Im Himmel ist der Teufel los von Sky- (Apokalypse Reloaded) ================================================================================ Kapitel 16: Gelegenheit macht Teufel ------------------------------------ Als die lähmende und einschläfernde Wirkung des dämonischen Nebels nachgelassen hatte, war es schon längst Morgen. Das erste, was Nazir nach dem wohl tiefsten Schlaf seines Lebens aufweckte, war nicht etwa der verlockende Kaffeegeruch oder die Sonnenstrahlen, die durchs Fenster fielen. Nein, es war ein lauter donnernder Knall, der die friedliche Stille und das liebliche Vogelgezwitscher jäh unterbrach. Schlagartig war er wach und riss die Augen auf. Er setzte sich auf und konnte sich nicht einmal mehr vernünftig daran erinnern, was gestern Abend geschehen war und warum er zugedeckt auf der Couch gelegen hatte. Angestrengt versuchte er die zerstreuten Puzzlestücke seiner Erinnerungen wieder zusammenzufügen und ihm fiel wieder ein, dass er plötzlich so schläfrig geworden war und Malachiel daraufhin gegangen war und das Wohnzimmer versiegelt hatte. Anscheinend war er dann kurz danach eingeschlafen und keiner hatte ihn seitdem aufgeweckt. Verdammt noch mal, wie spät war es? Wieder knallte es und kurz darauf noch ein drittes Mal. Schlagartig fiel dem Dämon wieder ein, was dieses Geräusch bedeutete und eilte hastig aus dem Wohnzimmer. Auf dem Flur stieß er fast mit Metatron zusammen, dessen goldenes Haar ziemlich zerzaust war und er sah auch etwas übernächtigt aus. Verschlafen rieb er sich seine blauen Augen und schaute sich verwundert um. „Was ist los? Was ist passiert und was war das für ein Geräusch?“ Doch der dämonische Haushälter hatte nicht den Kopf dafür, irgendetwas zu erklären. Er musste sich beeilen, bevor es noch endgültig zu spät war. Also rannte er hastig an den verschlafenen Seraph vorbei, eilte die Stufen hinunter und Metatron, der aus der Reaktion schloss, dass irgendetwas Schlimmes passiert sein musste, folgte ihm kurzerhand und sparte sich seine Frage erst mal für später auf. Gemeinsam verließen sie das Pfarrhaus und eilten zum Glockenturm der Kirche, wo auch schon der nächste Knall ertönte. Sie stiegen die Treppen hinauf und sahen dann auch schon Malachiel mit einer Schrotflinte bewaffnet stehen und auf das Dachgebälk zielen. Ein paar Federn und leere Patronenhülsen lagen verstreut auf dem Boden. Ein aufgeregtes Flattern und Gurren war zu hören und als Metatron nach oben schaute, sah er eine Schar von Tauben, die nun panisch umherflogen und versuchten, hastig wieder aus dem Glockenturm zu flüchten. Doch nicht alle fanden auch durch das kleine Loch im Mauerwerk wieder nach draußen, durch das sie zuvor reingekommen waren. Nazir war der Erste, der reagierte und dem schießwütigen Pfarrer schnell das Gewehr aus der Hand nahm. „Seid Ihr vollkommen übergeschnappt, Meister? Wie oft soll ich Euch denn noch sagen, dass Ihr gefälligst damit aufhören sollt, ständig Löcher ins Dach zu ballern?“ „Dann sag du diesen Spatzenhirnen doch, sie sollen gefälligst damit aufhören, mir ständig die Glocken vollzukacken!“ erwiderte Malachiel und wollte das Gewehr wieder an sich reißen und noch mal einen Schuss abfeuern. Aber dazu ließ es sein Schüler gar nicht erst kommen und er brachte das Gewehr schnell in Sicherheit. „Wo habt Ihr das hier überhaupt her?“ fragte Nazir wütend und schlug seinem Herrn strafend auf die Finger, als dieser sich seine Waffe zurückholen wollte. „Ich habe doch erst letztens die Schrotflinte konfisziert!