Im Himmel ist der Teufel los von Sky- (Apokalypse Reloaded) ================================================================================ Kapitel 31: Blut, Schweiß und Spott ----------------------------------- Der Bau der Pforte zum Fegefeuer ging glücklicherweise reibungslos voran und innerlich atmete Metatron auf, dass wenigstens etwas vernünftig klappte. Nach all dem ganzen Durcheinander war es wirklich ein Lichtblick, endlich ein paar vernünftige Fortschritte beobachten zu können. Wenn alles glatt lief, konnte er bald damit beginnen, ein Team zusammenzustellen, um die Aufarbeitung der Seelenurteile zu beginnen. Verglichen mit all den Diskussionen, Zankereien und Intrigen sollte das ja wohl hoffentlich der einfache Teil sein. Blieb nur zu hoffen, dass Malachiel etwas bei Gabriel erreichen konnte. Die ganze Sache mit Michael und Raphael stank gewaltig nach Ärger und so ungern er es auch zugeben mochte, traute er es Samael durchaus zu, derart drastische Maßnahmen zu ergreifen. Er war ja noch nie wirklich jemand gewesen, der sonderlich zimperlich vorging und viel lieber drastische Methoden bevorzugte. Jemand, der die Menschen so sehr verabscheute und die Reinheit des Himmels gefährdet sah, konnte schlimmstenfalls zu Verzweiflungstaten bereit sein. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass jemand für seine Überzeugung Blut vergoss. Und Michael beiseite zu schaffen, kam ihm natürlich ganz gelegen um dem Projekt gehörig die Parade zu sabotieren. Aber war Gabriel wirklich so leichtgläubig, sich ausgerechnet von Samael manipulieren zu lassen? Der wusste doch besser als jeder andere, wie gefährlich der Seraph des Todes war. Unruhig schritt er an der Balustrade der höchsten Himmelsterrasse herab und war in tiefen Gedanken versunken. Er wurde das Gefühl einfach nicht los, dass er irgendetwas übersehen hatte und Eden vielleicht gar nicht das Ziel sein könnte. Dabei machte diese Schlussfolgerung doch am meisten Sinn und es passte einfach zu Samael. Trotzdem sagte ihm sein Bauchgefühl, dass da weitaus mehr im Busch war. Vielleicht eine Revolte? Das würde zumindest sein heimliches Techtelmechtel mit Luzifer erklären. Aber kein Engel konnte dumm genug sein um allen Ernstes zu denken, dass sich nach zwei fehlgeschlagenen Revolutionen irgendetwas ändern würde. Satan war im wahrsten Sinne des Wortes volle Kanne auf die Schnauze geflogen und Luzifer hatte man ebenfalls vor die Tür gesetzt. Ganz zu schweigen davon, dass Samael ein beträchtliches Handicap hatte, was eine Revolte für ihn weitaus schwieriger machte. Vielleicht dachte er sich aber auch einfach nur, dass aller guten Dinge drei waren und er pokerte damit, dass niemand einen weiteren Aufstand erwarten würde. „Macht Ihr Euch immer noch Gedanken wegen dieser Mordgeschichte?“ fragte sein Begleiter besorgt, der etwas weiter weg von der Balustrade entfernt stand, seine dämonischen Augen unter der Kapuze seiner Jacke verborgen um nicht aufzufallen. „Irgendetwas stimmt hier nicht“, murmelte Metatron geistesabwesend und schaute auf die unteren Himmelsebenen hinab. „Was verspricht sich Samael von dieser ganzen Aktion? Er muss doch wissen, dass eine Rebellion sinnlos ist. Selbst Satan hat es mit seiner ganzen Armee nicht geschafft.“ „Manche lernen’s halt nie“, meinte Nazir schulterzuckend und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Es war doch immer Michael gewesen, der Luzifer und Va- äh Satan besiegt hat, oder? Vielleicht denkt er ja, dass es klappt, wenn der weg vom Fenster ist.“ Ja da mochte was dran sein, aber selbst Samael war gewiss nicht so dumm um zu denken, dass er es ganz allein ohne eine Armee mit dem gesamten Himmel aufnehmen konnte. Es sei denn, er hatte irgendetwas vor, was er lieber heimlich durchführen wollte. Zugegeben, eine hinterlistige Intrige passte viel eher zu jenem Engel, der als „das Gift Gottes“ bekannt war. Ein lautes Donnergrollen unterbrach seine Gedanken und ein eisiger Schauer fuhr über seinen Rücken. Es war ein so tiefes und markerschütterndes Donnern, das den gesamten Körper durchdringt und selbst die Erde erzittern ließ. Das sonst so gleißend strahlende Licht der Sonne verschwand hinter einer tief schwarzen Wolkendecke und es sah nach einem schweren Sturm aus. