The fragrant Flower von Ryouxi ================================================================================ Kapitel 23: Orchidee -------------------- [[BILD=8425953.png]] In den darauffolgenden Tagen reisten sie nur langsam durch die verschneite Landschaft. Es war kalt, so dass sie häufiger Pausen einlegten, um sich an einem Feuer aufzuwärmen. Noch vor den frühen Sonnenuntergängen zogen sie sich in den Unterschlupf zurück, den Fenin stets neu aus der Erde wachsen ließ. Und auch morgens brachen sie erst weit nach Sonnenaufgang auf. Doch keiner von ihnen hatte es eilig. Nicht nur hatten sie kein Ziel, auch hatten sie reichlich zu essen, so dass Milo keine Ortschaft aufsuchen musste. Und trotzdem störte den Mann etwas über diese Tage. Er hatte seine Gedanken längst sortieren und herausfinden können, was er wirklich wollte. Oder zumindest glaubte, zu wollen. Doch seit dieser einen Nacht hatten sie sich kein einziges Mal mehr derart angenähert. Fenin hielt wie früher stets einen respektvollen Abstand und Milo wusste beim besten Willen nicht, wie er einen ersten Schritt machen sollte. Auch wenn er sich nun sicher war, dass er Fenin nicht von sich stoßen wollte, so war es ihm dennoch unangenehm, seine Zuneigung offen zu zeigen indem er sie einforderte. Nicht nur einmal hatte er sich gefragt, warum der andere mit ihm umging, als wäre nichts geschehen. Konnte es möglicherweise daran liegen, dass er ihm gesagt hatte, dass er keine Männer mochte? „Milo?“ Fragend schaute der Angesprochene auf und blickte direkt in die hellen Augen Fenins, die sich keine Armlänge von ihm entfernt befanden. „Ja?“ Er war sich sicher, dass Fenin gerade mit ihm gesprochen hatte. Doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte sich an kein Wort erinnern. Der andere musterte ihn kurz eindringlich, ehe er seine Frage noch einmal wiederholte. „Wo sollen wir lang gehen?“ Sie waren über die letzten Tage einem Bach gefolgt, der sich nun gabelte. Anstatt dass sich Fenin, der heute die Führung übernommen hatte, aber einfach für einen Weg entschied, fragte er Milo nach seiner Meinung. Natürlich war es schön, dass er solche Entscheidungen gemeinsam treffen wollte, gerade beschäftigten den Mann jedoch ganz andere Dinge. „Macht es einen Unterschied?“, fragte dieser daher nach. Er hatte in beide Richtungen einen kurzen Blick geworfen, doch beide Bäche verschwanden nach einigen Windungen zwischen den kahlen Bäumen. „In diese Richtung scheint es eine Siedlung zu geben.“ Fenin deutete auf den rechten Bachlauf, welchen Milo darauf noch einmal genauer musterte. Doch auch am Himmel war kein Rauch zu sehen. „Eine Siedlung?“, fragte er skeptisch nach. „Sie ist noch weit weg, aber ich kann das Feuer und Vieh bereits riechen.“ Fenins Aussage machte ihn etwas nervös, da diese dämonische Fähigkeiten noch immer etwas gewöhnungsbedürftig für ihn waren, selbst wenn er mittlerweile täglich damit konfrontiert wurde. „Na schön. Dann gehen wir hier weiter.“ Ohne groß darüber nachdenken zu müssen, deutete Milo auf den linken Bachlauf. Anstatt es aber einfach hinzunehmen, fragte Fenin nach. „Du willst nicht zu der Siedlung?“ Einerseits konnte Milo diese Frage nur zu gut verstehen. Nicht nur hatte er sich vor ein paar Wochen noch nach jeder Siedlung gesehnt, sein letzter Menschenkontakt war auch schon eine Weile her. Jedoch hatte er zur Zeit kein Bedürfnis danach, sich mit Fremden herumschlagen zu müssen. Ganz davon abgesehen, dass Fenin ihn vermutlich nicht begleiten würde. Er wollte einfach nicht darüber sprechen. „Dafür müssten wir den Bach überqueren. Das ist viel zu umständlich“, versuchte er seine Entscheidung zu begründen. „Du weißt, dass das für mich kein Problem ist.