?“ „Quasi alle, egal welchen Geschlechts.“, verkündete ich ihr. „Es war heiß, es war stickig… kaum einer hat es in Klamotten ausgehalten. Was man ausziehen konnte, zog man halt aus.“ Sie machte ein wenig begeistertes Geräusch und dachte nach. Schließlich ging ihre Befragung weiter: „Wie groß war er?“ Ich sprang auf und hob die Arme. Angestrengt versuchte ich mich an ihn zu erinnern und machte eine Armbewegung, als würde ich jemandem die Arme um den Nacken legen. „Hm… Ich würde sagen hier irgendwo.“ „Dann kann ich es nicht sein, ich bin etwas kleiner!“, meinte Nahele und schlüpfte in meine Arme. Er schlang seine um meine Taille und wirbelte mich spielerisch herum. Ich musste lachte. „Stimmt, du bist auch etwas dünner als er… also nicht ganz so…“, ich drückte seine Schultern und griff dann unter seine Arme, um auch abschätzend seinen Brustkorb zu „messen“. „Du bist ja richtig schmächtig!“, zog ich ihn auf und er lachte. Grace lächelte selig. „Na wenigstens scheint es dir wieder besser zu gehen.“, meinte sie plötzlich aus dem Nichts heraus. „Der Typ muss dir ja ganzschön den Kopf verdreht haben. So gut gelaunt habe ich dich seit Tagen nicht erlebt.“ Ich lächelte sie entschuldigend an. Aber ja, sie hatte wohl recht. Diese Begegnung mit dem Unbekannten hatte irgendwas verändert. Seine Berührung hatte irgendwas in mir ausgelöst. Ich senkte den Blick und starrte zwischen Nahele und mich auf die Stelle, wo mein Bauch seinen berührte. „Aber ihr seid auch ein süßes Pärchen.“, meinte Grace dann lachend und Nahele stimmte ein: „Mit mir sowieso.“ Ich rollte die Augen und knuffte ihn in den Bauch, was er aber dank seines trainierten Körpers vermutlich gar nicht wahrnahm. „Ok, ok, also, Hele, hast du eine Idee wer das nun sein könnte?“, fragte Grace weiter. Der Angesprochene sah zu den Wolken über uns hinauf und wiegte sich mit mir im Arm hin und her. „Naja, von der Größe her muss es jemand aus der Offensive Line sein. Gebräunt… oh, das ist schwer… das sind sie leider alle…“ „Marco“, sagte Grace plötzlich und wir sahen sie verständnislos an. „Also ganz bestimmt jeder, nur nicht Marco.“, entschied ich. „Der ist nicht nur ein widerliches Ekel, sondern auch mein Bruder. Als ich die Party verließ, da…“ Doch weiter konnte ich nicht erzählen, Grace hob schon eine Hand und schüttelte energisch den Kopf. „Das meine ich gar nicht.“, sie wies gerade aus. „Marco auf Zwölf Uhr.“ Wir folgten ihrem Wink und entdeckten ihn. Natürlich zusammen mit Lavinia. „Damit wäre jetzt wohl klar, warum sie so energisch darauf bestanden hat ALLEINE auf ‘s Klo zu gehen.“, sprach Nahele tief und gefährlich. Ich sah ihn an. Grimmig beobachtete er seine Cousine und meinen Bruder, die nur wenige Meter von uns entfernt aus dem Schulgebäude gekommen waren und sich noch immer angeregt unterhielten. Lavinia lachte und Marco nutzte die Gelegenheit, um wohl noch etwas dichter an sie heran zu rutschen. „Dieser Schleimbeutel.“, murmelte Nahele. „Hey“, ich zog sein Gesicht am Kinn in meine Richtung. „Guck halt nicht hin. Dann ist sie halt so blöd und lässt sich auf ihn ein. Um ehrlich zu sein warte ich ohnehin noch auf das Cheerleader Dress und die Pompoms.“ Er stöhnte gefrustet auf und rollte mit den Augen. „Jetzt hör doch endlich auf mit der Zickerei und gib ihr eine Chance!