Spiel ohne Limit von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 89: ------------ Es war soweit. Sie durfte sich nichts vormachen. Illusionen waren trügerische Hoffnungen, für welche es keinen Platz in der Welt von DuelMonsters gab. Verzweiflung war da schon eher gefragt, ein Gefühl, in das man hineintauchen und vollends verschwinden konnte. Nur, dass Rin keine Verzweiflung verspüren wollte. Egal, wie sehr dieses Empfinden an einem nagte, es zu sich lockte und süße Versprechungen von Erleichterung säuselte, ihr Kopf wollte nicht aufgeben. Dabei war sie weit gekommen - bis in die Endrunden. Ein Neuling, dessen Namen niemand gekannt hatte, der ohne Beachtung durchs Leben geschritten war. Von dem niemand etwas erwartet hatte. Vier Monate war sie unaufhaltsam nach vorne geprescht, hatte nie das Tempo gedrosselt, nie ihr Limit gezügelt. Ihre Siegerquote war einmalig. In einer Geschwindigkeit, die sonst Ausnahmetalenten wie Yugi Muto oder Ishizu Ishtar vergönnt gewesen war, hatte sich Rin bis in die erste Liga geboxt. Hatte alles erduldet, was einen »echten« Duellanten ausmachte. So viele virtuelle Duelle, so viele neue Herausforderungen - nichts erinnerte an die alten Zeiten, in denen die junge Frau von Minijob zu Minijob getingelt war, eine Absage nach der nächsten erdulden musste und wieder einmal enttäuscht vor ihren Sammelboxen eingeschlafen war. Der Worldcup hatte alles verändert. Eine winzige Chance, ein Zufall, ein flüchtiger Moment im Rad des Schicksals hatte ihr eine Möglichkeit aufgetan. Also hatte Rin gekämpft, hatte mit den Zähnen gefletscht und ihren Gegnern gelehrt, dass sie sie niemals hätten unterschätzen dürfen. Dass sie es bis ins finale Spiel der Endrunden schaffen würde, hätte sich Rin nicht zu träumen gewagt. Noch vor ein paar Monaten hatte sie alles geben, sich nie unterkriegen lassen wollen, und war stets davon überzeugt gewesen, dass sie nicht viel brauchte, um glücklich zu sein. Dass sie sich geehrt fühlen konnte, überhaupt dabei sein zu dürfen. Eigentlich wäre es keine Schande, die erste Niederlage während des ersten finalen Duells einzustecken. Sie hatte bewiesen, dass sie das Zeug zum Duellanten hatte. Sie hatte die ersten Hürden gemeistert und keiner nähme es der jungen Frau übel, von einem Champion geschlagen worden zu sein. Warum also nicht mit Würde abziehen, Buster Klingenkämpfer, Drachenzerstörer-Schwertkämpfer seine Arbeit walten lassen und nach Hause gehen? Ein Blick in die Augen ihres Gegners und Rin wusste, dass es keine Würde für den Verlierer gäbe. Yoshi hatte das Spiel unter seiner Kontrolle, verhöhnte die letzten Monate, die sich Rin mühsam aufgebaut hatte und setzte mit seinem Lächeln noch eins oben drauf. Nein, sie wollte nicht so knapp vor dem Finale aus dem Worldcup fliegen, schon allein, weil sie sich geschworen hatte, Yoshi zu besiegen. Nicht einmal das schaffe ich. Am Ende bin ich nur das Mädchen mit der großen Klappe… In ihrem Kopf ratterte es unentwegt. Diesen grünhaarigen Heini zu schlagen, hatte sie sich zur Aufgabe gemacht - nur wusste sie nicht, wie sie ihr Schicksal, diese unaufhaltsame Niederlage, noch abwenden sollte. Wie sie überhaupt noch das Ruder herumreisen konnte, wenn ihr Gegner Buster Klingenkämpfer hieß. "Hartnäckig bist du ja, das muss man dir lassen", Yoshis Lachen hatte sich in Rins Nervenzentren eingebrannt. Ihr Kopf drohte zu platzen, die Konzentration war auf Maximum geschaltet, dass alles andere hinten anstehen musste. Allmählich drückten die Füße, das fast bewegungslose Stehen tat sein Übriges, dass Rin kurz vor einem Krampf stand. Ohne auf die Bemerkung des Grünhaarigen einzugehen, blickte