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass gewaltiger Ärger im Anmarsch war und Gefahr ins Haus stand. Nazir, der nichts über die prophetischen Eigenschaften der himmlischen Wetterlagen wusste, hob verwundert die Augenbrauen und kommentierte überrascht „Ich wusste gar nicht, dass es selbst im Himmel schlechtes Wetter gibt.“ „Tut es normalerweise auch nicht“, entgegnete Metatron und seine Miene verdüsterte sich. „Da braut sich gerade ein Unheil zusammen.“ Das himmlische Sprachrohr beugte sich weiter vor und versuchte zu erkennen, was da unten vor sich ging. Doch bei dem ganzen Getummel da unten war das nicht ganz so einfach, denn sämtliche Engel waren nun durch das anbahnende Gewitter alarmiert und rannten nun in heller Panik herum und versuchten sich gegenseitig mit ihrem Geschrei zu übertönen. Es war unmöglich, da irgendetwas zu hören, geschweige denn in dem Gewirr etwas zu erkennen. Dann wanderte sein Blick zur Himmelspforte und er sah, dass das goldene Tor zugesperrt war. „Was zum…“, brachte er hervor, ließ den Satz aber unbeendet, weil er selbst nicht glauben konnte, was er da sah. Wer hatte da die Himmelspforte ohne seine ausdrückliche Genehmigung verschlossen? Spielten hier jetzt alle vollkommen verrückt? So langsam platzte ihm der Kragen und er schwor sich, dass derjenige, der dafür verantwortlich war, sein blaues Wunder erleben würde. „Der ganze Himmel scheint hier langsam verrückt zu spielen“, grummelte er zerknirscht und bekam dabei gar nicht mit, wie Nazir ihm zurief. Wäre er mit seinen Gedanken nicht gerade beim Tor gewesen, hätte er vielleicht noch geistesgegenwärtig genug reagieren können, um dem Schlag von Luzifers Schwert auszuweichen. Unglücklicherweise hatte er aber weder gehört, wie sich dieser von hinten angeschlichen hatte, noch hatte er überhaupt dessen unheilvolle Aura gespürt. Blitzschnell war Luzifer nach oben zu ihm heraufgeschossen und hätte ihn mit einem Hieb erschlagen, hätte Nazir nicht zeitig genug reagiert, ihn an einen seiner Flügel gepackt und zurückgezerrt. Die Klinge traf ihn quer über die Brust und für einen Moment sah der himmlische Regent nichts als einen dunkelroten Schleier, der sich über seine Augen legte. Benommen taumelte er zurück und nur der rasende Schmerz seiner blutenden Wunde hielt ihn bei Bewusstsein. Seine goldbestickte Robe färbte sich dunkelrot und ein ersticktes Keuchen entwich ihm als er eine Hand auf seine Brust presste. Benommen taumelte er zurück und versuchte sich auf den Beinen zu halten. Mit einem hämischen Grinsen stand Luzifer vor ihm auf der Balustrade, mit dem blutbesudelten Schwert in der Hand. „Lu-Luzifer…“, brachte Metatron mit gepresster Stimme hervor. „Was in Gottes Namen…? Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?“ „Sorry Metatron, aber es gibt jetzt einen kleinen Wechsel im Management“, erwiderte der Fürst der Finsternis und stand wie ein Mahnmal des Bösen über ihn. „Ab jetzt herrscht hier im Himmel ein ganz anderer Wind und dafür muss der eine oder andere Posten halt freigemacht werden.“ Ach so war das also. Langsam ging Metatron ein Licht auf und er begann zu verstehen, was das ganze Durcheinander zu bedeuten hatte. Das Ganze war also bloß ein Ablenkungsmanöver gewesen, damit er nicht bemerkte, dass jemand es speziell auf ihn abgesehen hatte. Warum nur war ihm das nicht schon viel früher in den Sinn gekommen? Stattdessen hatte er sein ganzes Augenmerk darauf gelegt, die Sicherheitsmaßnahmen in Eden zu verschärfen. „Glaubst du allen Ernstes, Gott wird zulassen, dass du oder Samael meinen Platz einnehmt? Ich wusste ja, dass du ein hochmütiger Sturkopf bist, aber so viel Dummheit hätte selbst ich dir nicht zugetraut.