The fragrant Flower von Ryouxi ================================================================================ Kapitel 6: Strelitzie --------------------- [[BILD=8423919.png]] Weiße Augen. Ein eindeutiger Indiz dafür, dass ihm die Seele genommen worden war. Ein kurzer, prüfender Blick bestätigte Milos Verdacht. Der Körper schien unversehrt. Hier und da hatten Insekten und kleine Säuger begonnen, den Leichnam zu verwerten, doch dafür dass er vermutlich schon seit über eine Woche im Wald lag, sah er noch gut erhalten aus. Milo räusperte sich gedanklich und schaute zu Lysil, die über ihren Vater gekniet bitterlich weinte. Am liebsten hätte er ihr einige tröstende Worte gespendet, doch gerade war anderes wichtiger. „Ein Dämon?“, flüsterte er Fenin zu, wobei es eher eine Feststellung war. Er wusste nicht, wie viel der andere Mann davon verstand, aber vielleicht hatte er etwas im Wald bemerkt. Das würde auch den Schmetterling von gerade eben erklären. Dämonen waren meist stärker als Bestien. Aber nicht nur das machte sie gefährlicher, sondern auch die Tatsache, dass sie sich neben Fleisch und Blut auch von der Seele eines Menschen nähren konnten. Die wenige Male, die Milo einem Dämon gegenübergestanden hatte, waren jedes Mal nervenaufreibend gewesen. „Ich habe niemanden gesehen“, versicherte Fenin ihm. Wenn doch wäre er wohl kaum wieder heile zurückgekommen. „Wenn er noch in der Nähe ist, dann muss ich mich darum kümmern.“ Und da war er sich sicher. Fenin hatte keinen halben Tag für den Hin- und Rückweg benötigt, da konnte einem Dämon diese Ortschaft nicht entgangen sein. „Sonst wird noch weitaus schlimmeres passieren.“ Fenin warf ihm nur einen Blick zu, doch er verstand diesen. 'In deinem Zustand?' Milo schüttelte den Kopf. „Ich habe nicht vor, nach ihm zu suchen. Früher oder später wird er hierher kommen. Ich muss sowieso meinen Fuß schonen.“ „Wie... wie konnte das passieren?“ Lysil wischte sich mit einer Hand die Tränen aus den Augen und schaute niedergeschlagen zu ihm auf. Mit der anderen Hand hielt sie den Arm ihres Vaters. „Es gibt viele Monster da draußen. Es tut mir leid“, sprach er sein Mitgefühl aus. Gleichzeitig blieb er aufmerksam, da er damit rechnete, dass jeden Augenblick dieser Dämon aus dem Wald gesprungen kam. Erneut schossen dem Mädchen Tränen in die Augen. „Ihr müsst... Ihr müsst meinen Vater rächen. Bitte.“ Diese harten Worte aus ihrem Mund zu hören, überraschte Milo etwas, ließ ihn aber schließlich nicken. „Wenn es hierherkommt, dann werde ich es vernichten.“ Es mochte für ein Kind in ihrem Alter, das einen derartigen Verlust zu erleiden hatte, seltsam sein an etwas wie Rache zu denken. Doch Milo konnte sie nur zu gut verstehen. Noch an diesem Abend wurde eine kurze Einäscherung gehalten. Milo nutzte die Gelegenheit, um sich in der Ortschaft umzuhören. Lysils Familie schien tatsächlich nicht sonderlich beliebt bei den Leuten zu sein und auch ihn musterten sie mit misstrauischen Blicken. Selbst die jungen Damen hielten sich dieses Mal von ihm fern. Da niemand direkt mit ihm sprechen wollte, gab Milo es schließlich auf und kehrte zu Lysils Haus zurück. Das Mädchen war schon bald nach dem entfachen des großen Feuers gegangen. Ihre Mutter lag sterbenskrank zu Hause, während ihr Vater gerade verbrannt wurde. Bei dem Gedanken schnürte es Milo die Kehle zu. Als die Hütte in Sicht kam fand er Fenin wieder, der direkt nachdem er aus dem Wald gekommen war, verschwunden war. Er lehnte gegen die steinerne Wand und hatte die Augen geschlossen. Nachdem Milo nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war, drehte er seinen Kopf und schaute ihn an, was den Mann zum Stehen brachte. Es wirkte beinahe so, als hätte der andere auf ihn gewartet. Hatte er etwas vergessen? „Ist was passiert?