“ „Ich hab mir halt ein neues Gewehr gekauft“, antwortete der Halb-Engel schulterzuckend und schmollte wie ein Kind, dem man soeben das Spielzeug weggenommen hatte. „In den USA nennt man so etwas übrigens sein Heim vor Einbrechern schützen. Ich habe es satt, dass mir diese Kackvögel ständig alles vollscheißen und wenn ich sie nicht vertreibe, fangen die hier noch an, sich Nester zu bauen.“ Metatron, der von dieser Aktion mehr als geschockt war, schüttelte fassungslos den Kopf darüber. Inzwischen wusste er ja, dass Malachiel etwas speziell in manchen Dingen war und manchmal etwas drastische Methoden bevorzugte. Aber das hier ging doch etwas zu weit und da musste er Nazir in dieser Angelegenheit zustimmen. „Du kannst doch nicht auf Tauben schießen“, versuchte er ihm deshalb ins Gewissen zu reden. „Weißt du denn nicht, dass sie Gottes Friedensboten sind?“ „Friedensboten am Arsch“, schimpfte Malachiel und war immer noch sichtlich beleidigt. „Schon mal was von Vogelgrippe gehört? Das sind bloß Ratten mit Federn und keiner wird diese Biester vermissen. Die können froh sein, dass ich eine derart miese Trefferquote habe.“ Vereinzelt rieselte Staub runter und es dauerte nicht lange, bis kleine Splitter von zerstörten Dachziegeln hinunterfielen. Schnell zog Metatron seinen Liebsten beiseite und kurz darauf fielen auch schon ein paar Splitter von Holz und Dachziegeln hinunter. Licht fiel durch die Löcher, die Malachiel ins Dach geschossen hatte und als sie die Bescherung sahen, seufzte Nazir genervt und meinte „Ich werde das ganz sicher nicht reparieren!“ Doch der Himmelsregent hatte da eine Idee, die sie alle zufrieden stimmen sollte. „Ich werde das erledigen und auch das Loch im Gemäuer reparieren, wenn du in Zukunft damit aufhörst, auf diese armen Tauben zu schießen. Wie klingt das für dich?“ Zugegeben, das Angebot klang verlockend, doch so ganz überzeugt war der Halb-Engel noch nicht. Eigentlich hätte er dieses Problem ja selbst längst beheben können, da er genauso Wunder bewirken konnte wie jeder Engel und Dämon. Der Unterschied war nur, dass er im Gegensatz zu allen anderen keine vorherige Genehmigung brauchte oder irgendwelchen Papierkram dafür erledigen musste. In Wahrheit war diese Taubenballerei seine eigentümliche Art, um ab und zu mal Dampf abzulassen. Selbst wenn er zu faul war, um sich bei jeder Kleinigkeit aufzuregen, musste selbst jemand wie er ab und zu mal Stress abbauen. Manche Leute machten Sport, er hingegen bevorzugte es, auf die Tauben im Dachgebälk zu feuern. Dieses Hobby hatte seinem Haushälter schon viel zu oft Nerven gekostet, ganz zu schweigen davon, dass das Dach ständig repariert werden musste. Da es aber Metatron war, der ihm dieses Angebot unterbreitete und diesem offenbar das Wohl dieser Flugratten am Herzen lag, willigte er mit einem geschlagenen Seufzer ein. Während Nazir mit hochrotem Kopf mit dem Gewehr in der Hand den Glockenturm verließ, blieb Metatron zurück um mit einem kleinen Wunder sämtliche Schäden im Dach und im Gemäuer zu reparieren. Malachiel beobachtete ihn schweigend dabei und wartete, bis der Seraph mit der Arbeit fertig war. Nachdem das letzte Loch verschlossen war, nutzte der Halb-Engel die Gelegenheit und umarmte seinen Liebsten. „Weißt du eigentlich, wie verdammt süß du aussiehst, wenn du schläfst?“ fragte er ihn und grinste amüsiert, als er sich wieder an den gestrigen Anblick zurückerinnerte. Neckisch kniff er Metatron dabei in die Nase. „Du hast tief und fest geschnarcht und das ganze Regelwerk dabei vollgesabbert. Zu schade, dass ich kein Foto davon gemacht habe.