Myosotis von abgemeldet (Ihr Liebe, wollten wir nicht haben...) ================================================================================ Kapitel 1: Myosotis ------------------- sidestory: I know that I deserve your love   Ein Tritt folgte dem nächsten und das schmerzvolle Stöhnen wurde zu einem leisen wimmern. „Du bist nichts als ein dreckiges Insekt, Suna! Leute wie du widern mich an. Leute wie du, die ihr von Gott geschenktes Geschlecht nicht anerkennend wertschätzen. Solche kranken Menschen wie du, die lieber Frauen als Männer wären und umgekehrt, die das gleiche Geschlecht lieben, wo Gott doch Mann und Frau für einander geschafft hat. Du und deines Gleichen, ihr seid krank, ekelerregend, abscheulich und verabscheuungswürdig! Du elendiges Insekt!“, brüllte Itanori und trat fest in meinen Bauch. An dem Zeitpunkt, an dem ich mich als Trans in meiner Klasse geoutet habe, gingen die Mobbing-Attacken los und mittlerweile beteiligte sich die Hälfte der Schule daran. Dabei wollten wir doch einfach nur leben und akzeptiert werden. Wir zwingen niemanden es uns gleich zu tun, aber wollten akzeptiert werden. Langsam entfernten sich die Schritte meiner Peiniger. Es waren immer mehrere, einer der mich zusammenschlug, manchmal waren es auch zwei oder drei und der Rest sah zu oder filmte das Geschehen. Nur in der Gruppe fühlten sie sich stark, allein trauten sie sich nicht mich anzugreifen. Dabei waren wir vor meinem Outing noch gute Freunde. Langsam versuchte ich aufzustehen. Mein Rücken und vor allem mein Brustkorb schmerzten. Als ich einiger Maßen sicher stand, setzte ich einen Fuß vor den anderen und lief los, in der Hoffnung auch anzukommen. In der Wohnung, die ich mit meinen Eltern bewohnte, angekommen stellte ich meine Schuhe ins Regal und warf meine Schultasche achtlos in mein Zimmer, ehe ich ins Badezimmer wankte. Dort wurden seit jeher unsere Medikamente aufbewahrt. Zielsicher griff ich nach den Schmerzmitteln und Salben, um die Blutergüsse zu behandeln. Ich verzog das Gesicht als ich mir das T-Shirt und Binder auszog. Blaue Flecken zierten meinen Oberkörper. Vorsichtig schmierte ich die lila-bläulich schimmernden Flecken ein und spülte die Schmerztabletten mit einem Glas Wasser hinunter. In meinem Zimmer setzte ich mich auf meine Schlafcouch und zog meinen Laptop zu mir, fuhr ihn hoch und loggte mich auf einer Blogger-Seite ein. Es dauerte nicht lange, da ploppte das Chatroom Fenster auf und zeigte eine Nachricht an. †Lestrange: Hi Lythari, wie war’s bei dir heute so? †ich: Moin Lestrange, wie soll's schon gewesen sein? Ich bin um ein paar blaue Flecke reicher als vorher, aber sonst nix besonderes, oder doch, ich bin mit meinem Kleid fertig geworden und ich habe es geschafft, dass Kanato anfängt sich so zu akzeptieren und zu lieben wie er ist. †Lestrange: Mich schüttelst‘s, wenn ich das schon wieder höre, aber ich freue mich, dass du dein Kleid fertig bekommen hast. Bekomme ich ein Bild? †ich: Danke, klar warte kurz. *Bild wird gesendet* †Lestrange: Wow, holla die Waldfee! Schmuckes Ding, was du da zusammengenäht hast, gibt es das auch für Frauen? †evergreen: Hallo Leute †ich: Hi green †evergreen: Ich hab von deinen neuen Errungenschaften gehört… Können wir nicht irgendwas tun, damit es endlich aufhört? †Lestrange: Du weißt, dass wir nicht verbessern können. Als sei ruhig, evergreen! †ich: Aber green hat Recht, wir sollten mal darüber nachdenken irgendetwas an unserer Lage zu ändern. Nur weil irgendwelche Vollidioten sagen wir würden keine Liebe verdienen muss das ja noch lange nicht stimmen, wir verdienen alles, was wir wollen, genau wie sie. †Lestrange: Und was willst du ändern? Man wird uns immer verachten und niedermachen, egal was wir tun. †ich: Sind wir denn dumm? Nein. Lasst uns das doch nutzen, unsere Liebe wollten sie nicht haben. Unser Zorn verfolgt sie nun tausendfach. †Lestrange: Bist du jetzt unter die Poeten gegangen? †evergreen: Lass ihn doch, er hat doch im Grunde genommen recht. Mit uns wollen die nichts zu tun haben, also wollen sie unsere Liebe