Shards of Red von lunalinn (Endeavor x Hawks) ================================================================================ Kapitel 1: Scarlet ------------------ Enji weiß nicht, was passiert ist. Er kann sich an erstaunlich wenig erinnern, was in der letzten Nacht geschehen ist. Er weiß nur, dass er einen Mordskater hat, der dafür sorgt, dass er kaum die Augen aufbekommt. Glücklicherweise sind die Jalousien heruntergezogen, lassen nur vereinzelte Sonnenstrahlen hinein – mehr würde Enji nicht ertragen. Er hat das Gefühl, sich übergeben zu müssen, wenn er sich auch nur einen Zentimeter bewegt. Die Kopfschmerzen machen es nicht besser, doch seine Orientierungslosigkeit zwingt ihn, die Lider wieder zu öffnen. Wo zur Hölle ist er? Und wie ist er hierhergekommen, in dieses…Schlafzimmer? Das Bett ist so groß, es füllt den winzigen Raum fast komplett aus, lässt nur Platz für einen Nachtschrank daneben und einen hohen Schrank an der Wand. Enji unterdrückt ein Stöhnen, während er auf dem Rücken liegt und…feststellt, dass er bis auf die Unterwäsche nackt ist. Nackt. Oh nein. Das dumpfe Hämmern breitet sich in seine Schläfen aus, die Übelkeit wird stärker…und er hofft einfach, dass es sich hierbei um einen bösen Traum handelt. Bitte lass es einen scheiß Albtraum sein… Der unangenehme Geschmack von Sake klebt an seinem Gaumen, erinnert ihn daran, wie lange er schon nicht mehr getrunken hat. Jedenfalls nicht so viel, dass er einen Filmriss bekommt…und den hat er zweifellos. Alkohol ist so eine Sache bei ihm, denn er verträgt mehr als die meisten Menschen…allerdings macht er ihn redselig und im schlimmsten Fall verstärkt er seine Aggressionen. Beides sind Gründe, lieber nüchtern zu bleiben, denn er hat in der Vergangenheit schon genügend Fehler gemacht. Fehler, die er bereut und die er wiedergutmachen will, auch wenn er bis jetzt nicht weiß, wie er das anstellen soll. Vielleicht ist es schon zu spät…und je nachdem, was er in dieser Nacht zu wem gesagt oder getan hat (er hofft inständig, dass er niemandem etwas angetan hat), könnte es alles noch schlimmer machen. Eine seiner Pranken tastet sich über die Matratze, erfühlt das weiche Laken…und…etwas, das er nicht sofort zuordnen kann. Es ist ebenfalls weich und er schließt die vom Feuer rauen Finger darum, spürt das Kitzeln in seiner Handfläche. Wie in Trance drehte er den Kopf zur Seite und ihm wird entsetzlich schlecht, als er erkennt, um was es sich handelt. Eine Feder. Eine rote Feder. Groß genug, um von einem Papagei zu stammen…von der Farbe her etwas dunkler. Oder es liegt an dem spärlichen Licht. Doch es gibt ein Problem; er sieht und hört keinen Papagei. Stattdessen hört er Schritte von nebenan durch die angelehnte Tür, ein leises Pfeifen…und das Klirren von…Geschirr? Enji drehte sich auf die Seite, als die Panik überhandnimmt und er – oh Gott, ein Eimer! – sich geräuschvoll übergibt. Seine türkisfarbenen Augen tränen, während er über dem Eimer hängt und sich die Seele aus dem Leib kotzt. Der Geschmack nach Alkohol und der Nahrung, die sein Magen halb verdaut hat, ist furchtbar. Jeder Muskel in seinem durchtrainierten Körper ist angespannt, seine Kehle kratzig und in seinen Ohren rauscht es, erstickt jeden Laut von außerhalb. Wie lange ist es her, dass er sich wegen Sake so mies gefühlt hat? „Guten Morgen, Sonnenschein!“ Gerade als er denkt, es könnte nicht schlimmer werden, platzt die Person herein, die er am allerwenigsten sehen will. Wobei…nein, so ganz stimmt das nicht. Besser, dieser freche Vogel sieht ihn in diesem Zustand, anstelle eins seiner Kinder. Oder All Might. Oh Gott, ihm wird schon wieder schlecht und er macht sich gar nicht erst die Mühe, sich aufzurichten, bleibt über der Bettkante hängen. Was für einen erbärmlichen Anblick er abgeben muss… „Woah, Number One, du hast ja echt alles gegeben gestern, was? Soll ich dir die Haare halten?“, witzelt der Winged Hero breit grinsend. „Kleiner Scherz, haha! Aber mal im Ernst, du siehst richtig scheiße aus…dabei sollten alte Männer doch ihre Grenzen kennen?“ „Hawks…“, würgt er hervor und versucht, so viel Zorn wie möglich in seine Stimme zu legen. Leider weiß Enji, dass selbst, wenn er nicht kotzend von Hawks‘ Bett hängen würde, dieser sich davon nicht würde beeindrucken lassen. Der mangelnde Respekt des jungen Mannes sollte ihn wütend machen, er sollte diesen in seine Schranken weisen…doch wenn Enji ehrlich ist, empfindet er Hawks‘ unbeschwertes Verhalten ihm gegenüber als Erleichterung. Auch, wenn er ihm gleichzeitig eine runterhauen will. „Du hast aber auch gebechert gestern, herrje…“, hört er den Vogel zwitschern und knurrt leise. „Schaffst du’s in die Dusche? Also, wenn du damit fertig bist, deinen Mageninhalt wieder hoch zu würgen...“ Da sind so viele Fragen, die Enji ihm stellen will, aber stattdessen wischt er sich den Schweiß von der Stirn und das Erbrochene vom Kinn. Obwohl ihm Hitze eigentlich nichts ausmacht (sein Quirk ist das Feuer, verdammt), wünscht er sich sehnlichst eine kühle Dusche. Er hievt sich wieder in eine sitzende Position und bemerkt nebenbei, wie viele Kissen und Decken in dem Bett liegen. Unnormal viele. Aber gut, Hawks ist ein Vogel…irgendwie…und die bauen Nester. Warum denkt er jetzt über so etwas nach? Der Restalkohol befindet sich anscheinend noch nicht vollständig im Eimer. „Endeavor-san? Hallo? Jemand zuhause?“ Er hört das Rascheln der scharlachroten Federn, als sich die Flügel auf Hawks‘ Rücken zusammenfalten und dieser näher kommt. Enji verengt die türkisfarbenen Augen, während er den Winged Hero mustert und…sein eigenes Gesicht auf dessen Shirt findet. Nicht sein Ernst. Die Situation ist so skurril, er will seine Sachen nehmen und verschwinden. Apropos…wo ist seine Kleidung überhaupt? Warum liegt er in Hawks‘ Bett? Halbnackt? Warum trägt Hawks dieses peinliche, blaue Endeavor-Fan-Shirt zu der schwarzen Jogginghose und... „Ich kann dich denken hören, Endeavor-san~“, flötet Hawks viel zu gut gelaunt und zieht die verdammten Jalousien mit einem Ruck hoch. „Hier riechts ganz schön streng, oder? Bisschen frische Luft wird dir sicher guttun!“ Mit diesen Worten öffnet er das Fenster und tatsächlich ist der laue Luftzug angenehm, auch wenn das Licht in seinen Augen brennt. Zu seinem Bedauern nimmt er nun mehr von dem Zimmer wahr…und findet gleich drei Endeavor-Poster an der weißen Wand. Eine Action-Figur steht auf dem Nachtschrank, den er zuvor nur flüchtig bemerkt hat, und…ist das da ein Plüschtier von ihm? Enjis Blick heftet sich automatisch an den Eimer, da er das Gefühl hat, diesen gleich erneut zu brauchen. „Gefällt dir mein Schlafzimmer? Klein, aber fein, was? Passt wenig Deko rein, aber wie du siehst, ist das Wichtigste da“, plappert Hawks wieder los und zwinkert ihm zu. Was zur Hölle redet er da?! Und…liegt es an seinem Kater oder klingt das absichtlich zweideutig? Würde Hawks auch nur einen Funken Scham besitzen, hätte er das Zeug weggeräumt, anstatt ihn direkt damit zu konfrontieren. Enjis mitgenommenem Verstand wird im selben Moment klar, dass Hawks dies mit voller Absicht tut. Was auch immer er damit bezwecken will…und wieder fragt er sich, was in der Nacht passiert ist. Abermals fühlt er, wie ihm heiß und kalt wird, sein Herz beginnt zu rasen. Nein. Oh Gott, nein…das darf nicht sein. Vielleicht erkennt Hawks das stumme Entsetzen in seinem Blick, denn er legt mit einem Mal den Kopf schief (was ihn einem Vogel noch ähnlicher sehen lässt) und blinzelt ihn an. „Alles okay, Number One? Wenn du dich noch mal übergeben musst, tu dir keinen Zwang an! Immer raus damit!“, fordert er ihn auf und Enji atmet einmal tief durch. Da ihm plötzlich bewusst wird, wie schamlos er selbst ist, fast unbekleidet vor dem anderen zu sitzen, nimmt er eine der Decken und zieht diese über seinen Schoß. Hawks‘ bernsteinfarbene Augen folgen jeder Bewegung und irgendetwas in seinem Blick erinnert Enji mehr denn je an einen Raubvogel. Es jagt ihm einen kalten Schauer über den Rücken und er räuspert sich, kämpft die Übelkeit zurück. „…geht schon“, brummt er und lehnt sich ans Kopfteil des Bettes. „Wasser wäre gut und…auch, wenn ich das vielleicht bereuen werde, eine Erklärung.“ Hawks funkelt ihn auf eine Art an, die ihm nicht geheuer ist. Allerdings grinst er im nächsten Moment und salutiert gespielt vor ihm. „Zu Befehl, Chef!“, ruft er aus und wuselt aus dem Zimmer. Enji sieht ihm nach, froh, dass der Jüngere keine Verletzungen zu haben scheint, so energetisch, wie er sich bewegt. Da der Flame Hero um sein Temperament weiß, welches er manchmal nicht zügeln kann, ist seine Befürchtung begründet. Sein Magen krampft sich plötzlich nicht bloß wegen des Katers zusammen… „So, bitteschön!“, zwitschert Hawks, kaum dass er den Raum betreten hat. „Trink erstmal was und dann können wir gern in allen Einzelheiten über gestern reden~!“ Enji wirft ihm einen misstrauischen Blick zu, nimmt aber die Wasserflasche entgegen und setzt sie an die Lippen. Dort, wo die riesige Narbe sein halbes Gesicht überzieht, fühlt sich die Haut immer noch wund und taub an. Mittlerweile hat er sich daran gewöhnt, immerhin lebt er. Hawks und er haben es überlebt. Er sieht zu dem Winged Hero, der sich einfach ihm gegenüber aufs Bett fallen lässt, dort sitzen bleibt und ihn angrinst. Nein. Verletzt hatte er ihn wohl nicht, so zufrieden, wie der andere wirkt. Hätte er ihm etwas angetan, würde dieser sich bestimmt nicht so sorglos verhalten und ihm Wasser bringen. Es reicht zwar nicht, um ihm alle Bedenken zu nehmen, aber es ist ein Anfang. „…wieso…bin ich hier?“, zwingt er sich zu fragen und Hawks schmunzelt. „Oh Mann, du hast wirklich einen totalen Filmriss, was? Haha, aber na gut, ich will mal nicht so sein und dich aufklären!“ Hawks verändert seine Position, sodass er im Schneidersitz vor ihm sitzt…dabei ein Stück näher kommt. „Du bist hergekommen, um mich zu besuchen! Anscheinend habe ich dir ziemlich gefehlt und-“ „Lass den Scheiß!“, schneidet er dem Jüngeren das Wort ab, woraufhin dieser seufzt. „Okay, okay, erwischt…aber du bist wirklich meinetwegen hergekommen!“ „Ja, um etwas Berufliches mit dir zu besprechen“, knurrt er finster. „Das weiß ich alles noch…was ich nicht weiß, ist, wieso ich hier gelandet bin.“ „Du meinst, in meinem bescheidenen Heim?“, fragt Hawks amüsiert und seine Federn rascheln, als sich die Schwingen spreizen. „Nun, wir sind zusammen in eine Bar gegangen, haben etwas getrunken…und dann kam die Nachricht rein, dass Shouto seine Provisional Hero License erhalten hat, und du bist vollkommen abgedreht, haha…“ Enji stutzt merklich, als er das sagt, denn bei diesen Worten klingelt etwas bei ihm. Daran erinnert er sich sogar noch…eine kurze Nachricht von seinem Sohn. Bestanden. Ohne irgendwelche Smileys, keine langen Reden, aber immerhin hat er es ihm mitgeteilt. Mehr kann er nicht von seinem jüngsten Sohn verlangen. „Du hast ordentlich rumgebrüllt und eine komplette Runde für alle Leute in deiner Reichweite geschmissen. Ich meine, ich wusste, dass du Kohle hast, aber dass du so spendabel bist…wer hätte das gedacht~“, fährt Hawks grinsend fort. „Red‘ keinen Stuss!“, murrt der Flame Hero, wissend, dass Hawks nicht lügt. Tatsächlich ist er aufgrund seiner Freude ein bisschen…aus der Rolle gefallen. Zu dem Zeitpunkt war er nur angetrunken, doch scheinbar hat er sich am Ende übernommen. „Du hast gebechert, was das Zeug hält und Mann, so viel hab ich dich noch nie reden hören! War wirklich sehr aufschlussreich!“ Mit einem Mal kehrt das unwohle Gefühl zurück. Die leichte Ahnung, der Eimer wäre auf seinem Schoß besser aufgehoben, als neben dem Bett. Er schluckt seine Magensäure herunter, versucht, nicht vor Ekel zu schaudern. Am liebsten würde er im Bad verschwinden…sich noch mal erbrechen, duschen…doch er muss es wissen. „Was…meinst du?“ Seine Stimme klingt nun heiserer als vorher und es missfällt ihm. So wie ihm die Situation missfällt, in die er sich selbst gebracht hat, was er weiß, aber nur schwer akzeptieren kann. Es wäre einfacher, Hawks die Schuld für diese verkorkste Nacht und den Morgen danach zu geben, aber...das wäre falsch. Und ein Schritt in die Richtung, die er nicht mehr einschlagen will. „Och, wenn du so fragst~“, säuselt Hawks so lieblich, dass es in Enjis Magen rumort. „Du hast viel von deiner Familie geredet. Vor allem von deinen Söhnen…dass sie dich hassen und allen Grund dazu haben. Was für ein schrecklicher Vater du warst, wie viele Fehler du gemacht hast, aber dass jetzt alles anders wird, weil du ein besserer Mensch, Vater, Held wirst und so weiter…keine Sorge, Number One. Ich hab dich rechtzeitig hierher gebracht, bevor noch mehr Leute zuhören konnten – falls du dich sorgst, dass was gegen dich verwendet wird. Also, falls es nicht sowieso irgendwann rauskommt. Du weißt ja, wie das ist, wenn man im Zentrum der Öffentlichkeit steht…irgendeiner plappert immer~“ Enji starrt ihn einfach nur an, fühlt sich wie betäubt. „Oh, mach dir keinen Kopf!“, entfährt es Hawks bei seinem Blick. „Ich hab kein Interesse daran, dich an die Presse zu verkaufen. Echt nicht…auch wenn du aufpassen solltest, wie detailliert du wem was erzählst, Großer! Nicht jeder ist so verschwiegen wie ich!“ Und das ist der Punkt, an dem Enji geistesgegenwärtig den Eimer packt und sich zum zweiten Mal geräuschvoll übergibt. „So ist’s gut, alles raus, was keine Miete zahlt!“ Danach muss er duschen…und diesem Plappermaul den Hals umdrehen. Ungefähr eine halbe Stunde später sitzt er auf Hawks‘ Couch, immer noch nackt, jedoch mit einem Handtuch um die Hüften und in die flauschige, braune Decke gehüllt. Seine roten Haare tropfen noch von der Dusche und er riecht nach einem dieser penetranten Shampoos, die Hawks benutzt. Nun, immerhin ist der schale Geschmack aus seinem Mund verschwunden, nachdem er sich die Zähne geputzt hat. Kurzum, er fühlt sich wieder wie ein Mensch, auch wenn ihm weiterhin übel ist. „Nicht, dass mir der Anblick nicht gefällt, Number One, aber ich könnte dir immer noch ein Shirt leihen? Diese Merchandise-Shirts hab ich teilweise in XL, weil ich drin penne, also-“ „Halt einfach die Klappe“, unterbricht er den Winged Hero genervt. Er weiß nicht, was unangenehmer ist…die Art, wie Hawks mit ihm…spricht oder dass er soeben zugibt, in Klamotten zu schlafen, auf denen man sein Gesicht abgedruckt hat. Der ganze Fan-Kram in seinem Schlafzimmer ist schon verstörend genug, da braucht er solche Kommentare nicht. „Sicher? Ich wollte dir Rührei anbieten. Nicht typisch japanisch, aber ich schwöre dir, nach einem fetten Kater gibt es nichts Besseres!