und dann war alles anders von XdramaX ================================================================================ Kapitel 15: Montag, 20. August 2018 – Vormittag ----------------------------------------------- Ich musste gestehen: Einschließen im eigenen Zimmer hatte wohl geholfen. Nana wusste, dass es mir nicht gut ging und servierte mir daher jede Mahlzeit im Bett. Und Marco – na ja, der betrat sowieso niemals mein Zimmer. Ich glaube er war noch nie darin gewesen… Alles in allem: Ich hatte meine Ruhe zum Nachdenken. Krampfhaft versuchte ich mich daran zu erinnern, ob es denn jemand anderes gab, mit dem ich bei dieser Party etwas hatte. Aber nein… Na ja, ein paar hatten versucht mich anzutanzen. Wieder andere hatten mich auf ihren Schoß gezogen in der Hoffnung auf mehr… Ich hatte gestrippt und ich wusste auch noch, dass ich nur in Unterwäsche bei jemandem im Arm lag, aber Sex? Nein, ich hatte keinen. Die einzige, wirklich intime Situation war mit dem Unbekannten gewesen. Wenn ich an diese Küsse dachte… Bis vor wenigen Stunden hatte mein Bauch angefangen zu kribbeln und ich spürte diese Sehnsucht, doch nun war es anders. Ich dachte an seine Lippen auf meinen und wurde ausschließlich depressiv. Zum einen natürlich, weil ich dieses Gefühl vermisste, das er mir gab, doch am wichtigsten: Er hatte mich bei meinem Bruder gekauft. Für lumpige einhundert Dollar. Das hieß wohl, dass er ein genauso großes Arschloch war wie Marco, oder? Warum nur… Ich schaltete das Wasser in der Mädchentoilette aus und sah in den Spiegel. Ich fand, dass ich aussah wie ein Wrack… Irgendwas musste ich doch gegen mein Leben tun. So, wie es aktuell lief, war es einfach nicht lebenswert. Diese Exzesse mussten aufhören. Nicht nur der Alkohol, auch diese ständigen One Night Stands mit den Jungs meiner Schule oder wem auch immer ich irgendwo begegnete. Das führte doch alles zu nichts und brachte mich kein bisschen dem Näher, was ich eigentlich wollte: Sicherheit, Geborgenheit, Familie… und richtig lieben und geliebt werden. Sofort dachte ich wieder an meinen Küsser in der Dunkelheit. Er hatte es mir wirklich angetan. Umso frustrierender war es zu erfahren, dass er nicht besser war als all die anderen. Aber dieses Gefühl… Konnte mir das denn nicht jemand anders geben? „Man, jetzt geh endlich beiseite, wenn du dir nicht die Hände wäschst! Ich muss auch noch!“, mit diesen entnervten Worten schob mich ein Mädchen aus einem niedrigeren Jahrgang beiseite. Sie packte ihr Schminkköfferchen aus und begann ihre 500 Lagen Makeup zu erneuern. Ich trocknete flüchtig meine Hände an meinem Rock und verließ die Toiletten. Der Flur war voll. Alles drängte zu den Schließfächern und anschließend nach draußen auf den Hof. Zum Glück wollte ich auch in diese Richtung. So musste ich nur eine Lücke im Strom finden und mich dann treiben lassen. Kaum in der Hitze angekommen, stob die Masse auseinander und ich suchte nach meinen Freunden. Grace, Elli und Nahele saßen unter einem Baum auf einer Bank und aßen Brötchen aus der Cafeteria. „Da bist du ja endlich.“, Grace hielt mir einen Schokodonut entgegen und ich musste lächeln. Genau das hatte ich gebraucht. Die drei rutschten, damit ich mich zwischen Grace und Nahele quetschen konnte. „Und? Was ist nun gewesen am Samstag?“, fragte mich Letzterer, als ich in den süßen Kringel in meiner Hand biss. „Die Typen waren nervig, oder?“, meinte Grace von der Seite, als sie merkte, dass ich nicht sofort antwortete. „Vor allem waren sie unhöflich! Haben mich einfach von meinem Handtuch verdrängt.“, warf Elli ein. „Na dann lass dich doch das nächste Mal nicht verdrängen.“, schlug Nahele vor. „Es war doch dein Handtuch.“ Grace und ich nickten zustimmend, doch Elli druckste verlegen herum. „Ja, aber es waren gutaussehende Kerle und ihr wisst doch, wie Sera auf solche Jungs reagiert. Und der andere wollte halt was von Grace. Ich hatte auch keine Lust das fünfte Rad am Wagen zu sein.“, gestand sie kleinlaut. „Was soll das heißen, wie ich auf „solche Jungs“ reagiere?