“ Trotz der kleinen Stichelei musste selbst Metatron schmunzeln, auch wenn ihm dieser Vorfall mehr als peinlich war. Nicht nur weil er eines der wichtigsten Bücher des Himmels beinahe ruiniert hätte, sondern weil er derart leicht überrumpelt worden war, ohne dass er etwas gemerkt hatte. So etwas war ihm bisher noch nie passiert und vom höchsten aller Engel sollte man eigentlich etwas anderes erwarten. „Du kannst manchmal echt fies sein, weißt du das?“ erwiderte er mit gespielt beleidigtem Ton, schaffte es aber nicht, seine Schmollmiene konsequent durchzuziehen und küsste Malachiel stattdessen. „Tut mir leid, dass ich dir gestern überhaupt keine Hilfe war. Ich hätte wirklich etwas merken müssen aber ich hätte nie gedacht, dass Dämonen heutzutage mit solchen Tricks arbeiten…“ „Ach was, mach dir keinen Kopf deswegen“, winkte Malachiel ab, um seinem Freund die Schuldgefühle zu nehmen. „Das war eh nichts Besonderes gewesen. Bloß ein paar frühreife Kids, die ein bisschen Ärger machen wollten. Ich habe dich auch deshalb nicht geweckt, weil ich mir dachte, dass du nach all dem ganzen Ärger eine kleine Pause gebraucht hast. Zumindest meinen die Menschen immer wieder, dass ein bisschen Schlaf Wunder bewirken kann.“ „Das ist aber wirklich süß von dir. Warum kannst du nicht immer so sein?“ fragte Metatron und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Auch wenn er genauso wenig wie alle anderen Engel keinen Schlaf brauchte, musste er zugeben, dass ihm diese Ruhepause wirklich gut getan hatte. Er fühlte sich tatsächlich etwas weniger gestresst und es schien ihm auch so, als hätte er mehr Energie und Elan als die letzten Tage. Es war wirklich eine gute Idee gewesen, hierher zu kommen. Auch wenn er stolz auf seine Stellung als König der Engel war und sich alle auf ihn verließen, sehnte er sich hin und wieder nach Momenten, wo nicht die ganze Welt auf seinen Schultern lastete. Manchmal war er es einfach leid, immer das Sagen zu haben, alle Entscheidungen alleine treffen zu müssen und ständig Krisenbrände zu löschen. Hier bei Malachiel in diesem kleinen unscheinbaren Dorf wo sich kaum jemand dorthin verirrte, konnte er auch mal das Leben genießen und zur Ruhe kommen. Wann immer er hierher kam, hatte er das Gefühl, seinen inneren Frieden zu finden und sich keine Sorgen mehr machen zu müssen. Zumindest wenn man von kleineren Ausfällen seitens seines Liebsten absah. Auch wenn ihm die Zeit in Hollingsworth immer schrecklich kurz erschien, war ihm dennoch so, als würde dieser Ort seine Lebensgeister wieder zurückholen. Hand in Hand kehrten sie zusammen ins Pfarrhaus zurück und nahmen ein kleines Frühstück zu sich. Malachiel begnügte sich lediglich mit schwarzem Kaffee während Nazir und Malachiel beschlossen, die Gelegenheit zu nutzen um mal ein ausgiebiges englisches Frühstück auszuprobieren. Eine kleine Sünde konnte ja ab und zu mal nicht schaden. Und sonst hatte der Seraph ja nie wirklich Zeit und Muße, um solche Dinge ausgiebig zu genießen. Als sie zu dritt zusammen saßen, nutzte der Himmelsregent die Gelegenheit, um eine wichtige Angelegenheit anzusprechen. „Wir haben gestern sehr gute Fortschritte gemacht und einen wunderbaren Lösungsansatz gefunden, um das Regelwerk zu korrigieren ohne über die Stränge zu schlagen. Allerdings haben wir immer noch das Problem, dass Millionen und vielleicht sogar Milliarden von Seelen zu Unrecht in der Hölle festsitzen. Eine Generalamnestie wäre zwar durchaus denkbar, allerdings bedeutet das unfassbar viel Arbeit und Zeitaufwand und das stellt uns vor enorme Schwierigkeiten.