“, redet Hawks einfach weiter und tatsächlich riecht es in der kleinen Wohnung bereits danach. „Hmpf…na schön…“ „Kommt sofort~!“, erwidert Hawks in einem regelrechten Singsang und verschwindet Richtung Küche. Enji sieht ihm matt hinterher, ehe er seufzend den Kopf sinken lässt, sich zum hundertsten Mal fragend, wie er hier hineingeraten ist? Und ob er Hawks soweit vertrauen kann, dass dieser dicht hält. Wie viel weiß er schon über den frechen Vogel? Sie sind ein gutes Team im Kampf gegen den Nomu gewesen und offensichtlich ist der jüngere Mann ein Fan von ihm – was eigenartig genug ist, denn Endeavors Fanbase ist nicht annähernd so groß wie All Mights. Er hat aufgegeben, sich deswegen verrückt zu machen, versucht nun, seinen eigenen Weg zu gehen. Anders als bisher, aber keine Kopie von dem blonden Skelett, das vor den Ereignissen in Kamino die unangefochtene Nummer eins war. Number One. Er lächelt bitter, blickt vor sich hin, während er Hawks in der Küche hantieren hört. Dann schweift sein Blick durch das Wohnzimmer, das in warmen, sandigen Tönen gehalten ist. Beigefarbene Wände, die Schränke aus dunklerem Holz, was zur Farbe der Couch passt. Eine runde Couch, auf die vielleicht fünf Menschen Platz haben, die nicht so breit wie Enji sind, denn er nimmt fast die Hälfte des Möbelstücks ein. Auch hier gibt es viele Kissen und Decken – was auf den Flame Hero überladen wirkt. Kein Wunder, da er auf einem Futon schläft. In einem riesigen, japanisch eingerichteten Haus, dessen Einrichtung dezent ist. Hawks‘ Wohnung macht einen sauberen Eindruck, doch hier und da liegen diverse Sachen rum. Ein paar Bücher, eine Uhr, seine Jacke, die zu seinem Helden-Outfit gehört, eine leere Tasse. Enji fragt sich unweigerlich, ob Hawks oft Besuch hat. Schließlich ist er die Nummer zwei und ziemlich beliebt bei den Leuten – trotz seiner großen Klappe. Es muss an seinem Aussehen liegen, schließlich ist Hawks eine ganze Ecke jünger als er, um nicht zu sagen halb so alt. Zweifellos kommt er mit seinem attraktiven Äußeren gut bei den Frauen an und Enji ist bekannt, wie gern der Vogel flirtet. Moment…hat er das vorhin etwa mit ihm getan? Geflirtet? Sein blasses Gesicht läuft innerhalb von Sekunden so rot an, dass es vermutlich mit seinen Haaren konkurrieren kann. Unmöglich. Niemals. Und selbst wenn, muss es sich um einen geschmacklosen Scherz handeln. Das ist es. Ein Scherz. Hawks macht gern dumme Witze und amüsiert sich auf seine Kosten, also alles im grünen Bereich. Nachdem er das für sich geklärt hat, wird er wieder ruhiger, doch bevor er seine Gedanken über Hawks weiter ausführen kann, wuselt dieser mit zwei Tellern beladen zurück ins Wohnzimmer. „Da bin ich wieder~! So, guten Appetit, ich hoffe, es schmeckt dir!“ Zugegeben, nun, wo das Rührei so vor ihm liegt, spürt er einen immensen Hunger und wie auf Kommando knurrt sein misshandelter Magen. „Da hat wohl wer Hunger! Hau rein!“ Ohne auf Hawks einzugehen, greift er nach den Stäbchen, wünscht ihm einen guten Appetit und probiert. Es ist nicht die Art Ei, die er gewöhnt ist, nicht auf die japanische Art zubereitet, doch es schmeckt. Sogar verdammt gut und er genießt jeden Happen davon, weil sein Körper dringend Nährstoffe braucht. „Und?“, hakt Hawks nach. „Lecker, oder? Ist fettiger als Tamagoyaki, aber gerade deshalb ist es das Richtige, wenn man einen über den Durst getrunken hat!“ Enji fällt auf, dass der andere seine Portion bereits aufgefuttert hat, und er fragt sich nicht zum ersten Mal, wo der Kerl das ganze Essen hinsteckt. Eigentlich fragt er sich vieles bei Hawks, wieso dieser zum Beispiel auf Geflügel basierende Speisen bevorzugt. Selbst das Rührei stammt von Vögeln. „Schmeckt“, gibt er knapp zurück und nimmt einen weiteren Happen zu sich. Hawks schnaubt empört. „Etwas mehr Begeisterung! Ich stehe nicht für jeden in der Küche, klar? Fühl dich geehrt!“ „Ah“, macht Enji trocken und ohne ihn anzusehen. „Also schmeißt du deine Bekanntschaften ohne Frühstück raus.“ Er weiß selbst nicht, warum er das so angefressen sagt. Vielleicht, weil ihn Hawks‘ hemmungsloses Flirten in der Öffentlichkeit verärgert. Er ist mit allem so schamlos und das gehört sich einfach nicht. Außerdem verstummt der sonst so vorlaute Hero für einen kurzen Moment tatsächlich und das reicht Enji als Grund aus. „Bekanntschaften?“, wiederholt er irritiert, was Enji mit den breiten Schultern zucken lässt. „Deine Fans, was weiß ich…die, mit denen du ständig flirtest.“ „Oh…das meinst du“, kommt es sehr langsam von dem Jüngeren, dann grinst er wieder übers ganze Gesicht. „Wusste gar nicht, dass du mich so genau beobachtest…muss ich mir Gedanken machen? Oder mich geschmeichelt fühlen? Aww, ja, ich denke, ich fühle mich geschmeichelt~“ „Schwachsinn!“, blafft er den Blonden an. „Du machst es halt nicht sehr subtil! Das ist alles!“ Normalerweise kuschen die Leute vor ihm, wenn er laut wird, die Muskeln anspannt – All Might einmal ausgenommen. Es ist nicht so, dass er jedes Mal handgreiflich wird oder werden will, das ist seine Art. Er ist es gewöhnt, Stärke zu zeigen und das in jeder Situation – was seinen Aufenthalt bei Hawks umso peinlicher macht. Nun…Hawks ist in jeder Hinsicht anders als die Menschen, mit denen er sonst zu tun hat, denn er weicht nicht mal im Ansatz zurück. Stattdessen wird sein Grinsen noch breiter, sodass er die gleichmäßigen Zähne sehen kann und die bernsteinfarbenen Augen funkeln ihn an. „Schon gut, schon gut~“, summt er heiter und lehnt sich neben ihm entspannt auf der Couch zurück. Ein paar der äußeren, scharlachroten Feder streifen seinen Arm, da ihm die Decke beim Essen vom Oberkörper gerutscht ist. Sie fühlen sich widerstandsfähig an, nicht so weich wie die, die er im Bett gefunden hat und…er stutzt. „Hawks…“ „Ja?“ Ein unschuldiges Lächeln begegnet ihm, auch wenn der Mann dahinter dies nicht mal im Entferntesten ist. „Wieso bin ich ohne Kleidung wachgeworden…und wo…hast du geschlafen?“ Das Lächeln wankt nicht mal eine Sekunde, beinahe wirkt es, als hätte der Blonde auf diese Frage gewartet. „Mh~“, macht er dennoch gespielt nachdenklich. „Lass mich mal überlegen…ah ja, zum Ersten, ich hab dich ausgezogen. Dachte, es kommt nicht gut, wenn du auf deine Klamotten kotzt und damit sie wieder frisch sind, hab ich sie für dich gewaschen und aufgehängt, während du duschen warst. Nett von mir, nicht wahr? Brauchst dich nicht bedanken, immerhin sind wir ja ein Team, haha! Oh und was mich angeht…natürlich neben dir. Du hast vielleicht ne Hitze ausgestrahlt…hat mich richtig ins Schwitzen gebracht. Vor allem, als du immer näher gekommen bist…dachte schon, du verbrennst mir die Federn. Aber war schön kuschlig, können wir gern mal wieder machen, so mit Übernachtung! Nur wäre es cool, wenn du dann wach wärst und dich dran erinnerst.“ Es fehlt nicht viel, damit Enji die Kinnlade herunterfällt, aber er nimmt sich zusammen, weitete jedoch die türkisfarbenen Augen. Was zur Hölle?! Allerdings sagt er sich, dass er gerade übertreibt, denn ja, er schätzt seine Privatsphäre, aber sie sind beide Männer. Da gibt es nichts zu schämen und vielleicht…wollte Hawks wirklich bloß…nett sein. Dann haben sie eben nebeneinander geschlafen und mit Sicherheit hat er sich nicht an den Jüngeren gekuschelt. Sowas tut er nicht. Nicht mal im Schlaf…oder? „Schau nicht so entgeistert“, meint Hawks und winkt ab. „Ist doch nichts dabei? Mir hat’s gefallen! Oh und zu deiner Frage…ich nehme nie jemanden mit nach Hause, also gibt’s auch kein Frühstück. Folglich bist du gleich zweimal was ganz Besonderes, Endeavor-san…“ Diesmal ist sich Enji sicher, dass Hawks mit ihm flirtet, so wie er ihm zuzwinkert und grinst. Zwar weiß er keinen Grund dafür, aber anders kann man das nicht deuten. Definitiv nicht und es…macht ihn sprachlos, weil er nicht damit umgehen kann. Um sich aus der Situation zu winden, wendet er sich mit finsterem Blick wieder seinem Rest Rührei zu, das mittlerweile kalt geworden ist. „Fühle mich geehrt“, brummt er sarkastisch. „Kannst du auch~“ „Hmpf…“ Da er unsicher ist, was er noch dazu sagen soll, lässt er stattdessen den Blick abermals durch den Raum schweifen. Jetzt, wo Hawks es sagt, fällt Enji auf, dass es keine Fotos gibt. Er nimmt also nie jemanden mit nach Hause? Bezieht sich das auf seine Affären oder auch auf potenzielle Freunde? Hat Hawks Freunde? Eigentlich kann Enji nicht glauben, dass jemand, der dermaßen polarisiert, keine Freunde hat…bei ihm selbst ist das nicht verwunderlich, schließlich gilt er als Einzelgänger. „Willst du mich gar nicht nach den Details fragen?“ Enji hält inne, als Hawks das Schweigen zwischen ihnen bricht, und als er aufsieht, bemerkt er, dass das Lächeln verschwunden ist. Er kann den Blick nicht ganz deuten…lauernd? „…nach den Details?“, wiederholt er stirnrunzelnd. „Du meinst, ob ich die Dinge aus meinem Leben, die du gar nicht wissen solltest, noch mal durchgehen will, um mich daran zu erinnern, was für ein miserabler Ehemann und Vater ich bin? Nein. Ich glaube nicht, dass ich das will.“ Hawks mustert ihn eine Weile still, was ungewöhnlich ist. Normalerweise hält er keine fünf Sekunden den Schnabel, doch wenn Enji ihm wirklich von seinen Taten erzählt hat… „Wenn ich ehrlich bin, wundert es mich, dass du mich überhaupt hierhergeschleppt hast“, fährt er ernst fort. „Was ich getan habe, ist nicht zu entschuldigen.“ Der Flame Hero weiß selbst nicht, wann sein Sinneswandel begonnen hat – vielleicht hat es mit Midoriya Izuku begonnen. Seitdem Shouto dem Jungen begegnet ist, hat er sich verändert…und Enji ebenso. Er hat einen winzigen Zugang zu seinem Sohn gefunden, wenn es auch noch lange keine Beziehung ist. Shouto benutzt ihn, um an Stärke zu gewinnen, wendet sich an ihn, wenn es seiner Zukunft dient…und es ist geradezu zynisch, denn dies hat Enji immer gewollt. Er will es jetzt noch, doch er will ebenso Teil des Lebens seiner Kinder werden. Er wünscht sich, dass Rei gesund wird und sie irgendwie miteinander umgehen können. Ihre Ehe ist nicht zu retten, das ist ihm klar, dafür ist zu viel passiert. Er hat Dinge getan, die unverzeihlich sind…und falls sie jemals nach Hause kommt, wird er ausziehen müssen. Er kann ihr nicht zumuten, mit ihm im selben Haus zu leben, nachdem er ihr Gewalt angetan hat. Sowohl psychisch als auch physisch. Fuyumi kann sie unterstützen, für ihre Brüder sorgen, denn das tut sie bereits und macht es besser, als er es je könnte. Sie ist die Einzige, die sich um eine Beziehung zu ihm bemüht…obwohl es ihr schwerfällt. Natsuo lehnt ihn vollkommen ab, Shouto redet das Nötigste mit ihm und Touya…Touya hat er vermutlich endgültig verloren. Was er betreibt, ist Schadensbegrenzung. „Weißt du, warum ich nie ein großer Fan von All Might war?“ Es ist eine seltsame Frage, die er zuerst nicht versteht; dass Hawks ein Endeavor-Fan ist, weiß er bereits. Er kann nur nicht nachvollziehen, was dies nun mit ihrem Thema zu tun hat. Sein Groll auf All Might ist schwächer geworden, auch wenn er diesen Kerl nie wird leiden können. Da er bloß die Stirn in Falten zieht, aber nichts sagt, spricht Hawks weiter. „Er schien immer so perfekt zu sein. Das Symbol des Friedens. Unbesiegbar. Der geborene Held. Das haben sie über ihn gesagt.“ Der Winged Hero sieht ihn nicht an, hat den Blick an die Decke geheftet, die Arme hinterm Kopf verschränkt. „Die Sache ist die…kein Mensch ist perfekt oder hat bloß gute Seiten. Dieses Bild zu vermitteln, ist…falsch. Manche Menschen tun schlimme Dinge und haben dabei Gutes im Sinn. Ein höheres Ziel…und wer bin ich, dich dafür zu verurteilen, aus deinen Kindern das Beste rausholen zu wollen. Einen Helden zu erschaffen, der All Might übertreffen kann, nachdem du es dein ganzes Leben lang versucht und nie aufgegeben hast.“ Enji blickt ihn an, hat keine Worte für das, was der andere soeben gesagt hat. Er fragt sich, ob das sein Ernst ist, weil er selbst sich dies jahrelang eingeredet hat. Der Zweck heiligt die Mittel. Heute denkt Enji anders darüber und er will nicht, dass Hawks sein Gewissen beruhigt. Das hat er nicht verdient. „Du weißt nicht, wovon du redest.“ Hawks löst seinen Blick von der Decke, lenkt ihn langsam in seine Richtung und wartet. Da liegt ein Ausdruck in seinen bernsteinfarbenen Augen, der Enji neu ist…und der ihm missfällt. „Diese Einstellung hat meine Familie zerstört…und ich brauche niemanden, der mir einreden will, es sei in Ordnung. Das war es nicht. Es war mein Ehrgeiz…mein Egoismus, der mich getrieben hat. Ich hätte meinen Sohn auch stark machen können, ohne ihn wie ein Werkzeug zu behandeln…meine Ignoranz und mein Hass auf All Might…haben mich blind für alles andere gemacht.“ Dass er solche privaten Themen mit jemandem wie Hawks bespricht, ist seltsam. Es geht den Jüngeren nicht das Geringste an und dennoch kann er das nicht so stehen lassen. Er will keine Absolution…schon gar nicht von diesem Grünschnabel. Auch wenn ihm etwas in Hawks‘ Blick den Eindruck vermittelt, dass dieser mehr begreift, als er einem durch sein heiteres Wesen vermuten lässt. Als hätte er seine Gedanken gelesen, breitet sich das vertraute Grinsen auf seinen Zügen aus. „Wow…du hast dich wirklich verändert, huh? Da sag mal einer, dass alte Männer nicht dazulernen! Ich bin beeindruckt!“ Durch seine Flügel richtet sich Hawks wieder in eine sitzende Position auf, die dunkle Stimmung von eben scheint wie weggeblasen. Enji überlegt gar nicht, Hawks darauf anzusprechen…etwas sagt ihm, dass er keine Antwort darauf bekommen wird. „Hey, ich find’s gut! Das war bloß meine Meinung und ich will gar nicht, dass du dich davon beeinflussen lässt. Ich meine, Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung oder wie heißt es?“ Enji nickt nach wenigen Sekunden, will das Thema lieber beenden. Eigentlich wollte er nie darauf eingehen, aber Hawks kann ein Plagegeist sein. Doch so sehr er ihn oftmals erzürnt, fühlt sich Enji in seiner Nähe nicht eingeengt. Diese Nacht ist eine Geschichte für sich, die er nicht dazu zählt. Was er meint, ist die Art, wie Hawks auf seinen Charakter, der die meisten einschüchtert, reagiert. Ob er ihn anbrüllt, seine Flammen lodern lässt…oder ihn scharf zurechtweist, der Winged Hero wirkt nie verängstigt. Und trotzdem Enji es verdient, verurteilt zu werden…ist es zur Abwechslung mal angenehm, mit jemandem ungezwungen umzugehen. Sich nicht verstellen oder zusammenreißen zu müssen, denn das ist in seinem sonstigen Umfeld notwendig. Er muss behutsam mit seiner Familie umgehen, ihnen beweisen, dass er sich ändern kann und will, um das zu flicken, was er angerichtet hat. Er muss in den Medien zeigen, dass er es verdient, die Nummer eins zu sein, obwohl All Mights Fußstapfen so gewaltig sind, dass er das Gefühl hat, sie nie ausfüllen zu können. Auf ihm liegt ein Druck, den er nicht abstreifen kann. Warum also ist es mit Hawks so einfach? „Hey Number One“, reißt ihn der Jüngere aus seinen Gedanken. „Was hältst du davon, wenn ich dir einen Tee mache und du solange, wie deine Klamotten trocknen, hierbleibst? Mich störts nicht, ehrlich nicht…und dann kannst du mir auch sagen, bei was du meine Hilfe brauchst! Das ist gestern ja irgendwie untergegangen, nicht wahr?