The fragrant Flower von Ryouxi ================================================================================ Kapitel 8: Sonnenblume ---------------------- [[BILD=8423971.png]] Tatsächlich brachen sie am nächsten Tag auf und ließen die kleine Ortschaft hinter sich. Lysil hatte zwar gebeten, dass sie noch länger blieben, doch letztendlich hatte sie sie nicht halten können. Dafür hatte sie ihnen ein Bündel voller Lebensmittel für die Reise mitgegeben, während Fenin ihr viele verschiedene Kräuter, die er im Wald gefunden hatte, überlassen hatte. Lysil kannte sich damit aus, so dass es ihrer Mutter sicher schon bald besser gehen würde. Sie hatten sich im dichten Nebel auf den Weg gemacht und schwiegen sich die erste Zeit an. Milo hing seinen Gedanken nach, während Fenin ihm mit ein paar Schritten Abstand folgte. Erst als sich der Nebel zwischen den Bäumen lichtete und die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg durch das dichte Blätterdach zu suchen begannen, schloss Fenin auf einmal zu ihm auf. „Wie geht es deinem Knöchel?“ Diese Frage kam nicht nur unerwartet, sondern auch etwas spät, wie Milo fand. Schließlich hatte er gestern auch nicht nachgefragt. Vermutlich machte sich der Mann einfach Sorgen, nachdem sie nun schon eine Weile unterwegs waren. Milo lächelte ihn leicht an. „Bestens. Ich habe doch schon gesagt, dass wieder alles gut ist.“ Die Schwellung war so gut wie verschwunden und der Schmerz beim Auftreten so gering, dass er ihn längst nicht mehr wahrnahm. Er hatte den Kampf gestern überstanden, da konnte ihm so ein gemütlicher Spaziergang auch nichts mehr anhaben. „Deine Fürsorge ist wirklich löblich, aber ich kann schon auf mich selbst aufpassen.“ Damit wollte er Fenin nicht vor den Kopf stoßen, es war ihm einfach unbehaglich, dass ihn jemand so behandelte. Zumal es jemand wie Fenin war, den er, obwohl er ihn nun schon ein paar Tage kannte, noch immer nicht so recht einschätzen konnte. Milo war klar, dass der Mann ihm nichts böses wollte, trotzdem war da dieses Unbehagen, das er nun, als sie wieder alleine unterwegs waren, umso deutlicher spürte. „Ist es nicht verständlich, dass ich um dein Wohlergehen besorgt bin?“ Auf Fenins Frage starrte Milo den Mann für einige Augenblicke verständnislos an. Erst als der andere fragend die Stirn runzelte, verstand Milo. Er fühlte sich wie ein Vollidiot, dass er es nicht sofort verstanden hatte. „Ich werde dich schon nicht hängen lassen.“ Fenin war gewissermaßen auf ihn angewiesen. Auch wenn er nach den letzten Tagen nicht mehr hundertprozentig sagen konnte, ob der Mann wirklich die Hilfe eines anderen brauchte, um sein Ziel zu erreichen. „Ich bin schon so lange alleine unterwegs und habe bis jetzt überlebt. Ich habe nicht vor, dass sich so schnell etwas daran ändert.“ Während ihres Gespräches war er langsamer geworden, so dass sie nun beinahe nebeneinander den schmalen Pfad entlanggingen. Milo hatte seinen Blick nach vorne gerichtet, doch er konnte den Blick des anderen nur zu gut auf sich spüren. „Wie lange reist du schon alleine?“ Natürlich musste Fenin diese Frage stellen. Erneut ärgerte sich Milo über sich selbst. Er hätte nichts in diese Richtung sagen dürfen. Innerlich seufzte er, antwortete dann aber doch auf die Frage. „Seit etwa sechs Jahren. Und du?“ Mit seiner Frage versuchte er das Thema abzulenken, auch wenn es ihn nicht wirklich interessierte. Nicht dass ihm Fenins Hintergrund egal war, er glaubte einfach nicht, dass dieser Mann standardmäßig alleine unterwegs war. Oder generell viel reiste. „Ich bin mal hier, mal da. Man kann es nicht wirklich reisen nennen. Aber ich bin auch schon etwas älter. Du hingegen siehst noch recht jung aus.