“ „Wieso?“ fragte Nazir verwirrt, während er genüsslich eine große Portion Rührei mit Bacon aß. „Kann man die Seelen nicht einfach in den Himmel oder für die Wiedergeburt auf die Erde zurückschicken?“ „Das geht leider nicht, weil die Hölle sozusagen Endstation bedeutet“, erklärte Malachiel und nahm sich nach kurzer Überlegung einen Apfel, um sich an der Frühstücksgesellschaft zu beteiligen. „Wer einmal unten ist, sitzt fest. Immerhin muss es ja Gründe geben, warum diese Leute unten sind. Das letzte Mal, als eine Generalamnestie erlassen wurde war, als Jesus gestorben ist. Und ich glaube kaum, dass Gott genug Kinder produzieren kann, um derart viele Fehlurteile wieder auszubügeln. Nach dem letzten Debakel bezweifle ich auch, dass Jesus sich noch mal nageln lassen will.“ „Vorsicht bei der Wortwahl bitte!“ ermahnte Metatron sofort und räusperte sich. „Wir haben das Thema nur kurz angesprochen, aber es wird schwer werden, sich auf eine Lösung zu einigen. Ich wäre dir deswegen wirklich dankbar, wenn du mit mir kommen würdest…“ „Und was soll ich da machen?“ fragte der Halb-Engel widerwillig und verzog die Miene bei dem Gedanken, stundenlang mit einem Haufen engstirniger, verklemmter und selbstgerechter Narzissten zusammensitzen zu müssen und sich irgendwelche langweiligen Diskussionen anzuhören. Er konnte sich weitaus Schöneres vorstellen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er bis jetzt noch nicht zu seinem Nickerchen gekommen war und ihm sein freier Tag flöten gegangen war. „Ich habe heute Abend noch eine Andacht und ehrlich gesagt ist mir eine Stunde mit einem Haufen alter Leute deutlich lieber als mit dem Irrenhaus da oben.“ Etwas verlegen senkte Metatron den Blick und seine Wangen wurden rot um die Wangen. Er biss ein Stück von seinem Marmeladentoast und kaute eine Weile darauf herum, bis er endlich den Mut fand, den wahren Grund für seine Bitte auszusprechen. „Ich möchte nur, dass du als emotionale Stütze mitkommst“, gestand er und verzog dabei peinlich berührt die Miene. „Am Ende des Tages muss ich die ganzen Entscheidungen treffen und ich habe Angst, dass alles noch schlimmer eskalieren wird, wenn wir zu keinem Ergebnis kommen. Du musst ja nichts zu der Unterhaltung beisteuern. Aber wenn du da bist, sind die anderen vielleicht etwas kooperativer.“ Mit einem geschlagenen Seufzer verdrehte Malachiel die Augen und ärgerte sich sichtlich, dass er nicht imstande war, seinem Liebsten einen Gefallen abzuschlagen. Seine Liebe zu Metatron war da halt viel stärker als sein Drang zur Faulheit. „Du kannst echt von Glück reden, dass du so verdammt süß bist, wenn du mich so bittest! Na schön, ich komme mit dir. Aber ich kann dir nicht versprechen, dass ich mich auch artig benehmen werde.“ „Das hoffe ich sogar“, erwiderte der König der Engel mit einem schelmischen Zwinkern. „Vielleicht tut denen eine kleine Unterrichtsstunde in Sachen Bescheidenheit mal ganz gut.