“ Anscheinend ist das Hawks‘ Ernst, so fröhlich, wie er ihn anstrahlt. Enji weiß im ersten Moment nicht darauf zu reagieren, aber der Vorwand mit seiner Kleidung ist eigentlich hinfällig. Ist es ein Vorwand? Er muss daran denken, dass Hawks ihn in der Nacht ausgezogen hat. Bei dem Gedanken wird ihm irgendwie anders und er verdrängt ihn rasch, räuspert sich. „Nicht nötig“, grummelt er. „Ich kann das Feuer so regulieren, dass die Kleidung schneller trocknet.“ Hawks zieht eine Schnute, die deutlich macht, dass er nicht will, dass er geht…und Enji fragt sich unweigerlich, ob der Winged Hero…einsam ist. Kaum zu glauben, wenn man diesen in der Öffentlichkeit erlebt. Nein, er bildet sich dies sicher ein und außerdem ist es nicht sein Problem. Andererseits hat Hawks ihn aus einer Situation gerettet, die ihm vielleicht zum Verhängnis geworden wäre. Wenn die Medien Wind davon bekommen hätten, dass Endeavor von seinen zerrütteten Familienverhältnissen plaudert…ihm wird schon bei der Vorstellung dieses Szenarios schlecht. „Na schön~“, flötet Hawks scheinbar unbehelligt und lächelt ihn an. „Dann sag mal, was du zu sagen hast – bin ganz Ohr!“ Synchron zu seinen Worten lässt er sich auf der Couch nach hinten fallen, die scharlachroten Schwingen links und rechts von sich gespreizt. Wieder berühren die Federn Enjis Haut, lassen ihn schaudern. Kurz hadert er mit sich, dann seufzt er innerlich; diese Entscheidung wird er definitiv noch bereuen. „Wenn ich’s mir recht überlege, können wir das später besprechen“, brummt er und weicht Hawks‘ Blick aus. „Mir geht’s immer noch beschissen…ich werde also noch eine Weile bleibe.“ Trotzdem er lieber angezogen wäre, anstatt nur in Handtuch und Decke gehüllt. Er sollte das mit dem Kleidung trocknen schnell umsetzen. Hawks blinzelt ihn zuerst verdutzt an, ehe er übers ganze Gesicht zu grinsen beginnt. „Kein Problem! Bleib, solange du willst! Wir können uns einen Film reinziehen, na? Was sagst du?“, plappert er los und schaltet den Fernseher direkt ein. Es sollte Enji wirklich nicht wundern, dass der Jüngere so aufgedreht ist, schließlich ist er das die meiste Zeit. Laut und frech, er bringt ihn jedes Mal zur Weißglut – im wahrsten Sinne des Wortes. Enji schnaubt leise, ehe er die Decke wieder um seinen Körper wickelt und sich eins der Kissen schnappt – wenigstens kein Endeavor-Kissen. „Willst du Tee?“ „Später.“ Eigentlich will er bloß zur Ruhe kommen und warum soll er dafür auf sein Hotelzimmer gehen? Hawks hat sich um ihn gekümmert, er verurteilt ihn nicht…und er will, dass Enji bleibt. Tut er ihm eben den Gefallen. Damit bricht er sich keinen Zacken aus der Krone. „Okay~“ Der Winged Hero schnappt sich ebenfalls eine der Decken und rollt sich in dieser zusammen, ehe er die Kissen so platziert, dass er bequem liegen kann. Wie in einem Nest. Es ist gut, dass Hawks so klein ist, sieht man mal von seinen Schwingen ab, die er mittlerweile zusammengefaltet hat. Sie beide passen gerade so auf die Couch, nur ihre Beine berühren sich leicht und da sich Hawks nicht beschwert, belässt Enji es dabei. Sie haben in einem Bett geschlafen…dagegen ist das hier erträglich. Hawks hat irgendeinen Actionfilm eingeschaltet und ausnahmsweise ist er ganz ruhig, schaut still zur Mattscheibe. Enji versucht, sich daran zu erinnern, wann er das letzte Mal mit jemandem entspannt auf der Couch gelegen und einen Film geschaut hat. Es gab immer nur die Arbeit und das Training für ihn…auch seinen Kindern hat er nichts gegönnt. Vor allem Shouto nicht. Seinem Meisterwerk. Bitterkeit kommt in ihm auf und er sieht dem Film zu, ohne wirklich zu realisieren, was dort passiert. Er zuckt zusammen, als Hawks ihn ohne Vorwarnung etwas gröber mit dem Fuß anstößt. „Ups, sorry! Bin kurz eingedöst, haha…“ Ob er ihm das glauben soll? Dafür wirkt er ihm viel zu energiegeladen, doch er schnaubt bloß. Da fällt ihm ein, er hat Hawks noch nicht gesagt, weshalb er ihn aufgesucht hat. Vielleicht sollte er das tun. Er ist beruflich hier, nicht zum Vergnügen. Alte Gewohnheiten sind schwer abzulegen. „…Best Jeanist wird vermisst.“ Bei der Nachricht schaut Hawks irritiert auf und Enji bemerkt, dass seine blonden Haare etwas zerzauster als sonst wirken. Hat er sich so sehr in seinen Kissen vergraben? Wie ein in Mitleidenschaft gezogener Vogel. „Ja, ich hab’s mitbekommen“, murmelt der Jüngere und gähnt verhalten. „Das ist es, wobei du Hilfe brauchst? Ich meine…sicher, dass er nicht irgendwo heimlich Urlaub macht? Vielleicht braucht er nach der ganzen Geschichte in Kamino einfach mal ne Auszeit? Die Medien kleben ihm ziemlich an den Hacken…“ Enji muss zugeben, dass auch er schon an so etwas gedacht hat, und dass er es zu Anfang ebenfalls für überstürzt gehalten hat, so einen Aufruhr zu veranstalten. „Das wurde bereits bedacht, vor allem da es keine Hinweise auf einen Kampf gab. Dennoch sind wir Pro-Heroes angehalten, nach ihm zu suchen. Davon abgesehen, dass Best Jeanist angeblich nie gegangen wäre, ohne seinen Sidekicks Bescheid zu geben.“ „Hm…ja, okay. Das ist etwas merkwürdig...also von mir aus helfe ich dir dabei, ihn zu suchen. Auch wenn ich denke, dass das eher Aufgabe der Polizei ist“, erwidert Hawks mäßig motiviert. „Es ist eine zusätzliche Maßnahme, da die Polizei bislang keine Spur hat“, klärt Enji ihn auf und Hawks nickt verstehend. „Schon klar…wie gesagt, bin dabei, Großer. Ich meine, unser Team hat letztes Mal super funktioniert, oder?“ Das ist nicht zu leugnen, wenn man bedenkt, dass er ohne Hawks Unterstützung möglicherweise tot wäre. Ihre Fähigkeiten ergänzen sich besser, als man meinen könnte. Enji versucht sich an einem schiefen Lächeln – und er lächelt wirklich nicht oft. „Ja…hoffen wir, dass er wirklich nur untergetaucht ist und es keine große Sache ist. Ich brauche so schnell keine zweite Nahtoderfahrung.“ Es ist Galgenhumor, aber Hawks muss darüber schmunzeln. „Keine Sorge. Falls doch, bin ich rechtzeitig zur Stelle“, verspricht er grinsend und streckt ihm den Daumen entgegen. Seltsamerweise glaubt Enji ihm und das ist der Grund, weswegen er ohne Zögern antwortet. „Ich weiß.“ Hawks ist ein alberner Vogel, der nie weiß, wann er seinen Schnabel zu halten hat, doch im Kampf ein verlässlicher Verbündeter. Er ist stärker, als er aussieht…und trotzdem Enji ihm oftmals den Hals umdrehen will, mag er ihn. Auf eine verquere Art und Weise, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Hawks scheint von der raschen Zustimmung überrumpelt, denn er starrt ihn verdutzt an...und sie sehen sich länger in die Augen, als es normal wäre. Da Enji selbst merkt, dass es langsam komisch wird, legt er sich wieder hin, grummelt vor sich hin. „Gut. Dann hätten wir das ja geklärt.“ Es dauert nur zwei Sekunden, bis Hawks aus seiner Starre erwacht, und schon schallt sein Lachen zu Enji herüber, woraufhin er leise knurrt. „Aww, bist du nun verlegen? Also wirklich, Endeavor-san, dabei war es gerade so herzerwärmend! Wer hätte gedacht, dass du so goldig sein kannst, haha~“ „Schnauze! Guck den Film!“ „Ich hab dich auch gern~“ Enji knirscht mit den Zähnen, enthält sich eines weiteren Kommentars jedoch. Das würde nur dazu führen, dass Hawks ihn noch mehr aufzieht. Während er auf Hawks‘ Couch, in Hawks‘ unmittelbarer Nähe liegt, redet er sich zwanghaft ein, dass sein Herzrasen von der Wut über das unverschämte Benehmen des anderen herrührt. Es gibt keinen plausibleren Grund dafür. Punkt. Seine türkisfarbenen Augen haften an der Mattscheibe, versuchen, dem Film zu folgen. Er ist so konzentriert darauf, sich abzulenken, dass ihm dabei der dunkle Schatten entgeht, der über Hawks’ scheinbar so fröhliche Miene huscht. Und das ist auch besser so. Kapitel 2: Cherry Red --------------------- Blitzende Lichter in der Dunkelheit, die eigentlich gar nichts bringen, weil man die Leute trotzdem nur schwer erkennen kann. Der Bass, der aus den Boxen dröhnt, während die Musik unablässig läuft, wird später einen unangenehmen Tinnitus in seinen Ohren verursachen. Schon jetzt hat er das Gefühl, taub zu werden, und er kann nicht verstehen, wieso sich die tanzenden, jungen Leute dies freiwillig antun. Er selbst will gar nicht hier sein, an diesem Ort, an dem er sich so deplatziert wie nur möglich fühlt – zumal er gar nicht wissen will, was passiert, wenn die Medien spitz kriegen, dass er hier ist. Ein verheirateter Familienvater, der noch dazu die aktuelle Nummer eins des Landes ist…und sich in einem zwielichtigen Nachtclub voller hormongesteuerter Menschen, die seine Kinder sein könnten, aufhält. Und dann ist da noch der Grund für seine Anwesenheit, der über die Tanzfläche wirbelt, als würde ihm diese gehören. Er bewegt sich dabei so selbstbewusst und vor allem lasziv, dass Enji ihn am Kragen packen und aus dem Club schleifen will. Wie kann ein Mann so einen Hüftschwung haben?! Und es schaffen, dabei niemanden mit den riesigen, roten Schwingen umzuwerfen? Natürlich wird Hawks erkannt…die Leute werden von ihm angezogen, wie die Motte vom Licht. Nicht nur eine der knapp bekleideten Damen versucht, mit ihm zu tanzen – manch eine schafft es sogar, bekommt kurz ein wenig Aufmerksamkeit, bis sich der Blondschopf mit einem Lächeln abwendet. Zu Enjis Missfallen sind es jedoch nicht bloß Frauen, die sich dem Winged Hero nähern. Er muss sich jedes Mal beherrschen, wenn irgend so ein betrunkener Idiot versucht, Hawks anzutanzen…oder anzufassen. Mit finsterem Blick packt er sein Glas, gefüllt mit irgendeinem Whiskey, fester und nimmt einen Schluck, wobei er den anderen nicht aus den Augen lässt. Enji fragt sich, ob Hawks es genießt, von solchen überschminkten Weibern und halbstarken Typen belästigt zu werden. Zumindest scheint er nicht einmal genervt oder verärgert zu sein, sondern grinst sein unbekümmertes Grinsen und ist selbst, wenn er sich abwendet, nie unhöflich. Enji ist von deutlich weniger genervt, denn er hat nach wie vor eine kurze Geduldsspanne. Es zeigt ihm einmal mehr, wie unterschiedlich Hawks und er sind. Missgelaunt stellt Enji für sich fest, dass er immer noch nicht weiß, warum ihn die Nummer zwei hier treffen wollte. “Entspann dich erstmal, ich bestell dir’ n Drink!“, hat Hawks gesagt und es auch getan. Sie haben nicht viel gesprochen, da angeblich Hawks‘ Song gespielt wurde und dieser zur Tanzfläche gewuselt war. Nun, das ist jetzt schon der fünfte Song. Enji ist gereizt…und kurz davor, einfach zu verschwinden. Da sich Hawks ja offensichtlich in bester Gesellschaft befindet, wird er ihn sicher nicht vermissen. Als hätte der Jüngere seine Gedanken gehört, fährt er plötzlich herum und lehnt in Sekundenschnelle neben ihm am Tresen, atmet pfeifend durch. „Hach…das hat gutgetan!“, verkündet er breit grinsend und fährt sich durchs Haar, um die blonden Strähnen zurückzukämmen. „Hoffe, ich hab dich nicht zu lange warten lassen, Großer?“ Enji wirft ihm einen schlecht gelaunten Blick zu, der genug aussagen sollte, ehe er die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt. „Oh oh…ich hab dich zu lang warten lassen, richtig? Tut mir Leid, ehrlich! Ist wohl mit mir durchgegangen…ich liebe es zu tanzen! Tanzt du eigentlich?“ Es klingt nicht danach, als würde es ihm leidtun, eher nach einer halbherzigen Entschuldigung, doch Enji legt ohnehin keinen Wert darauf. Ebenso wie er die Frage ignoriert, denn nein, er tanzt nicht. Hat er nie. „Anstatt mich mit Unsinn voll zu schwatzen, sag mir lieber, wozu ich hier bin“, raunzt er den anderen an, dessen Grinsen nicht wankt. „Direkt zur Sache kommen, was? Dabei wollte ich dir gerade sagen, wie gut du heute aussiehst…schickes Hemd~“ Enji weiß nicht, wie er mit der Schmeichelei umgehen soll. Eigentlich sollte er solche Sprüche von Hawks gewöhnt sein und nichts darauf geben. Sicherlich macht sich der Winged Hero einen Spaß daraus, ihn damit zu verwirren…und er will ihm nicht in die Hände spielen. Da Hawks ihm gesagt hat, dass er in zivil kommen soll, trägt er eine dunkelgraue Anzughose und ein weißes Hemd. Trotzdem er keine Krawatte umgebunden hat, fühlt er sich overdressed. Die meisten Männer, sofern man sie als solche bezeichnen kann, tragen Shirts und Hosen, die ihnen halb in den Kniekehlen hängen. „Hawks…“, knurrt er mit warnendem Unterton, was den Jüngeren schwer seufzen lässt. Im Gegensatz zu dem, was die meisten Typen hier tragen, scheint Hawks ausgewaschene Jeans fast schon zu eng und sein schwarzes Muskelshirt zu locker zu sitzen; Enji trägt so etwas ausschließlich, wenn er trainiert. Kurz bleibt sein Blick an der silbernen Kette, sowie den zahlreichen Armbändern und Ringen hängen, ehe er sich daran erinnert, dass es sich nicht gehört, jemanden so anzustarren. Selbst, wenn dieser jemand ein unverschämter Vogel ist. „Hier kann ich nicht darüber reden“, meint Hawks ernster. „Mein Vorschlag…lass uns den Abend noch etwas genießen und ich erzähle es dir später?“ Das ist nicht sein Ernst. Warum treffen sie sich dann überhaupt hier? Abermals ist Enji kurz davor, einfach rauszustürmen – und am besten zündet er Hawks‘ Federn vorher an. Dieser lächelt unter seinem zornigen Ausdruck, scheint sich kein Stück davon beeindrucken zu lassen. Das ist typisch für den Vogel. „Wir gehen. Jetzt!“, grollt er über den Bass hinweg. „Nun gib dem Club doch ne Chance? Du bist ja nicht mal eine halbe Stunde hier!“, widerspricht Hawks und Enji kann nicht glauben, dass er die Nerven besitzt, mit ihm zu diskutieren. „Nein!“, ist seine eindeutige Antwort, doch Hawks hört ihm gar nicht zu. Stattdessen dreht er sich zum Barkeeper um und ordert für sie beide etwas zu trinken…und ja, Enjis Glas ist mittlerweile leer, doch er will keinen neuen Drink. Er will gefälligst wissen, was hier Sache ist und nicht hingehalten werden. „Hawks-“ „Kampai!