Black & Blue von Hinarika ================================================================================ Kapitel 2: Can´t be found ------------------------- „Warum wehrst du dich so dagegen, dass Kiba es erfährt?“ Shinos Frage ist berechtigt, aber sie wünschte, sie müsste dieses Gespräch nicht führen. Nicht jetzt und am liebsten nie. Er hätte ihr dunkelstes Geheimnis nie herausfinden dürfen und sie würde nahezu alles dafür geben, die Uhr ein paar Minuten zurückdrehen zu können, um ihr Zucken zu verhindern, als er seine Hand um ihren Arm gelegt hat. „Weil Kiba Naruto in der Hinsicht sehr ähnlich ist. Er würde sich kopflos auf meinen Vater stürzen und ich will nicht-“ „Dass sich einer von uns deinetwegen Schwierigkeiten einhandelt. Natürlich.“ Der Blick den er ihr über seine Sonnenbrille zuwirft, sagt genug aus. Sorge. Und die Liebe eines Bruders. „Man legt sich nicht einfach mit dem Oberhaupt des Hyuuga-Clans an. Und genauso widersetzt man sich nicht einfach seinen Regeln. Niemals und nicht ungestraft. Neji hat sich dem auch immer gefügt und er war schon immer der Stärkere von uns beiden. Wenn ich mich fügen würde, würde mir das auch einigen Schmerz und Ärger ersparen.“ „Warum tust du es dann nicht?“ Wer hätte gedacht, dass Shino spotten konnte. „Das hätte ich vermutlich, wenn ich Naruto nie getroffen hätte.“ . . . Zwei Wochen später Sie wird nie wieder denken, dass es schlimmer nicht mehr kommen kann. Nach vier Wochen Hölle mit all der Sorge und der Untätigkeit, waren die letzten zwei Wochen tatsächlich noch schlimmer. Die schlimmsten ihres Lebens und ausgerechnet jetzt, mitten im Nirgendwo, nahe der Grenze ihres Heimatdorfes, steht er nach all der Zeit plötzlich vor ihr. „Sasuke.“ Seinen Namen auszusprechen, hilft ihr auch nicht wirklich dabei zu realisieren, dass sie nicht halluziniert, weil sie seit Tagen nicht mehr geschlafen hat. Aber ihr ehemaliger Teamkamerad, Verräter ihres gemeinsamen Heimatdorfes und ihre große Jugendliebe, steht tatsächlich vor ihr. Sie dreht das Kunai in ihrer Hand, während sie abwägt, ob sie das noch den miesen Launen des Schicksals zuschreiben kann oder ob es zu theatralisch wäre zu behaupten, dass sich sämtliche höheren Mächte gegen sie verschworen zu haben scheinen. Seine Augen folgen ihrer unbewussten Bewegung und seltenes Amüsement zeichnet seine Züge. „Ich habe keine Absicht dich anzugreifen, Sakura.“ Sein Spott streckt ihre Haltung und sie hebt ihr Kinn herausfordernd. „Vielleicht will ich diesen Kampf aber.“ Er belächelt ihren Trotz lediglich und sie kann es ihm nicht einmal übelnehmen. Sie ist in einer miserablen körperlichen Verfassung und das ist ihm garantiert nicht entgangen. Statt ihr bedeutungsloses Geplänkel fortzuführen, für das ihr sowohl die Zeit als auch die nötigen Nerven fehlen, legt sie seufzend den Kopf in den Nacken. „Was um Kami-samas Willen suchst du hier?“ Sie sieht zurück zu ihm und sie weiß, auf eine Antwort zu warten, mit der sie etwas anfangen könnte, wäre wirklich töricht. „Weißt du was, vergiss es, egal was es ist, du musst sofort verschwinden! Wenn Neji dich sieht-“ „Tse, Hyuuga.“ Die typisch selbstgerechte Antwort entlockt ihr ein gereiztes Stöhnen. „Ich hab wirklich keine Zeit für deine Arroganz, Sasuke, also würdest du bitte einfach wieder gehen?“ „Nicht, bevor du mir sagst, was hier los ist.“ Sie nimmt an, dass er auf die zahlreichen Konoha-nin anspielt, die seit Wochen die Wälder durchkämmen. Immerhin verhalten sie sich nicht wirklich unauffällig, auch wenn sie alle die Anweisung haben, die Information, dass die Clanerbin der Hyuugas spurlos verschwunden ist, nicht über die Landesgrenzen hinauszutragen. Als würde ein solcher Skandal jemals lange geheim bleiben. „Tut mir leid, aber ich fürchte diese Information ist nur Konoha-nin zugänglich.“ Es ist ein mieser Seitenhieb, aber sie ist nicht in der Verfassung sich um Edelmut und Vergebung zu bemühen. Der Uchiha ignoriert die Anspielung gleichgültig. „Wo ist Naruto?“ Seine Frage entlockt ihr ein schmerzerfülltes Keuchen, das ihn augenblicklich misstrauisch die Stirn runzeln lässt. „Sakura?“ „Er ist im Krankenhaus.“ „Wieso?“ Sie weiß, dass sie ihm nicht antworten sollte. Sie sollte überhaupt nicht hier stehen und mit ihm reden. Aber seine Anwesenheit verstärkt den rauen Schmerz in ihrem Inneren und die Tatsache, dass er ernsthaftes Interesse an ihrem Teamkameraden zu haben scheint, macht es ihr unmöglich ihm Gleichgültigkeit vorzuspielen. „Er wurde-“ Obwohl sie ruckartig den Kopf zur Seite dreht, erkennt er den tiefen Schmerz in ihren feinen Gesichtszügen. „Es kann sein, dass er nie wieder aufwacht.