The fragrant Flower von Ryouxi ================================================================================ Kapitel 10: Narzisse -------------------- [[BILD=8424021.png]] Dieses Mal hatte sich Milo in die entgegengesetzte Richtung von gestern aufgemacht. Schon nach kurzer Zeit hatte er einen schmalen Trampelpfad eingeschlagen, den er schnell verfluchte. Er war von losen Steinen gespickt, die unter seinen Füßen wegrollten und ihn nicht nur einmal zum Stolpern brachten. Generell sah der Weg nicht so aus, als wäre er von Menschen, sondern viel mehr von Tieren gemacht worden. Das schlimmste aber war, dass er ihn höher ins Gebirge führte. Hier oben wurde es stetig kälter. Die Felsen um ihn herum wurden immer höher, enger und unübersichtlicher. Nicht nur ein Raubtier oder Bestie, sondern auch andere Menschen hätten hier leichtes Spiel ihm aufzulauern. Während der Mann auf jedes Geräusch, auf jede Bewegung achtete, ging er mit vorsichtigen Schritten weiter. Immer öfter kamen ihm Fenins Bedenken in den Sinn, was letztendlich dazu führte, dass er immer mehr an seinem Vorhaben zweifelte. Mehr als einmal hielt er an und schaute unentschlossen zurück. Von dem Farmhaus war nichts mehr zu sehen. „Warum lass ich mich von sowas verunsichern?“, knurrte er genervt vor sich hin. In all den vergangenen Jahren hatte er nicht einmal so sehr an sich gezweifelt. Und er hatte sich bereits in deutlich gefährlicheren Situationen befunden. Wie kam es, dass ihn ein anderer Mensch so beeinflussen konnte? Sollte es ihm nun tatsächlich zum Nachteil sein, dass er sich mit jemandem angefreundet hatte? Oder lag es möglicherweise einfach daran, dass da auf einmal jemand war, der sich um ihn sorgte und gewissermaßen auf ihn angewiesen war? Bei diesen Gedanken bildete sich ein Kloß in Milos Hals. Das waren Empfindungen, die er so noch nicht kannte und von denen er nicht so recht wusste, was er davon halten sollte. Wieder einmal fragte er sich, was er von dem anderen wollte und wie weit er diesen an sich heranlassen sollte. Doch bei der Erinnerung an den vergangenen Abend, dem angenehmen Gefühl, das er in Fenins Nähe empfunden hatte, konnte er unmöglich etwas anderes wollen, als eine Freundschaft anzustreben. So unvernünftig und kurzsichtig dies auch sein mochte. Durch seine Überlegungen kam Milo nicht nur nicht voran, auch vergaß er seine Umgebung vollkommen, so dass er das verdächtige Geräusch von rollenden Steinchen fast zu spät hörte. Eher aus einer Intuition heraus machte er einen schnellen Schritt nach hinten, wobei er um ein Haar auf einem Stein ausrutschte. Vor ihm fiel ein kleiner Felsbrocken auf genau den Punkt, an dem er keine Sekunde zuvor noch gestanden hatte. Doch er hatte gar keine Zeit, diesen genauer zu betrachten. Von den Felsen über sich hörte er ein tiefes Brummen, das schnell zu einem bedrohlichen Knurren anschwoll. Milo brauchte nicht aufzuschauen, um zu begreifen dass er sich in Gefahr befand. Ohne sich zu vergewissern, ob es sich nur um ein Raubtier oder doch um die gesuchte Bestie handelte, drehte er sich in einer schnellen Bewegung um und rannte los. Es war nicht so, dass er es sich plötzlich anders überlegt hatte und nicht kämpfen wollte. Zwischen den Felsen war es einfach zu eng, als dass er vernünftig ausweichen oder mit seinem langen Stab kämpfen könnte. Ein Bär hingegen, der lediglich einen kräftigen Prankenhieb benötigte, um ihn zu erledigen, hätte dort nur Vorteile. Er musste ihn auf eine offenere Fläche locken. Den schweren Schritten und zornigen Brüllern nach zu urteilen, die ihm ohne zu zögern folgten, gelang ihm zumindest dieses Vorhaben. Doch wann hatte er das letzte Mal was anderes als