Zwischen uns und dem Horizont von Jaelaki (Yamato/Tenzou und Kakashi) ================================================================================ Kapitel 1: Dasein ----------------- Kapitel 1   Es gab keine Liebe im Leben eines Ninjas. Dieser Gedanke schoss mir durch den Kopf. Dann explodierten die Wände aus Lehmboden um mich herum. Erdklumpen schmetterten durch das unterirdische Versteck und Feuer verbrannte die Informationen, für die wir unser Leben riskierten. Die Luft biss mir in die Schleimhaut. Die Tanks mit grünlicher Flüssigkeit barsten und verspritzen eine Mischung aus menschlichem Erbgut. Ich presste mich an den Boden und starrte in ein Gesicht. Bläulich verfärbt, geschlossene Augen, ein Mensch, der hätte werden können. Der Embryo zerfloss.  »Wir müssen hier raus«, rief ich und hustete. »Rückzug!« Ich nahm Schatten wahr, die durch die Feuerzungen jagten, und zog all meine Muskeln zusammen, um dieser Hölle zu entkommen. Ein Wimmern. Ein Schreien. Ich erstarrte. Der Rauch in den Lungen und die Asche in meinen Augen ließen mich wohl halluzinieren. Ein Winseln. Schon wieder. Ein Überlebender. Unmöglich.  Ich hangelte mich am Grund entlang, schloss die Augen und verschmolz mit der Erde. Durch meinen eigenen Körper klopfte die Vibration des Bodens. Das Element und ich wurden eins, die brennenden Wände und die Flüssigkeiten, die sich einer Säure gleich in den Grund fraßen, hallten wie ein Echo in meinen Gliedern.  Ich sah die Details des Raums wie auf einer Zeichnung in meiner Erinnerung. Acht gläserne Tanks gefüllt mit grüner Brühe in einem unterirdischen Lager Orochimarus. Alle beschädigt, drei leer, vier leblose Embryonen verschüttet auf der brennenden Erdoberfläche. Die Enge drückte auf meinen Brustkorb. Die Luft verätzte meine Lungen, als erinnerte sie sich an all die Grausamkeit, die hier vollzogen worden war. Ich tauchte vor Tank Nummer acht auf. Ein Schild mit Daten hing teils geschwärzt vor Ruß an der Scheibe. Die Flüssigkeit tröpfelte über das zerbrochene Glas hinweg. Um mich herum loderten die Flammen und inmitten des Schlamms lag ein Wesen; die Augen geschlossen, Wimpern, eine Nase, Lippen. Ich berührte es und spürte einen Atemzug, seine winzigen Finger schlossen sich um meine. Ich zuckte zurück. Welche Zukunft lag vor einem Organismus, der aus dem Experiment eines Wahnsinnigen hervorging? Wenn es entscheiden könnte, in diesem Augenblick, welchen Weg würde es wählen? »Es tut mir leid«, flüsterte ich und entschied für es. Die ausladende Bürokratie und die öffentlichen Demonstrationen der Obersten in Konohagakure erweckten den Eindruck, es gäbe ein Mitspracherecht. Die Verträge mit Verbündeten schmückten das Ganze mit einer irreführenden Transparenz. Als fänden die tatsächlichen Verhandlungen nicht hinter verriegelten Türen statt, als läge unser Dasein nicht in den Händen einzelner Entscheidungsträger. Und so würden die wenigsten Menschen von den Vorkommnissen dieser Nacht erfahren. Mit einem Pfuff erschien ich aus dem Nichts im Büro des Hokagen. Das Erste, was sich in mein Bewusstsein drängte wie ein Stein im Schuh, war, dass ich dieses winzige Geschöpf nie wieder sehen würde und die Frage, warum das von Bedeutung war. Vor dem Sechsten quoll der Schreibtisch mit Schriftrollen und Papieren und Büchern über, darauf thronten benutzte Kaffeetassen. Nur er besaß die Anmaßung höchstwichtige Unterlagen als Untersetzer zu verwenden. Die Maske bedeckte seine untere Gesichtshälfte, doch ich las in seiner Mimik wie in einem offiziellen Dokument. Hinter all den Klauseln versteckten sich direkte Ansagen. »Da bist du ja, Yamato-taichou!«, rief Naruto unter seiner Fuchsmaske und sprang mir entgegen, als begegneten wir uns auf einer Geburtstagsparty und nicht nach einer S-Rang-Mission. Keine ANBU-Uniform der Welt konnte seine Eigentümlichkeit ersticken. »Was für eine krasse Entdeckung, oder?