“ Sie schließt die Augen, aber sie ist zu erschöpft, zu ausgelaugt, um ihre Emotionen vollständig kontrollieren zu können. Eine Hand auf ihrer Schulter lässt sie ruckartig aufsehen und sie begegnet überrascht tiefen, schwarzen Augen. Sie runzelt die Stirn, denn die Geste verwirrt sie. Es sieht beinahe aus, als würde er versuchen sie zu trösten und solange sie nicht einen ausgesprochen überzeugenden Doppelgänger vor sich hat, kann das unmöglich sein. Sie stählt schluckend ihre Beherrschung und schüttelt seine Hand ab. „Ich will deinen Trost nicht.“ Oder was auch immer es ist, das hinter seiner Geste steckt. Es ist eine schwache Lüge. Seit sechs Wochen hat sie alles darauf verwendet, jeden um sich herum davon zu überzeugen, dass sie stark genug ist, um das hier durchzustehen. Dass es keinen Grund gibt, sich auch noch um sie Sorgen zu machen. Sie ist schließlich nicht diejenige, die in einem Krankenbett liegt. Sie ist nur diejenige, die daran zerbrechen wird, wenn er nie mehr aufwacht. Sasuke macht einen Schritt auf sie zu und die Bewegung zieht ihre Aufmerksamkeit zurück auf ihn. Er steht so nah vor ihr, dass sie den Kopf in den Nacken legen muss, um seinem Blickkontakt zu begegnen. „Ich weiß.“ Sie kann sich kaum daran erinnern, worüber sie eben noch gesprochen haben. Ihre Erschöpfung holt sie im falschen Moment ein und sein Gesicht verschwimmt zusammen mit dem Hintergrund des Waldes vor ihren Augen. Seine Hand legt sich erneut auf ihre Schulter und dieses Mal lässt sie ihn. Statt weiter zu versuchen sich und ihm weiß zu machen, dass es ihr gut geht, lehnt sie ihre Stirn erschöpft gegen seinen Brustkorb und schließt für einen Moment die Augen. Nicht gewillt zu hinterfragen, was ausgerechnet Sasuke Uchiha dazu bewegt sich ihr gegenüber in diesem Moment so verständnisvoll zu verhalten, nimmt sie stattdessen den Trost an, den er ihr anbietet. Nur fünf Minuten. Seine Finger wandern von ihrer Schulter in ihren Nacken und entlocken ihr ein leises Seufzen. „Wenn der Teme-“ Er unterbricht sich, als er spürt, wie sich ihre Muskeln unter seinen Fingern anspannen, aber es ist zu spät und der Bann gebrochen. Sie tritt aus seinem Halt zurück und zwingt sich seinem Blick zu begegnen, als hätte sie sich nicht gerade in seine Arme gestürzt wie ein kleines, hilfloses Mädchen, das nach einem Retter sucht. Ihrem Verhalten folgend, ändert er seine Aussage ab. „Was machst du dann hier?“ Sie hat eigentlich nicht vor ihm zu antworten, aber seine Frage ist gerechtfertigt. Sie ist in den letzten Wochen kaum länger als eine Stunde von Narutos Krankenbett gewichen und jetzt trotzdem hier. „Hinata Hyuuga ist spurlos verschwunden. Sie hat das Dorf wohl freiwillig verlassen, aber seitdem hat sie niemand mehr gesehen oder etwas von ihr gehört. Ich musste zumindest versuchen, sie zu finden.“ Wenn sie schon sonst nichts für ihren besten Freund tun kann. „Der Baka hat also endlich die Augen aufgemacht und erkannt, was die kleine Hyuuga für ihn empfindet?“ Dieses Mal geht sie nicht mehr auf seine Worte ein. Ihre fünf gestohlenen Minuten sind um. „Verschwinde endlich, Sasuke.“ Sie ist in einem Suchtrupp mit Neji unterwegs und auch wenn sie sich vor einer halben Stunde aufgeteilt haben, um diesen Teil des Waldes schneller abzusuchen, grenzt es an ein Wunder, dass er noch nicht hier ist. Zu ihrer Erleichterung tritt der Uchiha tatsächlich einen Schritt zurück. „Wenn ich etwas über sie höre, lasse ich es dich wissen.“ Das schmale Schmunzeln um seine Lippen verwirrt sie und führt ihr törichtes Herz einmal mehr in die Irre. „Ich weiß ja, wo ich dich finde.“ „Du kannst nicht nach Konoha kommen.“ Die dämliche Feststellung halt in ihren eigenen Ohren nach und sie widersteht nur knapp der Versuchung sich die Hand vor die Stirn zu schlagen. Als hätte er vergessen, dass er ein gesuchter Nuke-nin ist. Sein Schmunzeln vertieft sich, nur ein bisschen, und dann ist er verschwunden. Sie ist gerade mal zehn Sekunden allein, bevor Neji an ihrer Seite aufsetzt. „Habe ich da gerade gesehen, was ich glaube gesehen zu haben?“ Sakura unterdrückt einen Fluch und wirft dem Hyuuga an ihrer Seite einen abschätzenden Blick zu. „Können wir einfach ignorieren, was auch immer du glaubst gesehen zu haben?