“ Als er dann aber die Frage zu Ende formuliert hatte, kam ihm ein schrecklicher Gedanke. Was wenn Samael schon längst wusste, dass er den Kontakt zu Gott verloren hatte und es erfolgreich verheimlicht hatte? Er hatte es all die Jahre für sich behalten und sein Bestes versucht, diese Tatsache vor der gesamten Welt, einschließlich seinen engsten Vertrauten geheim zu halten. Nur Malachiel wusste davon und der würde ihm nie und nimmer in den Rücken fallen. Hatte Samael es etwa selbst herausgefunden? Wenn ja, wie hatte er das angestellt? Luzifers siegessicheres Grinsen ließ zumindest nichts Gutes erahnen. „Oh, um Gott mach dir mal keine Sorgen. Um den kümmern wir uns auch noch, gleich nachdem wir dich und diesen halbblütigen Schwätzer aus dem Weg geräumt haben.“ Metatrons Gesichtszüge entgleisten nun völlig. Er hätte ja mit einigem gerechnet, aber garantiert nicht mit so einer Nummer. Samael hatte allen Ernstes vor, sich mit Gott anzulegen und ihn zu töten? Das war absoluter Wahnsinn. Es war schon völlig verrückt genug gewesen, als Satan versucht hatte, einen Krieg anzuzetteln um Gott vorzuschreiben, wie dieser seinen Job zu machen hatte. Statt sich direkt mit Gott anzulegen hatte er darauf gespielt, mit größtmöglichem Chaos und Kollateralschaden den Herrn in Zugzwang zu bringen und ihn auf diese Weise zu manipulieren. Aber selbst dem Herrscher allen Bösen wäre nicht einmal im Traum der Gedanke gekommen, jemanden zu töten, der allmächtig war. Wenn die Situation gerade nicht so verdammt ernst wäre, hätte er vielleicht sogar darüber gelacht, weil es einfach zu verrückt war um wahr zu sein. „Ihr beide habt ja völlig den Verstand verloren.“ „Der Alte hat das alles selbst zu verschulden“, gab Luzifer unbeeindruckt zurück. „Als ob du oder ich ihm jemals wichtig genug gewesen wären, dass er uns auch nur ein einziges Mal zugehört hätte. Er war immer nur sich selbst wichtig und wenn jemand es gewagt hat, den Mund aufzumachen, wurde er sofort in die Hölle verbannt. Damit ist jetzt endgültig Schluss. Mal sehen ob du für ihn genauso leicht ersetzbar bist wie ich!“ Damit erhob er sein Schwert um Metatron endgültig den Rest zu geben. Der schwer verletzte Seraph wusste, dass er kaum eine Chance hatte, dem Schlag auszuweichen und er war obendrein auch noch unbewaffnet und konnte den Schlag somit auch nicht abblocken. Doch selbst im Traum wäre ihm nicht eingefallen, um sein Leben zu betteln oder Schwäche zu zeigen. Er war immerhin noch ein Engel und hatte durchaus seinen Stolz. Wenn er schon sterben musste, dann wenigstens mit Würde. Doch bevor Luzifer dazu kam, den tödlichen Schlag auszuführen, schoss eine Feuerkugel auf ihn zu und es gelang ihm nur dank seiner teuflischen Reflexe, den Flammenball mit seinen dunklen Dämonenschwingen abzuwehren. „Was in Satans Namen…“ brüllte er wütend und seine bernsteinfarbenen Augen fixierten Nazir, der den Feuerball auf ihn geschleudert hatte und sich nun schützend vor Metatron stellte. Um seine rechte Hand hatte er einen Rosenkranz gewickelt, in seiner linken Hand brannte eine weitere Feuerkugel, die aber nicht größer als ein Fußball war. Mit der Entschlossenheit eines Kämpfers hielt er sich für einen weiteren Angriff bereit und funkelte Luzifer drohend an. „Bleib bloß weg von ihm!“ warnte Nazir und die Feuerkugel in seiner Hand begann noch intensiver zu lodern. „Wenn du ihn töten willst, musst du zuerst an mir vorbei!“ „Ach das ist ja drollig“, spottete Luzifer und prustete vor Lachen. So viel Kampfgeist hätte er einem Kind wie ihm nicht zugetraut, aber sonderlich beeindruckt war er von dessen Drohgebärden nicht. „Willst du allen Ernstes den Helden spielen, obwohl du dich vor Angst fast einmachst?