“, jammerte er und erdrückte mich beinahe. Ich quietschte auf und ließ mich von ihm wie ein Spielzeug hin und her wirbeln – was uns beide zum Lachen brachte. Als ich endlich wieder Boden unter den Füßen hatte sah ich nur, dass Lavinia bereits auf dem Weg zu uns war und uns in weniger als zwei Schritten erreichte. Marco dagegen wandte sich gerade mit einem angewiderten, finsteren Blick ab und suchte seine Kumpels auf. „Da bin ich wieder! Was hab ich verpasst?“, lachte die Pinke in die Runde. Schon allein vom Klang ihrer Stimme bekam ich Aggressionen. „Ich frag mal Elli wo sie eigentlich bleibt. Vermutlich ist sie immer noch verkatert von Samstag.“, entschied ich und löste mich von Nahele. Ich konnte es nicht verhindern, ich warf einen grimmigen Blick auf Lavinia und stellte mich etwas Abseits, um WhatsApp zu öffnen. Während die anderen beiden Lavinia sofort ausquetschten was denn das mit Marco war, schrieb ich an Elli: Hi Maus, wo bist du? Wir wollten doch zusammen die Strände retten ;) „Er ist so nett und lieb, wirklich! Ich bin mir sicher, dass ihr falsch liegt.“, rechtfertigte sich Lavinia gerade gut gelaunt wie immer. „Hab ich dir noch nicht genug Stories darüber erzählt, was alleine im letzten Jahr alles lief?“, seufzte Nahele schwer, doch Lavinia winkte ab. „So ist er nicht. Also zumindest nicht zu mir. Er ist so zuvorkommend. Und wir können uns sehr gut miteinander unterhalten. Er… hört mir zu!“ „Ach und wir nicht oder was?“, grummelte ihr Cousin. „Wirklich, Vini, du solltest dich von ihm fernhalten.“ Das Vibrieren meines Telefons lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Elli hatte zurückgeschrieben. Sorry, mir geht es seit der Party am Samstag extrem dreckig. Ich hätte nicht so viel trinken sollen. Habe einen riesigen Filmriss. Ich seufzte schwer und sah mich um. Na wunderbar. Elli würde nicht kommen und damit würde ich alleine ohne die anderen den ganzen Tag am Strand herumlungern und Müll einsammeln… Am Samstag hätte ich das wohl noch toll gefunden – ich hatte innerlich mit meinen Freunden gebrochen – aber nachdem heute Morgen wieder alles vollkommen normal war (zumindest solange wie Lavinia auf der Toilette war, oder was auch immer sie mit Marco angestellt hatte) war meine Wut wieder wie weggeblasen. In dem Moment betraten die Lehrer den Hof und begannen ihre Schüler zusammen zu sammeln. „Wir schreiben nachher, Mausi!“, rief Grace und winkte mir zusammen mit Nahele. Ich wollte kotzen! Selbst Lavinia hob einmal lächelnd eine Hand und hakte sich dann strahlend wie immer bei ihrem Cousin unter, um mit ihnen zum Tauchkurs aufzubrechen. Ich seufzte und sah Coach Graham, der bereits von einer Traube Mädchen umschwärmt wurde. Mit seinem trainierten Äußeren – auch er hatte früher Football gespielt und hielt sich wohl immer noch fit, um seine Schüler ordentlich zu quälen – dem dichten Vollbart und den langen braunen, teils ausgeblichenen Haaren war er wie eine heiße, verbotene Frucht, die jede gerne ernten wollte… Vermutlich der Grund dafür, warum unsere Projektgruppe beinahe ausschließlich aus Mädchen bestand… sie alle sabberten und die Jungen wollten sich diesen Anblick nicht geben… Ich rollte mit den Augen und verschwand klammheimlich in Richtung Parkplatz. Ehe ich in meinen Wagen stieg schrieb ich an Elli: Alles klar, kein Ding. Schreib, wenn es dir besser geht und du diese Woche wieder kommst. Ohne dich hab ich keine Lust auf diese Projektwoche ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)