“, fällt ihm Hawks dreist ins Wort und drückt ihm einfach einen Drink in die Hand. Schon wieder Whiskey. Enji erinnert sich noch viel zu gut an seinen letzten Hangover und er möchte ungern ein zweites Mal halbnackt in Hawks Bett wach werden. Aus diesem Grund knallt er sein Glas auf den Tisch, die türkisfarbenen Augen zu schmalen Schlitzen verengt – und die Luft beginnt zu flirren. Hawks scheint es zu bemerken, denn er stutzt merklich, blinzelte ihn an. „Oh…du bist echt sauer?“ „Natürlich bin ich sauer!“, pflaumt er ihn an. Hawks legt den Kopf schief, was ihn noch mehr an einen Vogel erinnern lässt, die buschigen Brauen wandern ein Stück höher. Kann er wirklich nicht nachvollziehen, dass sich Enji unwohl fühlt? Unwohl und verarscht. „Ich dachte, es handelt sich um einen Notfall…was Berufliches“, knurrt er ihn an. „Ich bin nicht hergekommen, um dir dabei zuzusehen, wie du…wie du…“ Klasse. Nun hat er nicht mal Worte für das, was Hawks hier treibt. „…wie ich mich amüsiere?“, hilft dieser nach und Enji will ihm ins Gesicht boxen. „Wenn das für dich amüsieren ist…“, meint er nur und weicht den bernsteinfarbenen Augen aus. Je nach Lichteinfall wirken sie heller oder dunkler. Manchmal ein leuchtendes Bernstein, dann eher ein warmes Braun…und Enji weiß nicht, warum ihm das überhaupt bewusst ist. Er hatte einen harten Tag, er ist müde und will nach Hause. Wobei…eigentlich will er nicht mal das. Ohne Hawks‘ Nachricht würde er immer noch in seiner Agentur sitzen und den Papierkram erledigen – und vielleicht irgendwann über den Unterlagen einschlafen. Nicht besonders komfortabel, aber manchmal ist ihm das lieber, als zuhause zu sein. Vor allem wenn Natsuo da ist. „Wie amüsierst du dich denn, hm?“ Er blickt auf, als ihn Hawks aus seinen düsteren Gedanken reißt und…er weiß nicht, was er antworten soll. Amüsieren? Wenn er ehrlich ist, weiß er nicht, wann er sich das letzte Mal Zeit für so etwas genommen hat. Der Jüngere braucht scheinbar keine Antwort, denn er drückt ihm wieder den Drink in die Hand, wobei die Finger seine Haut streifen. Hawks‘ Hände sind viel kleiner als seine Pranken und sie fühlen sich ganz weich an. Sicher, schließlich kämpft Hawks hauptsächlich mit seinen Federn. „Dachte ich mir“, hört er ihn sagen. „Vielleicht glaubst du’s mir nicht, aber mir geht’s oft genauso. Ich sag ja…in einer perfekten Welt hätten wir so viel Freizeit, dass wir gar nicht mehr wohin damit wüssten…“ Er stößt mit ihm an und nimmt einen Schluck von seinem eigenen, kirschroten Drink, den Enji nicht zuordnen kann. „Du lenkst ab“, stellt er trocken fest, nippt aber an seinem Whiskey. „Es gibt keinen Notfall, oder?“ Hawks zwinkert ihm zu, leckt sich die feuchten Lippen und zuckt dann mit den Schultern. „Ist es kein Notfall, wenn sich zwei Pro Heroes mal dringend eine kleine Auszeit gönnen müssen~?“ „Ich brauche keine Auszeit…und schon gar nicht in so einer Absteige!“ „So? Kein Problem…sag mir, wo du lieber wärst und ich folge dir~“, flötet der Winged Hero unbekümmert. „Vielleicht wäre ich lieber allein“, gibt Enji angefressen zurück und nimmt noch einen Schluck Whiskey zu sich. „…wie’s aussieht, bist du hier in bester Gesellschaft, also brauchst du mich ja wohl nicht.“ Er bereut bereits, es gesagt zu haben, bevor Hawks sich dazu äußert. Der überraschte Blick macht ihm direkt deutlich, dass es genauso klingt, wie Enji befürchtet: eifersüchtig. Und das ist so unpassend und falsch, wie die ständigen, zweideutigen Sprüche, mit denen Hawks ihn aufzieht. „Weißt du, Number One, ich-“ „Danke für den Drink“, unterbricht er ihn, bevor es noch unangenehmer werden kann. „Melde dich nicht mehr grundlos. Irgendwann nimmt man dich nicht mehr ernst.“ Und mit diesen Worten stellt er sein halbleeres Glas auf den Tresen und lässt Hawks einfach stehen. Eigentlich hat er fest damit gerechnet, dass ihn der Winged Hero aufzuhalten versucht. Notfalls mit seinen Federn, doch als er am Ausgang einen flüchtigen Blick zu diesem wirft, steht dieser immer noch dort. Enji kann seinen Ausdruck nicht deuten und er macht sich auch nicht die Mühe, dem mehr Bedeutung beizumessen. Als er endlich draußen ist, schlägt ihm die kühle Nachtluft entgegen und er genießt sie für einen Moment. Kalt ist ihm sowieso nie, schließlich brennt ein Feuer in ihm, das alles zu verschlingen vermag, wenn er sich nicht kontrolliert. Tief atmet er durch, hört das leise Piepen in seinen Ohren, was der lauten Musik zuzuschreiben ist. Er weiß schon, warum er solche Clubs in der Regel meidet. Seinen Wagen hat er ein paar Meter weiter in einer Seitenstraße geparkt – und seinem Chauffeur freigegeben. Er fährt selten, was aber hauptsächlich daran liegt, dass er meist seinen Quirk als Fortbewegungsmittel nutzt. Hawks ist einer der wenigen, die ihn in Punkto Schnelligkeit schlagen können. „Und ich dachte, jemand wie du würde einen richtig krassen Schlitten fahren.“ Enji sollte es eigentlich nicht wundern, dennoch gefriert er an Ort und Stelle, die Finger bereits nach der Autotür ausgestreckt. Es sollte ihm wohl zu denken geben, dass er Hawks nicht sofort bemerkt hat, doch da steht er. An die Wand gelehnt, die Arme verschränkt und den Kleinwagen neugierig musternd. „Eine Limo oder so einen überteuerten Ferrari…mit so coolen Flammen-Tattoos drauf! Das Endeavor-Mobil!“ Nein. Aus gegebenen Gründen wäre das Geldverschwendung und ja, er ist reich und kann sich leisten, was er will, doch wozu sich etwas anschaffen, das er im Endeffekt kaum benutzt? Endeavor-Mobil, huh? „Du schaust wohl zu viel Fernsehen, Junge…“, brummt er. „Der Wagen reicht. Ich habe kaum Freizeit, wie du weißt…und ich bin schneller als ein Ferrari.“ Wenn es Hawks vorhin irgendetwas ausgemacht hat, dass er ihn stehen gelassen hat, so versteckt er es gut, denn er grinst breit, als er sich von der Wand abstößt. „Aber nicht schneller als ich~“ Enji verengt die türkisfarbenen Augen, nicht wissend, was das jetzt wieder soll. Er mustert den Jüngeren und fragt sich, ob dieser in seinem dünnen Shirt nicht friert – das Ding hat nicht mal Ärmel. Wobei ihn seine Federn sicherlich wärmen könnten… „Ist das eine Herausforderung?“, fragt er, obwohl es besser wäre, einfach zu fahren. Hawks‘ Bernsteine leuchten bei seinen Worten auf, lässt Enji direkt bereuen. Er trägt seinen feuerfesten Anzug zwar drunter und den Rest seines Kostüms hat er im Kofferraum verstaut, doch warum sollte er sich ein kindisches Wettrennen mit der Nummer zwei liefern? „Jetzt schon“, bestätigt Hawks seine Befürchtung fest und spreizt die Flügel. „Also los, Number One…wer zuerst bei deiner Agentur ist…und der Gewinner darf sich was wünschen~“ Er fragt besser nicht nach, woher Hawks so genau weiß, wie man zu seiner Agentur kommt. Das Grinsen in dessen jugendlichem Gesicht lässt Enji Böses ahnen, doch wenn er jetzt kneift oder es als kindisch abtut, wird ihn der andere dies nie vergessen lassen. Folglich hat er keine andere Wahl, als seinen Kofferraum aufzuklappen. „Zieh das über.“ Er wirft Hawks sein Hemd ins Gesicht, woraufhin dieser erst verdutzt dreinsieht…und dann auflacht. „Du bist so ein Gentleman, Endeavor-san~!“ „Schnauze!“ Da ist sie wieder, die Hitze, die alles zu verschlingen droht. Enji bereut das hier schon jetzt… Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen, doch damit hat Enji von vornherein gerechnet. Seine Flammen können Hawks Geschwindigkeit bloß für einen kurzen Zeitraum übertreffen, während dieser sein Tempo konstant hält. Der Weg zu seiner Agentur ist kein Katzensprung, weswegen klar ist, dass der Jüngere im Vorteil ist. Enji muss seine Kräfte einteilen, darf auf dem Weg nicht stetig beschleunigen, sondern muss den Abstand immer wieder genügend verringern, um am Ende an ihm vorbeiziehen zu können. Es ist ein knapper Sieg für Hawks, als dieser nur wenige Sekunden vor ihm das Gebäude erreicht und es mit der Hand abklatscht. „Gewonnen~!“, tschilpt er freudig und überhaupt nicht außer Atem. Enji schnaubt nur, ehe seine Flammen erlöschen und er wieder Boden unter den Füßen spürt. Die letzten Meter hat er sich noch mal mit all seiner Kraft nach vorn katapultiert und sie wissen beide, dass nicht viel gefehlt hat, damit er dieses alberne Wettrennen…oder eher Wettfliegen gewinnt. „Glückwunsch…“, brummt er trocken und beobachtet, wie Hawks vor ihm landet. „Aww~ nun sei doch nicht so angefressen!“ „Tse…ich bin nicht angefressen. Es war ein knapper Sieg, von daher…“ „So knapp nun auch nicht~“, flötet der Vogel und zwinkert ihm zu. „So…gehen wir rein? Wo wir schon mal da sind? Ich war noch nie in der berühmten Endeavor-Agentur!“ „…es ist mitten in der Nacht.“ „Und? Hätte ich dir nicht geschrieben, würdest du doch immer noch hier hocken und arbeiten, oder?“ „…“ „Ha! Ich wusste es! Also los, lass uns reingehen! Komm schon, Großer~!“ Es missfällt Enji wirklich, vor allem da der verdammte Vogel auch noch Recht hat. Mit Sicherheit würde er noch in seinem Büro sitzen, wenn dieser ihn nicht unter einem falschen Vorwand weggelockt hätte. Er könnte trotzdem einfach nein sagen und Hawks stehen lassen. Es ist spät. Fuyumi wird bereits schlafen, Shouto ist in der UA, Natsuo…kommt selten heim. Zuhause erwartet ihn nichts…und niemand. Nur sein Bett und ein unruhiger Schlaf inklusive der Schuldgefühle, die ihn täglich plagen. Enji kehrt Hawks den Rücken, bedeutet ihm mit einer Handbewegung, ihm zu folgen. „Oh? Echt? Ich darf? Woohoo, ein Kindheitstraum wird wahr!“ Und schon bereut Enji erneut… Tatsächlich treffen sie nur auf zwei seiner Sidekicks, die jedoch andeuten, auch bald Feierabend machen zu wollen. Überrascht, ihn hier zu sehen, sind sie nicht…nur Hawks scheint sie zu irritieren, aber das kann Enji verstehen. Vor allem, da der Winged Hero eigentlich in Kyushu ansässig ist und nicht in Musutafu. Nun, da Hawks ihm seine Hilfe bezüglich des immer noch vermissten Best Jeanist zugesichert hat, treibt er sich öfter hier herum. Noch haben sie keine neuen Erkenntnisse, was Enji gewissermaßen wurmt. Er hat gehofft, dass Informationen der Grund für Hawks‘ Nachricht sein könnten. „Woah! Nicht schlecht, Number One! Das ist ja ein riesiges Büro…und so stilvoll eingerichtet~! Bisschen kahl vielleicht, aber an sich gefällt’s mir!“, reißt ihn Hawks‘ Gezwitscher aus den Gedanken. Enji hebt eine Braue, als sich der Jüngere mit Schwung auf die Couch an der Wand fallen lässt und sich weiter umsieht. Sein Büro ist tatsächlich kahl, da hat er Recht; Enji erträgt persönliche Gegenstände wie die Familienfotos nicht mehr. Für einen Moment beobachtet er den anderen still, hört dessen Geplapper kaum zu. Wie er dort sitzt, völlig ungeniert, die Flügel ausgestreckt und in seinem Hemd, das ihm viel zu groß ist. Hawks wird es wegschmeißen müssen, da er aufgrund der Flügel zwei Löcher hineingerissen hat. Sei es drum, Enji hat genügend Hemden, auf eines kommt es also nicht an. Er weiß immer noch nicht, warum er sich darauf eingelassen hat, sowohl auf das Wettfliegen, als auch das Betreten seiner Agentur. Hat er Hawks nicht loswerden wollen, nachdem dieser ihn so an der Nase herumgeführt hat? Plötzlich stellt sich Enji jedoch die Frage, warum Hawks dies getan hat. Vorhin war er so wütend, dass er überhaupt nicht genauer darüber nachgedacht hat. Unweigerlich erinnert er sich daran, wie sie beide in Hawks‘ Wohnung auf dessen Couch ferngeschaut hatten. Der Gedanke, dass Hawks vielleicht trotz seiner Beliebtheit manchmal ähnlich einsam wie er selbst ist, keimt erneut in ihm auf. Obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, haben sie dies möglicherweise gemeinsam. „…vielleicht hier und da noch ein hübsches Bild an der Wand…oh oder du platzierst Regale mit coolen Figuren! Vielleicht nicht unbedingt All Might Figuren, haha…“ Enji blinzelt, vernimmt gerade noch die Erwähnung seines einstigen Rivalen…und kann sich zusammenreimen, dass Hawks immer noch über die Einrichtung plaudert. Als ob ihn das interessiert… „Aber besser auch keine Figuren von dir, das wäre irgendwie ziemlich gruselig, also ich meine-“ „Hawks“, unterbricht er ihn genervt und das Plappermaul sieht auf. „…willst du was trinken?“ Enji sieht ihm an, dass er mit einem Rausschmiss gerechnet hat, denn er blickt ihm verdutzt entgegen. „Eh…klar…“ Die Antwort ist ja beinahe besorgniserregend kurzangebunden, was den Flame Hero schmunzeln lässt, als er sich umdreht und zum Schrank geht, um den Whiskey hervorzuholen. Er weiß nicht, ob Hawks Whiskey überhaupt mag, aber es ist nichts anderes da, erst recht kein süßes, kirschrotes Zeug, also muss er da durch. Wie lange die Flasche wohl schon ungeöffnet dort steht? Er hat selten Besuch, der nicht mit Arbeit verbunden ist. „Dachte, du willst nicht trinken?“, fragt Hawks, während er die Gläser auf dem Schreibtisch füllt. „Hab ich nicht gesagt.“ „Du hast den Drink stehen lassen.“ „Ja, weil ich mich nicht in so einem heruntergekommenen Club betrinke“, erwidert Enji schroff, woraufhin Hawks grinst. „Ich fand’s nett.“ „Das hat man gesehen“, brummt er und drückt Hawks eines der Gläser in die Hand, prostet ihm zu. Gleichzeitig wünscht er sich, er hätte es nicht gesagt. Schon wieder so ein Spruch, den der Jüngere falsch auslegen kann, um ihn aufzuziehen. Zu seiner Überraschung tut er es nicht, sondern mustert ihn regelrecht nachdenklich, bevor er an seinem Whiskey nippt. Trotzdem er keine Miene verzieht, ist Enji sicher, dass es ihm nicht schmeckt. „Das hat dich echt gewurmt, oder?“, murmelt Hawks und Enji nimmt einen großen Schluck, schon allein um seine Antwort heraus zu zögern. „Quatsch!“, knurrt er dann zurück. „Du kannst machen, was du willst…nur muss ich da nicht zuschauen. Das ist widerlich.“ Hawks schwenkt das Glas leicht, betrachtet die gelbe Flüssigkeit darin, wobei er immer noch ungewohnt ruhig wirkt. Kein dummer Spruch? Kein dreckiges Grinsen? Enji wappnet sich, indem er noch einen Schluck nimmt. „Was genau ist daran denn so widerlich für dich, hm?“, fragt Hawks mit einem Lächeln, das der Ältere als unheimlich empfindet. „…das weißt du genau.“ „Eigentlich nicht“, widerspricht Hawks ihm. „Ich meine…ich habe ein bisschen getanzt, ein bisschen geflirtet…wüsste nicht, was daran widerlich ist, aber du darfst es mir gern erklären.“ Warum unterhalten sie sich darüber? Ist das etwa seine Schuld? Enji hadert mit seinen Worten, wissend, dass er eigentlich nur das Falsche sagen kann. Schweigen ist jedoch nicht besser. „Das…du weißt, was ich meine“, grollt er defensiv, doch Hawks‘ Lächeln wankt nicht. „Tut mir leid. Du musst schon konkreter werden“, meint er und zuckt die Schultern, stellt dabei das Glas ab. „Nein. Vergiss es einfach…“ Natürlich vergisst Hawks es nicht. Stattdessen steht er langsam auf und verringert den Abstand zwischen ihnen. Sein Blick ist dabei scharf wie der eines Raubvogels, irgendwie lauernd…und es jagt Enji unangenehme Schauer über den Rücken. „Was ist es, das dich so gestört hat? Dass ich so gut bei den Leuten ankomme? Hey, ich bin nun mal attraktiv und ziemlich kommunikativ~! Das mögen die Menschen!