“ „Sakura.“ Es liegt ein Tadel in seiner Stimme, der sie selbst dann aufregen würde, wenn ihre Grundstimmung nicht bereits gestresst und genervt wäre. „Komm schon, Neji, wir haben im Moment wirklich größere Probleme als ihn.“ Die Apokalypse liegt darin, dass er ihr nach einem kurzen Moment des Zögerns tatsächlich zustimmt. „Es bedeutet fast das Ende der Welt, dass das tatsächlich zutreffend ist.“ Er verbirgt es besser, aber er ist dennoch ebenso erschöpft und angespannt wie sie. Es mögen unterschiedliche Gründe sein, die sie antreiben, aber keiner von ihnen will mit leeren Händen nach Konoha zurückkehren. Doch mittlerweile haben sie beinahe das ganze Feuerreich abgesucht und nichts weiter gefunden als die Gewissheit, dass Hinata längst nicht mehr hier ist. . . . Fünf Tage später Sie rennt gehetzt durch die Straßen ihres Heimatdorfes, das unruhige Pochen ihres Herzens so laut in ihren Ohren, dass sie darüber hinaus nur Rauschen wahrnimmt. Nach der nächsten Kurve stolpert sie beinahe über ihre eigenen Füße, so schnell bremst sie ab, angesichts des Anblicks, der sich ihr offenbart. Da steht er tatsächlich. Acht Jahre nach seinem Verrat und absolut unbeeindruckt von dem beeindruckenden Aufgebot an Konoh-nin, die ihn zu allen Seiten umzingeln. „Sasuke.“ Sein Name verlässt sie so atemlos, wie sie sich nach dem kurzen Sprint eigentlich nicht fühlen sollte. Der Wind trägt die drei Silben mit ihrer ganzen Fassungslosigkeit zu ihm herüber und die volle Aufmerksamkeit seines dunklen Blicks fällt zum zweiten Mal in einer Woche auf sie. „Ich will ihn sehen.“ Ihre Kollegen lassen sie passieren und mit drei Schritten steht sie direkt vor ihm. „Bist du verrückt?! Du kannst hier nicht einfach auftauchen und-“ „Was, wenn ich verspreche zu bleiben?“ Für einen Moment hat sie Angst, es wäre nicht nur ihre Fassungslosigkeit über seine Worte, die sie aus dem Gleichgewicht bringt und der Boden könnte wirklich unter ihr nachgeben. Sie sieht in seine Augen und auch wenn sie nicht erwartet viel darin zu finden, sucht sie nach einem Anhaltspunkt, der sie glauben lässt, dass er seine Worte ernst meint. „Ist das dein Ernst?“ „Du solltest wissen, dass ich nichts von Witzen halte.“ Plötzlich ist es ihr vollkommen egal, dass ihr halbes Dorf sie beobachtet. Sie macht einen kleinen Schritt auf ihn zu, streckt sich auf die Zehenspitzen und schlingt in derselben Bewegung fest beide Arme um seinen Körper. Es sind ein paar merkwürdige Sekunden, bis er zögernd einen Arm um ihre Hüfte schlingt, aber nichts davon kümmert sie über die Tatsache hinaus, dass sie zumindest einen ihrer beiden Teamkameraden scheinbar wieder hat. Das Gemurmel um sie herum lässt sie mit einem Räuspern zurücktreten. „Du weißt schon, dass das nicht ganz so einfach sein wird, oder?“ „Der Baka hat mir die letzten acht Jahre jedes Mal, wenn wir uns begegnet sind, erzählt, dass ich unbedingt nach Konoha zurückkommen muss.“ Er mag es nicht beabsichtigt haben, aber es liegt dennoch in seinen Worten, dass ihm die Freundschaft zu Naruto nach all den Jahren doch noch etwas bedeutet. Genug, um heute hier aufzutauchen. Sie räuspert sich erneut, um ihre Rührung zu verbergen, fürchtet aber, dass dies ein hoffnungsvolles Unterfangen ist. „Ich bringe dich zu Tsunade.“ „Wenn es sein muss.“ Sie legen den Weg zum Hokageturm stumm zurück, denn obwohl ihr hunderte Fragen auf der Zunge brennen, kann sie sich doch zu keiner einzigen durchringen. Dieses eine Mal überlegt sie ernsthaft, ob es vielleicht besser wäre anzuklopfen, beschließt dann aber mit einem Schulterzucken, dass das den Schock dieser Situation auch nicht abschwächen würde. Also stößt sie die Türen in gewohnter Manier auf, aber es richtet sich nicht nur die Aufmerksamkeit der Hokage schlagartig auf sie. Sakura registriert mit minimaler Beunruhigung, dass sich einige der ranghöchsten Shinobi im Büro der Hokage versammelt haben. Tsunade tritt hinter ihrem Schreibtisch hervor, den Blick fest auf Sasuke gerichtet. „Ich war gerade auf dem Weg zur Dorfmauer, um mich zu überzeugen, dass meine Leute nicht halluzinieren.“ Ohne den Clanerben aus den Augen zu lassen, gibt sie den anderen Männern in ihrem Büro den lauten Befehl: „Lasst uns allein!“. „Tsunade-sama-“ „Ich sagte, lasst uns allein!“ Ihr Tonfall duldet keinen weiteren Widerspruch und die Männer verschwinden einheitlich. „Was hast du in meinem Dorf zu suchen, Uchiha?