“ Es war nicht abzustreiten, dass Nazir schreckliche Angst hatte und diese Tatsache mit Mühe zu verbergen versuchte. Seine Knie zitterten und er war völlig verkrampft um sich bloß nicht seine Furcht vor dem Fürst der Finsternis anmerken zu lassen. Insgeheim wusste er ja auch, dass er kaum eine Chance gegen jemanden wie Luzifer hatte. Ein Kampf gegen ihn war in etwa vergleichbar wie mit einem sechsjährigen Kind, das mit aller Macht versuchte, einen 40-jährigen Erwachsenen niederzuringen. Im Grunde war er ja selbst nur ein Kind und taugte nicht zu einem anständigen Dämon, ganz zu schweigen davon dass durch sein Studium bei Malachiel seine Dämonenkräfte deutlich schwächer geworden waren. Trotzdem konnte er nicht einfach so tatenlos dastehen und zusehen, wie Metatron vor seinen Augen getötet wurde. Er war es sowohl ihm als auch seinem Mentor schuldig, dass er das hier tat. Metatron hatte ihn während des Meetings vor allen anderen verteidigt und glaubte an ihn, also war dies hier das Mindeste, was er für ihn tun konnte. Außerdem kannte er Luzifers wunden Punkt und selbst wenn er ihm kräftemäßig unterlegen war, gelang es ihm vielleicht, ihn so zur Weißglut zu treiben, dass dieser das Interesse an Metatron verlor. Dann konnte er ihn bestenfalls von hier fortlocken und sich dann eine Strategie einfallen lassen, wie er ihn loswerden konnte. Eine bessere Alternative hatte er leider nicht zur Hand. „Und wenn schon!“ entgegnete er dem Spott und schaute seinen Kontrahenten wild entschlossen an. „Das wird mich trotzdem nicht davon abhalten, dir meinen Rosenkranz so tief in Rachen zu stopfen, dass Samael ihn dir als Analkette wieder aus dem Arsch ziehen muss!“ Diese Drohung ließ den Prinz der Hölle recht unbeeindruckt. Stattdessen grinste dieser nur belustigt und strahlte eine gefährliche Mordlust dabei aus. „Ne große Klappe hast du ja, das muss man dir lassen. Mal sehen, ob du noch dein Maul so weit aufreißen kannst, wenn ich erst mal mit dir fertig bin!“ „Du musst hier gerade von Töne spucken reden“, warf Nazir zurück und atmete tief durch um seinen ganzen Mut zu sammeln und sich auf das Bevorstehende vorzubereiten. Wenn er etwas von seinem Mentor eines gelernt hatte dann war es, seine Gegner verbal zu zerfleischen und zu erniedrigen. Und insgeheim bereitete es ihm auch eine gewisse Genugtuung, Luzifer endlich mal die Meinung sagen zu können. Er hatte sich lange genug von anderen Dämonen in der Hölle herumschubsen lassen müssen und sich von allen als Versager bezeichnen lassen. Jetzt war er mal an der Reihe, Konter zu geben. „Wenigstens bin ich kein unreifer, beleidigter Jammerlappen mit Vaterkomplex, der so verzweifelt ist, dass er sich von einem größenwahnsinnigen Spinner mit Gottkomplex ficken lässt, um sich halbwegs wichtig zu fühlen.“ Luzifers Miene erstarrte. Sein Grinsen schwand aus seinem Gesicht und es sah tatsächlich so aus, als hätte ihn diese verbale Breitseite so unerwartet und überraschend getroffen, dass er nicht einmal imstande war, sich darüber aufzuregen. Nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass ein schwächlicher Angsthase wie Nazir, der sich hinter dem Rockzipfel eines Engels und eines Halb-Engels verstecken musste, so etwas zu ihm ins Gesicht sagen würde. Doch Nazir war noch nicht fertig, denn eines hatte er sich noch aufgespart: „Nicht mal in der Hölle hast du es wirklich zum Herrscher gebracht. Stattdessen bist und bleibst du immer nur jemand, der anderen in den Arsch kriecht und sich herumkommandieren lässt, weil du nichts von selbst gebacken kriegst. Kein Wunder, dass Gott so einen Versager wie dich rausgeschmissen hat! Ich mag eine Enttäuschung für meinen Vater sein, aber du bist sowohl für den Himmel als auch für die Hölle die größte Lachnummer von allen!“ Damit war das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Dieser letzte Satz reichte aus, um Luzifer alle Vorsicht und alle Pläne über Bord fahren zu lassen. Scheiß auf Samael und seinen Eroberungsplan. Diese Kränkung würde er nicht auf sich sitzen lassen. Wutentbrannt und mit vor blankem Zorn verzerrtem Gesicht hob er das Schwert um Nazir damit zu erschlagen und hatte in diesem Moment völlig vergessen, dass Metatron auch noch da war. Und dieser ließ diesen Augenblick der Unachtsamkeit nicht ungenutzt. Denn obwohl er verletzt, geschwächt und obendrein unbewaffnet war, hatte er dennoch ein As im Ärmel. Keuchend hob er den rechten Arm und beschwor einen gleißenden Lichtstrahl, der die tiefschwarze Wolkendecke wie einen Blitz durchbrach und Luzifer mit einem lauten Donnern traf. Bevor der Prinz der Hölle überhaupt wusste wie ihm geschah, zischten und knisterten bereits goldene Flammen