“, fragte er vorsichtig. „Du solltest nicht herumlaufen.“ Die Worte brachten Milo kurz zum Lachen. „Es ist nett, dass Ihr euch Sorgen macht. Aber ich bin schon groß.“ Noch während er sprach bemerkte er, dass die gleiche Aussage auch auf Fenin passte, der vorhin so lebensmüde in den Wald gestürzt war. Nur deswegen verkniff er sich nun einen Kommentar dazu. Fenins Blick verfinsterte sich kurz. „Zieh deinen Schuh aus.“ „Bitte?“ Etwas überrumpelt stand Milo vor ihm und wusste nicht, ob der andere scherzte. Als Fenin sich von der Wand abstieß, hatte er Gewissheit. „Er ist schon abgeschwollen, wirklich. Macht Euch nicht so eine Mühe.“ „Willst du nicht gegen diesen Dämon kämpfen können, wenn er hier auftaucht? Ich möchte nur die Kräuter wechseln.“ „Das kann ich auch selbst“, merkte Milo leise an, gab aber nach. Nach diesem Tag waren die Schmerzen noch immer stark, auch wenn die Schwellung vielleicht ein wenig abgeklungen war. Gegen die betäubende Wirkung der Kräuter hatte er da nichts einzuwenden. Milo ließ sich auf der kleinen Stufe vor der Hütte nieder, um sich nicht auf den nassen Boden setzen zu müssen. Natürlich hätten sie auch ins Innere gehen können, doch er wollte nicht mit so etwas stören. Vielleicht war es ihm auch ein klein wenig unangenehm. Nachdem er seinen Schuh ausgezogen hatte, drückte Fenin ihm den kleinen Beutel in die Hand, was ihn verdutzt aufschauen ließ. Ohne ein weiteres Wort machte er sich selbst daran, den Verband zu lösen. Dabei entgingen ihm nicht Fenins Blicke. Beim Entfernen der alten Kräuter erschrak Milo etwas. Sein Knöchel hatte sich grün verfärbt, was ihn zuerst denken ließ, dass er zu faulen begonnen hatte. Nach dem ersten Schreck wurde ihm aber klar, dass es von den Kräutern kam, die die eigentliche Farbe des Knöchels verbargen. Vielleicht war es auch ganz gut so. Die Schwellung war noch immer vorhanden, genauso wie die Schmerzen, was den Mann innerlich seufzen ließ. So schnell würde er dann wohl doch nicht genesen. Noch bevor er die frischen Kräuter auflegen konnte, beugte sich Fenin etwas nach vorne. „Es sieht tatsächlich schon besser aus. Die Kräuter scheinen zu wirken.“ „Das tun sie wirklich“, bestätigte Milo und warf ihm dann ein schiefes Lächeln zu. „Dafür dass Ihr so viele Kräuter mit euch tragt, scheint Ihr euch nicht wirklich damit auszukennen.“ Fenin senkte seinen Blick und Milo fragte sich kurz, ob er mit seinen Worten zu weit gegangen war. „Sie gehörten ursprünglich nicht mir. Sie waren eine Art Geschenk, das ich schon lange bei mir trage.“ Milo nickte. „Ich verstehe. Dann tut es mir leid, dass Ihr meinetwegen dieses Geschenk verbraucht.“ Das tat es ihm wirklich. Doch Fenin schüttelte schnell mit dem Kopf. „Es ist gut so.“ Als Milo damit begann, die Kräuter auf seinen Knöchel aufzubringen zuckte er immer wieder zusammen und ließ einmal beinahe die Hälfte hinunterfallen. Irgendwann konnte sich Fenin das Schauspiel wohl nicht mehr länger mit anschauen. „Darf ich?“ Wieder einmal ging er vor ihm in die Hocke. Ehe sich Milo versah, wurden ihm die Kräuter vorsichtig aus der Hand genommen und mindestens genauso vorsichtig auf seinem Knöchel verteilt. Erst wollte er protestieren, schließlich schloss er einfach seine Augen und ließ seinen Kopf nach hinten gegen die Tür sinken. Vermutlich war es am besten so. Spätestens bei dem Verband hätte er aufgeben müssen. Doch auch diesen legte Fenin ihm beinahe schmerzfrei an, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. Nachdem er fertig war, musterte Milo den frischen Verband. „Ich glaube Euch nicht, dass ihr davon keine Ahnung habt.