Never Simpel von Astre ================================================================================ Kapitel 1: Cold Night --------------------- Er machte sich nicht die Mühe, die schäbige Motelzimmertür leise zu schließen. Oder das Essen aus dem 24-Stunden-Shop um die Ecke sanft auf den Tisch abzustellen. Die Nacht draußen war kalt, so kalt, wie es Mitte September sein sollte. Das schlechter werdende Wetter gefiel ihm nicht, weil es immer alles beschissener machte. Geeignete Unterkünfte wurden Mangelware und Menschen, die in ihr Beuteschema passten, verschwanden früh abends von den Straßen. Dadurch krochen mehr dreckige Ratten aus ihren Löchern. Drecksäcke, auf der Suche nach einem schnellen Geschäft. Jedes Mal, wenn sie einem dieser Schwänze über den Weg liefen, juckten seine Finger. In den allermeisten Fällen hielt Ray ihn zurück. Mit diesen bescheuerten Augen, dem seichten Kopfschütteln und ihren Fingern an seinem Ärmel. Zack stieß die Luft aus. Zu viel Aufmerksamkeit, erklärte sie und, wie ein scheiß Köter gehorchte er ihren Worten. Selbstverständlich ließ er sich brav mitziehen. Andererseits hielt sie ihnen so seit fünf Jahren die Bullen vom Hals. Das Gör suchte die Opfer aus, inszenierte Morde und schickte die idiotischen Beamten regelmäßig auf die Suche nach einem imaginären Mörder. Und verdammt, sie machte ihren Job gut. Da er zwar dumm, aber nicht so dumm war, hörte er im Regelfall auf das, was sie sagte. Auch wenn ihn der Drang, diesen Pissern die Eingeweide herauszureißen, unleidig machte. Vor dem Bett blieb er stehen und musterte die schlafende Frau. Ihr Haar zerzaust und die Arme um das Kissen gewickelt. „Oi, Ray!“ Sie rührte sich nicht. Ungeduldig schnalzte er mit der Zunge und benutzte seinen Fuß, um sie an der Hüfte, wachzurütteln. Sein Schuh hinterließ auf dem ausgewaschenen Stoff dreckige Abdrücke. „Wach auf!“ „Hm?“, machte sie und nuschelte, mehr in das Kissen, als zu ihm: „Ist es schon so spät?“ Er wandte sich gereizt ab und ließ sich in den Fernsehsessel fallen. „Was glaubst du? Jetzt beweg deinen Arsch.“ Sofern sie nicht von Albträumen gequält wurde, schlief die verdammte Frau, wie ein Stein. Und sie klammerte. Irgendwo in ihrer elenden Verwandtschaft musste ein psychopathischer Affe sein. Er war sich sicher. Die Kraft, mit der sich das Gör regelmäßig in sein T-Shirt krallte, überstieg seinen Horizont. Zack stützte seinen Kopf auf seine Hand und beobachtete ihr Treiben. Es würde nicht mehr lange dauern und er schnitt sie mit seiner Sense aus der billigen Decke heraus. Ihre halbherzigen Versuche nagten mächtig an seiner Geduld. „Seit wann bist du wach?“, murmelte sie, endlich aus der Bettdecke befreit. Ihre Haare erinnerten ihn an ein zertretenes Krähennest, das zusätzlich von einem LKW überfahren wurde. „Die Sonne ging unter.“ Seine Augen folgten ihrer Gestalt, als sie sich an den Tisch setzte. Träge durchsuchte sie die Tasche mit dem Essen. Sie gab diesen freudigen Laut von sich, der in ihm stets, ein ätzendes Hüpfen seines Magens auslöste. „Wie kannst du den Dreck fressen?“ Er verzog das Gesicht, während sie den Chili-Bagel aus der Verpackung schälte. Ray hielt inne. „Ich mag scharfe Sachen.“ Er verdrehte die Augen. „Ich weiß, dass du scharfe Sachen magst! Ich will wissen, wie du den Scheiß essen kannst.