“ Der Clanerbe verschränkt mit einer beinahe gelangweilten Gelassenheit die Arme vor dem Oberkörper. „Das weißt du längst.“ „Oh, ich weiß, warum du hier bist.“ Ihr Blick wandert für einen Moment zu Sakura, die dicht neben ihm verweilt. „Und es spricht dafür, dass deine Teamkameraden Recht damit hatten, dich die letzten Jahre so energisch zu verteidigen und dafür zu plädieren, dass du den Rest deiner Menschlichkeit noch nicht verloren hast.“ Ein berechnendes Schmunzeln umzeichnet die Lippen der Godaime. „Aber wenn du etwas von mir willst, wirst du mich darum bitten müssen.“ Sakura unterdrückt ein Augenrollen und schickt gleichzeitig ein Stoßgebet Richtung Himmel, dass sie in den nächsten fünf Minuten nicht zwischen ihrem ehemaligen Teamkameraden und ihrer früheren Sensei landen wird, in dem Versuch die beiden davon abzuhalten, aufeinander loszugehen. Aber ihre Überraschung über sein unerwartetes Auftauchen wird von seinen nächsten Worten noch übertroffen. „Ich möchte wieder als Konoha-nin aufgenommen werden.“ Sie blinzelt mehrere Male perplex und weil sie befürchtet, ihr Mund könnte offen stehen, presst sie ihre Kiefer hart aufeinander. In diesem Moment wünscht sie sich Hinatas Fähigkeiten, um sicher zu gehen, dass sie keinen Doppelgänger vor sich hat. Doch der Gedanke an die junge Clanerbin ernüchtert sie gleichzeitig. Selbst Tsunade wirkt sichtlich überrascht angesichts der mangelnden Gegenwehr des Uchiha, aber sie verbirgt es besser. „Warum sollte ich dich wiederaufnehmen, statt dich einzusperren und für deine Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen?“ Das herablassende Schmunzeln um seine Züge entspricht dann wieder eher seinem Charakter. „Weil du so gut wie ich weißt, dass es schlauer ist mich als Verbündeten zu haben und nicht als Feind.“ Seine Worte hängen für einen Moment in der nachfolgenden Stille des Büros, während die Hokage ihn stillschweigend mustert. Aber die letzten Wochen sind auch an ihr nicht spurlos vorüber gegangen und den Clanerben noch ein wenig hinzuhalten, steht nicht auf ihrer heutigen Tagesordnung. „Ich verhänge eine dreimonatige Probefrist über dich, Uchiha. Wenn du auch nur einen Zeh außerhalb meiner Gesetze bewegst, ist diese Abmachung hinfällig und ich fälle ein Urteil über deine Verbrechen, ungeachtet der Tatsache, wer dann noch auf deiner Seite steht.“ Sie sieht erneut zu Sakura, dieses Mal in einer stummen Warnung, bevor ihr Blick wieder Sasuke fixiert. „Hast du dazu etwas zu sagen?“ Statt der Hokage, richtet dieser seine Aufmerksamkeit auf Sakura und wiederholt sein Anliegen in gewohnt herrischer Art. „Ich will ihn sehen.“ Sakura sieht zu ihrer Lehrmeisterin und diese nickt knapp. „Ich erlaube allerdings nicht, dass er sich zu irgendeiner Zeit alleine bei ihm aufhält.“ „Hai.“ • Nach all den Wochen ist es keinesfalls leichter geworden, ihn so zu sehen. Es versetzt ihr jedes Mal einen Stich, gezielt zwischen die Rippen und so schneidend, dass sie in den ersten Sekunden immer um ihren Atem ringt. Sie richtet ihre Aufmerksamkeit auf Sasuke, dessen Miene im ersten Moment so stoisch wie gewohnt wirkt, als er an das Krankenbett tritt, das seinen ehemaligen Teamkameraden beherbergt. Seine Züge sind regungslos, bis auf das verräterische Zucken seiner Wangenmuskeln, die über seinem angespannten Kiefer liegen. „Wie konnte das passieren? Ich meine, hätten ihn Kyuubis Fähigkeiten nicht längst heilen sollen?“ „Eigentlich ja.“ Was genau der Grund ist, der sie und Tsunade am meisten beunruhigt. „Ich war mit ihm auf der Mission, aber ich habe nicht gesehen, was passiert ist.“ Die Tatsache, dass sie so nah bei ihm war und ihm dennoch nicht helfen konnte, verfolgt sie seit Wochen in den wenigen Nächten, die sie bisher geschlafen hat. „Auf einmal hat die Erde unter uns gebebt und uns auseinandergerissen. Es war kein natürliches Erdbeben, es war fast, als… hätte der Boden unter uns ein Bewusstsein entwickelt. Felsen flogen durch die Luft, Bäume sind gezielt in unsere Richtung gestürzt und haben uns einen nach dem anderen ausgeknockt.“ Sein kalkulierender Blick wandert zurück zu ihr. „Du glaubst, dass jemand die Erde kontrolliert hat?“ „Ich habe so etwas noch nie gesehen. Aber ich habe eine Energie gefüllt mit einem Ausmaß, das-“ Zwei schnelle Schritte bringen ihn direkt vor sie und zwingen sie zu ihm aufzusehen. „Bring den Gedanken zu Ende.