nicht, die sie hätten haben können. Aber dafür schikanieren, diskriminieren und verachten sie uns, für das, was wir sind. Nun können wir ihnen zeigen, dass wir sie für diese Einstellung verachten und auch ohne ihre Vorstellung von Werten und Normen glücklich sein können. †Lestrange: Alles schön und gut, aber wir sind nicht die Einzigen, denen es so geht. Es wäre sinnlos, wenn wir uns nur dem LGBTQ+ Bereich zuwenden. Wir würden uns damit nur mit einem kleinen Teil befassen. Außerdem gibt es bereits Foren, in denen man sich miteinander austauschen kann, wie das unsere hier. Was also soll so besonders sein an dem, was ihr euch da gerade zusammen bastelt? †evergreen: Damit hast du leider recht †ich: Okay, wie wäre es damit: Wir bringen unsere Idee unters Volk, egal ob nun Missverstandene, nicht Gewollte, nicht Geliebte, nicht Akzeptierte/Tolerierter oder auch welche, die das Gefühl haben allein dazustehen, wir nehmen sie auf. Zeigen ihnen was es bedeutet verstanden, akzeptiert und geliebt zu werden. †Lestrange: Und wie zum Geier wollen wir das machen? †ich: Wir sind doch nicht allein. Lasst uns die Idee an alle weitergeben, denen es wie uns geht. Dann sind wir definitiv nicht mehr zu übersehen! †Lestrange: Denkst du wirklich das funktioniert? †ich: Vielleicht, einen Versuch ist es doch wert. †evergreen: Lasst uns das auf CDs brennen und auf Treffen weiter reichen, aber vorerst nur an unsere Leute. †ich: Liest du schon wieder Erebos? †evergreen: Jup! :D †Lestrange: Ihr werdet eh nicht locker lassen…. Also, was soll auf die CDs? †evergreen: Wir müssen so etwas wie Beistand vermitteln, aber auch klar sagen was wir wollen. Und wir sollten auf jeden Fall so etwas wie Lösungsansätze vorbringen. †ich: Also fassen wir zusammen: Wir erklären was wir erreichen wollen, vermitteln Beistand und nennen Lösungsansätze oder Anlaufstellen, die man nutzen könnte. †evergreen: Ich schlage vor wir machen das als Audio und verteilen dann die Tonträger wie schon gesagt auf Treffen, aber sie sollen nicht weitergereicht werden. †Lestrange: Ich kann die CDs brennen, aber den Text sprechen muss jemand anders. †ich: Gut, ich würde den Text schreiben, ist es ein Problem für dich, evergreen, wenn du ihn einsprichst? †evergreen: Nein, das ist in Ordnung. Also schrieb ich den Text und schickte ihn an evergreen. Dieser war begeistert und schickte den eingesprochenen Text an Lestrange, auch sie war vom Ergebnis beeindruckt. An einige Passagen erinnere ich mich noch gut, eine lautete: „Auch wenn sie euch mobben, sie euch Gewalt antun, mit Worten verletzen oder im Internet schlecht machen, da sie sich dort hinter Pseudonymen verstecken können, gebt ihnen kein Genugtuung bei ihrem Tun. Hebt das Kinn, lauft geradeaus euren Weg weiter und steht gerade. Warum? Um ihnen den Spaß daran zu nehmen uns zu verachten, denn ein Opfer, das anscheinend nicht mehr unter ihren Attacken leidet, ist es nicht wert attackiert zu werden, da es langweilig geworden ist. Aber auch uns hilft es wenn wir unsere imaginären Krönchen richten und hoch erhoben Hauptes weiter gehen, denn wir gewinnen wieder an Selbstsicherheit. Wir haben uns entschieden diesen Weg zu gehen und diese Entscheidung war verdammt noch mal richtig!“ Eine andere, ich glaube, es ist sogar der Schluss, war: „Wir hoffen wir konnten euch Mut machen oder wenigstens das Gefühl geben nicht allein zu sein. Mit unserer kleinen Organisation, sie nennt sich übrigens Myosotis - was Vergissmeinnicht bedeutet - , wollen wir helfen und wieder Mut machen, aber auch der Welt zeigen, dass auch wir Menschen sind, die es wert sind, geliebt und akzeptiert zu werden. Auch hoffen wir euch wenigstens etwas für unsere Sache begeistern zu können. Wir wollen kein Geld, wir wollen, dass uns die Welt so nimmt wie wir sind. Auf dieser CD ist ein Chatforum installiert, in dem wir uns unterhalten können, über dieses Thema oder Gott und die Welt. Aber eine Sache ist uns sehr wichtig, bitte gebt die CD nicht an dritte Personen weiter. Wir wollen nicht, dass die CDs an Leute gelangen, die uns damit schaden wollen würden.