“ Milo konnte nicht einschätzen, wie alt er auf andere wirkte, oder ob Fenin im Vergleich zu ihm älter aussah. Unter normalen Umständen hätte er sich vielleicht gefragt, wie alt der andere sein konnte, in dessen Gesicht er nicht wirklich lesen konnte. Anfangs hatte er gedacht, dass sie in einem ähnlichen Alter sein mussten, doch in den vergangenen Tagen hatte er ihn immer mal wieder gemustert und kam jedes Mal auf ein anderes Ergebnis. Seine Gesichtszüge waren fein und jugendlich, während seine Augen eine gewisse Erfahrung und Weisheit widerspiegelten. Vermutlich könnte er zwischen achtzehn und Mitte dreißig sein und keine dieser Zahlen würde Milo sonderlich überraschen. Doch es waren keine normalen Umstände, denn Fenin hatte gerade unbewusst und vermutlich auch ungewollt einen wunden Punkt getroffen. „Wenn man zum einfachen Volk gehört, dann beginnt der Ernst des Lebens bereits im jungen Alter“, entgegnete er etwas zu herb, während er seinen Blick starr nach vorne gerichtet hatte. Wenn Fenin wirklich einer reicheren Gesellschaftsschicht angehörte, dann war ihm dieser Fakt möglicherweise nicht bewusst. „Dieser Stab scheint nicht so, als würde er jemandem vom einfachen Volk gehören. Wie kommst du an eine solche Waffe?“ „Geht dich nichts an“, platzte Milo der Kragen. Er blieb stehen, ballte die Fäuste und versuchte seine Gedanken etwas zu sortieren. Ihm war klar, dass dieser kleine Ausbruch nach außen hin vollkommen irrational wirken musste. Vermutlich war er das auch. „Tut mir leid“, entschuldigte er sich nach einigen Sekunden der Stille, in denen Fenin einfach nur neben ihm gestanden hatte. „Ich will nicht darüber sprechen.“ Als er aufschaute bemerkte er erst, dass der andere ihn mit einem seltsamen Blick beobachtete. Er glaubte einen Hauch von Mitleid darin zu erkennen, weswegen er sich wieder in Bewegung setzte, scheinbar vor diesem Gespräch floh. In den nächsten Tagen und Wochen reisten sie ohne weitere Zwischenfälle durch die Wälder. Fenin hatte ihn kein einziges Mal auf seinen Ausraster angesprochen, wofür Milo ihm sehr dankbar war. Sie kamen immer wieder durch kleine Ortschaften. Hier und da gab es sogar Aufträge, die Milo wie immer gerne annahm. Fenin sagte nie etwas gegen diese Unterbrechungen, stattdessen fragte er irgendwann sogar, ob er nicht einmal mitkommen und ihm helfen könnte. Zwar hatte Milo es meist nur mit schwachen Bestien zu tun, trotzdem konnte er den anderen unmöglich einer solchen Gefahr aussetzen. Stattdessen hatte Fenin begonnen, ihn auf eine andere Art und Weise zu unterstützen. Er sammelte unterwegs oft Kräuter und Pflanzen, mit denen er später Milos Wunden, die bei den Kämpfen immer mal wieder entstanden, jedoch nicht gefährlich waren, behandelte oder ihm einfach als zusätzliche Stärkung zum Essen zubereitete. Dafür dass der Mann anfangs behauptet hatte, dass er sich damit nicht wirklich auskannte, schien aber genau das der Fall zu sein. Allerdings machte sich Milo nicht die Mühe, noch einmal nachzufragen. Er war sich sicher, dass er keine andere Antwort bekommen würde, als beim letzten Mal. Er nahm es so hin, schließlich wollte er genauso wenig über seinen Hirtenstab sprechen. In den Ortschaften fragten sie immer wieder nach der Stadt Trora. Milo war sich nicht sicher, ob sie wirklich in die richtige Richtung gingen, auch wenn Fenin dies nicht nur einmal versichert hatte. Außerdem interessierte es ihn, wie lange sie bis dahin noch unterwegs sein würden. Die Tatsache, dass bisher niemand wirklich von dieser Stadt gehört hatte sorgte jedoch für Gewissheit, dass es noch ein weiter Weg war. Dörfer, die im Radius einer großen Stadt lebten, betrieben üblicherweise Handel mit dieser und kannten sie dementsprechend auch. Allerdings schien er der einzige zu sein, der sich darüber den Kopf zerbrach. Fenin wirkte überaus entspannt. Während ihrer Reise hatte er sich ihm gegenüber stetig weiter geöffnet und Milo erwischte sich immer wieder dabei, wie er über den anderen als ein Freund dachte. Er konnte es nicht abstreiten, dass er den Mann mochte. Seine gelassene Art, seine ruhige Ausstrahlung. Jedoch war ihm klar, dass sich ihre Wege wieder trennen würde, weswegen er sich nicht zu sehr auf den anderen einlassen wollte. Er war die vergangenen Jahre immer alleine gewesen, doch er war zurecht gekommen. Genervt kickte Milo einen kleinen Stein weg, der seinen Weg kreuzte. Mit einem leisen Platschen versank er in dem See, an dem sie gerade