“ „Mmm.“ Überlegend neigte sie ihren Kopf und sah anschließend ausdruckslos zu ihm. „Es schmeckt einfach.“ Rachel biss hinein. Angewidert drehte er seinen Kopf beiseite und fixierte, mit bedecktem Mund, die Wand. Er hatte den Müll, den sie Essen nannte, ein einziges Mal probiert. Allein von dem Gedanken daran stellten sich sämtliche Nackenhaare bei ihm auf. Seine Zunge hatte sich Stunden danach noch taub angefühlt. „Wir sollten uns ein Auto anschaffen.“ „Huh?!“ Sein Kinn rutschte von seiner Handfläche und er starrte sie konfus an. „Warum?“ Sie stand auf, schmiss die Verpackung in die Tüte und streckte ihre Arme in die Luft. „Es wird kalt und die nächste Stadt ist 50 Meilen entfernt.“ „Na und?“ Er verstand den Punkt nicht. Sie reisten die meiste Zeit zu Fuß. Auch im Winter. Selbst er wusste um die Gefahr, die ein Autodiebstahl mit sich brachte. Somit konnte er die Situationen, in denen sie in einem Wagen saßen, an einer Hand abzählen. Jedes dieser Male hingen ihnen die Bullen viel zu nah am Arsch. Das Gör sammelte ihre verstreute Kleidung vom Boden und kaute dezent auf ihrer Wange. Das tat Ray, sobald sie nicht antworten wollte. In solchen Momenten, wusste Zack, brauchte er lediglich die richtige Frage stellen. Vielleicht wich sie aus, oder erzählte nur die Hälfte, aber sie log ihn nicht an. Die Wahrheit gehörte mit zu den wenigen Prinzipien, die sie beide besaßen. „Was ist der andere Grund für die Karre?“ Falls er sich nicht täuschte, erröteten ihre Wangen. Die Momente, in denen sie solche Emotion zeigte, passierten selten. Daher war es für ihn, wie eine Art Katzenminze. Er musste einfach grinsen. Sicher ein beunruhigender Anblick, allerdings wirkte Rachel unberührt. „Bären“, nuschelte sie abgewandt. Zacks Lächeln stockte und er blinzelte ungläubig. „Bären.“ „Ja.“ Sein Lachen hörten wahrscheinlich alle Menschen im Umkreis von hundert Meilen. Der Sessel unter ihm knarrte und nach Luft schnappend beugte er sich vor. „Du hast Angst vor scheiß Bären?“ Ihre Wangen bliesen sich unter seinem anhaltenden Gelächter beleidigt auf. „Ich hab keine Angst. Es ist nur… “ Rachel stieß den Atem aus und wartete. Die leichte Farbe um ihre Nase verschwand und als er sich beruhigte, starrte sie ihm stumpf entgegen. „Zack, hier gibt es Grizzlybären, und die Frau an der Rezeption hat uns davor gewarnt.“ Er griff sich an die Stirn, fuhr durch seine Haare und unterdrückte das Kichern. „Du schläfst neben einem Serienmörder, hast deine Eltern zusammengenäht und sagst mir ernsthaft, du scheißt dir wegen beschissenen Teddys ein?“ „Ich hab keine Angst!“, murrte sie. „Aber ich will ihnen auch nicht begegnen. Außerdem sind wir schneller.“ Er seufzte, lehnte sich zurück und musterte sie. Ah, er kannte diesen Ausdruck. Die flach gezogenen Lippen, die steife Biegung ihres Halses und den unnachgiebigen Glanz ihrer Augen. Ab jetzt konnte er genauso gut, gegen eine Wand sprechen. „Du meinst es ernst, huh?“ Ray nickte. „Ja.“ „Tch…“ Sein Blick huschte zur Seite, während er seine Arme hinter dem Kopf verschränkte. „Mach, was du willst.“ „Danke.