« Der Sechste – nicht mein ehemaliger Teamkamerad – musterte mich und ich schwieg, obwohl ich hier stand, um meinen mündlichen Kurzbericht abzuliefern. So wie ich es schon hunderte Male erledigt hatte. Ich spürte seinen Blick auf mir, als kontrollierte er, ob ich ohne Schaden von der Mission heimgekehrt war. Die Wahrheit war, niemand schaffte das. Sai stand wie eine Statue in der Ecke und wirkte wie ein Vorbild an ANBU. Die Tiermaske bedeckte sein Gesicht und ich wünschte, ich könnte meine von mir reißen und dem Sechsten auf den Schreibtisch knallen. »Was habt ihr mit ihm vor?« »Wer gibt euch das Recht, ihn so zu benutzen?« »Ihr Arschlöcher!« Ich wollte schreien, aber ich schluckte alle Worte herunter. Es gab keine Fragen im Leben eines ANBU. Nur Befehle, Aufopferung, Tod. Ich hatte mich schon lange damit abgefunden, dass mein Dasein nur Sinn im Sterben für das Dorf finden würde. Irgendeine Mission würde meine letzte sein und niemand würde die Geschichte meines Seins erzählen. Das war das Schicksal eines ANBU. In anonyme Vergessenheit geraten. Den Genin redeten die Obersten ein, es gäbe eine Person, die das Dorf unter Einsatz ihres Lebens schützte. Der Hokage. Das war natürlich Irrsinn und eine Lüge, die die Kinder besser schlafen lief. Tatsächlich sorgten namenlose Ninja im Schatten des Hokageturms für die Sicherheit der Menschen. Sie lebten und starben für das größere Wohl ohne, dass es jemand mitbekam. Manchmal erhielten sie nicht einmal die Chance zu leben, bevor sie starben. »Es ist bei der Analyseeinheit«, presste ich hervor und ignorierte Narutos Gebrabbel.  »Hat er gelitten?« »Warum durfte er nicht leben?« »Warum kommen manche Wesen ohne Liebe auf die Welt?« Irgendwann gewöhnte sich jeder ANBU daran, dass die Gesellschaft nicht fair war. Einem Ninja stand keine Gerechtigkeit zu. Stattdessen kreiste alles um Ehre und Stärke und das Wohl des Dorfes, nie um das eigene. »Das Versteck war wie die anderen zerstört, als wir ankamen. Dieses Mal jedoch kurz vor unserer Ankunft. Wir sind ihnen dicht auf der Spur und möglicherweise haben sie aufgrund des ungeplanten Aufbruchs einen Fehler begangen. Der Organismus könnte uns wertvolle Informationen liefern.« »Es ist ein Baby!«, maulte Naruto und ich zählte innerlich bis sieben, denn weiter kam ich nicht. »Das ist unerheblich. Es ist ein menschlicher Körper vom Feind, der uns Hinweise geben kann«, sagte Sai und ich hörte, wie Naruto tief Luft holte. Er schaffte es sogar, dass Sai das Protokoll nach einer ANBU-Mission brach, indem er den Kurzbericht des Teamkapitäns störte. Für das drohende Streitgespräch waren meine Nerven heute Nacht zu kurz, als hätte das Feuer sie mitverbrannt. Vor allem metaphorisch. Es war irrelevant, ob es ein Säugling war oder nur Zellen, ob es hätte mehr werden können. Ob es ein Gegenstand war oder ein Tier. Sein Körper war ein Werkzeug, um dem Feind Schaden zuzufügen. Das Analyseteam stellte keine Fragen, die seine Menschlichkeit einschlossen. Ein Ninja war kein Mensch. Er war ein Hilfsmittel. Und dieser winzige Körper war ein Produkt feindlichgesinnter Shinobi. Ein Überbleibsel. »Meinen Langreport gebe ich morgen ab.« Verschlüsselte Berichte zu schreiben war ein Amüsement, das an Folter erinnerte, fast so wie diese Momente, wenn der eigene Wille aufbegehrte in einem elenden Versuch, persönliche Bedürfnisse mitzuteilen. Mein Rücken fühlte sich an, als würde er gleich zerbrechen und meine Haut pochte unter den frisch geheilten Zellen. Ich wollte ins Bett und diese ätzende Nacht verdrängen, wie so viele Erinnerungen, die meine Maske einsperrte. Einem ANBU stand es nicht zu, sich ins Gedächtnis zu rufen, welche Taten er bereute, welche er wünschte, ungeschehen zu machen, welche er herbeisehnte, vollzogen zu haben. Einem ANBU stand es nicht zu, dem Hokage mitzuteilen, dass er verdammt nochmal diesen ätzenden Teil der Mission in dieser beschissenen Nacht als abgeschlossen erklären sollte. Denn obwohl wir den Auftrag erfolgreicher erledigt hatten als erwartet, knotete sich mein Inneres zusammen. Warum fühlte es sich wie eine Niederlage an? »Ihr dürft gehen«, sagte der Sechste und ich vergeudete meine Zeit nicht mit einer Verabschiedung.   