“ Nazir schaute abwechselnd zu den beiden und war erstaunt, dass sein Herr derart schnell nachgegeben hatte. Normalerweise hätte er sich längst mit irgendeiner fadenscheinigen Ausrede aus der Affäre gezogen oder sich zumindest über die ganze Arbeit herumgejammert, die man ihm zumutete. Doch stattdessen hatte es nicht wirklich viel gebraucht um ihn weichzukochen. Diese Dynamik zwischen ihm und Metatron war schon faszinierend. Anfangs hatte er sich ja gewundert, wie zwei derart unterschiedliche Persönlichkeiten überhaupt miteinander klarkommen konnten. Aber anscheinend ergänzten sie sich ganz gut und die Verbundenheit zwischen ihnen beiden reichte zumindest aus, um über all die Unterschiede hinwegzusehen. Doch dann kam etwas, das selbst den dämonischen Haushälter völlig überraschte. Malachiel hob mahnend wie ein Lehrer den Zeigefinger hoch und seine Miene wurde ernst. „Aber ich komme nur unter einer Bedingung mit dir mit: mein Schüler wird mich begleiten. Dann hat er wenigstens die Möglichkeit, sich diesen Sauhaufen da oben anzusehen und kann sich überlegen, ob er sich die Ewigkeit da oben wirklich antun will.“ Bei diesen Worten verschluckte sich Metatron fast an seinem Kaffee. „Wie bitte?“ fragte er erschrocken. „Du willst ihn mit in den Himmel bringen? Bei aller Liebe Malachiel, aber hast du vergessen, dass dort oben seit Anbeginn der Zeit eine strikte Anti-Dämon-Politik herrscht? Wie sieht das denn aus, wenn dein Schüler einfach so frei herumläuft? Hast du eine Ahnung davon, wie die anderen Engel reagieren werden?“ „Na und?“ meinte sein Gegenüber schulterzuckend und war offenbar nicht von seiner Meinung abzubringen. „Ihr lasst ja auch Samael frei herumlaufen und keiner beschwert sich. Mach dir mal keine Sorgen, es wird schon gut gehen. Nazir bleibt an meiner Seite und ich verbürge mich für ihn. Sollte also irgendetwas passieren, übernehme ich die volle Verantwortung und biege das wieder hin.“ Metatron sträubte sich allein bei dem Gedanken, was für eine Streiterei das wieder nach sich ziehen würde, wenn die Erzengel davon Wind bekamen. Andererseits konnte er schlecht Nein sagen, wo doch auch Luzifer trotz seiner derzeitigen Position als Teufel wieder im Himmel aufgekreuzt war. Außerdem hatte Nazir ja bereits bewiesen, dass er kein schlechter Charakter war und durchaus eine Chance verdient hatte. Und wie konnte er Malachiel diese eine Bitte abschlagen, wenn dieser ihm schon so viel geholfen hatte? Also entschloss er sich dazu, das Risiko in Kauf zu nehmen. „Also gut. Wenn er sich unauffällig verhält und an deiner Seite bleibt, darf er mitkommen. Aber das bleibt eine Ausnahme, okay?“ Nazir saß da wie vom Blitz getroffen und konnte nicht glauben, dass das hier gerade wirklich passierte. Er durfte mit in den Himmel kommen und das obwohl er ein Dämon war. So etwas hätte er sich nicht einmal zu träumen gewagt und ihm kamen sogar fast die Tränen vor Freude. „Vielen Dank. Ich verspreche hoch und heilig, dass ich keinen Ärger machen werde. Ihr werdet es nicht bereuen!“ „Jetzt fang hier bloß nicht an zu heulen“, beschwichtigte ihn Malachiel. „Es ist ja nur ein Ausflug nach oben und glaub mir… du wirst schon früh genug bereuen, dass du mir gedankt hast. Wir werden stundenlang nur da sitzen und uns das übliche Gezanke dieser übergeschnappten Egomanen anhören.“ „Ruiniere deinem Schüler doch nicht immer gleich die ganze Vorfreude“, warf Metatron leicht vorwurfsvoll ein, der sichtlich gerührt von Nazirs unschuldiger Begeisterung war. „Lass ihm doch den Spaß. Siehst du nicht wie überglücklich er ist?“ „Ein gesunder Pessimismus mit einer Portion Absurdismus hat noch keinem geschadet“, meinte der Pfarrer bloß, der bei seiner Meinung blieb und sich auch nicht anderweitig überzeugen lassen wollte. Er war halt ein leidenschaftlicher Spaßverderber aus Überzeugung. „Der Vorteil daran ist, dass man immer eines Besseren belehrt werden kann. Miesepeter sein will gelernt sein.