die junge Frau auf ihre Karten. Ein zusammengewürfelter Haufen unbedeutender Zauber und Fallen. In der richtigen Kombination mächtig, doch gegen Buster brauchte sie etwas weitaus Aggressiveres - und Effektiveres. "Wenn ich raten müsste", redete Yoshi weiter, nachdem er seinen Zug begonnen hatte, "würde ich sagen, dir gehen die Ideen aus. Tja", er zuckte mit den Schultern, "so ist das, wenn man nichts Eigenes zustande bringt. Die Drachennummer ist eben nur was für echte Profis." Er legte zwei Karten verdeckt auf das Feld. "Ich kann es dir nur anbieten: gib' auf. Ich meine, du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass noch irgendein Wunder passiert", Yoshi schüttelte den Kopf, sein Lachen klang wie das eines Kleinkinds, das Schluckauf hatte. "Deine Verteidigung ist am Ende und sobald ich meinen nächsten Zug gemacht habe, wirst du dir wünschen, dass du auf Knien um Gnade gefleht hättest. Haha." "In deinen Träumen", knurrte Rin und deckte ihre letzte Karte auf. "Ich spiele Auswanderungsprophezeiung! Sie erlaubt es mir, zwei meiner Monster vom Friedhof zurück in mein Deck zu mischen." "Sinnlos!", Yoshi riss amüsiert die Augen auf, "selbst jetzt ist mein Klingenkämpfer noch unbezwingbar." Zweitausend Punkte schienen tatsächlich keinen Unterschied zu machen. Egal ob 6800 oder 4800 Atk - der Drachenzerstörer-Schwertkämpfer war jedem anderen Monster weitaus überlegen. Ganz zu schweigen davon, dass er das einzige Monster auf dem Feld war. Die junge Frau reagierte immer noch nicht. Es war ihr gleich, was Yoshi sagte. Jeder weitere Spruch änderte nichts an der verzwickten Lage, an der Wahrheit, die wie Warzen aus seinen bissigen Kommentaren heranwuchsen. Stattdessen ließ sie ihren Gegenüber seine Überlegenheit ausleben. Ohne Konter verging dem Grünhaarigen schnell die Lust am Lachen und so dauerte es nicht lang, da hatte Yoshi genug. "Dann wollen wir diese Runde mal beenden", entgegnete er und drängte Rin dazu, ihren Zug zu machen. Was hab ich denn für eine Wahl Sie legte die Hand auf ihr Deck Selbst wenn ich in der nächsten Runde keine Monster beschwöre, werde ich dieses Spiel verlieren. Außerdem Für einen Moment schloss sie die Augen. Wie lange soll das so weitergehen? Ich kann mich nicht ewig verstecken. Irgendwann spielt er ein weiteres Monster oder…nein, ich will kein Feigling sein, ich will- "Egal was du auch tun wirst", Yoshis Stimme drängte sich bis in ihr Unterbewusstsein, "im nächsten Zug schnappe ich dich!" Eine seiner verdeckten Karten begann zu blinken. Nicht einmal ihren Zug schien er abwarten zu wollen, als er auch schon die Main-Phase einläutete. "Betrachte es als Geschenk", er offenbarte die Fallenkarte freilaufende Monster. Praktisch für diejenigen, die ohne Monster in die Verteidigung gingen. Aber im Augenblick gab es nur eine Spielfeldseite, die Buster schutzlos ausgeliefert war - und das war auch gut so. "Pass' auf", rief er aus und erläuterte für den letzten Unwissenden seinen Plan, "ich beschwöre Edler Ritter-Schildträger. Aber nicht für mich, oh nein!" Rins Monsterzone leuchtete auf. Der Krieger erhob sich vor ihr und rammte mit voller Wucht seinen nutzlosen Schild in den Boden. Achthundert Angriffspunkte - Yoshi hatte wohl einen großzügigen Tag. Seine Laune war kaum zu toppen, er strahlte wie ein Kind an Weihnachten. "Natürlich kannst du mein Monster nach Belieben opfern", er machte eine wegwerfende Handbewegung, "es ist völlig egal, was du unternimmst. Sobald mein Buster dich angreift, ist es endgültig gelaufen." Er hat recht. Ich habe kein Monster in meiner Hand und selbst wenn ich eins ziehe, wird es nicht stark genug sein. Sie krallte