“ „Es hat sich beinahe so angefühlt, wie das Chakra des Fuchses.“ Ihre Worte sind nur ein Flüstern und fast wünscht sie sich, sie könnte das Geständnis zurücknehmen. Sie hat diese Vermutung bisher nur Tsunade gegenüber erwähnt. „Du glaubst es war ein anderer Bijuu?“ Er runzelt skeptisch die Stirn. „Das ist-“ Aber sie unterbricht ihn, bevor er seinen Satz beenden kann. „Theoretisch unmöglich, ich weiß.“ Sie sinkt in den Stuhl neben Narutos Bett und legt ihre Hand um seine, vorsichtig darauf bedacht die Nadel, die in seinem Handrücken steckt, nicht zu berühren. „Ich halte mehr von Fakten, als von Glauben. Und ich weiß, dass es ein ähnlich mächtiges Wesen braucht, um Naruto so schwer zu verletzten, dass nicht einmal der Fuchs ihn aus diesem Zustand holen kann.“ Sasuke lehnt mit verschränkten Armen gegen die Wand und scheint über ihre Worte nachzudenken und sie belässt es zunächst bei der Stille, die sich damit über sie hängt. Doch nach einer halben Stunde mit nichts als den Geräuschen der Maschinen um sie herum, erträgt sie das Schweigen nicht länger und erhebt sich, um ihre angespannten Muskeln ein wenig zu lockern. „Hast du schon eine Idee, wo du wohnen wirst?“ Sie kann sich nicht vorstellen, dass er vorhat, gleich ins Uchiha-Viertel zurückzukehren, das nach all den Jahren mehr einer Geisterstadt gleicht als dem edlen Stadtteil, das es einmal war. „Hn.“ Seine gewohnte Einsilbigkeit lässt sie die Augen rollen und gleichzeitig trifft sie eine Entscheidung, ohne diese länger zu hinterfragen. „Ich kann dir den Schlüssel zu meiner Wohnung mitgeben.“ Seine dunklen Augen fallen musternd auf sie und obwohl es ihr lächerlich erscheint, kann sie die Nervosität, die mit seiner unerwarteten Anwesenheit einhergeht, nicht abstellen. Ihr Herz scheint sich nach einer halben Stunde immer noch nicht eingekriegt zu haben und das rasche Pochen verlangt ihrem Körper zusätzliche Energie ab, die sie nach den letzten Wochen zweifellos nicht mehr zur Verfügung hat. „Wieso?“ „Ich schlafe normalerweise hier.“ Obwohl eine weitere überwiegend schlaflose Nacht im Krankenhaus alles andere als reizvoll wirkt, kann sie sich doch kaum dazu durchringen ihren besten Freund länger als eine Stunde allein zu lassen. Seine dunklen Augen wandern abschätzend über ihren Körper, fast so, wie sie es normalerweise mit ihren Patienten macht, wenn diese nicht in Worte fassen können, was genau ihnen fehlt. Sie braucht keinen Spiegel, um zu wissen, was er sieht. Die Ringe unter ihren Augen sind nicht mehr zu kaschieren, auch wenn sie sämtliche Tricks für dieses Unterfangen kennt und ihre Kleider hängen lockerer als gewohnt an ihrem Körper, weil Essen es genau wie Schlaf in den letzten Wochen nicht ausreichend auf ihre Prioritätenliste geschafft hat. „Ich gehe, wenn du gehst.“ Ihre Augenbrauen wandern beträchtlich über ihre Stirn nach oben und sie zwingt sich, innezuhalten und nicht gleich mit der erstbesten Erwiderung, die ihr auf den Lippen liegt, herauszuplatzen. Doch so sehr sie sich auch bemüht, hat sich eines nach acht Jahren offensichtlich immer noch nicht verändert: Sie wird aus seinem Verhalten keineswegs schlau. „Das ist lächerlich.“ Die Art wie er in perfektionierter Skepsis ebenfalls eine Augenbraue in die Höhe zieht, verrät ihr jedoch zweifellos, dass er ihr Verhalten lächerlich findet. „Du kannst im Moment nichts für ihn tun.“ Es ist die Sache, die sie seit Wochen quält. Neben seinem Zustand ist ihre eigene Untätigkeit das, was sie am wenigsten erträgt. Sie ist Medic-nin geworden, um anderen zu helfen und ihre Freunde zu beschützen und aufgrund dieser Motivation ist sie auch so verdammt gut in ihrem Beruf. Dass ihr dies jetzt ausgerechnet bei ihrem besten Freund verwehrt wird, frisst sie auf. Sie wendet sich von Sasuke ab, um ihn nicht sehen zu lassen, dass er mit seinen Worten einen ausgesprochen wunden Punkt getroffen hat und tritt mit sanften Schritten an das Krankenbett heran und schlingt ihre Finger um Narutos. „Er soll wissen, dass er nicht allein ist.“ „Nicht einmal der Dobe ist ein solcher Idiot, dass er das nicht weiß.“ Die Wiederbelebung der freundlichen Spitznamen, die sie früher füreinander hatten, lässt sie die Augen schließen, um die Rührung in ihren tiefgrünen Iriden zu verbergen. Nicht einmal sie hätte viel Geld darauf verwettet, dass der Uchiha sich noch an derartige Kindereien erinnern würde. „Wenn du heute Nacht gehst, lasse ich dich morgen hierbleiben.