“ Rachel verschwand im Badezimmer, und er hörte bald darauf die alten Wasserleitungen rumoren. „Stures Weibsbild“, stieß er aus und schloss die Augen. An sich mochte er die Idee. Mit einem Auto kamen sie tatsächlich schneller an ihr Ziel. Außerdem hatte er im Shop den Verkäufer belauscht, der etwas über einen Sturm sage. Er verzichtete gerne darauf, bei Regen und Frost in einem dreckigen Wald festzustecken. Was er allerdings zum Kotzen fand, war Rays Masche. Sie beschaffte die Dinge genauso, wie sie ihre Opfer zu ihm in die dunklen Gassen lockte. Am Anfang hatte er darüber gespottet. Jedes Mal die Augen verdreht, sobald sie ihren Hoodie soweit aufzog, damit der Ansatz ihrer Unterwäsche herausblitzte. Es funktionierte natürlich hervorragend. Ein wenig nackte Haut und die Hurensöhne liefen ihr sabbernd hinterher. Das pisste ihn derbe an. Deshalb hielt er seine drei-Sekunden-Regel selten ein. Auch, wenn die Arschlöcher allesamt hervorragende Gesichtsausdrücke zeigten. Ihnen sofort sämtliche Gliedmaßen abzuhacken, befriedigte ihn mehr als eine gute Jagd. Die Dusche verstummte, und sobald Ray das Zimmer betrat, öffnete er einen Spalt weit die Augen. Jetzt sah sie aus, wie ein ertränkter Pudel. Wasser sammelte sich an den Spitzen ihres Haares, und seine Pupillen folgten der Spur eines Tropfens. Über ihre Wangenknochen hinab lief er die Biegung ihres Halses entlang und fand sein Ende in ihrem Dekolleté. Rosige Haut mündete unter einem Rand aus himmelblauer Spitze. Er riss seinen Blick von ihr. „Kannst du dich abtrocknen, wie jeder normale Mensch?“, schnauzte er. Sie verharrte einen Moment in der Bewegung, ihre Umhängetasche aufzuheben, und sah ihn an. „Habe ich.“ Er stieß gereizt die Luft aus. „Ich lass dich krepieren, wenn du wieder krank wirst!“ Ray blinzelte, neigte verwirrt den Kopf. „Bist du schlecht gelaunt?“ „Beeil dich einfach!“ Er sah sie aus dem Augenwinkel nicken und sich ihren Sachen widmen. Diese Scheiße irritierte, und das pisste ihn genauso an, wie ihre Masche. Ray ging samt Tasche zur Tür. „Hast du eine Vorliebe?“ „Huh?“ Ihre Finger verweilten an dem Türknopf, während sie über die Schulter spähte. „Das Auto. Hast du eine Vorliebe?“ „…Nein… Brauchst du Hilfe?“ Sie schien einen Moment zu überlegen, bevor sie den Kopf schüttelte. „Mhm.“ Zack atmete geräuschvoll aus. „Pass auf deinen Arsch auf.“ „Werde ich.“ Die Tür fiel leise hinter ihr ins Schloss, und er lauschte konzentriert ihren Schritten. Viele der billigen Motels, in denen sie sich einquartierten, besaßen papierdünne Wände, durch die sie meist jeden Scheiß mitbekamen. Seine Atmung flachte sich ab, als sie vor dem Nachbarzimmer hielt. Zack erinnerte sich grob an einen dürren Kerl, der sich lauthals über die harten Betten beschwerte. „Tch…“, gab er verachtend von sich. Ray würde es nicht schwer mit dem Wichser haben. Sie klopfte. Zaghaft ohne Kraft. Stille. Dann quietschte das Bett und schwere, schlurfende Schritte drangen an sein Ohr. „Wer ist da?“ „Könnten Sie - mir helfen? Ich bin verloren. Bitte, - ich weiß nicht, wie ich nach Hause kommen soll.“ Hysterisches Gelächter stieg in Zacks Kehle auf. Blutige Hölle, selbst ihre verfluchte Stimme zitterte. Das Türschloss klickte. „Mädchen, wo…“ Zack begann zu grinsen. Die Menschen keuchten alle gleich, wenn sich eine Klinge in ihren Bauchraum bohrte. „Was…“ Er hörte ihn stolpern und seinen Körper, der hart auf den Boden aufschlug. „Bitte – ich…“ „Schh - stirb bitte leise.