vorbeigingen. Die Nachmittagssonne ließ die ruhige Wasseroberfläche glitzern. Milo blieb stehen und genoss die spätherbstlichen Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Die letzten Tage hatten sie wirklich Glück mit dem Wetter gehabt. Sie mussten keine steilen Hänge besteigen und Monster waren ihnen auch schon lange keine mehr über den Weg gelaufen. Trotzdem konnte Milo einfach nicht die Tage genießen. Ihm war klar, dass seine unnötigen Gedanken bezüglich Fenin nicht sonderlich viel damit zu tun hatten. Etwas ganz anderes machte ihn unruhig. Alle paar Tage sah er einen Schmetterling. Genau diese Art von Schmetterling, die ihn bisher fast immer vor drohender Gefahr gewarnt hatte. Die sich in der Vergangenheit extrem rar gemacht hatte. Über die letzten Wochen hatte er mindestens so viele davon gesehen, wie davor in seinem gesamten Leben. Und diese Tatsache genügte, um ihn unruhig werden zu lassen. Insbesondere, da seit Lysils Dorf nichts mehr bei ihrem Erscheinen geschehen war. Das einzige Lebewesen, dass ihn jedes Mal umgab war Fenin. Wenn es aber wirklich an dem Mann läge, dann müsste ihm ständig dieses Insekt folgen. Mittlerweile begann Milo zu glauben, dass dieser Schmetterling einfach üblich in dieser Gegend war und es in der Vergangenheit stets Zufall gewesen war, wenn ihm anschließend etwas schlimmes passiert war. Mit einer Mischung aus Verzweiflung und Wut schaute er den violett-türkisen Schmetterling über dem See an. „Was ist los?“ Fenin war neben ihm stehen geblieben und ließ seinen Blick ebenfalls über die Wasseroberfläche schweifen. „Hast du so einen Schmetterling schon einmal gesehen?“ Vielleicht war es wirklich nur ein normales Insekt und Milo hatte sich all diese Jahre nur etwas eingebildet. Fenins Blick suchte einen Augenblick die Luft ab, ehe er das farbenfrohe Insekt entdeckte. Er schien nicht lange überlegen zu müssen, ehe er nickte. „Sie sind schön. Sie fallen einem sofort ins Auge, nicht wahr?“ „Ja“, stimmte Milo ihm knapp zu und fühlte sich mit einem Schlag wie ein Trottel. Vermutlich hatte er sich wirklich etwas eingebildet aufgrund der zahlreichen Zufälle. „Es ist nicht gerade die Zeit für Schmetterlinge, oder?“ Er verlor ihn aus den Augen und richtete seinen Blick stattdessen auf Fenin, der ihn bereits anschaute. „Wer legt das fest? Ich habe schon welche zu allen Jahreszeiten gesehen.“ Milo bezweifelte diese Aussage, auch wenn der andere sehr überzeugt klang. „Sie sorgen immer für ein schönes Gefühl.“ Ein schönes Gefühl? wiederholte er die Worte in Gedanken. Ein schönes Gefühl war das Letzte, was Milo beim Anblick dieser Tiere empfand. Üblicherweise wurde er nervös, aufmerksam, unruhig. Auch wenn dies mittlerweile abgenommen hatte, war die letzten Male schließlich nichts mehr geschehen. „Du wirkst heute sehr nachdenklich“, merkte Fenin nach einem Moment der Stille an und holte den Mann damit endlich in die Gegenwart zurück. „Sorgt dich etwas?“ „Wie haben Trora noch immer nicht gefunden.“ Das mochte nur ein kleiner Teil der Ursache seiner Nachdenklichkeit sein, doch alles andere wollte er Fenin nicht anvertrauen. „Ich habe es nicht eilig“, versicherte ihm der Mann zum wiederholten Mal. Milo warf ihm nur einen zweifelnden Blick zu, was ihn scheinbar etwas zurückrudern ließ. „Ich... bin dir doch keine Last? Ich kann verstehen, dass ich dich aufhalte. Wenn es das ist was dich stört, dann können wir in der nächsten Ortschaft getrennter Wege gehen.“ „Nein, nein! So hab ich das nicht gemeint.“ Milos überraschte Antwort kam für seinen Geschmack etwas zu schnell aus seinem Mund. Doch er fühlte sich sofort schuldig, dass der andere so von ihm dachte. Gleichzeitig wurde ihm durch seine eigenen Worte aber auch bewusst, dass er sich mittlerweile leider wirklich zu sehr an die Gesellschaft gewöhnt hatte und diese nicht all zu schnell wieder missen wollte. Ein leichtes, seltenes Lächeln legte sich auf Fenins Lippen. „Ich reise gerne mit dir. Mich stört es nicht, wenn wir Trora nicht allzu schnell erreichen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)