“ Der Himmelsregent beschloss, es lieber dabei zu belassen und widmete sich wieder seinem Frühstück. Es war schon so viele Jahre her, seit er sich zuletzt den irdischen Genüssen hingegeben hatte und er wollte jeden einzelnen Moment davon genießen, bevor er wieder auf unbestimmte Zeit in den Himmel zurückkehrte. Dabei ließ er einen kurzen Blick zu Nazir schweifen, der übers ganze Gesicht strahlte wie ein kleines Kind an Weihnachten. Und Metatron konnte nicht umhin, bei diesem Anblick ein wenig zu schmunzeln. Irgendwie war ihm dieser Dämon in dieser kurzen Zeit ein wenig ans Herz gewachsen und er konnte schon verstehen, warum Malachiel ihn als Schüler aufgenommen hatte. Dieser Junge hatte tatsächlich nicht unbedingt dämonische Qualitäten und wenn er ganz ehrlich war, würde auch er gerne sehen, ob dieser es schaffen würde, sein Ziel zu erreichen. Als sie mit dem Frühstück fertig waren und alles für ihre Abreise vorzubereiten begannen, überkam den dämonischen Haushälter so langsam die Nervosität. Während Metatron Kontakt zum Himmel aufnahm, um einen Engel als Vertretung für Malachiel herunter auf die Erde zu beordern, war dieser hauptsächlich damit beschäftigt, ein wenig vor sich hinzudösen. Nach der ersten Euphorie überkamen den Dämon erste Zweifel, ob es tatsächlich eine gute Idee war und ob sein Meister und Metatron nicht vielleicht noch seinetwegen in Schwierigkeiten geraten würden. Etwas verunsichert trat er auf seinen Mentor zu und flüsterte leise, damit Metatron nichts mitbekam: „Meister, glaubt Ihr wirklich, dass auch nichts schief gehen wird? Ich will wirklich keine Probleme machen!“ Der Halb-Engel öffnete seine Augen und gähnte beherzt. Er schien sich nicht unbedingt Sorgen zu machen, aber ihm war ja auch egal, wie viele Feinde er sich machte. „Ach was, mach dir da mal keine Sorgen, ich hab alles im Griff“, versicherte er und versuchte eine etwas bequemere Sitzposition zu finden. „Nur weil die da oben alle Engel sind, brauchst du dich noch lange nicht von diesen Paragraphenreitern und Moralaposteln herumschubsen zu lassen. Du wirst es ihnen schon zeigen, weil du nämlich die Krise lösen wirst.“ „Was? Ich?!“ rief der Haushälter entsetzt und wich erschrocken zurück. Einfach nur als Begleitung mitzukommen und still bei einer Versammlung dabeizusitzen war ja eine Sache und das traute er sich durchaus zu. Doch eigenhändig ein Problem zu lösen, an welchem sich Luzifer und die Erzengel schon die Zähne ausgebissen hatten, war völlig unmöglich. Er war noch nicht einmal mit seinen Studien soweit, dass er überhaupt daran denken konnte, irgendeine Art von nützlichem Beitrag zu leisten. „Das… das kann doch nicht Euer Ernst sein. Warum ausgerechnet ich? Wie soll ich das überhaupt schaffen? Das ist vollkommen unmöglich.“ „Ach… aus einem Dämon einen Engel zu machen, hältst du für machbar. Aber diese kleine Herausforderung ist für dich unmöglich? Mit dieser Einstellung wirst du nicht weit kommen.“ „Ich habe ja nicht einmal die Bibel zu Ende gelesen. Wie soll ich denn mehr wissen als die Engel?“ hielt Nazir beinahe verzweifelt entgegen. Ihm wurde allmählich angst und bange bei dem Gedanken, völlig auf sich gestellt da zu stehen und sich noch zum Gespött des gesamten Himmels zu machen. Ganz zu schweigen davon, dass niemand einem Dämon wie ihm überhaupt zuhören würde. „Meister, normalerweise habe ich vollstes Vertrauen in Euch. Aber das ist vollkommen verrückt. Wie soll ich das schaffen wenn ich nicht mal weiß, wo ich überhaupt ansetzen soll? Während meiner Studien habt Ihr mir auch immer die Richtung gewiesen. Wenn Ihr also von mir verlangt, dieses Problem zu lösen, dann helft mir bitte dabei.