diese bedrückende Enge gesehen? Als Milo außer Atem um eine Felskante hastete und sich vor ihm der Weg etwas weitete, dachte er keine Sekunde über seine Entscheidung nach. In einer fließenden Bewegung drehte er sich zur Seite und wartete auf das Tier, als er etwas buntes im Augenwinkel bemerkte. Ihm war klar, dass es einer dieser verdammten Schmetterlinge sein musste, doch dieses Mal kam die Warnung, die mittlerweile viel zu unzuverlässig geworden war, zu spät. Er konnte ihm keine Aufmerksamkeit schenken, da in diesem Moment das Tier ebenfalls um die Ecke gestürmt kam. Milo holte mit seinem Stab aus und steckte all seine Kraft in den folgenden Schlag. Möglicherweise war das der einzig wirkliche Vorteil, den er in diesem Kampf haben würde. Wie erhofft kam der Angriff überraschend und brachte seinen Gegner ins Taumeln, ließ ihn gegen die gegenüberliegende Wand stoßen. Ein kurzer Blick genügte Milo, um sich sicher zu sein, dass es sich hierbei um die gesuchte Bestie handelte. Zu seinem Erstaunen war sie kaum größer als ein normaler Bär, sah aber deutlich bedrohlicher aus. Die kräftigen Muskeln waren selbst unter dem langen, drahtigen Fell noch deutlich zu sehen. Die Zähne waren scharf und lang, genauso wie die Krallen an den schwarzen Pranken. Die Bestie hatte sich schnell von dem unerwarteten Schlag erholt und starrte den Mann nun mit wütenden gelben Augen an. Milo schluckte unbehaglich, während ihm die Beine weich wurden. Doch so schnell gab er nicht auf. Er nahm all seinen Mut zusammen und startete den nächsten Angriff, ehe dieses Monster wieder zu wüten begann. Entschlossen sprang er auf das Bärenwesen zu, dass seine Pranken schneller hob, als er selbst reagieren konnte. Auch wenn er mit einer solchen Reaktion gerechnet hatte, so überraschte Milo die Geschwindigkeit. Er konnte nicht mehr ausweichen. Alles was ihm blieb, war seinen Stab nach oben zu reißen und so den Schlag abzuwehren. Als die kräftige Pranke das Holz traf glaubte Milo ein leises Knacken zu hören. Im nächsten Augenblick wurde er zurückgeschleudert und stieß mit dem Rücken gegen die raue Felswand, was die Luft aus seinen Lungen presste. Noch ehe sich sein Blick klären konnte, riss er eher instinktiv seinen Stab nach oben. Er rechnete damit, dass die Bestie ihm nachsetzte. Ihm war nur zu bewusst, dass auch sein Stab ihn nicht vor einigen Knochenbrüchen bewahren würde, wenn diese übermächtige Pranke ihn nun traf. Die Kraft um auszuweichen konnte er nicht aufbringen. Mit verschwommener Sicht sah Milo, wie sich ein Schatten vor ihm aufbaute. Allem Anschein nach hatte es sein Gegner nicht allzu eilig, ihn umzubringen. Warum auch? Er konnte ihm sowieso nicht entkommen. So schnell gab Milo jedoch nicht auf. Er nutzte seine Chance und stieß sich von der Wand ab, direkt auf den Bären zu. Natürlich hätte er auch fliehen können, doch wie weit wäre er schon gekommen? Das untere Ende seines Stabs traf die Brust der Bestie und grub sich mühevoll in das Fleisch. Auch wenn sein Gegner so mächtig war, er war noch immer im Besitz eines magischen Werkzeugs, das genau für solche Kämpfe gemacht worden war. Mit einem ohrenbetäubendem Lärm schrie die Bestie auf und begann sich herumzuschleudern, wodurch Milo den Griff um seinen Stab verlor. Er konnte nur mit Schrecken zusehen, wie der Bär mit dem Stab in seiner Brust zurücktaumelte, während er nun wirklich schutzlos vor ihm stand. Weder war der Stab sonderlich tief eingedrungen, noch hatte er eine günstige Stelle getroffen. Zwar konnte die Bestie die Waffe dank deren magischen Kraft nicht entfernen, doch die dadurch entstehenden Schmerzen ließen sie geradezu rasend werden. Während Milo einem wütenden