“ Einige Monate später in den Nachrichten: Es sammeln sich die Anzeigen über Mobbing und körperliche Übergriffe an LGBTQ Szenengängern, wie beispielsweise Transgendern, an. Auch in anderen Szenen werden Stimmen laut, die solche Übergriffe melden. Viele der Mobbingfälle wurden auch von den Opfern dokumentiert, mit Bildern der Übergriffe oder aus ebendiesen davongetragenen Verletzungen. Auch häufen sich Gerüchte über eine szenenübergreifende Untergrundbewegung mit dem Namen „Königin der Käfer“. Durch den Videoausschnitt, der nun eingeblendet wird, wollen Jugendliche, darunter sowohl auch Schüler, als auch Erwachsene dieser Bewegung, zeigen, dass sie so richtig sind, wie sie sind. Auch häufen sich Bilder und Videos, die zeigen wie sich die Menschen dieser Gruppe ausleben, indem sie als die Person, die sie zu sein gedenken auftreten oder aber ihre Liebe frei gegenüber dem gleichen Geschlecht ausleben. Kichernd schaltete ich den Fernseher auf stumm. Königin der Käfer, wer sich wohl das ausgedacht hatte? Aber die Idee dahinter war interessant. Königin der Käfer, man hatte uns beschimpft und wie Dreck behandelt, also passte die Bezeichnung Käfer in dieser Beziehung ganz gut. Und wir, die die Idee hinter Myosotis gehabt hatten ,waren die Königin. Also warum diesen Ansatz nicht nutzen? ~*~ Schnell lass die Nachrichtensprecherin das heutige Skript, ein Absatz lies sie allerdings stutzen. „Königin der Käfer“, so lautete die Überschrift. Sie hatten es also geschafft. Königin der Käfer war ein Projekt geworden, dass niemand so leicht umwerfen konnte, denn für die meisten Außenstehenden schien es gar nicht zu existieren. Nur wenige Personen hatten Zugang zum Forum, in dem man sich traf, redete und sich gegenseitig Mut machte und wieder an Selbstsicherheit und Selbstvertrauen gewann. Auch ihre Königin hatte ein Gesicht bekommen. Die Bilder, die es gab, zeigten einen jungen Mann in einem weißen Kleid. Er trug helle Blumen im Haar und seine Haut wirkte dünner als Papier. Außerdem trug er eine Maske, die sein Gesicht verbarg. Hinter der Königin versteckten sich drei User, die alles planten und auf die Beine stellten. Lestrange, Lythari und evergreen hatten das Projekt „Myosotis“ ins Leben gerufen und hegten und pflegten es wie ein kleines Kind, das langsam groß wird. „Viktoria, bist du soweit?“, rief ihr der Moderator der Abendsendung zu. „Ich komme schon!“ „Und nun zu den Nachrichten mit Viktoria Meinz“, kündigte der Moderator die junge Frau an. „Werte Zuschauer und Zuschauerinnen, haben sie schon etwas von der „Königin der Käfer“ gehört? Wahrscheinlich nicht, aber das soll sich jetzt ändern. „Königin der Käfer“ ist eine Gruppe von verschiedenen Communitys, wie LGBTQ+, Visual Kei, Punk und Gothic, die sich mit der eher unschönen Seite, wie dem Mobbing, das Teilen der Community widerfährt, auseinandersetzt. Bis jetzt ist es noch nicht gelungen herauszufinden, wer sich hinter den Gründern verbirgt oder wie groß diese Gruppe überhaupt ist. Dennoch scheinen sie Gutes zu tun, denn nun treten Opfer von Mobbing und anderen Angriffen auf die eigentliche Unantastbarkeit eines Menschen aus dem Dunkeln hervor und suchen sich Hilfe, beziehungsweise kämpfen für ihre Rechte, um sein zu können wer sie sind. „Königin der Käfer“ ist eine wundervolle Idee, die auch von Leuten, die nicht aus der Community kommen, unterstützt werden sollte. Am einfachsten, indem man diesen Leute mit demselben Respekt entgegenkommt, den man von anderen auch erwartet.“ ~*~ Grinsend blickte ich auf meinen Laptop. Myosotis, oder wie die Medien uns nannten, Königin der Käfer, entwickelte sich prächtig. „Ist alles in Ordnung, du grinst so?“, fragte Kanato mich, der sich hinter mir auf dem Sofa niederließ und seinen Kopf auf meiner Schulter ablegte. „Myosotis wird groß und auch unsere Community kommt aus sich heraus und wird selbstsicherer, sie akzeptieren sich selbst und fangen wieder richtig zu leben an.“, erklärte ich ihm. „Das freut mich, mon Chéri“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)