“ Hawks lacht zwar, doch der seltsame Blick bleibt bestehen. Er steht ein bisschen zu nah vor ihm und Enji weiß nicht, was er davon halten soll. Attraktiv, ja? Das ist er zweifellos. Kommunikativ? Manchmal sogar viel zu sehr. „Es ist mir egal, was du-“ „Dann sag es!“, fährt Hawks ihm dreist über den Mund. „Sag, was dir egal ist. Komm schon, ich will es hören.“ Enjis Mund ist plötzlich staubtrocken und er weiß nicht, ob der Alkohol daran schuld ist, dass ihm wärmer wird…oder dass sein Herz in seinem Brustkorb rast. Hoffentlich ist dem so. Es gibt keine andere Erklärung. „Es…ist mir egal, mit wem du flirtest. Mit wem du tanzt…wenn dich einer dabei anfasst – und ich hab gesehen, wo sie hin gefasst haben! Sogar diese…Typen. Ich versteh zwar nicht, warum du dich so billig anbietest, aber…es geht mich nichts an. Ich…denke bloß, du solltest aufpassen…keine falschen Signale zu senden…nicht jeder meint es gut mit dir.“ Hawks unterbricht sein Stammeln nicht, sondern fixiert ihn aus seinen Bernsteinen. Mittlerweile lächelt er nicht mehr und das beunruhigt Enji gerade. Es wäre ihm lieber, dieser würde wieder einen seiner dummen Witze reißen und ihn aufziehen, doch der Ernst der Situation lässt ihn sich unbehaglich fühlen. „…wow!“, kommt es schließlich von Hawks. „Du hast mich eben gleichzeitig beleidigt und zugegeben, dass du dir Sorgen um mich machst.“ Hat er das? Offensichtlich schon. „Aber um dir diese Sorgen zu nehmen, Endeavor-san…ich bin ein großer Junge und ich kann auf mich aufpassen. Wenn ich mich also so billig anbiete, dann ist das pure Absicht. Ich provoziere bewusst…meistens für eine schnelle Nummer…und heute, um etwas herauszufinden.“ Enji weiß nicht, wie er darauf reagieren soll, geschweige denn, dass er dem anderen folgen kann. Das Glas in seiner Hand empfindet er mittlerweile als störend, doch er fühlt sich wie paralysiert. Irgendetwas an dieser Unterhaltung geht in die völlig falsche Richtung. „…und?“, brummt er tonlos. „Was hast du herausgefunden?“ Hawks‘ Lächeln ist nach wie vor gefährlich, als er noch näher kommt – und Enji fällt auf, wie viel kleiner er ist. Er reicht ihm gerade mal bis zur Brust, wirkt durch die roten Schwingen bloß optisch größer. Mit 22 Jahren wird er nicht mehr viel wachsen, aber vielleicht muss das so sein, damit ihn die Flügel tragen können? Warum er sich über solch einen Stuss Gedanken macht, weiß er nicht. Es lenkt ihn von Hawks‘ Nähe und seinem intensiven Blick ab, welcher sich in seinen bohrt. Obwohl er erwachsen ist, wirkt er jünger…da hilft auch der seltsam gestutzte Kinnbart nicht. „Das, was ich herausfinden wollte~“, summt der Winged Hero und bleckte grinsend die Zähne. „…“ Enji kann sich nicht bewegen, als sich der andere auf die Zehenspitzen stellt. Er ist immer noch zu klein, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein, doch zu nah ist es trotzdem. Viel zu nah. Er vernimmt Hawks‘ Parfüm, den Hauch von Moschus…und den schwachen Geruch von Kirsche. Vermutlich von dem schrecklichen Drink, der er im Club hatte. Er muss an seinen Lippen kleben, denn diese schimmern leicht im Licht. Ihm wird heiß und kalt, als er begreift, dass er Hawks die ganze Zeit anstarrt, obwohl seine Reaktion daraus bestehen sollte, ihn anzuknurren und Abstand zu suchen. Männer sollten sich nicht so anschauen, wie…Hawks ihn anschaut. Wie ein…Raubvogel. Will er wissen, wie er selbst den Jüngeren ansieht? Nein. „…was…wird das?“ Seine Stimme hat selten so dünn, so heiser geklungen, doch er fühlt sich in die Ecke gedrängt, trotzdem er größer und stärker ist. Obwohl Hawks einfach nur da steht und ihn ansieht, als würde er…ja…was würde er? Das Grinsen wird plötzlich so breit, dass es einfach nur noch unheimlich ist. Hawks beugt sich ein Stück vor, wird von seinen Flügeln gestützt…empor gehoben, sodass ihre Gesichter nur wenige Zentimeter trennen. Nun befinden sie sich auf Augenhöhe und der Geruch nach Kirsche wird stärker. Scheiße. Hawks soll verschwinden. Sofort. Das wird er ihm sagen. Jetzt. Besser spät als nie, denn das hier geht einfach nicht. Das bildet er sich nicht ein, oder? Selbst wenn es ein Scherz ist…was es sein muss. Offensichtlich muss es ein Scherz sein…oder? Alles andere wäre… „Also dann, Number One…ist spät geworden. Danke für den netten Abend~“, reißt ihn Hawks‘ heitere Stimme aus seinem inneren Dilemma. Enji ist sich sicher, dass man ihm ansieht, wie er sich fühlt…und damit kann er nicht umgehen. Er zeigt keine Schwäche, wenn er es vermeiden kann. Eigentlich beschränken sich hilflose Situationen auf seine Familienverhältnisse, doch anscheinend ist das nicht alles. Hawks zieht es scheinbar vor, nicht darauf einzugehen, denn seine Füße berühren wieder den Boden. Er hebt die Hand und grinst wieder so dümmlich wie sonst auch, ehe er ihm den Rücken kehrt und zum Balkon stiefelt. „Ich melde mich dann bei dir~! Schlaf gut~! Man sieht sich~! Danke für das Hemd! Ich werde es nie wieder ausziehen, haha~“ Hawks‘ Gesäusel und sein abrupter Abschied geben Enji keine Gelegenheit, darauf zu reagieren, denn er ist immer noch vollkommen aus dem Konzept gebracht. So kann er lediglich stumm dabei zusehen, wie der Winged Hero ihm frech über die Schulter zuzwinkert und dann mit kräftigen Flügelschlägen verschwindet. Einzelne Federn bleiben an der Schwelle der offen stehenden Balkontür liegen, während Enji an Ort und Stelle stehen bleibt. Dann…ganz langsam…hebt er das Glas an seine Lippen und kippt den restlichen Whiskey herunter. Leider kann auch der Alkohol nicht dafür sorgen, dass er die Situation anders deutet. Enji ist sich sicher, dass Hawks eben kurz davor gewesen ist, ihn zu küssen…und dass er selbst nichts getan hat, um dies zu verhindern, ist genauso verstörend, wie die Tatsache an sich. Scheiße… Kapitel 3: Fiery Red -------------------- Die nächsten Wochen sind ein ständiges Auf und Ab, das Enji das Gefühl gibt, langsam verrückt zu werden. Es ist Hawks, der es sich anscheinend zum Ziel gemacht hat, ihn in den Wahnsinn zu treiben – und wenn das so weiter geht, wird er das auch schaffen. Die ersten Tage nach ihrem gemeinsamen Abend ist der Vogel wie vom Erdboden verschluckt. Enji bekommt nicht mal eine stupide WhatsApp Nachricht, wie es sonst zwischendurch passiert. Funkstille könnte man sagen und eigentlich ist das ja auch genau das, was Enji will. Was da passiert…oder eben nicht passiert ist, ist keine Option. Gerade wenn er die Situation richtig gedeutet hat, sollte er froh sein, dass Hawks Abstand zu ihm hält. Wenn er wirklich hatte tun wollen, wonach es ausgesehen hat, ist er sich vielleicht selbst darüber klar geworden, wie absurd und…falsch es wäre. Enji ist ein verheiratetet Mann – auch wenn sich seine Frau in einer psychiatrischen Klinik befindet und seinen Anblick nicht ertragen kann. Er hat vier Kinder und eins davon ist in Hawks‘ Alter, was das Ganze irgendwie noch schlimmer macht. Enji ist doppelt so alt wie der Winged Hero und außerdem…steht er offensichtlich auf Frauen. Nicht auf junge Männer. Schon gar nicht auf einen, der ihn regelmäßig zur Weißglut treibt. Also versucht Enji, sich abzulenken, hauptsächlich mit seiner Arbeit, doch er erwischt sich immer wieder dabei, wie er auf sein Handy schielt. Es ist wirklich zum Verrücktwerden, vor allem weil er zur Untätigkeit verdammt ist. Schreibt er Hawks oder ruft ihn an, wird dieser das vielleicht als Bestätigung für was auch immer sehen – und das will Enji auf keinen Fall! Gleichzeitig fragt er sich, ob er nicht überreagiert und Hawks damit in die Hände spielt. Er ist dessen dumme Witze schon gewöhnt, warum sollte es jetzt anders sein? Hitze schießt ihm in die Wangen, wenn er sich vorstellt, wie er den Vogel konfrontiert und dieser ihn auslacht. Sich den Bauch haltend, sein großes Maul aufreißend und auf ihn zeigend. Darüber lachend, dass ein alter Mann wie Enji glaubt, so ein junger Hüpfer wie Hawks würde auf ihn stehen…und diese Vorstellung ist so demütigend, dass sie ihm die Entscheidung über sein weiteres Vorgehen abnimmt. Hawks könnte jeden haben. Mit seinem hübschen Gesicht, der schlanken Figur und seiner offenen Art, mit der er so viele Menschen um den Finger wickelt. Mit seinen zerzausten, blonden Haaren, die ihn verwegen erscheinen lassen, und diesen bernsteinfarbenen Augen mit den ungewöhnlichen Markierungen. Mit seinen scharlachroten Flügeln, die… Er bremst sich, bevor er seine Gedanken noch mehr in Richtung Schwärmerei gehen können – und er verflucht Hawks dafür. Natürlich ist es seine Schuld, dass sich Enji mit Mitte vierzig dazu genötigt fühlt, wie ein dummer Teenager zu reagieren. Gut, dass das wenigstens keiner mitbekommt. Seine Sidekicks merken zwar, dass er oft abwesend ist oder noch gereizter als sonst, aber wenigstens kennen sie den Grund nicht. Außer Burnin traut sich auch keiner, ihn danach zu fragen. Antworten tut er ihr darauf natürlich nicht. In der Woche darauf textet Hawks ihm plötzlich wieder, doch es sind kurz gehaltene Nachrichten. Teilweise Belanglosigkeiten. Hatte heute Yakitori zum Mittag. War mega lecker! *___* Noch nix neues wegen Best Jeanist. Sorry Big Guy :( Hast du diesen Artikel über Miruko in der Zeitung gesehen? Die ist ganz schön beliebt geworden! :D Was interessiert es ihn, wie beliebt dieses Karnickel ist? Will Hawks ihn verarschen? Auf seine einsilbigen Antworten kommt nichts zurück. Enji hasst sich dafür, dass er jedes Mal finster die blauen Haken anschaut, die ihm sagen, dass Hawks seine Nachricht gelesen hat. Warum kann es ihm nicht einfach egal sein? Es sollte ihm egal sein, doch seine Finger schweben nicht nur einmal über dem Handy, unsicher, ob er noch etwas hinzufügen soll, dass den Chat am Laufen hält. Er gibt dem Drang nicht nach, sondern legt das Handy weg. Immer. Als die dritte Woche anbricht, hört er zwei Tage gar nichts von dem Winged Hero – und das ist schlimmer als schwachsinnige Nachrichten. Es ist ja nicht so, dass er sich Sorgen macht…das muss er nicht, oder? Hawks ist für seine Schnelligkeit bekannt. Er ist die Nummer zwei…und seit ihrem gemeinsamen Kampf weiß er, dass er diesen Titel nicht nur seiner Beliebtheit wegen trägt. Am Abend des dritten Tages hält er es dann doch nicht länger aus und schiebt die Berichte schließlich beiseite, greift nach dem Handy. Er braucht geschlagene zehn Minuten, um einen Text zu verfassen – auch weil er ihn bestimmt achtmal gelöscht hat. Hatte heute Kuzumochi zum Mittag. Kaum hat er die Nachricht abgeschickt, ist er kurz davor, sie zu löschen. Was will er damit bezwecken, dass er Hawks so einen Unsinn schreibt? Was interessiert es den Winged Hero, was er zum Mittag gegessen hat? Davon abgesehen, dass es davon zeugt, dass der Tag stressig gewesen ist. So stressig, dass er sich bloß sein Leibgericht zwischendurch gegönnt hat, anstelle einer richtigen Mahlzeit. Wenn er so darüber nachdenkt…verspürt er Hunger. Er wirft einen erneuten Blick auf sein Handy und sieht, dass es mittlerweile 22 Uhr ist. Fuyumi hat wahrscheinlich Essen für ihn im Kühlschrank aufbewahrt – das macht sie häufig. Gedankenverloren blickt er vor sich hin, während er in seinem Büro sitzt und der Stille lauscht. Vermutlich sind die anderen schon nach Hause gegangen – nicht jeder hat so ein armseliges Privatleben wie er. Enji muss unweigerlich an den Abend im Club denken, zu dem ihn Hawks gedrängt hat. Was er da gesagt hat, stimmt schon; es ist so lange her, dass Enji sich amüsiert hat, dass er kaum noch weiß, wie sich das anfühlt. Und Hawks geht es oft genauso? Schwer zu glauben, wenig Freizeit hin oder her. Sie sind so unterschiedlich, dass es erschreckend ist, wie gut sie miteinander auskommen. Auch wenn Hawks ihn zur Weißglut bringen kann, fühlt er sich in dessen Nähe…freier. Er ist kein Mensch, der sich zurückhält oder sonderlich sensibel ist, aber Hawks scheint das nicht zu stören. Im Gegenteil…so oft wie ihn der Jüngere herausfordert, indem er ihn auf seine unverschämte Weise neckt. Es ist anders als mit All Might, der ihn schon früher mit seiner übertrieben heroischen, höflichen Art zum Kochen gebracht hat. Hawks ist dreister, viel direkter…und Enji versteht nicht, warum ihm genau das gefällt. Oder warum er sich gerade jetzt wünscht, der Winged Hero würde ihm zurückschreiben. Eine seiner zweideutigen Nachrichten schreiben, anstelle dieses unwichtigen Unsinns (abgesehen die Erwähnung von Best Jeanist). Enji hält inne, als sein Handy vibriert und Hawks‘ Name nebst Profilbild aufblinkt. Er zwinkert darauf und grinst sein dümmliches Grinsen. Mach mal die Tür auf! Wird kalt! Enji hebt eine Braue, liest die Nachricht ein zweites Mal…und dreht dann langsam den Kopf zur Balkontür. Was zur Hölle…?! Hawks steht dort, das Gesicht an die Scheibe gedrückt, während er in der einen Hand eine Tüte hält und mit der anderen gegen das Glas klopft. Das ist doch ein schlechter Scherz? Erst meldet er sich gar nicht, dann kommt nur Schwachsinn und nun…steht er da. Enji wettet, dass sich in der Tüte Yakitori oder irgendein anderes auf Hühnchen basierendes Gericht befindet. Abermals ein Klopfen und der Flame Hero seufzt, ehe er sich erhebt und mit gemischten Gefühlen die Tür öffnet. Unwillkürlich schießt ihm die Erinnerung an das letzte Mal in den Kopf…als sie hier gestanden hatten und… „Na endlich! Dachte schon, du lässt mich hier stehen, Number One!“ Hawks schnattert direkt los und betritt sein Büro, um sein Mitbringsel auf dem Couchtisch abzuladen. Es ist beinahe so, als wäre nie etwas passiert – und das beruhigt Enji ein bisschen. Vielleicht ist es ja wirklich nicht ernstgemeint gewesen. Er ignoriert den Funken in sich, den man als eine gänzlich unangebrachte Emotion auslegen könnte, und kommt näher. „…was wird das?“, fragt er skeptisch, als sich Hawks auf die Couch wirft. „Hm? Na, ich hab uns was zu futtern mitgebracht! Dein Mittagessen war ja echt erbärmlich, da kriegt man richtig Mitleid!