auf seinem Körper und hüllten ihn binnen weniger Sekunden komplett ein. Laut schreiend vor Schmerz ließ er das Schwert fallen, wand sich heftig und schlug mit den Armen um sich während die Flammen an ihn zehrten und zu einer gewaltigen Feuersäule heranwuchsen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Nazir nicht einmal gewusst, dass es tatsächlich möglich war, Dämonen mit Feuer zu verbrennen. Aufgrund der Tatsache, dass sie in der Hölle lebten, waren sie eigentlich ziemlich resistent gegen normales Feuer, auch wenn dämonische Flammen ziemlich wehtun konnten. Doch anscheinend gab es einen gewaltigen Unterschied zu Metatrons goldenem Feuer, das tatsächlich imstande war, einen derart mächtigen Dämon in Brand zu setzen. Nazir war wie in Trance und konnte seine Augen nicht von dem Feuer abwenden. Noch nie in seinem Leben hatte er ein derart schönes und reines Feuer gesehen und war wie hypnotisiert von dem Anblick. Erst als Metatron seinen Arm ergriff und ihn wieder ins eigentliche Geschehen zurückholte, kam er wieder zu Sinnen. Der König der Engel war kreidebleich und schwer atmend sank er in die Knie als würde ihn jeden Augenblick das Bewusstsein verlassen. „Das wird ihn nicht lange aufhalten“, keuchte er und hatte Schwierigkeiten, überhaupt noch vernünftig zu sehen. Er hatte all seine Kraft aufgeboten, um diese gewaltige Feuersäule zu beschwören und in seinem ohnehin schon angeschlagenen Zustand war es umso schwerer. Wenn er nicht schleunigst verarztet wurde, dann hatten sie ein wirklich ernstes Problem. Denn dann würde er nicht mehr die Kraft für einen weiteren Gegenschlag aufbringen können. Blöderweise waren vernünftige Heiler nie zur Stelle wenn man sie wirklich brauchte und er selbst verstand von diesem Fach nicht die Bohne. Also musste eine Notlösung her und dazu brauchte er Hilfe. „Nazir, du musst Malachiel finden und ihn warnen! Wir dürfen nicht zulassen, dass Samael zum Heiligtum gelangt!“ Doch der junge Dämon hatte da einen ganz anderen Plan. Zugegeben, seine ursprüngliche Idee konnte er jetzt knicken, aber er hatte im Laufe der Jahre gelernt, das Beste aus der Situation zu machen und zu improvisieren. Eines stand für ihn jedenfalls fest: er würde nicht einfach so abhauen und Metatron seinem Schicksal überlassen. So weit kam’s noch! Mit etwas Mühe hob er den geschwächten Engel hoch, stieg mit ihm auf die Balustrade, breitete seine dunklen Schwingen aus und stürzte sich dann ohne Vorwarnung mit ihm hinab in die Tiefe. Nun war Metatron zwar das Fliegen gewöhnt, das Fallen hingegen gehörte nicht unbedingt zur Natur eines Engels. Und er hätte auch in Zukunft herzlich gerne auf diese Erfahrung verzichtet. Als Nazir sich ohne irgendeine Vorwarnung mit ihm in die Tiefe stürzte und der angeschlagene Seraph durch einen gewaltigen Adrenalinschub wieder bei vollem Bewusstsein war, schlang er panisch seine Arme um den Hals des jungen Dämons und schrie so laut, dass man es im ganzen Himmelreich hören konnte. „Heilige Scheiße!“ entfuhr es ihm und zu seinem Entsetzen wurden sie immer schneller. Der dämonische Haushälter dachte nicht einmal daran, seine Flügel auszubreiten und den Fall abzubremsen. „Nazir, bist du wahnsinnig? Du bringst uns noch um!“ „Keine Sorge, ich weiß was ich tue!“ versicherte dieser und versuchte dabei den Wind zu übertönen, der laut in den Ohren pfiff. „Dämonen sind von Natur aus begabte Sturzflieger!“ „Oh Gott, oh Gott, oh mein Goooooott!!!“ rief Metatron, während er sich angsterfüllt an Nazir klammerte, der in einem halsbrecherischen Tempo den Araboth hinabraste und auf die unteren Himmelsebenen zusteuerte. Erst als sie über Machonon waren, bremste er den Sturzflug ab um nicht noch mit einem der vielen Gebäude zu kollidieren. Doch da ihm sein Gefühl verriet, dass Luzifer bereits dabei war, die Verfolgung aufzunehmen, beschloss er, weiter in die unteren Ebenen zu flüchten. Metatron, der bemerkte dass Nazir keine Anstalten machte zu landen, begann zu protestieren. „Warum fliegst du weiter? Wir müssen Malachiel finden und…“ „Er wird schon selbst darauf kommen“, unterbrach der dämonische Haushälter ihn. „Wenn wir jetzt nach ihm suchen, holt Luzifer uns ein und dann war’s das. Wir müssen hier schnellstmöglich weg und einen Weg finden, Euch zu verarzten!