In dieser Nacht und der nächsten Zeit ruhte die Hoffnung, das Schicksal Orochimarus zu besiegeln auf einer Kreatur, die niemals hätte erschaffen werden sollen. Nummer acht war eines der anonymen Opfer, auf dem Konohas Sicherheit thronte, ohne dass es das Dorf jemals erfahren würde. »Warum leben manche im Schatten, während andere ihr Leben im Licht verbringen dürfen?« »Warum werden manche geliebt und andere existieren, nur um zu sterben?« »Warum ist das Leben einiger wertvoller?« Ich starrte an die Decke, wo der Mond die Schatten tanzen ließ. Meine Schuhe hingen halb über meinen Füßen, nachdem ich in mein Bett gefallen war. So lag ich, nach Rauch stinkend, nur notdürftig während der Untersuchung gereinigt, in meinem Einzimmerapartment, das unbewohnt wirkte und schaute aus dem geöffneten Fenster. Es war kein Zuhause. Es war ein Bett und eine Küchennische und der erbärmliche Versuch, so zu tun, als hätte ich ein Leben außerhalb der Missionen. Ich schnaubte und verzog mein Gesicht. Alles schmerzte, meine Augen brannten, meine Lunge fühlte sich an, als stünde sie in Flammen. Als hätte ich sie in der Hölle des Verstecks vergessen. In meinem Kopf stürmten die Gedanken und das Stechen zuckte wie Blitze durch meine Schläfen. »Warum müssen einige die Liebe für das größere Wohl aufgeben?« »Wer entscheidet, wer es wert ist, geliebt zu werden?« »Sind sie das wert?« Ich spürte ihn, bevor ich ihn entdeckte. Seine Präsenz fühlte sich an wie elektrostatische Aufladung. Unbemerkt zunächst, entlud sie sich mit einem Schlag. »Sakura meinte, du wärst vor ihr geflohen.« Seine tiefe Stimme hüllte mich ein, wie warmes Wasser unter der Dusche. Wasser und Elektrizität. Eine gefährliche Kombination. Ich schnaufte. Natürlich war ich nicht vor ihr geflohen. Ich war lediglich zufällig schnell aus ihrer Reichweite verschwunden. Weg von allen. »Ich schlafe hier besser als ihm Krankenhaus«, murrte ich. Als wüsste er das nicht. Die einzige Zeit, die er im Krankenhaus verbrachte, war, wenn er näher am Tod als am Leben balancierte. Ich blinzelte zu ihm, betrachtete sein Profil, wie er da vor meinem Fenster im Baum hockte. Nicht der Hokage jetzt, sondern mein ehemaliger Kamerad. Das Mondlicht malte einen silbernen Glanz über sein Gesicht. Die Maske versteckte sein Grinsen, doch ich hörte es zwischen seinen Worten. »Dafür siehst du erstaunlich wach aus.« Ich schnaubte. Angemessene Beleidigungen hörte er durch seinen Posten viel zu selten, deswegen würde eines Tages noch sein Kopf anschwellen vor lässiger Arroganz und er davonschweben. »Idiot.« Er lachte und ich wünschte, er wäre nicht hier, denn dieses Geräusch überschwemmte mein Innerstes, füllte die Leere wie eine unterirdische Höhle. Ich glaubte, in seiner Präsenz zu ertrinken. Manches war leichter gewesen, als er nur ein Freund gewesen war und nicht der Hokage. Manchmal war es sogar leichter gewesen, als er mir noch als Feind gegenüber gestanden hatte. »Du siehst mies aus«, sagte er. »Danke.« Eine Dusche hätte ich durchaus gebrauchen können, aber ich rührte mich nicht. Ich fuhr mir durchs Haar, wo noch Asche und Ruß hing, aber die Dunkelheit der Nacht verhüllte all den Schmutz des Tages, all die dreckigen Geheimnisse. »Du könntest dich krank melden und die nächsten Tage ausschlafen.« Ich setzte mich in Zeitlupe auf, um meine Gelenke und Muskeln nicht zu überstrapazieren und ächzte. »Und du hättest den Hokageposten ablehnen können.« »Stimmt.« Es war leichter zu lügen, als sich einzugestehen, dass es keine Wahl gab. Er lehnte sich zurück und die Schatten zeichneten seine Mimik unleserlich, doch seine Stimme verriet mehr, als er vielleicht vermutete. »Wir könnten zusammen blau machen.