“ „…ich esse das Zeug halt gern“, erwidert er schroff, auch wenn er weiß, dass Hawks Recht hat. Er hat ja zuvor noch genau dasselbe gedacht. Dieser wühlt nun in den Tüten und – wie könnte es anders sein – holt das Yakitori hervor, wobei er sich den ersten Spieß direkt schnappt. Irgendwie hat er das Gefühl, dass der Reis eher für ihn als für den Winged Hero ist, so wild wie der auf das Hühnchen ist. Enji zögert, setzt sich dann aber neben den Jüngeren, der ihm bedeutet, zuzugreifen. Das kommt überraschend, wenn man Hawks‘ Gier kennt. Er nimmt sich einen der Spieße und zieht das Fleisch ab, bevor ihn ein peinliches Magengrummeln verrät. Es tut so gut, endlich etwas Warmes im Magen zu haben, dass er sich das erleichterte Seufzen verkneifen muss. „Ernsthaft, du hast…wie viele Sidekicks? Und du hast ein Handy! Lass dir doch einfach was liefern?“, quatscht Hawks ihn zwischen zwei Bissen voll. „Oder war das nur ein Vorwand, weil du weißt, was für ein gutes Herz ich habe? Hehe…wenn du mich sehen willst, brauchst du doch nur lieb fragen~“ Er ist kaum fünf Minuten hier und schon verspürt Enji das Bedürfnis, ihm einen Schlag auf den Hinterkopf zu verpassen. Bei den letzten Worten bleibt ihm beinahe das Yakitori im Halse stecken, doch er schluckt es tapfer runter und begnügt sich damit, den Jüngeren finster anzusehen. „Das war bestimmt nicht der Grund!“, grollt er und hasst es, wie trotzig er klingt. Beinahe wie Natsuo während einem ihrer furchtbar erzwungenen Familienabende, kurz bevor sein Sohn aus dem Raum stürmt. „Okay, okay…wenn du es sagst, Number One…“ Hawks zwinkert ihm zu, ehe er sich einen weiteren Spieß gönnt und dabei selbstzufrieden schmatzt. Manchmal hat Enji das Gefühl, dass der Junge von Wölfen großgezogen wurde. Übermäßig sozial und keine Manieren. Er belässt es dabei und widmet sich der Schale mit Reis, während er darüber nachdenkt, ob Hawks nicht doch ein bisschen…Recht hat. Verdammt. „Uff…das war echt gut, aber jetzt bin ich voll...“ Hawks streckt sich ungeniert auf der Couch aus, während Enji die Reste zusammenräumt. Er kann Unordnung nicht leiden und davon abgesehen, dass Hawks wie ein Chaot wirkt, hat dieser schon das Essen mitgebracht. Soll er sich zurücklehnen und sich ausruhen, vielleicht hatte der Winged Hero auch einen harten Tag? „Du hast da Soße am Kinn…“, bemerkt er beiläufig und Hawks stutzt. „Oh? Wo denn? Da? Oder hier?“, fragt er, ohne sich aufzusetzen. Er reibt sich fast jede Stelle, nur nicht die, an der die Soße hängt. Macht er das mit Absicht? Enji knurrt genervt, stellt die Tüte neben dem Tisch ab und bewegt sich dann zur Couch. Hawks liegt dort auf dem Rücken, den Kopf auf der Lehne abgelegt und zu ihm aufschauend. Für zwei Sekunden fragt sich Enji, ob der andere das absichtlich macht, um ihn zu provozieren…doch dann verwirft er die Annahme. Das letztens muss er sich eingebildet haben, immerhin benimmt sich Hawks gerade normal – zumindest seinen Verhältnissen entsprechend. Seine Kommentare sind heute nicht halb so zweideutig gewesen wie sonst, was darauf schließen lässt, dass Hawks selbst weiß, dass das letzte Mal unangebracht gewesen ist. Es war eine nette Geste, ihm Essen vorbeizubringen, weiter nichts. „Da.“ Er bleibt vor ihm stehen, während er sich ein Stück runterbeugt und ihm mit dem Daumen den braunen Kleks Teriyaki-Soße vom Kinn wischt. Die Barthaare fühlen sich rau an, kratzen an seiner Fingerkuppe…und Enji erstarrt, als er Hawks‘ Blick bemerkt. Raubvogel. Er weiß nicht, was er erwartet hat, aber sicher nicht, dass Hawks plötzlich…seinen Daumen zwischen die Lippen nimmt…und daran saugt. Feucht und warm gleitet die Zunge darüber, die Lippen bewegen sich leicht. Enji wird heiß und kalt, während er dem Jüngeren fassungslos dabei zusieht, wie dieser…nein, er kann es nicht benennen. Dafür gibt es keine Worte. Dann schaltet sich sein Verstand, der anscheinend von dieser obszönen Geste bis eben gelähmt war, wieder ein und er reißt seine Hand so hastig weg, dass er Hawks‘ Zähne spürt. „Tickst du noch ganz richtig?!“, schnauzt er den Vogel an und für einen Moment lodern die Flammen in seinem roten Bart auf. Es ist schwierig, seinen Quirk zu beherrschen, wenn er wütend ist. Zu Hawks‘ Glück überwiegt hier ausnahmsweise die Scham und nicht die Wut. Dennoch wären die meisten schon panisch geworden, hätten versucht, ihn zu beschwichtigen…und was tut Hawks? Er bleibt einfach liegen und hebt langsam eine Braue, während er ihn ansieht wie die personifizierte Unschuld. „Woah, jetzt mal ganz ruhig…du fackelst noch dein Büro ab, Großer!“ „HAWKS!!“ Diesmal lodern die Flammen nicht nur aus seinem Bart und er ist froh, dass er seinen Anzug noch unter dem Hemd trägt. Obwohl er ihn anbrüllt, setzt sich Hawks in aller Seelenruhe auf und legt den Kopf schief, als wäre Enjis Verhalten nicht nachvollziehbar. Es fällt ihm wirklich schwer, nicht auszurasten, wenn er dermaßen provoziert wird. Er fühlt sich bloßgestellt…verspottet und er hasst dieses Gefühl. Er hasst es aber auch, Menschen aufgrund seines Temperaments zu verletzen, und so zwingt er sich, sein Feuer zu zähmen, bis es erlischt – zumindest äußerlich. Sein weißes Hemd weist an mehreren Stellen Brandlöcher auf, lässt den blau-orangenen Anzug hervorblitzen. „Was denn? Ich wollte die Soße nicht verschwenden…ist doch schade drum?“ Wie kann man bloß so dreist lügen?! Das tut Hawks doch? Niemals kann es hier um die Soße gehen…das ist einfach…Enji fehlen die Worte, während Hawks ihn immer noch mit schief gelegtem Kopf ansieht. Dann besitzt er den Mut, ihn anzulächeln. Die Art von Lächeln, die Enji zur Weißglut bringt. Was treibt Hawks hier für ein falsches Spiel?! Enji spürt, wie er kurz davor ist, sein weißes Hemd zu Asche zu verarbeiten, doch er reißt sich zusammen. Nein. Wut bringt hier überhaupt nichts, er muss jetzt endlich wissen, was das hier zu bedeuten hat. „Hawks. Entweder du erklärst dich jetzt oder du verschwindest!“, grollt er den Winged Hero an. Es ist ihm ernst. Das scheint auch der Jüngere zu merken, denn auch wenn er immer noch lächelt, wirkt es nun weniger neckend. Dieses Lächeln ist für Enji schwer zu deuten, doch er hat es schon mal gesehen. Damals, nach ihrem Kampf gegen den Nomu, als er im Krankenhaus gelegen und Hawks ihn besucht hat. „Du denkst, ich sollte mich erklären?“, fragt er schließlich ruhig. „Was denn sonst?!“, blafft Enji ihn an, was den anderen aber nicht aus der Fassung bringt. Stattdessen lehnt er sich auf der Couch zurück, verschränkt die Arme vor der Brust. „Wieso fängst du nicht an, hm? Was regt dich so auf, Endeavor-san?“ Hawks‘ Tonlage macht ihn skeptisch, sodass er erst nicht weiß, was er sagen soll. Fühlt sich an, als würde er in eine Falle tappen…doch dann fängt er sich und die Worte sprudeln nur so heraus. „Was mich aufregt?“, wiederholt er wütend. „Du regst mich auf! Diese bescheuerte Aktion letztens! Lotst mich in diesen Club voller Teenies, um…und dann…was zur Hölle das auch war!! Du…dann hört man gar nichts mehr von dir und dann…dann…was sollten diese sinnlosen Nachrichten über Miruko und…was auch immer, huh?!“ „Ich wollte dich bloß informieren?“ „Einen Scheiß wolltest du!!“ Dass Hawks bei seinem Ausbruch grinst, macht es nicht besser. Wirklich nicht. Er hat das Gefühl, dass Hawks ihn genau da hat, wo er ihn haben will – was auch immer das bedeutet. „Soso...“, zwitschert er und springt mit einem Satz auf die Beine, wobei sich seine Flügel spreizen. Enji muss sich beherrschen, nicht zurückzuweichen, weil die kaum vorhandene Distanz sehr plötzlich kommt. Es trennt sie bloß ein Schritt und das macht den Flame Hero nervöser, als es sollte. Wieder ist da dieser Blick, der ihm auf eine gänzlich neue Art heiß werden lässt. „Ich fasse es gern für dich zusammen, Number One“, fährt Hawks viel zu gut gelaunt fort. „Dir missfällt es, dass ich in dem Club ein bisschen getanzt und geflirtet habe. Du hast die ganze Zeit darüber nachgedacht, was letztens passiert…oder nicht passiert ist. Wette, es hat dich wahnsinnig gemacht, heh…“ Enji schnappt nach Luft…hoffentlich glüht sein Gesicht nicht so feuerrot, wie es sich anfühlt. „Du-“ „Dann melde ich mich mal eine Woche nicht und obwohl ich dich ja immer so sehr nerve, passt dir das nicht. Hat’s dir gefehlt, hm? Meine frechen Sprüche, meine Rumalberei? Gib’s ruhig zu, Endeavor-san…ich kann damit umgehen~“ Enji starrt ihn an, nicht wissend, wie er reagieren soll, denn obwohl Hawks Recht hat, bringt er nicht direkt zur Sprache, wovon genau er redet. „Bei dir bin ich mir da nicht so sicher, weißt du? Das ist dein Problem…du denkst zu viel darüber nach. Was, wenn, wie…vöööööllig unnötig! Du verkomplizierst alles damit! Dabei bist du doch eigentlich jemand, der handelt, hm?“ Enji weicht reflexartig zurück, als Hawks die Distanz überbrückt und ihm noch näher kommt. Alles, was er sagen könnte, erscheint ihm falsch. Er fühlt sich so überfordert, dass er einen regelrechten Kurzschluss hat. „Ich…ich…“ „Warum tust du nicht einfach, was du willst? Ohne Konsequenzen, ich versprech‘s~“, übergeht Hawks sein Gestammel und kommt wieder näher. Er muss sich nur vorbeugen und sie berühren sich, was Enji einen heißkalten Schauer über den Rücken jagt. Was passiert hier? Und warum? Verdammt…er kann weder vor, noch zurück. „Hawks…“ Seine Warnung klingt so dünn, dass es schon keine mehr ist. Es wirkt kein bisschen, denn Hawks blickt ihn abwartend an. „Was…treibst du hier eigentlich für ein Spiel?“, entweicht es ihm schließlich und Wut kocht in ihm hoch. „Du…verdammt noch mal, Hawks! Ich…ich bin nicht…du…was fällt dir ein…wie kannst du…ist das ein Trick?! Einer deiner dummen Scherze?!“ Er redet sich in Rage, kann seinen Zorn nur schwer kontrollieren und gibt dem Impuls nach, Hawks am Kragen zu packen. Grob zieht er ihn daran zu sich, nicht überrascht, dass der Vogel kein bisschen erschrocken wirkt. Sein Blick ist fest, als er seinen erwidert, und er wehrt sich nicht. Obwohl Enji kurz davor ist, ihn zu verletzen…so wie er immer Menschen verletzt, die ihm nahe stehen. Der Erinnerung daran lässt ihn wanken und er bereut direkt, handgreiflich geworden zu sein. So will er nicht mehr sein. Nie wieder. Hawks lässt ihn innehalten, indem er seine viel schmaleren Finger um seine Pranke schließt. Er sieht ihn dabei auf eine Weise an, auf die ihn schon sehr lange niemand mehr angesehen hat. Vielleicht noch nie. Trotzdem es ihm unangenehm ist, kann er sich dem nicht entziehen. Verdammt, Hawks ist so jung, so attraktiv, so…anders. Mit niemandem, den er kennt, vergleichbar. Seine Gedanken rasen, hinterlassen ein Chaos in ihm, das Hawks erst richtig ausbrechen lässt, indem er ruckartig seine Flügel um ihn schlingt und sich nach hinten fallen lässt. Enji keucht auf, als er mitgerissen wird, sodass sie auf der Couch landen, er über ihm. Die Federn sind unnachgiebig, trotzdem sie sich weich auf seiner Haut anfühlen – doch er kann nicht lange darüber nachdenken. Er realisiert gerade die Position, in der sie sich befinden, spürt Hawks‘ zierlichen Körper unter sich. Das ist so falsch. „Weißt du, Number One“, hört er Hawks gegen seine Brust nuscheln. „…du bist einfach viel zu verkrampft.“ Enji versucht sich eine Welt vorzustellen, in der ein solches Szenario, in dem er auf einem 22-jährigen Jüngling liegt, entspannend auf ihn wirkt. Wie soll er bitteschön nicht verkrampft sein, wenn Hawks derartige Grenzen überschreitet, um…ja…was eigentlich? Seltsamerweise…ist die Berührung an sich, diese warme Umarmung…gar nicht mal so unangenehm. Hawks Feder streichen sanft über seine Haut, die Arme sind nun locker um seine Taille geschlungen…wenn Enji wollen würde, könnte er sich lösen. Er ist viel kräftiger als Hawks. Jedoch kann Enji nicht verhindern, dass er tief ausatmet und…für wenige Sekunden erwischt er sich dabei, wie er die Umarmung sogar…genießt. Vielleicht, weil ihn sehr lange niemand mehr so berührt hat. Weil er in seinem eigenen Haus nicht mehr willkommen ist und sich sogar Fuyumis seltene Umarmungen steif und erzwungen anfühlen. Er weiß, dass er nichts anderes verdient hat, aber trotzdem…sehnt er sich manchmal danach. Dass ausgerechnet Hawks ihn so…ungehemmt umarmt, verwirrt ihn genauso, wie er sich darin verlieren will. Eine Hand ist immer noch in seinem Shirt verkrallt, die andere stützt sich an der Couchlehne ab. Und dann ist da Hawks, der sein Gesicht in seinem zerstörten Hemd vergräbt und dies in vollen Zügen zu genießen scheint. Er ist überhaupt nicht verkrampft, sondern macht den Eindruck, als sei das hier das Normalste der Welt. Ist es das? Nein…oder? „Hawks…“, sagt er nur, weil er nicht weiß, was er sonst machen soll. „Mh?“ „Lass…mich los. Sofort.“ Jedoch klingt seine Stimme nicht so harsch, wie er es gern hätte. Es erzielt keinen Effekt, würde es vermutlich auch dann nicht, wenn er ihn anschnauzen würde. So ist Hawks. Furchtlos. Dreist. Laut…und anscheinend anschmiegsam. „Das willst du doch gar nicht“, brummt der Jüngere überzeugt. „Also sei jetzt schön ruhig und knuddel mich durch! Ich bin süßer als ein Welpe!“ Was zur Hölle… „Hawks!!“, zischt er überfordert, doch er bringt es nicht über sich, das hier zu beenden. Verunsichert legt er das Kinn auf dem zausen, blonden Schopf ab, hört seinen Herzschlag in seinen Ohren dröhnen. Tatsächlich hat Hawks Recht. Er will das hier nicht beenden, aber er muss…weil sich wenigstens einer wie der Erwachsene verhalten sollte. „Genug jetzt!“, knurrt er und windet sich aus dem Gewirr aus Federn, macht einen Schritt zurück. „Was…ist in dich gefahren, verdammt?!“ Hawks raschelt einmal mit den roten Schwingen, zieht dabei eine Schnute, die ihn beleidigt aussehen lässt. Dann verschränkt er die Arme und mustert ihn von oben bis unten. „Ach komm…du hattest offensichtlich einen miesen Tag, ich hatte einen miesen Tag…und wir sind beide mit unserer Arbeit verheiratet. Nummer eins und zwei – die aktuelle Spitze! Klar, wir werden gefeiert wie sonst was, aber…wer kennt uns denn schon wirklich, hm?“ „Als würdest du mich kennen!“, zischt er zurück, obwohl ihm bewusst ist, dass Hawks viel mehr als die meisten über ihn weiß. „Na ja, es reicht jedenfalls, um zu erkennen, dass du mehr nötig hast, als nur die Bauchpinselei der Medien und Fans, hm? Gib schon zu, dass du mich gern hast. Dass ich dir gefehlt habe. Na komm, es tut gar nicht weh, das zuzugeben!“ Er neigt den Kopf, lächelt ihn dabei breit an. „…geh mir einfach aus den Augen.“ Enji wendet sich bei den Worten von ihm ab, denn er kann diesem Blick nicht standhalten. Generell kann er Hawks nicht standhalten. Wieder weiß er nicht, wie er sich verhalten soll. Worauf Hawks abzielt. „Okay, okay, ich hab mal wieder ne Grenze überschritten, ich versteh schon.“ Hawks klingt beinahe so, als würde er mit Engelsgeduld ein Kind zu beruhigen versuchen – es lässt das Feuer in Enji brodeln. Er mag es wirklich nicht, verarscht zu werden. „Ich mach dir einen Vorschlag, ja?