“ „Das habe ich nie behauptet“, entgegnete Fenin, während er wieder aufstand. Milo warf ihm einen zweifelnden Blick zu, beließ es aber dabei. „Wie soll es weitergehen?“ Die Frage war durchaus angebracht, schließlich reiste Fenin mit ihm und war gewissermaßen auf ihn angewiesen, während er sein eigenes Ziel hatte. Milo kratzte sich am Kopf, als er sich wieder aufrecht hinsetzte. „Ich hatte vor, erst einmal hier zu bleiben.“ „Um deinen Fuß auszukurieren.“ Milo nickte, dann verfinsterte sich sein Blick. „Und um dieses Biest zu erledigen, wenn es hierher kommt.“ Für einige Augenblicke musterte Fenin ihn, als würde er auf eine bestimmte Reaktion von ihm warten. Da aber nichts von ihm kam, sprach Milo weiter. „Fenin, habt Ihr es eilig nach Trora zu kommen?“ Der Mann schüttelte den Kopf. „Nein. Ich hätte dich sowieso in Ruhe erholen lassen. Aber ein Dämon ist nichts, mit dem man sich so einfach anlegen sollte.“ Milo konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Ihr macht Euch Sorgen um mich?“ Er wollte sich nicht lustig über den anderen machen, er hatte einfach nicht damit gerechnet. „Natürlich, sonst würdet Ihr hier wieder festsitzen“, scherzte er. Um ehrlich zu sein konnte er nicht so recht damit umgehen, dass jemand so mit ihm sprach. Meist war Milo alleine unterwegs und niemand scherte sich darum, was er tat. Er wurde höchstens noch von seinen Auftraggebern angefeuert, sich in die Gefahr zu stürzen, obwohl sie nicht an ihn glaubten. Milo wischte diese Gedanken beiseite und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Fenin, der ihn schon wieder so seltsam musterte. „Was ist?“ „Ist es nicht normal, dass man sich Sorgen macht?“ Diese Frage brachte Milo noch mehr durcheinander, was ihn schließlich zum Lachen brachte. Dass er Fenin damit möglicherweise verletzte, wurde ihm im nächsten Augenblick klar, weswegen er wieder verstummte. „Doch, natürlich. Aber wir kennen uns doch gar nicht.“ Auf Fenins verständnislosen Blick winkte der Mann ab. „Es ist nett, dass Ihr euch Sorgen um mich macht, aber -“ „Du“, unterbrach Fenin ihn tonlos. Irritiert schaute Milo ihn an, darauf wartend, dass er weitersprach. „Ich?“, fragte er schließlich, nachdem es still blieb. „Du kannst du sagen“, antwortete Fenin, wobei er seinem Blick auswich. „Äh“, brachte Milo geistreich hervor. Natürlich hatte Fenin ihn schon die ganze Zeit über geduzt, doch er war auch eindeutig von einem höheren Stand, als er selbst. „Seid Ihr euch sicher?“, fragte er unnötigerweise nach. Er wollte einerseits nicht unhöflich sein, vor allem fühlte er sich mit der Distanz, die diese Höflichkeit mit sich brachte, auch einfach wohler in der Gegenwart anderer. „Was spricht dagegen?“ Mit seiner ernsthaften Frage verhinderte er weitere Diskussionen mit Milo, der sich nun geschlagen gab. „Fein. Dann also du.“ Obwohl er normalerweise keine Probleme damit hatte, andere so anzusprechen, fühlte es sich Fenin gegenüber seltsam an. Er räusperte sich kurz. „Auf jeden Fall wäre es nicht das erste Mal, dass ich einen Dämonen zur Strecke bring. Deswegen braucht Ihr... brauchst du dir keinen Sorgen zu machen.“ Es war beinahe so, als würde eine unsichtbare Schutzbarriere einreißen, die ihn bisher vor dem anderen geschützt hatte. Eigentlich hatte er sich in Fenins Gegenwart bis jetzt relativ wohl gefühlt, mit einem mal zweifelte er jedoch daran, ob er dem Mann wirklich trauen konnte. Dieser schaute ihn gerade wieder mit diesem forschenden Blick an. Innerlich schüttelte Milo seinen Kopf, während er über seine eigenen Gedanken lachte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)