“ Sie hätte wissen müssen, dass Nachzugeben immer noch nicht seiner Natur entspricht. Aber ihr liegt es beinahe ebenso wenig. „Ich wusste nicht, dass du zurückgekommen bist, um mich herumzukommandieren.“ „Irgendwer muss es ja tun.“ Das minimale Schmunzeln um seine Lippen mag schmal und unauffällig sein und erzählt doch ganze Geschichten voller Arroganz und Herablassung. „Und ich glaube nicht, dass es hier viele gibt, von denen du dir noch etwas sagen lässt.“ Der Herausforderung nicht abgeneigt, hebt sie herausfordernd ihr Kinn. „Was lässt dich glauben, dass ich mir dann ausgerechnet von dir etwas sagen lasse?“ Ihre grünen Augen verfolgen aufmerksam, wie er mit eleganten Schritten den Raum durchquert und in einem Abstand vor ihr stehen bleibt, der gerade noch als angemessen gilt, sie aber dennoch zwingt zu ihm aufzuschauen. „Ich kann sehr überzeugend sein.“ Es mag Einbildung sein, aber seine Stimme erscheint ihr einen Ticken rauer als vorher und die Gänsehaut auf ihren Armen bildet sie sich keineswegs ein. „Ach ja?“ „Ja.“ „Also, wenn es deine Wortgewandtheit ist, die mich überzeugen soll, überlegst du dir besser schnell was anderes.“ „Ich habe andere Methoden.“ „Was-“ Doch bevor sie ihn nach besagten Methoden fragen kann, bewegt er sich und greift mit den Reflexen eines Elite-Shinobi nach ihr. Und ihre Senseis mögen ihr ihre miserable Reaktionszeit verzeihen, aber sein Manöver ist schlichtweg das letzte, was sie in diesem Moment von ihm erwartet hat. Seine Hände schlingen sich um ihre Hüften und heben sie so ruckartig an, dass das weiße Krankenzimmer vor ihren Augen verschwimmt. Ihr Atem verlässt sie mit einem abrupten Keuchen, als er sie über seine Schulter wirft wie einen Sack Kartoffeln. Bis sie wieder Luft in ihre Lungen bekommt und ihre Fassungslosigkeit so weit herunterschluckt, dass sie sich wieder in der Lage sieht, Laute zu Worten aneinanderzureihen, strebt er bereits die Tür an. Eine Tür, hinter der sich ein vollbesetztes Krankenhaus befindet, dessen stellvertretende Leitung sie zufällig innehält. „Bist du verrückt geworden?!“ „Das haben mir schon so manche vorgeworfen.“ Seine Gelassenheit steigert ihre Fassungslosigkeit, aber sie wehrt sich dennoch gegen seinen Halt. „Sasuke! Lass mich runter!“ Stattdessen festigt er seinen Halt um ihre Beine und macht ihr damit eindringlich bewusst wie nah sie dieses verquere Unterfangen einander gebracht hat. „Wirst du dann selbstständig nach Hause laufen?“ Die schöne Medic-nin grummelt eine drohende Verwünschung. „Ich werde dir unter Garantie weh tun, wenn du mich nicht sofort absetzt!“ Eher zu ihrer Überraschung, leistet er ihrem Widerspruch tatsächlich folge. Doch die Art, wie er sie absetzt, lässt ihren Atem beinahe schmerzhaft in ihrem Brustkorb stocken. Statt sie abzusetzen, wie er sie hochgehoben hat, setzt er sie so langsam ab, als wollte er sein vorheriges, abruptes Handeln entschuldigen – was zweifellos nicht der Fall ist. Vor allem, weil er sie nicht vor sich absetzt, sondern ihren Körper betont langsam zu Boden gleiten lässt, mit jedem Zentimeter gegen seinen gedrückt. Die körperliche Nähe, gleichermaßen unerwartet wie intensiv, stiehlt ihr erneut die Luft aus den Lungen und jeden bewussten Gedanken gleich mit. Alles, was sie wahrnimmt ist sein Körper gegen ihren, die Wärme, die von ihm ausgeht und sein Herzschlag, den sie unter ihren Fingerspitzen fühlt. Seine Hände ruhen nur noch locker auf ihrer Hüfte, aber weil sie nicht in der Lage ist daran zu denken, von ihm wegzutreten, verweilen ihre Körper dicht aneinander gedrängt, selbst als ihre Zehenspitzen längst wieder den Boden berühren. Seine dunklen Augen starren eindringlich in ihre und das Schmunzeln um seine Lippen hat sichtbar eine andere Färbung als zuvor. „Du wirst mir weh tun, mhm?“ Sie schluckt, aber ihre Stimme schwankt glücklicherweise nicht so sehr wie der Rest ihres Körpers. „Willst du mir unterstellen, dass ich dazu nicht in der Lage bin?“ Er senkt den Kopf ein wenig, ohne seinen Blick von ihrem zu nehmen und sie spürt jedes seiner nächsten Worte bis in die Knochen, als sein Atem über ihre Haut tanzt. „Willst du es ausprobieren?“ Ihr Körper zittert spürbar und so nah wie sie einander sind wäre es töricht anzunehmen, dass ihm ihre Reaktion entgeht. Mit reichlich Verspätung meldet sich ihr Verstand wieder zurück und drängt sie zu einem sofortigen, strategischen Rückzug. Sie tritt aus seinem Halt zurück und dreht ihm in derselben Bewegung den Rücken zu. „Schön! Lass uns gehen.