“ Er schauderte. Das Messer zerschnitt die Luft. Ein ersticktes Röcheln und Totenstille. Heilige Scheiße, die Frau konnte erschreckend sein. Rachel blieb noch einige Zeit drüben, durchsuchte wahrscheinlich das Gepäck des Toten, und er sollte Recht behalten. Sie kam mit einem Koffer. Zack scannte ihren Körper. Bis auf einen Streifen Blut in ihrem Gesicht, schien sie unversehrt. Sein Blick fiel auf den Ballast in ihren Händen. „Was Brauchbares?“ Er stand auf, streckte seinen Rücken durch und gähnte. Jetzt, nach dem Mord, sollten sie schleunigst verschwinden. Ray schien derselben Ansicht zu sein. Sie huschte an ihm vorbei, wusch sich die Wange und rief begeistert: „400 Dollar, zwei Kreditkarten und ein Laptop.“ „Huh…“ Vielleicht sollten sie öfter Penner in Motels umbringen. „Ja, er war sehr rentabel! Außerdem können wir das Auto eine Zeitlang behalten.“ Lebendiger als sonst eilte sie zu ihm, während er die Sense aus der Ecke holte und sie lässig über die Schulter schmiss. Er fixierte Ray mit seinen Augen. „Wovon redest du?“ Ihr Lächeln, weiterhin ein Witz, aber immerhin erreichte etwas der Freude ihre Augen. „Die Polizei wird sicher einige Wochen brauchen, um ihn zu identifizieren. Ich hab ihn unkenntlich gemacht.“ Zack starrte, bis die Worte sein Hirn erreichten und er die Sense fast fallen ließ. „Du – Was?!“ Verwirrt runzelte Rachel die Stirn. „Ich hab ihm die Finger abgeschnitten und seine Zähne entfernt. Die Polizei spürt uns dadurch nicht so schnell auf.“ Seine Nackenhaare stellten sich auf. Blutige Frau. „Du bist echt vermasselt, Ray. Du weißt das, oder?“ Sie neigte ihren Kopf. „Ja, du doch auch.“ Zack stieß die Luft aus, zerzauste ihr feuchtes Haar und wandte sich ab. „Ah, lass uns endlich von hier verschwinden! Der Saftladen geht mir auf die Nerven.“ Kalter Wind blies ihm entgegen, als der Kies vor dem verlassenen Motel unter seinen Schuhen knirschte. Ein Vorbote des Sturms, der die Bäume des nahen Waldes in alle Richtungen bog. Die Luft roch nach Regen. Ihr Einfall mit der Karre wirkte bei den beschissenen Wetterbedingungen viel einladender. Aber zum Teufel, wenn er ihr das sagen würde. Der einzige Wagen auf dem Parkplatz meldete sich mit diesem typischen Signalton. „Soll ich fahren?“ Ray öffnete den Kofferraum. Er nahm ihr das Gepäck ab, schmiss es neben seiner Sense unachtsam hinein. „Verflucht, nein! Du fährst, wie eine Schnecke.“ „Ich halte mich nur an die Regeln.“ Sie gab ihm den Schlüssel und zögerte. „Die Polizei soll uns nicht anhalten. Und…“ „Einsteigen, Ray.“ Er ließ sich auf dem Sitz nieder, stellte ihn grob ein und rupfte den Duftbaum vom Rückspiegel. „Ich hasse diese Scheiße!“ Rachel rutschte auf den Beifahrersitz, während er den Motor startete und den Rückwärtsgang einlegte. „Zack, bitte fa…“ Mit durchgehenden Rädern wirbelte der Kies auf sämtlichen Seiten hoch. Der Kombi schoss nach hinten und er riss das Lenkrad herum. Scharf bremste er ab, legte den ersten Gang ein und trat aufs Gas. Rachel klammerte sich an die Tür. Die Ausfahrt des Motels kam rasant näher und er hörte sie die Luft anhalten. Das Grinsen bildete sich automatisch auf seinem Gesicht. „Zack! Brems…“ Ihren erstickten Ausruf ignorierend, krachte er mit quietschenden Reifen auf die Straße und driftete in die Kurve. „Die Karre ist nicht schlecht!