“, fragte ich stattdessen und sie hob ertappt den Blick. „Also… ehm… das war jetzt nicht… ehm…“ Ich schmunzelte leicht. „Schon gut, ich kann mir denken, wie du das gemeint hast.“, ich seufzte schwer und meine drei Freunde sahen mich prüfend an. „Du hast doch was.“, entschied Nahele und rieb die Hände aneinander, um die Krümel seines Brötchens los zu werden. „Jetzt spuk ’s schon aus.“, stach Grace weiter. „Was ist passiert?“ „Ich habe einfach keine Lust mehr auf solche Sachen.“ „Welche Sachen?“ „Na diese schnellen Nummern ohne Bedeutung.“ „Oh Gott!“, rief Nahele. „Serena hat einen Sonnenstich! Schnell! Ruft den Notarzt!“ Elli brach in Gelächter aus bei dem Anblick seiner panischen Miene. Ich dagegen schmunzelte nur. „Wie kommst du zu dieser Erkenntnis?“, fragte Grace verwirrt weiter und ich wandte mich ihr zu. „Der Typ am Strand hat mir Geld bieten wollen für einen Blowjob mit anschließendem Quicki.“ „WAS?“, entfuhr es den dreien wie aus einem Mund und Nahele wurde sichtlich wütend. „Sag mir bitte, dass du uns gerade verarschst!“, forderte er, doch ich schüttelte den Kopf. „Sorry, aber das ist mein Ernst.“ Er schlug die rechte Faust in die linke Hand und wusste scheinbar nicht wohin mit seiner plötzlichen Aggression. Man konnte über diesen Footballer – der so gar nicht zu der Clique der übrigen Spieler gehören wollte – denken was man wollte, aber wenn es um seine Freundinnen ging, dann war er der pure Beschützer, der sich sofort für uns prügeln würde. „Man! Warum war ich nur schon im Wasser? Dem hätte ich eine verpasst, dass er seine Nase in einer Kühlbox zum Schönheitschirurgen hätte bringen müssen.“ „Danke, Hele.“, sagte ich liebevoll lächelnd und gab ihm einen Kuss auf die Schulter. Er legte sofort seinen Arm um mich und zog mich eng an seine Brust. „Das ist ja wohl das Letzte, jemandem solch ein Angebot zu unterbreiten. Widerlich. Wäre ich nur dabei gewesen…!“, knurrte er weiter und ließ die Drohung aber offen. Ich legte einen Unterarm auf seinen Oberschenkel und strich mit dem Daumen und der zweiten Hand beruhigend über sein Bein. „Wisst ihr, wie sich heraus gestellt hat dachte er wohl, dass das für mich normal wäre.“ „Ach komm, was soll das bitte? Du bist ein normales Schulmädchen in einem normalen Bikini am Strand. Da geht man doch nicht einfach hin und bezahlt sie für Sex.“, stellte Grace fest. „Das ist so widerlich!“ Ich nickte und suchte den Hof unwillkürlich nach Marco ab. Wie es der Zufall so wollte saß er etwas weiter links, uns gegenüber am anderen Ende des Hofes im Schatten der Sporthalle. Damit war dann nun auch die Frage beantwortet, wo eigentlich Lavinia abgeblieben war. Natürlich saß sie neben ihm auf dem Campingtisch und nahm gerade glücklich lächelnd einen Schokoriegel von ihm entgegen. Das arme Mädchen. Nicht nur, dass er ein Arschloch war, ich wusste auch noch ganz genau, dass er sich nur deshalb so an sie ranschmiss, weil er sich darüber im Klaren war wie sehr er mich damit ärgern konnte. Sie war quasi zu einem Opfer oder vielleicht sogar zu einer Waffe unseres Geschwisterkrieges geworden. „Grace hat Recht. Das ist unterste Schublade. Geht zu einer Fremden hin, baggert sie an und bietet ihr Geld für Sex.“, erklärte auch Elli auf der anderen Seite und Nahele schlang auch ihr einen Arm um die Schultern. „So wirklich fremd waren wir uns nicht. Ich habe schon irgendwann mal mit ihm geschlafen.“ „Aber ganz sicher kein Geld verlangt.“, meinte Nahele. „Nein… aber Marco hat.“, verkündete ich und ich spürte förmlich, wie die drei mich entsetzt ansahen. „Er hat was?“ Ich richtete mich an der Seite meines Freundes auf und er legte mir eine Hand von hinten um das Genick. Sanft drückte er zu, um mir so etwas Kraft zu spenden. „Ich habe Samstag erfahren, dass Marco von jedem Typen, mit dem ich was hatte, einhundert Dollar pro Nummer verlangt.“ Elli keuchte schockiert. „Dieser Bastard!“, quiekte sie. „Das ist selbst für ihn ein neuer Tiefpunkt.“, erklärte Grace und ich nickte. Ich spürte nur, wie sie die Finger von Nahele etwas enger um meinen Nacken zogen und rhythmisch die Verbindung von Kopf und Hals rieben. „Und nun hat der Kerl auch noch Lavinia in seiner Gewalt.