Angriff auswich dachte er darüber nach, wie er aus diesem unüberlegten Handeln einen Vorteil ziehen konnte. Er würde nicht an seine Waffe gelangen, ohne im Gegenzug von mindestens einer Pranke erwischt zu werden. Im Augenblick blieb ihm nicht viel mehr übrig, als auszuweichen und zu schauen, welche Chancen sich ihm ergaben. Es war ein gefährliches Spiel, das er hier spielte. Auch wenn die Bestie sich gerade wutentbrannt auf ihn stürzte, ohne Rücksicht auf irgendetwas zu nehmen. Durch ihre schiere Stärke zerbrachen die Felsen, die sie erwischte, ohne sich selbst ernsten Schaden zuzufügen. Er bräuchte von dieser Wucht nur gestreift zu werden, um sich schwere wenn nicht sogar tödliche Verletzungen zuzuziehen. Mit einer immer langsamer werdenden Bewegung duckte Milo sich weg. Über ihm schlug eine Pranke in die Steinwand und brach ein Stück heraus, während er für seinen Geschmack etwas zu nah an der Bestie vorbeistolperte. Er hatte die Hoffnung, dass sich sein Gegner den Stab in seiner Raserei selbst noch tiefer eintreiben würde, doch wie lange sollte er dafür dieses Spiel spielen? Milos Ausdauer ließ langsam aber sicher nach. In seinem kläglichen Ausweichmanöver kam der Mann nicht schnell genug von der Bestie weg, die sich mit einer nach wie vor enormen Ausdauer und Geschwindigkeit auf der Stelle umdrehte und ihm nachging. Milo sah die Pranke bereits seinen Brustkorb zerschmettern. Er hatte keine Möglichkeit, diesem Schlag auszuweichen. Mit Schrecken wurde ihm bewusst, dass es das gewesen war. Vielleicht würden nur seine Rippen brechen, vielleicht würde auch sein Herz versagen. So oder so würde er letztendlich seinen Tod finden. Mit aufgerissenen Augen starrte er seinem unausweichlichen Verderben, das in Form einer riesigen, schwarzen Pranke auf ihn zuraste, entgegen. So hatte er sich sein Ende nicht vorgestellt. Noch bevor er die Augen schließen oder sonst irgendwie reagieren konnte, schien die steinige Erde unter ihnen plötzlich zu explodieren. Ein grüner Strunk schoss aus der Erde, umschlang die Pranke und hielt den Schlag auf. Wie gelähmt stolperte Milo einen Schritt zurück und fiel auf den Boden. Selbst wenn er hätte aufstehen wollen, seine Knie zitterten im Anblick seines Todes zu stark, als dass er sich irgendwie regen könnte. Zu seinem Glück schien die Bestie genauso eingeschränkt in ihren Bewegungen zu sein. Zwar schrie und wütete sie, doch die braun-grünliche Wurzel, die immer kräftiger wurde und mittlerweile den gesamten Arm des Monsters umschlungen hielt, war scheinbar stark genug, um nicht zerrissen zu werden. Milo brauchte einen Moment, um seinen Schock zu verarbeiten. Nicht nur war er gerade allem Anschein nach dem Tod von der Schippe gesprungen, auch hatte er so etwas noch nie gesehen. Er starrte das eindeutig pflanzliche Ding an, dass ihm gerade das Leben gerettet hatte und war sich verdammt sicher, dass es keinerlei Pflanzen gab, die sich derart verhielten und erst recht nicht so schnell waren. Sein Blick brauchte nicht weit zu wandern, um die Ursache für dieses Phänomen zu entdecken. Er wusste sofort, dass es von der Gestalt, die keine fünf Schritte von ihm entfernt stand, ausgelöst wurde. Gleichzeitig lief es Milo so eisig den Rücken hinunter, dass er beinahe mühelos auf seine Beine fand. Dieses Wesen war weitaus gefährlicher als der Bär. Alleine, dass es ihn mit solcher Leichtigkeit aufhalten konnte. Es musste ein Dämon sein. Nicht so ein schwacher, wie der, der Lysils Vater getötet hatte. Ein richtiger, echter und vor allem hochgefährlicher Dämon. Auch wenn Milo es nicht glauben konnte. Immerhin kannte er die Person. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)