“, plappert der Winged Hero weiter und springt dabei auf. „Ich lass dir jetzt deine wohlverdiente Ruhe und nächste Woche suchst du dir einen Tag aus, an dem wir zusammen losziehen! Deal?“ Enji dreht sich zu ihm um, nicht sicher, was er von dem Vorschlag halten soll. „Losziehen?“, wiederholt er, reagiert dann auch direkt abwehrend. „Ich gehe nicht noch mal mit dir feiern!“ Hawks schmunzelt zwar, winkt aber ab. „Das meinte ich auch nicht unbedingt. Mir ist es egal, was wir tun. Am besten suchst du dir irgendwas aus, was du…na ja, früher gern gemacht hast. Du weißt schon…ein Hobby! Als du noch jung und knackig warst, haha…“ Enjis Braue zuckt nach oben, während er nicht weiß, was er sagen soll. Hobby? Was soll er schon für ein Hobby gehabt haben? Es war immer das Ziel…oder der Weg zum Ziel. Training. Andererseits…wenn Training sein Hobby ist und Hawks meint, es ist ihm egal…das wäre dann ja sogar noch sinnvoll. Hawks Schnelligkeit ist das Einzige, wobei dieser ihn übertrumpfen kann. Vielleicht findet er einen Weg, wie er mithalten kann. Seine Gedanken verselbstständigen sich und plötzlich…findet er Gefallen an dieser Idee. So sehr, dass er Hawks ein finsteres Grinsen zukommen lässt, was diesen stutzen lässt. „Einverstanden.“ Anscheinend hat der Jüngere mehr Widerstand erwartet, so perplex, wie dieser ihn nun anschaut. Er runzelt die Stirn, mustert ihn, als würde er dadurch seine Motive erkennen können. Schließlich nickt er aber. „Na schön, dann sind wir uns ja einig, Number One!“ Da ist es wieder, das freche Grinsen, das Enji in den letzten Tagen zu oft vermisst hat. Abrupt denkt er wieder an die Umarmung und hofft, dass Hawks verschwindet, ehe sein Gesicht erneut zu glühen beginnt. Er wird das pubertäre, alberne Verhalten des Vogels in Zukunft als Unfug abtun. Als Scherz. Genau wie die Umarmung…das…hat nichts zu bedeuten. Oder wie er an seinem Finger…Scheiße. „Ja…sind wir…ich schreibe dir dann…mh.“ Hawks Grinsen wird noch etwas breiter, ehe er die Flügel spannt und ihm frech zuzwinkert. „Das hoffe ich doch, Großer!“, meint er und tapst in Richtung Balkon los. „Ich wäre sehr enttäuscht, wenn du dich nicht meldest – du weißt ja am besten, wie sowas ist, haha…“ Enji ballt die Fäuste, sieht ihm mit garantiert zornesrotem – nein, verdammt, es ist keine Scham! – Gesicht hinterher. „Verzieh dich endlich!“, bellt er ihm nach, was Hawks' Lachen allerdings nicht verstummen lässt. „Man sieht sich~“, zwitschert er und ist dann mit ein paar kräftigen Flügelschlägen verschwunden. Nur ein paar Federn erinnern noch an seine Anwesenheit – und der Geruch von Yakitori, der sich hartnäckig im Raum hält. Kopfschüttelnd will zu seinem Schreibtisch gehen, als ihm mit einem Mal etwas auffällt. Hawks und er. Zusammen losziehen. Allein. Nach all diesen Andeutungen und anzüglichen Gesten… Plötzlich beschleicht Enji das unangenehme Gefühl, dass er sich freiwillig einem Raubvogel ausgeliefert hat…einem, der sich nicht mal durch Feuer abschrecken lässt. Kapitel 4: Crimson ------------------ „Irgendwie hab ich mir das anders vorgestellt…“ Enji stellt nicht infrage, was sein Gegenüber damit sagen will, sondern versucht, einen Treffer in dessen Seite zu landen. „Hör auf, rum zu heulen!“, grollt er und wird von einer scharlachroten Schwinge prompt im Gesicht getroffen. Die Flügel besitzen die Kraft, ihm die Nase zu brechen, doch diesmal hinterlassen sie nur ein Brennen auf seiner Wange. Einen quirklosen Kampf hat er lange nicht ausgefochten – die meisten trauen sich gar nicht erst, ihn herauszufordern. Nicht verwunderlich, schließlich ist er nicht gerade für seine Nachsicht bekannt. Nicht mal seiner eigenen Familie gegenüber. „Und ich dachte, du lädst mich zum Essen ein, danach Kino…wäre n bisschen romantischer, als sich die Fresse einzuschlagen, alter Mann…“ Enji wünscht sich wirklich, Hawks würde so außer Puste sein, dass ihm die frechen Sprüche vergehen. Fazit ist, dass er eine unglaubliche Ausdauer besitzt, seine Kräfte richtig einteilt und schnell sowie gezielt zuschlägt. Er ist zwar schlank, doch durch und durch trainiert…drahtig. Vermutlich muss er das sein, um das Gewicht seiner Flügel tragen zu können. Er ist perfekt ausbalanciert…und obwohl der Kampf quirklos ist, kann er Hawks nicht verbieten, seine Schwingen zu benutzen. Sie gehören zu ihm, wie für andere Menschen Arme und Beine…nur wird er seine Federn nicht einsetzen. „Du hast gesagt, wir machen, was ich als Hobby ansehe – nicht mein Fehler, wenn du falsche Vorstellungen hast, Balg.“ Mittlerweile hat der Winged Hero sein Hemd ausgezogen, trägt ein Shirt darunter…er ist in Freizeitkleidung gekommen. Enji trägt Jogginghose und Muskelshirt – so wie immer, wenn er trainiert. Auch wenn Hawks vorlaut und nervig ist, ist er zumindest mal wieder eine Herausforderung. Bislang hat er kaum einen vernünftigen Schlag setzen können und hat er sich anfangs noch zurückgehalten, so tut er dies inzwischen nicht mehr. Hawks braucht keine Sonderbehandlung, nur weil er jünger und zierlicher ist. Enji kommt der Gedanke, dass Nachsicht bei seinen Kindern vielleicht angebracht gewesen wäre…dann würde Shouto ihn möglicherweise jetzt nicht voller Hass ansehen. Schweiß läuft ihm die Schläfe herunter, während er einem von Hawks scharlachroten Flügeln ausweicht. Im gleichen Moment greift er aus einem Reflex heraus hinein und packte eine Handvoll Federn, reißt den sichtlich verdutzten Hawks daran zu sich und tritt ihm die Beine weg. Der Winged Hero kann sich mit dem einen Flügel nicht halten, fällt nach hinten und stützt sich rasch mit den Armen ab. Bevor er sich vom Boden abstoßen kann, setzt Enji nach, indem er sich mit seinem Gewicht auf den anderen fallen lässt – den rechten Flügel immer noch festhaltend. Hawks wird zu Boden gedrückt, keucht vor Schmerz auf und – dann trifft Enji ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Der Schmerz in seiner Nase ist noch nicht abgeklungen, als er mit der freien Schwinge nachlegt und sie ihm gegen die Wange klatscht. Diesmal so fest, dass da bestimmt noch länger ein Abdruck zu sehen sein wird. Trotzdem bleibt Enji wie ein Fels auf ihm sitzen, bewegt sich keinen Zentimeter, sondern packt nun auch noch den anderen Flügel. Sie sind kräftig, ja…und sicherlich könnte sich Hawks befreien...andererseits haben Vögel recht dünne, empfindliche Knochen. Fürchtet Hawks, dass Enji sie bricht? Er schaut auf diesen herunter, beobachtet seine Mimik, die an ein trotziges Kind erinnert. Sogar eine Schnute zieht er, verschränkt die Arme vor der Brust. „Weißt du…meine Federn könnten dich jetzt ganz einfach aufspießen.“ Enji schnaubt bei der Aussage, hält ihn weiterhin daran fest. „Nicht, wenn ich sie vorher in Flammen aufgehen lasse.“ Ihre Blickte bohren sich ineinander, Türkis trifft Bernstein…dann grinst Hawks breit. Ein feiner Schweißfilm glänzt auf seiner Stirn, macht deutlich, dass es auch für den Jüngeren anstrengend gewesen ist. Das hofft Enji doch, schließlich ist er die Nummer eins und nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. „Ist das deine Art von Dirty Talk, alter Mann? Heh…mir wird richtig heiß~“, säuselt er und Enjis Augenbraue zuckt. Er boxt dem Winged Hero – nicht so fest, wie er vielleicht sollte – in den Magen, woraufhin dieser röchelt und wenigstens für ein paar Sekunden verstummt. Dann lässt er die Flügel los und steigt von dem Vogel runter, ehe er diesem die Hand reicht. Hawks hält sich den Magen, während er zu ihm aufsieht…und schließlich seine Finger ergreift, um sich daran hochzuziehen. Wie klein seine Hand in seiner Pranke ist… „Zuckerbrot und Peitsche, was?“, feixt Hawks schief grinsend und taumelt ein bisschen, als er wieder steht. „So…nachdem wir so ein schönes Unentschieden-“ „Du hast verloren.“ „…haben“, fährt der Jüngere ungerührt fort. „Bin ich für ein schönes heißes Bad und einen chilligen Fernsehabend!“ Enji runzelt die Stirn, mustert ihn kurz; das Schlimme ist, dass auch er selbst nichts gegen ein Bad einzuwenden hat. Mit anderen Männern ein heißes Bad zu nehmen, ist in Japan nicht ungewöhnlich, aber bei Hawks‘ unangebrachten…Sprüchen…erscheint ihm das unpassend. „Wo sind wir hier überhaupt? Ich meine, klar, dein geheimer Trainingsort, um den Kopf freizukriegen, blabla, schon verstanden, aber…du hast doch bestimmt irgendwo eine Hütte? Gibt’s hier ein Onsen? Komm schon, pack mal n bisschen aus, Endeavor-san!“ Natürlich stimmt beides. Enji mangelt es vielleicht an Sensibilität, aber ganz sicher nicht an Geld. Da er schon früher oft die Stadt verlassen hat, um in Ruhe zu trainieren, hat er sich eine kleine Hütte im japanischen Stil bauen lassen. Ein Onsen gehört nun mal dazu…doch nie hat er jemanden mit dorthin genommen. Nicht mal Rei. Auch nicht, als ihre Beziehung noch einigermaßen intakt gewesen ist. Jedenfalls meint sich Enji zu erinnern, dass sie anfangs nicht ausschließlich schlechte Zeiten gehabt haben…er hofft es. „Huhu, Erde an Number One!“, reißt ihn Hawks aus den Gedanken und wedelt mit der Hand vor seinem Gesicht herum. „Was ist nun? Hütte? Onsen? Mit wird langsam kalt…du weißt doch, dass man sich am schnellsten was einfängt, wenn man schwitzt und danach friert! Du hast ja dein Feuer, aber ich hab keinen heißen Quirk!“ „…“ Auch damit hat er Recht; auch wenn es mal wieder sehr zweideutig klingt. Enji hadert innerlich mit sich, doch er vermutet, dass Hawks anders keine Ruhe gibt. Tief atmet er durch, wendet sich dann ab, um das Hemd des Vogels aufzuheben und ihm dieses zuzuwerfen. „Dann komm. Es ist nicht weit.“ Er hasst es, wie sich Hawks‘ Mimik aufhellt und sich sein Schmollmund wieder zu diesem breiten Grinsen formt. „Juhu!!“, ruft er aus und folgt ihm so gut gelaunt, dass Enji weiß, dass er das bereut. „Wow! Nicht von schlechten Eltern!“ Enji schweigt, während er mit verschränkten Armen dort steht und zulässt, dass sich Hawks ausgiebig umsieht. Die Hütte ist wie ein kleines Apartment eingerichtet…Schlafzimmer, Wohnzimmer, Küche und Bad. Das Onsen ist hinterm Haus angelegt, mit einem zusätzlichen Raum zum Umziehen und Waschen. „Du hast echt Kohle ohne Ende, was? Und du hast so einen Japan-Fetisch, huh? Richtig traditionell! So wie All Might mit seinem USA Zeugs…“ Enji verzieht die Mundwinkel etwas nach unten bei dem Kommentar, denn er mag es nicht, mit All Might verglichen zu werden. Er ist so aufgewachsen und es somit gewöhnt. Warum soll er also was ändern, wenn er sich wohlfühlt? Und ist ja auch nicht so, als würde er das überall raushängen lassen…so wie ein gewisser Blondschopf. „Hier steht ja gar keine Glotze?“, reißt Hawks ihn aus den Gedanken und er blickt auf. „Ich komme hierher, um meine Ruhe zu haben“, brummt er. „Ein Fernseher stört dabei.“ „Uh~ tiefsinnig, Großer! Wirkst gar nicht so, als würdest du…“ „Als würde ich was?“ „Ach, nichts~! Lass uns ins Onsen springen!“, wiegelt der Jüngere lächelnd ab und Enji verengt die Augen. „Man springt nicht ins Onsen.“ „Okay, Daddy…und jetzt komm schon!“ Enji knurrt genervt, will ganz sicher nicht von dem Vogel „Daddy“ genannt werden. Es erinnert ihn nur daran, dass er wirklich Hawks‘ Vater sein könnte…und das hat einen miesen Beigeschmack, wenn er an all die zweideutigen Sprüche denkt. Als würde er einem Jüngling nachstellen – obwohl es ja genau anders herum ist. Warum hat er sich noch mal darauf eingelassen, Hawks mit hierher zu nehmen? Er weiß es selbst nicht, wehrt sich aber nicht gegen die Forderung, sondern geht voran. Hawks wird sich hoffentlich zu benehmen wissen…wenn nicht, wird er aus ihm ein Suppenhuhn machen. „Eins muss man dir lassen…was du machst, machst du richtig. Hier sieht’s echt aus wie in einem richtigen Onsen!“ Enji sieht Hawks dabei zu, wie dieser sich, genau wie er nur mit einem Handtuch bekleidet, auf einen Schemel setzt und den Eimer mit Wasser füllt. Wenigstens diese Etikette wahrt er…unglaublich. Auch wenn er nicht hinzustarren versucht, kann er nicht anders, als Hawks‘ nackten Oberkörper zu mustern. Wie das Wasser, das er sich über den Kopf schüttet, von seiner Haut perlt…aus den blonden Haarspitzen tropft. Seine roten Federn bauschen sich auf, schütteln die Nässe heraus…was…irgendwie…auf eine absurde Weise…niedlich ist. „Hey Number One! Ich weiß ja, dass ich sexy bin, aber sei doch etwas subtiler, ja?“ Enji wird auf einen Schlag so feuerrot, dass ihm Leugnen zwecklos erscheint und er automatisch nach Luft schnappt. „Das habe ich gar nicht gedacht!“, grollt er defensiv. „Du siehst einfach aus wie…wie…eine nasse, dicke Amsel! Das ist…seltsam!“ Hawks blickt ihn verdutzt an. „…“ Er blinzelt. Einmal. Zweimal…ehe er scharf die Luft ausstößt und dann wieder seinen lächerlichen Schmollmund zieht. „Ich bin gar nicht dick! Tse…aber schön, beleidige mich ruhig. Das macht meinem gesunden Selbstvertrauen gar nix~!“, behauptet er großspurig und streckt ihm die Zunge raus. Enji schnaubt nur. „Ich merk schon…“ Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, verlässt Hawks den Raum und schiebt die Trennwand auf, um…ins Onsen zu springen. Er sieht ihn nicht, aber er hört das verräterische Plätschern. Dieses Balg legt es drauf an, ihn zur Weißglut zu treiben… Enji reinigt seinen Körper ebenfalls, ehe er rübergeht und die Papiertür hinter sich zuschiebt. Kurz verweilt sein Blick auf Hawks, der im dampfenden Wasser sitzt, die Arme auf die Steine gestützt und mit geschlossenen Augen genießt. Seine roten Flügel ragen ein Stück heraus, doch es scheint nicht unbequem zu sein. Hawks sieht so friedlich aus, als könne er keiner Fliege was zuleide tun. Wenn er ihn nicht besser kennen würde… Um das graue Steinbecken herum ist der Boden holzverkleidet, die Wände bestehen aus Bambusrohren, wobei eine Stelle ausgespart ist, damit man hinaus sehen kann. Einige Pflanzen stehen hier und da als Dekoration…wenn er nicht da ist, kommt jemand vorbei, der sich darum kümmert, dass alles instand gehalten wird. Heute natürlich nicht. Enji zögert, ehe er das Handtuch ablegt und langsam ins heiße Wasser steigt – er merkt direkt, wie sich seine Muskeln unter der Hitze entspannen. Mit einem rauen Seufzen sinkt er tiefer hinein, versucht auszublenden, dass er mit nur wenig Abstand neben Hawks sitzt. Es sollte keine Rolle spielen. Sie sind beide Männer…und schlimmstenfalls sowas wie…nein, Freunde wäre zu viel des Guten. Kollegen. Sie sind Kollegen. „Hab’s dir schon mal gesagt…du denkst zu viel.