“ Metatron wollte weiter protestieren, denn sein Pflichtbewusstsein verbot es ihm, feige die Flucht zu ergreifen und nichts zu tun um Samael und Luzifer an ihren Eroberungsplänen zu hindern. Als Engel und Sprachrohr Gottes war es seine heilige Pflicht, den Himmel zu beschützen. Andererseits hatte sein Retter auch nicht ganz Unrecht. Wenn sie ihre Zeit und Energie damit verschwendeten, auf der am dichtesten besiedelten Himmelsebene nach Malachiel zu suchen, würde Luzifer sie im Null Komma Nichts eingeholt haben. Außerdem war er streng genommen nur Gottes Sekretär und taugte nicht einmal wirklich zum Kämpfer. Sein goldenes Feuer war zwar mächtig, aber ansonsten hatte er einem Dämon von Luzifers Kaliber nicht viel entgegenzusetzen. Das Klügste war im Moment die Flucht, vor allem da sie beide kaum eine Chance hatten, einen direkten Kampf zu gewinnen. Der König der Engel überlegte kurz und spürte, wie ihm schwindelig wurde und er nur noch mit Mühe seine Gedanken sortiert bekam. Seine Augenlider wurden schwer und seine Sicht begann zu verschwimmen. Der Adrenalinschub klang allmählich ab und der Blutverlust machte sich immer weiter bemerkbar. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er endgültig ohnmächtig wurde. „Die Weihwasserquellen…“´, fiel es ihm schließlich ein. „Weihwasser kann die Wunden von Engeln heilen.“ „Verstanden“, bestätigte Nazir nickend und steuerte damit auf die unterste Himmelsebene Shamayim zu. Das war jetzt die einzige Hoffnung, die ihnen blieb. Wenn es ihm gelang, Metatron rechtzeitig dorthin zu bringen und seine Wunden zu behandeln, hatten sie vielleicht eine Chance gegen Luzifer. Dazu mussten sie nur als erstes die Quelle erreichen. Während sie die in halsbrecherischer Geschwindigkeit in die Tiefe hinabsausten um möglichst viel Zeit zu gewinnen, sprach Nazir innerlich ein Stoßgebet nach dem anderen. Lieber Gott, bitte lass uns rechtzeitig da sein. Bitte lass mich schnell genug sein, damit ich Metatron retten kann! Er wusste, dass Gebete allein nicht viel nützten. Immer wieder hatte sein Mentor ihm eingetrichtert, dass vom Beten allein keine Probleme gelöst wurden und er selbst Hand anlegen musste, um eine Lösung zu finden. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass ihm nur ein Gebet genug Zuversicht geben konnte, dass sie dieses Manöver halbwegs überstehen konnten. Vor allem hoffte er, dass er Recht behielt und Malachiel tatsächlich von selbst darauf kam, was Samael in Wahrheit vorhatte. Sein Mentor hatte ja kein Geheimnis daraus gemacht, dass er Samael jede Art von Schandtat zutrauen würde und er war ja auch nicht auf den Kopf gefallen. Er mochte zwar furchtbar faul sein, aber er besaß einen extrem guten Scharfsinn. Außerdem war die Tür zum Heiligtum eh verschlossen und konnte von keinem Engel geöffnet werden. Wenn sie also Glück hatten, kam Samael nicht mal bis zu Gott durch. Als Nazir schon von weitem den ersten Himmel sehen konnte, breitete er seine Flügel aus um den Fall abzubremsen. „Wir sind gleich da!“ rief er, doch von Metatron kam keine Reaktion. Sein Gesicht war kreidebleich, sein Atem flach und seine Augen geschlossen. Er hatte endgültig das Bewusstsein verloren. Mit einem leisen „Shit!“ setzte der dämonische Haushälter zur Landung an und legte den ohnmächtigen Seraph vorsichtig auf den Boden. Leise plätscherte neben ihnen Weihwasser aus dem Krug einer Marmorstatue, die irgendeinen Heiligen darstellte, in ein großes Becken. Für einen kurzen Augenblick atmete er erleichtert durch und glaubte schon, dass sie endlich gerettet waren. Doch dann wurde ihm bewusst, dass sie jetzt ein weiteres Problem hatten: er hatte nichts bei sich, womit er das Weihwasser aus dem Becken schöpfen konnte. Wer dachte denn auch bitteschön daran, im Fall eines Anschlags auf Gottes Pressesprecher ein Gefäß mit sich zu führen um an Weihwasser zu kommen? Der Himmel war halt nicht