die Nägel in die Karten. Es gab ein leises, quietschendes Geräusch. Nägel auf einer Schultafel waren da noch harmlos, doch Rin empfand nichts, als ein Schauder ihre Haut durchbohrte. Alle meine nützlichen Zauberkarten sind auf dem Friedhof. Ich kann nicht einmal Schildkrieger aufboostern. Selbst wenn ich wollte, kann ich nichts unternehmen. Bin ich…bin ich wirklich so schwach? "Rin!" Verdammt. Was soll ich tun? Was kann ich denn überhaupt noch tun? "Rin!" Egal, was ich auch mache, Yoshi hat genau die richtige Karte, um meinen Angriff zu verhindern. Der Typ hat es irgendwie geschafft, hinter meine Strategie zu kommen…Es ist wie verhext. "Rin!!!" Vielleicht muss ich mich damit abfinden, dass ich ihm nicht gewachsen bin. Vielleicht hat sie recht…vielleicht bin- "Riiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin!!!!!!!!!!!!!!" Aber…das- Der schrille Schrei ließ ihren Kopf herumwirbeln. Wenn ihre Ohren schon nicht glaubten, was sie hörten, begriffen es die Augen noch weniger. Zwischen den Zuschauerrängen, genau dort, von wo Rin gekommen war, sich dem Stadion und der ganzen Welt gezeigt hatte, stand ihre beste Freundin. Die Haare ein einziges Krähennest, dazu die schwarze Jacke mit den unzähligen Nieten, die sie sich um die Hüften gewickelt hatte und selbst im Stehen nicht aufhören wollten, sich wie ein Glockenspiel hin und her zu bewegen - ja, das war ohne Zweifel Lumina. Dass sie um ihr Leben gelaufen sein musste, verrieten nicht nur die dunkelroten Wangen - oder die Atemzüge, die an eine alte Dampflok erinnerten. "Rin!", kreischte Lumina ein zweites Mal und endlich begriff die junge Frau, dass ihre beste Freundin keine Illusion war. Ebenso wenig wie Mokuba keine Halluzination sein konnte. Der junge Kaiba stand nur unweit hinter Lumina, die Hände in die Hüften gestemmt, versuchte er wieder zu Atem zu kommen. Von wo die beiden gekommen waren, würde die junge Frau wohl nicht erfahren. Dass sie wie irre umhergelaufen sein mussten, sah selbst ein Blinder. Rin hatte nicht die Nerven, darüber nachzudenken, was die beiden ins Stadion geführt hatte, geschweige denn warum sie inmitten der Zuschauerränge, quasi in der Schlusslinie des Geschehens standen. Denn nicht nur Rin hatte die zwei im Visier. Im Stadion war es ungewöhnlich still geworden. Nicht die Art von Stille, die einen an den Tod erinnern soll. Da die Zuschauer einen Heidenlärm veranstalten, indem sie mit Rasseln und anderen improvisierten Instrumenten für Unterhaltung sorgten, blieb die Halle kein einziges Mal ruhig. Doch diejenigen, die einen Zusammenhang zwischen der fremden Schwarzhaarigen und der Duellantin sahen, hatten sich zurückgenommen. Verwunderte Blicke ruhten auf dem ungewöhnlichen Eindringling, und dass Mokuba Kaiba wie ein Beschützer hinter ihr stand, machte die Sache nicht gerade logischer. Natürlich war nicht jeder plötzlich zu der Erkenntnis gelangt, lieber mal den Mund zu halten, doch waren es genug, um Luminas Worte nicht im Sog der Massen ertrinken zu lassen. Auch Lumina schien bemerkt zu haben, dass sie erhört worden war. Sie wurde schlagartig ruhig, die lilanen Seelenspiegel flackerten nervös, als sie zu ihrer Freundin hinauf blickte, die sie mit diesem besonderen Ausdruck auf den Lippen musterte. Rin stand absolut neben sich, die Situation schien so abstrus, schon allein, weil Lumina dort stand - inmitten dieses Duellwahnsinns und so tat, als gäbe es die Menschen um sie herum nicht. Sie wusste nicht viel von den Beweggründen, die Lumina letztendlich hierher geführt hatten. Klar war jedoch, dass sie hier war, vor zigtausenden Zuschauern und jenem Millionenpublikum, das vor den Bildschirmen