“ Er wirft dem Winged Hero einen Seitenblick zu, bemerkt, dass dieser die Augen immer noch geschlossen hält. Was soll das schon wieder bedeuten? Hawks kann ja nicht mal wissen, woran er denkt…oder? „Woran ich denke, geht dich nichts an“, erwidert er schroff, doch Hawks lässt sich davon nicht verunsichern. Ein seichtes Lächeln bildet sich auf seinen Lippen. „Wenn’s mich betrifft, dann schon~“ „Tut es aber nicht und jetzt sei still. Ich will mich entspannen…dein Geplapper stört.“ Hawks verstummt zu seiner Überraschung tatsächlich, wenn das Lächeln auch bleibt. Er wendet den Blick ab, bevor ein weiterer blöder Spruch folgen kann. Mehr Munition muss er dem Jüngeren nun wirklich nicht geben. Still sieht er nach draußen, wo die Sonne längst untergegangen ist. Trotzdem er es nicht will, kann er nicht anders, als sich zu fragen, was das alles soll. Hawks‘ Verhalten ergibt für ihn keinen Sinn. Jemand der so jung und attraktiv ist…selbst wenn Hawks auf Männer stehen sollte – warum sollte so jemand mit ihm…? Bis vor einer Weile hat Enji es nicht mal ernstgenommen, sich lediglich vorgeführt gefühlt. Erst seitdem ihn der Winged Hero um ein Haar geküsst hat…ihn umarmt hat… Er kann es nicht einordnen…soll er sich geschmeichelt fühlen? Wenn Hawks ehrliches Interesse an einem alten Mann wie ihm hat? Wäre Hawks eine junge Frau…warum denkt er jetzt daran? Es spielt keine Rolle. In beiden Fällen ist er der perverse, alte Sack, der jemanden ausnutzt, der sein Kind sein könnte. Es gehört sich nicht, würde seinen ohnehin schon wackligen Ruf ruinieren und…er will es nicht. Er hat vier Kinder gezeugt, steht also definitiv auf Frauen, nicht auf Männer – so attraktiv sie auch sein mögen. Alles, was er Hawks geben kann und will, ist Unterstützung, sollte er diese brauchen. Kollegen. Nicht mehr und nicht weniger, nur- Enji zuckt heftig zusammen, als zwei Hände nach seinen Wangen greifen und sein Gesicht zur Seite drehen. Die Bernsteine glühen regelrecht, bohren sich in seine geweiteten Augen, während sich sein Körper wie paralysiert anfühlt. Er kann nichts machen, die Hände nicht wegschlagen oder Hawks anschreien…er kann ihn nur anstarren. Enji nimmt alles an Hawks wahr, die ausdrucksstarken Augen mit den schwarzen Markierungen, die buschigen Brauen und seine jugendlichen Züge…den zu drei schmalen Streifen gestutzten Kinnbart. Seine nassen, dennoch zausen, blonden Haare, wobei ihm eine Strähne in die Stirn fällt…seine kleine, gerade Nase…und die schmalen Lippen, die sich langsam zu einem Grinsen formen. Enji weiß, er wird ihn diesmal küssen. Obwohl er es nicht will, kann er sich nicht bewegen, ihn bloß weiter ansehen. Vielleicht eine Art Schockstarre. Hawks kommt ihm näher, neigt leicht den Kopf, seine Augen gleiten langsam über sein Gesicht, der Daumen streicht über seine rechte Wange, streift seine Narbe…dort wo der Bart nicht mehr vollständig wächst. „Mh…“, hört er ihn summen. „Weißt du, es gibt so viele Rottöne…ich mag rot. Ich meine, sieh dir meine Flügel an...“ Das Gezwitscher ergibt für ihn keinen Sinn und er weiß, er sollte das hier unterbinden…jetzt. Er kann immer noch nicht, fixiert Hawks, welcher die andere Hand in Richtung seines Nackens schiebt, die Haare dort berührt. Enji bekommt eine Gänsehaut. Am ganzen Körper. „…aber deine Haare haben diesen kräftigen, dunklen Ton. Mh…karmesinrot könnte passen…ja, ich denke, das trifft es gut!“ Er raunt die Worte nur, neigt dabei leicht den Kopf…die Lippen geöffnet…und Enji verliert sich in diesem Moment. Da ist ein unkontrollierter Drang in seinem Inneren, der ihn dazu bringt, Hawks grob im Nacken zu packen und an sich zu reißen. All seine Bedenken zählen plötzlich nicht mehr, da ist nur noch das brennende Verlangen in ihm, dass ihn seine Lippen auf Hawks‘ pressen lässt. Er hört Hawks gegen seinen Mund keuchen, die Finger graben sich in seine Haut, seine Haare…er spürt den nassen, zierlichen Körper an seinem… Wie lange ist es her, dass ihn jemand so geküsst hat, wie Hawks es gerade tut? Ihre Lippen bewegen sich heiß und stürmisch gegeneinander, es fegt seinen Kopf komplett leer. Sie zerwühlen sich gegenseitig die Haare, küssen sich so leidenschaftlich, dass sie kaum noch Luft bekommen…bis sich Hawks auf seinen Schoß schwingt, die Flügel gespreizt…Haut an Haut. Enji reißt die Augen auf, als ihm klar wird, was hier gerade passiert. Es führt dazu, dass er Hawks aus einem Impuls heraus mit viel zu viel Kraft von sich stößt. Das Wasser schwappt über, als der Winged Hero kurzzeitig untergeht und wild mit den Flügeln um sich schlägt. Prustend kommt er wieder hoch, wischt sich seinen blonden Mobb aus dem Gesicht und funkelt Enji böse an. „Was zur Hölle sollte das denn?!“ Enji ist sprachlos, während sein Herz regelrecht schmerzhaft schnell in seiner Brust schlägt…was ist da eben passiert? Wieso…? Seine Lippen fühlen sich wund an und auch Hawks Mund ist sichtlich geschwollen…Enji wird übel. Er hat die Kontrolle verloren, das wird ihm soeben bewusst. Ein Stein scheint sich in seinem Magen zu befinden…und Hawks erkennt langsam das Problem. „Oh nein…“ Enji sagt nichts, er kann nichts von sich geben. Stattdessen springt er regelrecht aus dem Wasser und verlässt das Onsen, so schnell es ihm möglich ist. „Hey, Number…warte doch mal! Lass mich nicht hier sitzen!“, hört er Hawks rufen und vernimmt das Plätschern. Enji reagiert nicht, sondern setzt seinen Weg fort. Er packt seine Klamotten und zieht sie sich so hektisch über, als wäre eine Horde Nomu hinter ihm her – nein, sogar denen würde er sich gerade lieber stellen. Hinter sich hört er Hawks‘ Schritte…und beeilt sich noch mehr. Er will Hawks nicht mal mehr ansehen. Nie wieder. Dieser verdammte Vogel ist an allem Schuld… „Bleib sofort stehen!“, hört er ihn keuchen, weiß, dass er in der Tür steht. „Was da eben passiert ist…es ist-“ „Das passiert nie wieder.“ „Jetzt hör m-“ „Halt den Mund.“ Seine Stimme klingt leise, aber scharf. Ein deutliches Zeichen, ihn nicht noch mehr zu reizen. Die Hitze in seinem Inneren ist kurz davor, auszubrechen…und er will Hawks nicht anzünden, weil er sein Temperament nicht unter Kontrolle hat. Er hat schon zu viele Menschen verletzt, weil er seine Emotionen nicht im Zaum halten kann. „Es ist überhaupt nichts Schlimmes passiert“, vernimmt er Hawks‘ Versuch, ihn zu beschwichtigen. „Ich wollte das, okay? Es ist in Ordnung, dass-“ „EIN SCHEIß IST IN ORDNUNG!!“ Noch während er losbrüllt, fährt er herum und die Flammen schießen hervor, drohen, die Hütte in Brand zu setzen. Hawks weicht erschrocken zurück, hebt abwehrend die Hände. Dass er immer noch nackt ist, stört Enji offensichtlich mehr, als den Winged Hero. Was hat er getan?! „GEH MIR AUS DEN AUGEN! VERSCHWINDE! RUF MICH NIE WIEDER AN, SCHREIB MIR NICHT MEHR…LASS MICH IN RUHE!!“ Hawks weicht einen Schritt zurück, doch sein Blick macht deutlich, wie wütend er ist. Sogar seine roten Federn scheinen zu zittern, aber dann atmet er scharf aus. Die sengende Hitze und sein Gebrüll ignorierend, schnappt er sich seine Kleidung und streift sie sich unverkennbar trotzig über. Enjis eigene Wut ist noch zu groß, als dass er etwas sagen könnte. Er weiß, dass Hawks ihn verführt hat…aber dass es funktioniert hat, ist allein seine Schuld. „Ich gebe dir jetzt einfach mal Zeit, darüber nachzudenken“, brummt Hawks mit mühsam unterdrücktem Zorn. „Meine Nummer hast du ja, falls du dich für den überflüssigen Auftritt entschuldigen willst.“ Enjis Kiefer malt geräuschvoll, er ballt die Fäuste und hofft, dass Hawks ihn nicht weiter provoziert. Der Winged Hero wendet sich ab, hält in der Tür aber noch mal inne und dreht den Kopf zu ihm. „…und vergiss dabei nicht, dass du mich geküsst hast.“ Dann ertönt Flügelschlagen und kurz darauf ist Hawks verschwunden. Enji starrt stumm auf die Stelle, an der er eben noch gestanden hat…ehe er in Richtung Wohnzimmer geht. Irgendwo dort muss er noch Alkohol aufbewahren. Den braucht er jetzt. Starken Alkohol, der ihn wenigstens für diese Nacht vergessen lässt, was er da eben getan hat. Er ist das Letzte. In jeder Hinsicht. Kapitel 5: Bordeaux ------------------- Es vergeht eine ganze Woche, in der Enji weder viel schlafen, noch essen kann. Er fühlt sich krank und die Gewissensbisse tragen nicht dazu bei, dass sich seine Laune hebt. Nicht nur, weil er Hawks angefasst hat, sondern auch, weil er sich für seinen Wutausbruch schämt. Er ist ein erwachsener Mann und sollte es nicht nötig haben, handgreiflich zu werden und herumzubrüllen. Leider ist genau das seine Art und mit der hat er schon einige Menschen verletzt – ganz vorn natürlich seine Familie. Enji bereut, dass er Hawks geküsst hat. Ob dieser es gewollt hat oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Ebenso wenig, dass Enji die Anziehung, die der Vogel auf ihn ausübt, länger leugnen kann. Nicht, weil er viel zu attraktiv oder viel jünger ist, nein, es ist sein Charakter. Die Art, wie er Enji die Stirn bietet, selbst wenn er laut oder grob wird. Hawks ist kein bisschen devot, obwohl er anscheinend einer seiner größten Fans ist – für die Erkenntnis muss man nur einen Blick in sein Schlafzimmer werfen und…außerdem erzählt er es ständig. Der Junge nervt ihn ebenso sehr, wie er ihn fasziniert…und er ist seit langem der Erste, der gern seine Zeit mit Enji verbringt. Verdammt…er mag den verrückten Vogel und will ihn in seiner Nähe, das wird ihm in dieser harten Woche umso mehr bewusst. Hawks tut ihm gut…und eine Freundschaft könnte Enji sogar akzeptieren. Dass sie schon seit einer Weile mehr als bloß Kollegen sind, muss er allmählich einsehen. Bloß den Kuss…die Tatsache, dass Hawks permanent mit ihm flirtet und das auch noch ernst meint…seine eigenen verwirrenden Gefühle…das alles kann und darf nicht sein. Warum sein wirres Hirn meint, sich mit Mitte 40 auf einen halb so alten Jüngling einzuschießen…kann er sich nicht erklären. Fakt ist, dass Hawks Recht hat; Enji hat den entscheidenden Schritt gemacht und nachgegeben. Er kann sich eine Menge Ausreden dafür einfallen lassen, aber die Wahrheit ist…dass es ihm aus einem ihm unerfindlichen Grund…gefallen hat. Enji hat nicht mal gewusst, dass dieses Feuer noch in ihm brennt…und vielleicht liegt es daran, dass er seit Rei keine intime Nähe mehr zugelassen hat. Vielleicht ist er schon so weit, dass er nach jedem Strohhalm greift…und dabei etwas verwechselt. Missgelaunt sitzt er im Wohnzimmer seines Hauses und…ja, so peinlich es auch ist, er durchforstet Hawks‘ Social Media Accounts. Facebook, Instagram…und natürlich ist nichts davon privat. Man kann einfach so darauf zugreifen. Enji besitzt nichts davon, ist schon mit Whatsapp bedient…und er weiß auch nicht, was er zu finden hofft. Was er findet, ist jedenfalls nicht hilfreich. Eine Menge Selfies und ab und zu stehen ein oder mehrere Mädchen daneben, die mit ihm posieren. Fotos von Yakitori und anderen Speisen und…diverse Bilder von Endeavor-Merchandise. Er erinnert sich unweigerlich an das T-Shirt mit seinem Gesicht darauf und spürt seine Wangen direkt unangenehm brennen. „Das Essen ist gleich fertig, Vater!“ Fuyumis Stimme ist plötzlich viel zu nah, sodass er das Handy vor Schreck beinahe fallen lässt. Er drückt es hektisch an seine Brust, hoffend, dass seine Tochter nicht gesehen hat, wessen Profil er da durchsucht. Allerdings steht sie direkt hinter ihm und das Erstaunen in ihrem Gesicht sagt ihm, dass sie sehr wohl etwas gesehen hat. „War das Hawks? Ich wusste gar nicht, dass du auf Facebook bist…soll ich dir helfen, mit ihm befreundet zu sein? Du musst nur auf einen Button klicken und-“ „Nein!!“ Dass er sie regelrecht anschreit, tut ihm leid, als er sie zusammenzucken sieht. Wenn sie wüsste, was dahinter steckt, würde sie seine Panik, die sie mit Zorn zu verwechseln scheint, verstehen. „Nein, ich…schon gut. Ich…tut mir leid. Lass…uns nicht drüber reden. Ich decke sofort den Tisch und helfe dir…“, lenkt er rasch ein, woraufhin sich ihr erschrockenes Gesicht zum Glück glättet. Sie lächelt zurückhaltend und nickt dann. „Danke, das ist lieb. Mh…Shouto sollte auch gleich kommen…Natsuo schafft es heute nicht.“ Was bedeutet, dass er es nicht schafft, seinen Vater heute beim Abendessen zu ertragen. Enji ist sich dessen bewusst, es passiert oft…und trotzdem spürt er wie jedes Mal diesen schmerzhaften Stich. Er ist weder ein guter Vater, noch ein guter Mann…und Hawks weiß das. Er selbst hat es ihm im betrunkenen Zustand erzählt. Was also sieht Hawks in ihm, dass er meint, es sei eine gute Idee, ihm auf diese Weise…oder überhaupt näher zu kommen? Enji weiß es nicht. Das Abendessen verläuft schweigsam wie jedes Mal. Unterbrochen von einigen oberflächlichen Wortwechseln, Shoutos einsilbigen Antworten und Fuyumis Versuchen, etwas Wärme in die Atmosphäre zu bringen. Nun, das würde selbst sein Quirk nicht schaffen…und es tut Enji leid, dass Fuyumi jedes Mal wieder so enttäuscht wird. Da er weiß, dass er keinen Schlaf finden wird, zieht er sich nach dem Essen seine Trainingsjacke über und verlässt das Haus. Den Kopf durchs Laufen freibekommen, hilft vielleicht zumindest ein bisschen. Training wäre auch eine Möglichkeit gewesen, aber das erinnert ihn an jenen Tag mit Hawks und den Ausgang ihres Treffens. Wie ungeniert sich Hawks auf seinen Schoß geschwungen hat…wie er sich ihm entgegen – Stopp! Er will nicht mehr daran denken. Auch nicht an die heißen Lippen auf seinen, wie sie…verdammt. Das heiße Kribbeln, das seinen Körper durchfährt, kommt nicht von seinem Quirk oder von neu entfachter Wut. Es ist die bittere Erkenntnis, dass es ihm gefallen hat. Dass ihn noch niemals jemand auf solch eine Weile angesehen…und berührt hat. Rei war immer sanft und passiv gewesen, zerbrechlich…zu zerbrechlich für jemanden wie ihn, der sich im Eifer des Gefechts gehen lässt. Hawks hat etwas in ihm geweckt, das niemals hätte passieren dürfen…doch es ist passiert. Obwohl er sich dafür hasst, holt er sein iPhone aus der Tasche und öffnet ihren Chat-Verlauf. Keine neuen Nachrichten, aber die letzte ist vom Vortag. Der Winged Hero hat ihm einige Male geschrieben, doch Enji hat auf keine Nachricht geantwortet. Hey, Number One…es ist jetzt drei Tage her. Melde dich, ja? Komm schon…was passiert ist, ist kein Weltuntergang. Echt nicht! Schreib wenigstens mal zurück, okay? Sonst wird’s noch komisch zwischen uns… ;) Ernsthaft. Schreib mir…sonst fühl ich mich mies. Ich fühle mich mies. Du hast es geschafft. Danke. Okay, okay…wenn du nicht mehr darüber reden willst…tun wir’s auch nicht, aber melde dich. Wow…du hältst das lange durch. Gut, ich lass dich in Ruhe. Hab’s kapiert. Schade.