“ Er machte sich nicht viel aus den Blechdosen. Aber er mochte das Gefühl, wenn der Wagen mit 100 Sachen über die Straße peitschte. Ray atmete tief aus und schnallte sich an. „Mach es nicht kaputt und – bring uns nicht um.“ Er lachte gut gelaunt. „Du bettelst mich seit fünf Jahren an, dich aufzuschlitzen.“ „Ja, doch davon abgesehen, dass du es immer noch nicht getan hast, will ich nicht in einem Auto zerquetscht werden.“ Sie machte das Handschuhfach auf und durchsuchte die Gegenstände. „Sei kein Spaßverderber und wenn du endlich deine scheiß langweilige Visage reparierst, töte ich dich auch.“ Sich zurücklehnend stütze er einen Arm auf den Fensterrahmen, und raste den Highway durch die Waldallee entlang. Die ersten Regentropfen fielen auf die Frontscheibe. Sie fuhren direkt in die Sturmfront. Er spürte den stärker werdenden Wind, der störend gegen die Seiten des Autos drückte. „Ich arbeite daran.“ Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie sie eine alte Sammlung von CDs herauszog. „Was machst du?“ „Ich suche nach passender Musik.“ Überlegend blätterte sie durch die Seiten der Mappe. Zack drosselte die Geschwindigkeit. Einerseits wegen des einsetzenden Platzregens und andererseits, weil er das Fenster herunterließ. Er packte das Bündel in ihrem Schoß und schmiss es in die Dunkelheit. Geräuschvoll ausatmend, verschränkte Ray die Arme. „Du kannst auch einfach etwas sagen.“ Er schnalzte mit der Zunge. „Ich will die Scheiße nicht hören, besser?“ „Humph.“ Anschließend kehrte Stille ein, in welcher der Regen unbarmherzig gegen die Scheiben hämmerte. Stark genug, damit die Scheibenwischer das Wasser nicht mehr zuverlässig entfernten. Seine Kiefer bissen aufeinander und er passte das Tempo widerwillig erneut an. Trotz Rays landläufig schlechter Meinung über seine Fahrkünste, besaß er sehr wohl ein gutes Verständnis für die richtige Geschwindigkeit. Dem entgegenrollenden Ast wich er mit einer seichten Lenkradbewegung aus. Mit den Ästen und den Blättern auf dem Highway entwickelte sich die Fahrbahn, in einen unberechenbar rutschigen Scheißhaufen. Darüber hinaus würde er sie nur über seine tote, kalte Leiche in einen Sturm fahren lassen. Sie hasste Unwetter und noch mehr Gewitter, wie es sich langsam am Horizont anbahnte. Auch wenn Ray es gerne überspielte, machte es sie unruhig und nervös. Sie rollte sich bereits zusammen. Rachel jetzt an das Steuer zu lassen, grenzte an schieren Selbstmord. Besonders, nachdem auf halber Strecke der Donner einsetzte und bald darauf die ersten Blitze den Himmel erfüllten. Aus seiner peripheren Sicht sah er ihren Körper zucken und ihre Finger, die sich ruhelos ineinander verknoteten. Für gewöhnlich verkroch sie sich in solchen Situationen, wie ein beschissenes Kleinkind unter seiner Decke. Dem Auslöser ihrer Angst ging er nie auf den Grund. Er vermutete irgendein Erlebnis in ihrer miesen Kindheit. „Wir hätten noch einen Tag im Motel bleiben sollen.“ Er hörte sie wegen des Lärms fast nicht. Die Blitze krachten in einer einzigen Shitshow herunter und langsam nagte die beschissen schlechte Sicht an seinen Nerven. „Sei nicht dumm.“ Seine Finger trommelten ungeduldig auf das Lenkrad, als sie das Ortsschild passierten. „Sie finden den Penner spätestens morgen früh.“ Ray seufzte und versank noch tiefer in ihrem Sitz. „Ja, stimmt.