“ • In normalem Tempo braucht man zwanzig Minuten vom Krankenhaus zu ihrer Wohnung, aber ihr Herz pocht immer noch so unruhig in ihrer Brust, als wäre es erst zwei Minuten her, dass sie ihm so nah war, wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Er dagegen ist die personifizierte Ruhe zwei Schritte neben ihr. Aber als sie die Tür zu ihrer leeren, dunklen Wohnung aufschließt, beschleunigt sich ihr Herzschlag nur, als ihr klar wird, wie wenig sie diesen genialen Einfall durchdacht hat. Sie legt den Lichtschalter um und bereut es, als das grelle Licht die Kopfschmerzen verstärkt, die sie schon seit Tagen nicht abschütteln kann. „Ich fürchte, ich habe kein Gästezimmer-“ „Ich habe an schlimmeren Ort geschlafen, als auf deiner Couch, Sakura.“ Die Couch, richtig. „Ich hole dir eine Decke.“ Sie überlässt es ihm ihre Wohnung auf eigene Faust zu erkunden und flüchtet sich in ihr Schlafzimmer, um dort nach einer Decke, aber vor allem auch nach ihrer Fassung zu suchen. „Du machst dich lächerlich.“ Die Tatsache, dass sie wieder mal Selbstgespräche führt, verstärkt den Selbstvorwurf auf bizarre Art. Die unerwartete Anwesenheit ihres ehemaligen Teamkameraden bringt Emotionen zurück, von denen sie nicht erwartet hat, dass sie noch da sind. Nicht in diesem Ausmaß, nicht nach all der Zeit. Das Pochen hinter ihren Schläfen nimmt ein derart schmerzhaftes Ausmaß an, dass sie ihre Finger an ihre Stirn legt und ihr Chakra aktiviert, um sich selbst Linderung zu verschaffen. Sobald die Schmerzen nachlassen, spürt sie jedoch auch das volle Ausmaß der Erschöpfung ihres Körpers und beschließt die Analyse des neuen Chaos in ihrer Gefühlswelt auf den morgigen Tag zu verschieben. Sie zieht eine Decke aus dem Schrank und lenkt ihre Schritte zurück ins Wohnzimmer, wo sie Sasuke vor den gerahmten Bildern findet, die einen Teil der großflächigen Wand dekorieren. Seine Augen sind auf dem Bild in der Mitte hängen geblieben, das ihren gemeinsamen Anfang als Genin in Team 7 dokumentiert hat. Sie war immer der Meinung, dass ihre damaligen Charaktere auf dem Schnappschuss beeindruckend zutreffend eingefangen wurden. Es sind bittersüße Erinnerungen, aber es ist trotzdem immer ihr Lieblingsbild gewesen. Jetzt vermischt sich das fröhliche Grinsen auf Narutos Lippen jedoch mit seinem regungslosen Abbild in einem Krankenbett und zum ersten Mal wendet sie ihren Blick seinetwegen von der Fotografie ab. „Brauchst du noch was?“ „Hn.“ Auch wenn das ihren Kopfschmerzen nicht förderlich ist, verdreht sie die Augen. Wenn sie ihn nicht kennen würde, hätte sie es nie für möglich gehalten, dass man mit einem einzigen Laut sowohl Zustimmung als auch Ablehnung kommunizieren kann und alles, was dazwischen liegt. Während ihm eine Silbe reicht, tanzen so viele mögliche Wörter durch ihren Kopf, dass sie sich auf keines festlegen kann. Bevor sich ihre Zunge löst, um ihm zu sagen wie froh sie ist, dass er hier ist oder ihr Herz mit der Bitte herausplatzt, dass er ihre Heimat nie wieder verlässt, belässt sie es bei der simpelsten Aussage, die sie im Moment findet. „Schlaf gut.“ • Nach einer Stunde schlägt sie die Decke gereizt zur Seite und schwingt ihre Beine über die Bettkante. Statt noch länger zu versuchen nach Schlaf zu suchen, lehnt sie sich gegen die kühle Fensterscheibe und verflucht die Ironie, dass jede Zelle ihres Körpers vor Erschöpfung bebt und ihr Verstand sie gleichzeitig nicht schlafen lässt. Das leise Klopfen an ihrer Tür, schreckt sie aus ihren Gedanken. Für einen Moment hat sie tatsächlich vergessen, dass sie nicht allein in ihrer Wohnung ist. Sasuke betritt ihr Schlafzimmer, ohne darauf zu warten, dass sie ihn hereinbittet. „Warum schläfst du noch nicht?“ Sie sieht seine Umrisse in der Scheibe und belässt es dabei, statt sich zu ihm umzudrehen. „Ich kann nicht.“ Sie sieht zu, wie er den Raum durchquert, bis er so nah hinter ihr steht, dass sie die Wärme spürt, die in dem kühlen Raum spürbar von seinem Körper ausgeht. „Du meinst, du willst nicht.“ Es ist eine Mischung aus beidem, aber sie sieht keine Veranlassung dazu, dies mit ihm zu diskutieren. Statt auf seine Worte einzugehen, sucht sie seinen Blick in seinem schummrigen Spiegelbild. „Wenn er morgen aufwacht, wirst du dann wieder gehen?