“ Auf die Aussage des anderen ging er gar nicht mehr ein und setzte seinen Weg fort. Zwar war es schön, dass Fenin ihm gegenüber offener und auch gesprächiger geworden war. Doch manchmal sehnte er sich den verschwiegenen, ruhigen Fenin zurück. Nachdem sie an diesem Nachmittag einen Ort für ihr Lager auserkoren hatten, hatte sich Milo an den Bach gesetzt, während Fenin sich um den Rest kümmerte. Mittlerweile hatte sich der Mann damit abgefunden, dass er nichts machen konnte, um dem anderen zu helfen. Es war alleine Fenins Fähigkeiten geschuldet, dass sie jede Nacht einen Unterschlupf, ein Feuer und etwas warmes zu Essen hatten. Es ärgerte Milo noch immer, doch zumindest ging der andere nicht mehr wie ein Kind mit ihm um. Spätestens im Frühjahr würde er sich für all das revanchieren. Gerade beobachtete Milo ein paar kleine Fische, die unter der fast vollkommen zugefrorenen Wasseroberfläche schwammen, als er knirschende Schritte hinter sich hörte. „Was bekümmert dich?“ Diese Frage kam so unerwartet, dass Milo dem Impuls, sich zu Fenin umzudrehen, widerstand. Er wollte ihm nicht sein Gesicht offenbaren, in dem vermutlich nur allzu offen geschrieben stand, dass er genau ins schwarze getroffen hatte. „Bekümmert? Wie kommst du denn darauf?“ „Du bist schon den ganzen Tag sehr nachdenklich. Und auch nicht erst seit heute.“ So wie Fenin ihn immer anschaute war es kein Wunder, dass es ihm aufgefallen war. Aber was sollte Milo dazu sagen? „Warum hast du dich gegen die Siedlung entschieden?“ „Du bist ziemlich neugierig geworden.“ „Ich mache mir Sorgen.“ „Das brauchst du nicht.“ Milo war klar, dass er ihn damit nicht zufriedenstellen würde. Nachdem er einmal durchgeatmet hatte, drehte er sich zu ihm um. „Warum sollte ich in eine Ortschaft voller Fremder wollen, wenn ich deine Gesellschaft habe?“ Auch ohne dass Fenin die Worte aussprach wusste Milo, dass ihm das 'Weil ich nur ein Dämon bin' geradezu auf der Zunge lag. Vielleicht war Fenin doch nicht ganz so selbstsicher, wie er sich bisher gegeben hatte. „Lass uns einfach nicht mehr darüber reden. Oder wolltest du dahin? Es ist doch schön, dass wir einer Meinung sind.“ Fenins Blick bohrte sich geradezu in ihn. Zu gerne wüsste Milo, was in diesem Moment in dem anderen vor sich ging. Gleichzeitig begann sein Herz unruhig ob dessen Verhalten zu schlagen. Für einen kurzen Augenblick huschte der Gedanke durch den Kopf, ob es diese Nacht wohl so weit sein würde. Er führte ihn nicht weiter aus und dennoch genügte dieser Bruchteil einer Sekunde, um ihn nervös werden zu lassen. Fast im selben Moment flatterte ein bläulich-violetter Schmetterling zwischen ihnen hindurch, als würden ihm die eisigen Temperaturen nichts anhaben können. Ein sanftes Lächeln erschien auf Fenins Lippen. Ein Ausdruck der bei dem Dämon derart selten war, dass er Milos Herz nur noch schwerer schlagen ließ. Es fühlte sich beinahe so an, als würde ihm eine unsichtbare Kraft die Brust zuschnüren. „Du hattest mich mal gefragt, ob ich es nicht ungewöhnlich fände, einen Schmetterling im Herbst zu sehen.“ Milo brauchte nicht nur einen Moment, um sich auf diesen plötzlichen Themenwechsel einzustellen, sondern auch, um sich an besagtes Gespräch zu erinnern. Nach wenigen Sekunden sah er aber den See im Wald an einem Herbsttag vor sich. „Für einen Blumendämon wie mich ist es nichts ungewöhnliches, häufig Schmetterlinge um mich zu haben. Sie werden wie magisch von meinem Geruch angezogen. Doch im Winter werde ich üblicherweise davon verschont, sind sie da schließlich alle tot. In meinem gesamten Leben habe ich nur eine Art kennen gelernt, die auch diesem Umstand trotzt – diese violetten Schmetterlinge. Weißt du, dass ich sie stets nur in deiner Nähe sehe?