dämonengerecht! Metatron war auch nicht mehr in der Verfassung um sich selbst um die Versorgung seiner Wunden zu kümmern. Nazir bezweifelte außerdem, dass es eine gute Idee war, ihn einfach so in den Brunnen zu tauchen. Er konnte nicht abschätzen, wie tief das Becken war und ganz zu schweigen davon wollte er lieber nicht austesten, ob Engel unter Wasser atmen konnten. Wenn er nämlich Pech hatte, ertrank Metatron ihm noch, bevor dieser wieder zu Bewusstsein kam. Tja, was blieb da noch großartig an Alternativen übrig? Er selbst war trotz allem immer noch ein Dämon und er hatte bislang noch nicht austesten können, ob sein Körper dem Weihwasser standhalten konnte. Selbst Malachiel hatte ihm zur Vorsicht geraten. Schlimmstenfalls würden sich seine Hände auflösen sobald er versuchte, sie ins Wasser zu tauchen und damit war niemandem geholfen. Es half wohl nichts, er musste kreativ werden. Schnell zog er seine Jacke aus, hielt sie an den Ärmelsäumen fest und ließ sie ins Becken eintauchen und mit Weihwasser vollsaugen. Er wartete ein paar Sekunden, zog sie dann wieder vorsichtig heraus und hielt sie so weit wie möglich von seinem Körper weg, um nicht Gefahr zu laufen, von den herunterfallenden Tropfen getroffen zu werden. Die Jacke war klatschnass und schwer. Da sie aber ein von Menschen gemachtes Kleidungsstück war, reagierte das Weihwasser zum Glück nicht auf den Stoff. Jetzt blieb halt nur zu hoffen, dass es so klappte wie er sich das vorgestellt hatte. Vorsichtig begann er die tropfnasse Jacke auf Metatrons Brust zu drücken um der Blutung entgegenzuwirken und den Heilungsprozess zu beschleunigen. Es dauerte nicht lange, bis ein beißender Schmerz durch seine Handflächen und Finger raste und seine Haut sich anfühlte, als würde sie in Flammen stehen. Nur mit Mühe konnte Nazir einen Schmerzensschrei verkneifen und biss sich auf die Unterlippe, während er versuchte, das infernalische Brennen auf seiner Haut auszuhalten. Die Sekunden vergingen quälend langsam wie eine halbe Ewigkeit und kalter Schweiß lief seine Stirn hinunter. Ihm wurde speiübel und am liebsten hätte er sich übergeben, doch er kämpfte gegen den Brechreiz an. Stattdessen stand er wankend wieder auf, taumelte erneut zum Brunnen hin um die Jacke noch einmal mit Weihwasser zu tränken. Ein widerlicher Geruch von verbranntem Fleisch stieg ihm in die Nase und er versuchte nicht auf seine Hände zu schauen, da er ahnte, dass ihm der Anblick überhaupt nicht gefallen würde. Stattdessen versuchte er sich krampfhaft auf sein Vorhaben zu fokussieren und rief sich jeden einzelnen Schritt wie ein Mantra immer wieder ins Gedächtnis um bei der Sache zu bleiben. Er durfte jetzt bloß nicht aufgeben! Dass seine Hände sich noch nicht in Wohlgefallen aufgelöst hatten, war schon mal ein sehr gutes Zeichen. Jetzt musste er nur noch dafür sorgen, dass er nicht selbst noch ohnmächtig wurde. „Na komm schon…“, brachte er hinter zusammengebissenen Zähnen hervor, während sich Tränen in seinen Augen sammelten. Es zischte leise, während das Weihwasser sich immer weiter durch seine Haut brannte. „Du schaffst das!“ Als er so leise vor sich hin murmelte, konnte er nicht einmal sagen, wem diese Worte überhaupt galten. Metatron oder ihm selbst? So betäubt wie er durch das Adrenalin und den Schmerz war, konnte er froh sein, wenn er wenigstens noch in der Lage war, einen halbwegs klaren Gedanken fassen zu können. Allein der Widerstand gegen die zerstörerische Wirkung des Weihwassers verlangte Unmenschliches an ihm ab und kostete ihm mehr Willenskraft als er sich selbst zugetraut hätte. Dann aber kam ihm ganz plötzlich wieder eine Erinnerung hoch und vielleicht mochte es ja ein erstes Warnzeichen für ein beginnendes Delirium sein. Ihm fiel wieder die Szene im Pfarrhaus in den Sinn, wie er Malachiel ganz enthusiastisch gefragt hatte, wann er endlich anfangen konnte mit Weihwasser zu üben. Hatte Malachiel ihm nicht gesagt, lieber Schutzhandschuhe anzuziehen, da er sich sonst einen neuen Haushälter suchen müsste, wenn sich seine Hände auflösten? Tja, hätte er mal besser