hockte und Rins Niederlage erwartete. Ihr menschenscheuer Flummi, umringt von Fans und Fanatikern - so stark hatte sich Lumina noch nie in Bedrängnis bringen lassen. Ihr war sehr wohl bewusst, was sich ihre Freundin gerade zumutete. "Denk' ja nicht, dass du mir so einfach davonkommst", keuchte Lumina, sichtlich nach Atem ringend. Acht Jahre aktives Dauerrauchen hatten Lumina nicht gerade zum fittesten Menschen gemacht. "Ich bin immer noch stinksauer auf dich", ihre Schreie waren wie Wellen, die erst langsam, dann immer schneller auf sie zukamen. Schließlich wurde sie von ihnen überrannt, dass alles um sie herum an Bedeutung verlor. Es schienen Stunden zu vergehen, in denen sich die beiden Frauen in die Augen blickten. Ihre Blicke hatten schon immer mehr bedeutet, als ein Außenstehender jemals begreifen könnte, doch diesmal schienen Luminas Seelenspiegel eine verschlüsselte Botschaft zu enthalten, die Rin einfach nur noch dechyfrieren musste. Schließlich presste Lumina die Lippen zusammen, ihre Augen ließen Wut und Zorn aufflackern. "Aber", sagte sie und ballte die rechte Hand zur Faust, "aber wenn du gegen diesen arroganten Fatzke verlierst…dann werde ich dir das nie verzeihen! Hast du kapiert!?" Ihre Stimme bebte, ebenso die Nüstern - Lumina war ein einziger brodelnder Vulkan. Rin riss die Augen auf. "Wenn jemand diesen grünhaarigen Clown schlagen kann, dann du, Rin! Du hast schon Dutzende Male gegen Buster Blader gekämpft, du hast einen Paladin besiegt und obendrein meine stärksten Hexer-Monster ausgelöscht - du hast das Zeug zu gewinnen. Weil du Rin Yamamori bist - die beste Drachen-Duellantin, die es gibt. Und darauf lasse ich nichts und niemanden kommen. Das sage ich nicht, weil du meine allerbeste Freundin bist und ich dich unendlich lieb habe. Ich sage das, weil ich dich kenne. Ich weiß, wie du wirklich bist und, was noch viel wichtiger ist…ich weiß, wie du dich duellierst." Lumina holte tief Luft. "Also hör' endlich mit dieser Kinderkacke auf! Die Rin, die ich kenne, schmeißt nicht das Handtuch. Sie kämpft bis zum letzten fucking Atemzug. Deswegen…Tu es, Rin! Zeig' den Leuten, wer du wirklich bist", sie formte ihre Augen zu Schlitzen, "zeig' ihnen, wie die wahre Rin sich duelliert!" "Lumina", hauchte Rin. Die Worte drangen in ihren Körper, sie spürte eine Wärme ihr Innerstes durchfluten und stieß leise die Luft aus. "Ja, Rin", äffte Yoshi sie nach und verschränkte die Arme vor der Brust. Stimmt, ihn gab es ja auch noch. Rin nahm den Grünhaarigen gar nicht richtig wahr. "Zeig' uns doch mal dein wahres Ich. Diese aufgesetzte Kaiba-Nummer wird allmählich langweilig. Niemand kauft dir diese Show mehr ab." Er lachte auf. "Als ob du die starke, eiskalte Duellantin bist. Die unbezwingbare Drachenbeschwörerin…dass ich nicht lache. Sieh' es endlich ein: Du bist bist nicht Seto Kaiba." "Nein", entgegnete Rin kühl, "das bin ich nicht", die Augen weit aufgerissen, stierte sie ihren Gegner an. Die Seelenspiegel begannen zu flackern, jenes grelle Licht auszusenden, das sich viel zu lange versteckt hatte Lumina hat recht. Wenn nicht jetzt- Die linke Hand fuhr über ihren Zopf, in einer einzigen fließenden Bewegung hatte sie sich ihres Gummis befreit. Langes braunes Haar flatterte um die junge Frau, welche das virtuelle System mit jeder Faser ihres Körpers spürte. Falscher Wind blies ihr um die Ohren, blaues Licht durchströmte sie, als sie keinen Augenblick später den Mantel abstreifte und in den Zuschauerrängen verschwinden sah. "Ich", fauchte sie, die Stimme so gefährlich wie ihr Blick selbst, "bin viel schlimmer!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)