“ Er antwortet ihr zunächst nicht und sie dreht sich zu ihm, um ihn direkt ansehen zu können. Es ist eine Frage auf die sie eine Antwort braucht und sie öffnet ihre Lippen, um ihm eben das klar zu machen, als er Worte ausspricht, die jede geplante Silbe in ihrem Hals stecken bleiben lassen. „Ich bin nicht nur wegen Naruto zurückgekommen.“ Ihr Mund fühlt sich plötzlich staubtrocken an, aber sie ringt das Bedürfnis auffällig zu schlucken nieder. „Wieso dann?“ „Das weißt du.“ Sie schüttelt ablehnend den Kopf. „Dich zu durchschauen ist nicht wirklich einfach, selbst wenn man es so lange versucht wie ich.“ Sein dunkler Blick hält ihren schonungslos gefangen und sie weiß, dass er erwartet, dass sie selbst darauf kommt, was sich hinter seinem starsinnigen Schweigen verbirgt. Ihr Herz pocht hämmernd gegen ihren Brustkorb, aber ihr Verstand weigert sich anzuerkennen, was es ihm mitteilen will. „Warum bist du zurückgekommen?“ Sie erwartet nicht, dass er ihr dieses Mal eine Antwort gibt. Aber er überrascht sie erneut. „Weil du mich brauchst.“ Sie hätte wissen müssen, dass ihr seine Antwort nicht gefallen würde, wenn sie ihn zu einer drängen würde. Seine Worte beschleunigen das ohnehin beängstigend rasche Pochen ihres Herzens, aber sie ringt die Emotion, die durch ihren Körper pulsiert nieder und reckt trotzig ihr Kinn. „Das hat dich die letzten Jahre auch nicht interessiert.“ „Du bist die letzten Jahre wunderbar zurecht gekommen.“ Ihr Stolz drängt sie dazu, ihm zu versichern, dass sie auch weiterhin alleine zurecht gekommen wäre. Aber ihr Körper wählt diesen Moment, um ihre Schwäche noch ein wenig offensichtlicher zu machen und lässt sie unter ihrer Erschöpfung straucheln. Seine Arme schließen sich fest um ihre Hüfte und erhalten ihr Gleichgewicht. Sie sieht zurück in seine Augen und fährt sich mit der Zunge über die Lippen, aber bevor sie sich entscheidet, ob sie es über sich bringt ihm zu danken, hebt er sie ein zweites Mal an diesem Abend hoch. Sie sieht sich schon unsanft auf ihrer Matratze landen, aber stattdessen bewegt er sich mit ihr durch den Raum und senkt seinen Körper parallel zu ihrem auf ihr Bett. Die Matratze drückt ihren Körper gegen seinen und lässt ihren Atem ein weiteres Mal unsanft in ihrem Brustkorb stocken, während ihre Augen erstarrt an seinen hängen bleiben. So dicht bei ihr, dass sie jede noch so kleine Narbe erkennen kann, die sein Gesicht über die Jahre gezeichnet hat. „Schlaf, Sakura.“ Er macht Anstalten sich zu erheben, doch der Griff ihrer Finger um sein Oberteil hält ihn zurück. Sie denkt keine Sekunde über ihre Worte nach; es ist beinahe ein Impuls, mit dem sie über ihre Lippen brechen. „Geh nicht.“ Es ist eine Schwäche, für die sie sich morgen vermutlich schämen wird. Aber im Moment ist sie zu erschöpft und gelinde gesagt zu verzweifelt, um das Eingeständnis zu bereuen. „Sakura-“ Sie unterbricht ihn, will nicht hören, welche Antwort er plant und offenbart noch ein wenig mehr, in der steten Befürchtung, dass er sie einmal mehr zurückweisen wird. „Ich will nur nicht allein sein.“ Das Zögern weicht aus seinen Augen und er antwortet mit einem knappen Nicken, bevor er sich neben sie auf die Matratze sinken lässt. Sie rutscht zurück, um ihm Raum zu geben und bemüht sich ihre Überraschung darüber, dass er ihrer Bitte ohne weitere Diskussion gefolgt ist, überzeugend zu kaschieren. Sie muss wirklich einen erbärmlichen Anblick abgeben. Oder vielleicht wollte er auch einfach nicht auf der Couch schlafen. Die Stimmen in ihrem Kopf verfluchend, greift sie nach der Decke in ihrem Rücken, aber warme Finger schließen sich über ihre und ziehen ihr den Stoff aus der Hand. Dieses Mal gibt sie bereitwillig nach, lässt den Stoff los und ihre Augen suchen ungläubig nach einem Anhaltspunkt in seinen, während er die Decke über sie beide zieht. In der Dunkelheit kann sie kaum mehr als seine Umrisse erkennen, aber selbst unter besserem Lichteinfluss hätte sie wahrscheinlich nicht mehr in seiner Mimik erkannt. Ihr steter Begleiter der letzten Wochen, anhaltende Erschöpfung, meldet sich hartnäckig zurück und lässt sie trotz der spürbaren Nähe des Mannes vor ihr die Augen schließen. „Schlaf.“ Es ist nur ein leises Murmeln, aber er lässt selbst das wie einen Befehl klingen. Doch dieses Mal entscheidet ihr Körper über ihren trotzigen Verstand hinweg, der Aufforderung folge zu leisten und lässt sie in einen traumlosen Schlaf hinübergleiten. . . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)