“ Er stieß genervt den Atem aus. Vorausgesetzt, sie öffnete irgendwann ihre verdammten Augen, sähe sie auch die Stadt, durch dessen Straßen er das Auto lenkte. Der Ort an sich strahlte diesen typischen Großstadtflair aus. Hohe Wohnbauten und düstere Gassen neben kleinen Parks. Ray besaß ein gutes Händchen für die richtigen Städte, das musste er ihr lassen. Hier interessierte es keine Sau, ob der Nachbar seit einer Woche Urlaub machte oder in seiner Wohnung krepiert war. Ideales Jagdterrain für ihn. Hinter einem Walmart bog er in eine breite Sackgasse und hielt den Wagen mit einem groben Abbremsen an. Die hohen Hausfronten boten einen hervorragenden Sichtschutz und schirmten den Dreckssturm einigermaßen ab. „Zack?“ Ray blinzelte überrascht und sah ihn an. „Warum hältst du?“ „Willst du bei dem Scheißwetter tatsächlich raus und ein passendes Motel suchen?“ Er ließ den Fahrersitz grob nach hinten poltern und schnalzte die Rückenlehne auf die Rückbank. Bevor er seine Arme mit geschlossenen Augen hinter dem Kopf verschränkte. „Nein.“ Er hörte den Gurt klicken und ihren Sitz, den sie einstellte. Danach herrschte zwischen ihnen Stille, in der das Trommeln des Regens ihn schläfrig werden ließ. Zumindest so lange, bis sie begann ihren Körper nach rechts und links zu wälzen. Wie ein sterbender Fisch. Immer wieder. Der ganze Wagen wackelte und er spürte seine Geduld dahinsiechen. Sie seufzte elendig, und er schoss abrupt nach oben. „Was?!“ „Es ist kalt“, murmelte sie zu ihm gewandt. „Dann hol die verdammte Decke aus dem Kofferraum!“ Er warf sich gereizt in dieselbe liegende Position und ignorierte ihren Blick, den er auf sich spürte. Natürlich blieb sie im Auto. Einige Minuten der Ruhe vergingen, in denen er ausatmend entspannte, bevor sie sich erneut bewegte. „Ray, ich schwöre…“ Er riss die Augen auf, als ihre Finger auf seiner Brust landeten. „Was wird das?!“ Halb auf ihm krabbelte sie über die Mittelkonsole. „Es regnet.“ Seine Hände packten ihre Schultern und hielten sie in der Luft. Weg von sich. „Das ist mir scheißegal! Bleib auf deiner … “ Ihre Haare klatschten in sein Gesicht und sie verlor sämtliche Körperspannung. Seine angewinkelten Arme zitterten unter dem Gewicht. Verdammte Frau, sie nutzte den engen Raum aus. Sie gab seiner letzten Kraft den Todesstoß, indem sie sich mit einem Fuß abstieß. Schwer landete sie auf ihm und trieb die Luft aus seinen Lungen. Rays Finger krallten sich, wie ein verdammter Klammeraffe in seinem Hoodie fest. Ihr heißer Atem an seiner Halsbeuge jagte eine unangenehme Gänsehaut über seinen Rücken, nachdem sie ihren Kopf darin vergrub. „Ray!? Du verfluchte - Anstatt, dass du die verfickte Decke holst, musst du deinen Willen durchsetzen, huh?“ „Tut mir leid.“ Er stieß schwer die Luft aus, legte einen Arm über seine Augen und spürte seine Wangen erhitzen. „Tut es nicht.“ „Du bist warm.“ Sie suchte mit ihren Beinen eine bequemere Position und rollte sich schlussendlich auf seinem Schoß zusammen. Ihre kalte Nase spürte er durch seine Bandagen, genauso das Zittern ihrer Glieder. „Keine Scheiße…“ Seinen anderen Arm legte er um ihre Taille und rückte sie harsch näher. „Wenn du dich rührst, trete ich dich raus.“ „Mhm.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)