“ Malachiel überlegte kurz und sah dann ein, dass es vielleicht angebracht war, seinem Schüler einen kleinen Denkanstoß zu geben. Er wollte es ihm aber auch nicht zu einfach machen, denn wo blieb denn da der Lerneffekt und das Erfolgserlebnis, wenn er ihm alles auf dem Silbertablett präsentierte. „Na schön, wenn du dir so unsicher bist, dann denke einfach an Dante: wenn du ganz tief unten angekommen bist, geht es nur noch bergauf.“ „Was soll das denn bedeuten?“ fragte Nazir irritiert und konnte mit diesem mehr als sinnlosen Ratschlag überhaupt nichts anfangen. Das mit dem bergaufgehen war ja eine nett gemeinte Art, um ihn wieder aufzubauen. Aber was hatte Dante bei der ganzen Sache zu tun? Doch sein Mentor hüllte sich in tiefstes Schweigen und so blieb dem jungen Dämon nichts anderes übrig, als sich vorerst mit diesen Worten zufrieden zu geben. So wie er Malachiel inzwischen kannte, hatte dieser irgendwelche obskuren Hintergedanken und plante mal wieder etwas, das sie alle zusammen in eine peinliche Situation bringen würde. Andererseits hatte dieser ihn noch nie in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht und sonst immer auf ihn aufgepasst. Also konnte er davon ausgehen, dass alles schon irgendwie gut gehen würde. Allerdings konnte er sich weitaus Besseres vorstellen, als ständig in Malachiels dubiose Spielchen hineingezogen zu werden. „Also gut, Meister. Aber bitte versprecht mir wenigstens, dass es nicht in einem totalen Desaster endet.“ „Versprechen kann ich nichts.“ „Meister!“ „Du hast halt keine Ahnung, wie die da oben alle ticken“, verteidigte sich der Halb-Engel, doch Nazir konnte ihm direkt am Gesicht ablesen, dass dies nicht der einzige Grund war. In Wahrheit juckte es Malachiel bloß gewaltig in den Fingern, die Engel allesamt vorzuführen und bloßzustellen. Was das betraf, konnte er manchmal ein richtiges Arschloch sein. Das kam wohl davon, wenn auch zur Hälfte Dämon war. Dann brachte man automatisch auch ein paar schlechte Charaktereigenschaften mit. Manchmal fragte sich der dämonische Haushälter, wie man überhaupt mit solch einer negativen Einstellung leben konnte. Aber andersherum hatte er auch nie erlebt, dass sich Malachiel sonderlich an seinem eigenen Pessimismus störte. Er schien eher zu der Sorte zu zählen, die einfach aus purer Leidenschaft Miesepeter waren weil es ihnen zu viel Spaß machte, einfach ungefiltert alles auszusprechen, das ihnen durch den Kopf ging. Auf der einen Seite war so etwas durchaus bewundernswert, aber andererseits besaß Nazir selbst einen viel zu friedliebenden Charakter, als dass er sich das Verhalten seines Mentors abgekupfert hätte. Blieb nur zu hoffen, dass dieser ihn auch dieses Mal nicht im Stich ließ und seine kryptische Nachricht bald Sinn ergeben würde. Auch wenn er die Lösung noch nicht direkt erkennen konnte, hatte er zumindest das Gefühl, eine ungefähre Vorstellung zu haben, was der Hinweis bedeutete. Stellte sich nur die Frage, ob er auch die Chance bekommen würde, im richtigen Moment bei den Engeln Gehör zu finden. Höchstwahrscheinlich nicht, aber wenn man jemanden wie Malachiel im Schlepptau hatte, konnte alles Mögliche passieren und das machte die ganze Sache recht spannend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)