auf ihn gehört und ein paar Handschuhe eingepackt. Aber wer hätte auch ahnen können, dass sich der Ausflug in den Himmel so entwickeln würde. Schon irgendwie eine ziemlich makabre Ironie das Ganze. Und irgendwie konnte er in diesem Moment nicht anders als darüber zu lachen, trotz all der Schmerzen. Wenn ich das hier überstehe, werde ich mir mit Sicherheit eine gewaltige Standpauke anhören müssen, schoss es ihm durch den Kopf und wunderte sich selbst, dass er trotz der ernsten Lage noch lachen konnte. Vielleicht war er tatsächlich einem Delirium nah. Gerade wollte er wieder aufstehen und neues Weihwasser holen, da packte ihn eine Hand an den Haaren und riss ihn gewaltsam von den Füßen. Nazir riss die Arme hoch und wollte sich losreißen, doch er war nicht einmal mehr imstande, überhaupt noch seine Finger zu bewegen. „So, jetzt läufst du mir nicht mehr davon, du dreckiger kleiner Bastard!“ Nazirs Herz setzte einen Schlag aus als er sah, dass es Luzifer war. Wieso um alles in der Welt hatte er ihn nicht gespürt? So ein verdammter Mist. Seine verbrannten Hände hatten ihn so sehr abgelenkt, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie sein Verfolger näher gekommen war. Der Prinz der Hölle sah ziemlich übel aus. Seine Haut war durch das heilige Feuer arg in Mitleidenschaft gezogen worden und seine Kleidung war völlig versengt. Wenn Malachiel ihn gesehen hätte, dann hätte er mit Sicherheit einen Kommentar vom Stapel gelassen, dass Luzifer ein echt gutes Brandopfer in einer drittklassigen Krimiserie abgeben konnte. Leider war Nazir die Energie ausgegangen, um einen solchen Kommentar zum Besten zu geben und so blieb ihm nichts anderes übrig, als hilflos mit den Armen um sich zu schlagen. Metatron war auch noch nicht wieder bei Bewusstsein und es sah auch nicht danach aus, als würde er bald wieder aufwachen. Was blieb ihm jetzt noch an Alternativen um gegen den Prinz der Hölle anzukämpfen? Tja, so langsam gingen ihm wirklich die Ideen aus. Seine Hände konnte er genauso gut vergessen. Er konnte ja nicht einmal mehr seine Finger rühren. Luzifer hingegen grinste diabolisch, als ihm seinerseits eine ziemlich gute Idee kam, wie er diesen verhassten kleinen Rebell loswerden konnte. „Weißt du was? Ich hab’s mir anders überlegt. Dich in Stücke zu hacken ist bei weitem keine angemessene Strafe für einen unverschämten Verräter wie dich“, knurrte Luzifer und in seinen Augen loderte ein infernalisches Feuer. Noch nie in seinem Leben hatte jemand es gewagt, ihn derart zu beleidigen und war damit ungeschoren davongekommen. Das würde er jetzt ändern. Er würde sich bitter an jedem rächen der es wagte, seinen Stolz zu verletzen. Und dabei war es ihm vollkommen egal ob es Mensch, Engel oder Dämon war. Doch Nazir hatte nicht vor, ihm irgendeine Genugtuung zu gönnen. Wenn er schon sterben musste, dann würde er wenigstens dafür sorgen, dass Luzifer keine Freude daran haben würde. Malachiel würde in einer Situation garantiert das Gleiche tun. Also zwang er sich selbst zu einem spöttischen Lachen und schaute dem Herrn der Finsternis abschätzig in die Augen. „Tja was soll ich sagen… rebellisches Verhalten liegt wohl in der Familie.“ „Lach du nur, solange du kannst“, gab Luzifer zurück und sah aus, als würde er vor lauter Wut gleich durchdrehen und den gesamten Himmel in Schutt und Asche legen. Ein hässliches manisches Grinsen zog sich über sein verbranntes Gesicht als seine Augen zu dem Weihwasserbecken wanderten. Ihm kam eine Idee, wie er es diesem unverschämten Bengel auf die bestmögliche Art heimzahlen konnte. „Du willst also unbedingt ein Engel werden, wie? Mal sehen wie gut dein Körper ein Bad in Weihwasser verträgt. “ „Tut bestimmt weniger weh als dein verletzter Stolz…“ Mit diesen letzten Worten wurde Nazir mit gewaltiger Kraft in die Luft geschleudert und stürzte mit einem lauten Platsch in das mit Weihwasser gefüllte Becken. Das letzte, was er noch wahrnahm war ein infernalisches Brennen an seinem gesamten Körper, bevor die Welt um ihn herum dunkel wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)