“ Bei diesen Worten wurde es Milo nur noch unbehaglicher. Seine Vermutung, dass dieses Phänomen etwas mit Fenin zu tun hatte, sah er damit bestätigt. Aber hatte der Dämon auch eine Antwort dafür? „Das Gefühl hatte ich auch. Früher habe ich sie oft gesehen, bevor etwas geschehen ist. Du warst immer in der Nähe und hast Übel abgehalten, oder?“ Milos Augen verengten sich etwas, während er Fenin fixierte. Diese Frage hatte er schon zu lange mit sich herumgetragen. „Ich hatte bereits gesagt, dass ich immer ein wachendes Auge auf dich hatte“, bestätigte er seinen Vermutung nickend. „Und das ist auch eine deiner Fähigkeiten?“, hakte Milo nach. Er wollte endlich eine Erklärung dafür haben. Doch stattdessen zuckte Fenin einfach nur mit den Schultern. „So etwas ist mir noch nie zuvor passiert. Ich weiß selbst nicht, was es damit auf sich hat. Vielleicht hat es aber etwas mit dieser Anziehung zu tun, die ich in deiner Nähe verspüre.“ Milo nickte nur abwesend, während er sich fragte, ob es sich bei dieser Anziehung, von der der andere sprach, um das gleiche handelte, was er ihm gegenüber empfand. Vor ein paar Tagen war er noch davon ausgegangen, nun aber war er sich nicht mehr sicher. Ein wenig enttäuschte es ihn schon, dass Fenin selbst nicht mehr wusste. „Ich werde jagen gehen.“ „Nein.“ Milo hatte geantwortet, noch ehe er über seine eigenen Worte nachdenken konnte. Im nächsten Augenblick hätte er sich dafür selbst ohrfeigen können. „Ich meine, es ist noch viel zu früh“, versuchte er sich irgendwie zu retten. Wie sollte er Fenin bitte erklären, dass er nicht alleine gelassen werden wollte? Er konnte es sich ja nicht einmal selbst erklären. „Für mich macht die Tageszeit keinen unterschied. Aber so kannst du dann essen, wenn es noch hell ist.“ „Ich kann auch im Dunkeln essen“, entgegnete Milo nur halbherzig. „Wir haben doch Feuer.“ Einige Sekunden blieb es still, in denen Fenin ihn mal wieder musterte. „Na gut, dann werde ich später gehen. Willst du mit ans Feuer kommen?“ Fenin machte bereits Anstalten zu gehen, als Milo ihm seinen Arm entgegenstreckte. „Wenn du mir hochhilfst.“ Fenin hatte ihm tatsächlich hochgeholfen, doch seinen Arm sofort wieder losgelassen, nachdem Milo stand. Dieser folgte ihm unzufrieden zu dem wärmendem Feuer. Doch was hätte er tun sollen? Er hätte den anderen kaum festhalten können. Was hätte er danach machen sollen? Dafür war er definitiv zu unsicher. Es war zum Haare raufen. Dass er jemals eine derartige Unsicherheit verspüren würde hätte Milo nicht gedacht. Warum musste Fenin auch so distanziert sein? War er schon immer so gewesen? Milo brauchte nicht lange über diese Frage nachzudenken, um sich selbst eine Antwort geben zu können. Selbst als Fenins wahres Wesen noch nicht offenbart gewesen war, hatte dieser immer Wert auf einen gewissen Abstand und möglichst wenig Kontakt gelegt. Andererseits schien er aber doch etwas an Milo zu finden. Oder hatte er sich all dies möglicherweise nur eingebildet? Hatte er sein Handeln und seine Worte vor einigen Tagen falsch interpretiert? War Fenin wirklich auf diese Art und Weise an ihm interessiert? Über all diese Fragen nachdenkend starrte er Fenin geradezu ein Loch in den Rücken. Er merkte es selbst nicht, bis der andere sich schließlich mit einem fragendem Blick zu ihm umdrehte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)