“, verkündete er griesgrämig. Pure Mordlust stand in seinen Augen. „Ich habe sie zwar am Wochenende gefragt ob da was läuft und sie hat es verneint, aber schaut sie euch doch an! Ich glaube ihr nicht, dass sie und Marco kein…“ Wir folgten alle seinem Blick und sahen, wie die Turteltauben in Gelächter ausbrachen und sich so weit vorbeugten, dass man Angst haben musste sie würden vom Tisch fallen. „An die macht er sich übrigens nur ran, weil er genau weiß, dass er mich damit ärgern kann.“, erklärte ich, aber wirklich besser schien es die Situation nicht zu machen. Nahele schnaubte. „Na wunderbar. Jetzt gerät auch noch meine Cousine in euren ewigen Streit? Danke schön.“ Ich seufzte. „Ja, ich weiß. Tut mir leid. Ich habe ihm wirklich gesagt, dass er die Finger von ihr lassen soll…“ Nahele nickte nur und beobachtete die beiden weiter finster. „Irgendwas müssen wir doch tun können!“, entschied Grace. „Irgendwie müssen wir ihm das alles doch auswischen können.“ „Da bin ich dafür!“, pflichtete Elli ihr bei. „Es reicht mir, wie er mit Serena umgeht.“, bestätigte Nahele. „Und jetzt noch Lavinia! Er wird ihr doch nur das Herz brechen! Bitte sage mir, dass dein Plan vorsieht ihm körperlich weh zu tun!“, er sah zu Grace und Elli begann zu kichern. Ich musste schmunzeln, doch noch ehe Grace etwas sagen konnte hielt ich sie auf. „Bitte nicht wegen mir. Lavinia müssen wir von ihm wegholen, da stimme ich zu, aber startet bitte keine Racheaktionen wegen mir. Das schaukelt sich nur hoch: Wir klatschen ihm Spaghetti ins Gesicht, er kippt Tinte in Naheles Sporttasche, wir fahren mit dem Rasenmäher über seine Lieblingssneaker, er schneidet kreisrunde Löcher in Arschhöhe in meine Kleider…“, begann ich zu fantasieren. Eigentlich wollte ich lustig sein, aber scheinbar war die Situation zu angespannt. Meine Freunde sahen mich verbissen. „Hey, ich will damit nur sagen: Seit gestern habe ich ihn zwar gelegentlich gesehen, aber er ignoriert mich komplett. Das ist wirklich angenehm und so kann es auch gerne bleiben. Wenn wir jetzt mit Vergeltung anfangen, dann wird es nur wieder schlimmer. Belassen wir es dabei, ja? Und sich an mir bereichern wird er sich jetzt eh nicht mehr. Der nächste Kerl mit dem ich was habe, das ist definitiv einer, mit dem mich etwas Intensives verbindet. Mit dem ich eine ernsthafte Beziehung führen kann. Und wenn er von dem dann auch noch Geld kassieren will, wird Marco von mir höchst persönlich kastriert.“ Die drei waren wohl nicht sonderlich begeistert von dieser Entscheidung, aber sie würden auch nichts in dieser Hinsicht anzetteln, wenn ich nicht absolut hinter ihnen stünde. Blieb nur das Problem: Wie würde es mit Lavinia und Marco weitergehen? Sie konnte doch nicht bei ihm bleiben… Unsere Blicke wanderten wieder zu ihnen hinüber. Marco begrüßte einen seiner Freunde und wandte sich für einen Augenblick von Lavinia ab um mit dem Neuankömmling zu plaudern. Die Pinke hob ihren Blick und ließ ihn über den Hof schweifen. Sie suchte wohl nach uns und bald schon hatte sie uns gefunden. „Mir gefällt das alles ganz und gar nicht.“, erklärte Nahele und seine Hand wanderte wieder aus meinem Nacken heraus, sodass sich sein Arm um mich legte. Er konnte den Anblick seiner Cousine bei diesem Scheusal wohl nicht mehr ertragen und drehte den Kopf. Kurz gab er mir einen Kuss auf den Scheitel, dann sah er über mich hinweg in Grace Richtung, die gerade zu reden begonnen hatte. Das sanfte Lächeln auf Lavinias Gesicht erstarb nur sehr langsam, wie in Zeitlupe. Trauer und Schmerz zeigten sich in ihren Augen und sie senkte den Blick. In diesem Moment wurde mir eines klar: Dass Lavinia ihre Pausen lieber mit meinem Bruder verbrachte als mit uns, war einzig und allein meine Schuld. Sie hatte sich im Sommer mit Grace und Elli angefreundet und es ginge ihr viel besser, wenn sie hier bei uns sein könnte. Doch sie tat es nicht, was nur einen einzigen Grund hatte: Mich. Da war er wieder, mein Selbsthass. Oh, wie ich ihn vermisst hatte… Nur wie konnte ich das Geschehene wieder gut machen? Ich seufzte schwer, da klingelte es zur nächsten Stunde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)