« Er legte seinen Kopf schief, als würde er Pläne schmieden. Für uns. Ich wünschte, er wäre nicht hier. Seine Gegenwart schmerzte. »Wofür? Ich wüsste nicht, was ich anderes als die Mission tun sollte.« »Och, mir fallen da ganz viele Sachen ein.« Er beugte sich vor, zwinkerte und ich wich seinem Blick aus. Seine Anwesenheit war wie elektrostatische Ladung. Die Auswirkung bemerkte man zu spät. Also konzentrierte ich mich auf alles außer ihn. Der Nachthimmel wölbte sich über meinem Fenster, wo die Sterne auf dem schwarzen Untergrund flimmerten. Manche von ihnen waren bereits verloschen. Nur ihr Licht strahlte wie ein Nachhall und zeugte von ihrer einstigen Existenz. Vielleicht galt das auch für ANBU. Nur ihre Missionen zeugten von ihrem Dasein, nur die Erfolge zeichneten ihr Sein nach. Da gab es nur wenige Ausnahmen, die ich an einer Hand abzählen konnte. »Naruto wird niemals ein guter ANBU«, flüsterte ich. Seine Helligkeit überstrahlte jeden. Nicht einmal eine ANBU-Maske schaffte es, ihn in die Finsternis zu zerren, wo ein jeder ANBU hingehörte. Unsichtbar hinter ein anonymes Tiergesicht. »Das hoffe ich«, erwiderte Kakashi und ich betrachtete ihn von der Seite. Das Mondlicht erleuchtete sein Haar, das wild abstand, und sein unbedecktes Auge, die Wimpern, die Form der Nase und Lippen unter seiner Maske und ich wünschte, wir würden unsere Masken abnehmen. Nicht nur die aus Stoff. Ich wollte, er wäre nicht so weit weg. Hinter all den Titeln und Masken und Geheimnissen. Seine Nähe brannte auf meiner Haut. Ich wandte mich ab. »Ich sollte schlafen«, murmelte ich und sank tiefer in die Matratze. »Wir müssen morgen die Spur weiterverfolgen.« »Du solltest wirklich hier bleiben.« Ich fuhr hoch. »Was? Die Mission ist jetzt an einem entscheidenden Punkt! Wir haben monatelang gearbeitet. Ich kann nicht hier bleiben.« Ich würde diese Mission bis zum Ende führen und wenn das bedeutete, dass es meine letzte wäre. Das war die Pflicht, für die ich geboren worden war. Mein ganzes Sein konzentrierte sich in diesem Auftrag.  »Unsere beste Spur ist das Kind«, sagte er, als wäre es nicht offensichtlich. »Es ist kein Kind«, murrte ich. »Es ist ein schiefgelaufenes Experiment.« Eines, das ohne Liebe in diese Welt gekommen war. Ein austauschbares Objekt, das seinen Zweck nicht erfüllt hatte und deswegen wie Müll entsorgt worden war. »Nicht, dass es besser wäre, wäre es nicht schiefgelaufen«, murmelte ich und Kakashi betrachtete mich ohne ein Wort. »Jetzt ist es jedenfalls nichts weiter als ein Zellhaufen, der unter dem Mikroskop auseinandergenommen wird. Was für ein Glück.« Der Sarkasmus tropfte von den Silben. Ich schmeckte ihn bitter auf meiner Zunge und verschränkte die Arme vor der Brust, als könnte mich diese Haltung schützen vor der Leere, die sich von meinem Bauch in alle Glieder ausbreitete. Kakashis Blick bohrte sich in meinen und ich wünschte, er wäre nicht hier. Niemals könnten wir nur wir sein. Immer stünde ein Amt, eine Mission, eine Maske dazwischen. »Bleib hier.« »Ist das ein Befehl?«, zischte ich. Nichts war mehr, wie es sein sollte. Er war nicht mehr Kakashi, mein Vertrauter, mein Teamkamerad, mein Freund. Er war der Hokage. In meinem Bauch verbrannte Feuer meinen Körper von innen. Ich bevorzugte das Brennen vor der Leere. Er verdrehte die Augen und starrte in den Himmel. Nichts könnte mein Leben umstürzen. Keine Worte, die er sagte, würden meine Entscheidung beeinflussen. Ich war ein ANBU. Die Mission bedeutete alles. Nichts könnte das ändern. Kakashis Blick wanderte zurück zu mir und ich wünschte, er wäre weit weg, weil seine Nähe mehr brannte als das Feuer im Versteck Orochimarus. Er lehnte sich zu mir, berührte meine Schulter und hielt mich fest, als fürchtete er, ich würde auf der Stelle verschwinden. »Der Junge lebt«, flüsterte er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)