Hunt von Dudisliebling ================================================================================ Kapitel 1: Fürsorge (Siakoh) ---------------------------- 1 Fürsorge (Siakoh) „Wo bleibt der denn schon wieder?“, stöhnte die Autorin zum zehnten Mal und wand ihren Oberkörper genervt über den Schreibtisch. Maulend kam sie zum Stillstand und hob den Blick spitzbübisch über den Rand ihrer verschränkten Armen, zwischen denen sie sich versteckt hatte. „Hast du ihn daran erinnert?“ „Klar!“, antwortete die Beta gelassen und rollte die Augen. „Sei nicht so ungeduldig. Er kommt bestimmt gleich.“ „Ich hoffe es... ich kann es kaum erwarten!“ „Er wird ganz schön schlucken, wenn er erfährt was wir uns ausgedacht haben.“, kicherte die Beta voller finsterer Vorfreude. „Meinst du?!“, grinste die Autorin und hörte Geräusche aus dem Hausflur. „Er koooommmt!“, trällerte sie und sprang auf. Die Beta ging die wenigen Schritte zur Tür, als es bereits kurz klingelte und sie den Besucher hereinließ. „Da bist du ja endlich!“, schrie die Autorin aus dem Hintergrund. „Schön dich zu sehen, Sia!“, freute sich die Beta und ließ den Mann herein, welcher einen monströs wirkenden, grellen Mantel in tiefblau trug und diesen von seinen Schultern streifte. Er legte ihn auf dem Sofa ab und lenkte den Kopf zu den beiden Damen. Durch die blickdichte Sonnenbrille sahen sie seinen Ausdruck nicht. „Ladys! Ihr seid selber schuld, wenn ihr mich zu dieser Tageszeit zu euch bestellt!“, gähnte Siakoh und strich seine Haarsträhnen zurück. „Ich hab mich noch nicht mal ordentlich zurecht machen können...“, schimpfte er und zog die große, schwarze Sonnenbrille ab. „Dein Ernst? Es ist 12 Uhr Mittag!“, hielt die Autorin fest. „Und du siehst nicht gerade frisch aus dem Bett entsprungen aus, alte Diva!“ „Amateure!“, schnaubte Sia und sah zu der blonden Frau, die schmunzelnd dem Schlagabtausch zusah. „Warum habt ihr mich herbestellt?“ „Wir haben dir doch ein Happy End versprochen!“, lächelte die Beta scheinheilig. „Weißt du nicht mehr?“ „Pah!“, stieß der Paradiesvogel aus und warf die Hände in die Luft. „Da bin ich ja mal gespannt...“, rief er weiter. „Nachdem ihr mir Yosuke endgültig vorenthalten müsst.“ „Er liebt eben Kusuri. Ich dachte, dass hättest du in den letzten Jahrzehnten kapiert.“, stichelte die dunkelhaarige Autorin und dehnte ihre Finger. „Ich wäre besser für ihn, als dieser Miesepeter von angeberischem Arzt!“, erwiderte er eingeschnappt und ließ sich auf die Couch plumpsen, warf die Beine über die Sitzfläche und übereinander. „Akzeptier’s und sei nicht so verbohrt!“, wedelte die Beta mit der Hand, setze sich auf die Lehne der Couch und sah zum Yokai, der seinen Blick zu ihr hob. „Wir haben was viel Besseres für dich, mein Schatz.“, fügte sie mit sanftem Lächeln hinzu und strich ihm liebevoll durchs Haar. „Oh hoo, besser als Yosuke?“, machte Sia einen Scherz und sah gezielt zur Autorin. „Zugegeben.“, gestand sie ein. „Er ist jedoch ein wenig anders.“ „Ach ja?“, wurde der Mann aufmerksam. „Erzählt mir mehr!“ „Das werden wir!“, grinste die Beta und sah nun ebenfalls zur Autorin, die grinsend und mit einem finsteren Blick das Tablett aufklappte und die Bluetooth-Tastatur einschaltete. * Es regnete in Strömen, als ich nach Feierabend durch die Straßen eilte. Meine neue Wohnung in einem Penthaus nahe der Stadt war wunderbar, aber eben einen kleinen Fußmarsch von der Praxis dieses Idioten Isha entfernt. Wenn ich nur an seine goldenen Augen dachte, wollte ich sie ihm am liebsten auskratzen. Er hatte Yosuke nicht für eine Sekunde verdient! So wie der drauf war, mit dem Gezicke. Die wahre Diva und Grummelgestalt! Arme wedelnd schnaubte ich in die kalte Nachtluft und sah den hellen Schein der Straßenbeleuchtung. Warum liebte Yosuke ihn nur? Was hatte er schon, was ich ihm nicht geben konnte? Ach Siakoh, rügte ich mich selbst und seufzte. Der Schirm in meiner Hand wog schwer gegen die Massen an Wasser, die darauf prasselten. Ich hasste den Regen. Er zwang die Sonne mit seinen Wolken in die Knie. Und die Sonne erinnerte mich an den Dschungel und die tollen Geschichten, die ich mit Yosuke auf unseren Reisen erlebt hatte. Warum musste es also regnen? Naja, ich wäre ja bald zuhause und dann würde ich mir ein heißes Bad einlassen. Darauf freute ich mich und kuschelte mein Kinn etwas tiefer in meinen Schal. Nachdem ich meine Augen kurz geschlossen hatte, die nahende Wärme meines Atems meine Wangen erwärmte, hob ich meinen Kopf wieder und erkannte einen Körper, der einige Meter weiter stand. Er stand vollkommen in schwarz da, wie ein Rabe, dachte ich zunächst und wollte instinktiv einen größeren Bogen um ihn herum nehmen. Doch je näher meine Schritte mich zu dieser Gestalt trugen, desto mehr Dinge fielen mir auf. Zunächst einmal trug er eine dünne, schwarze Jacke aus Leder. Nichts für diese Jahreszeit. Zudem hatte er die Augen geschlossen, als würde er andächtig beten. Doch die größte Auffälligkeit war, dass er trotz dieses heftigen Regens keinen Schirm hielt. Er wurde komplett nass, durchtränkt. Und als ich an ihm vorbei ging, warf ich ihm einen verstohlenen Seitenblick zu. Seine Haut war unglaublich hell, strahlte in dem seichten Schein der Laterne. Er zitterte, erkannte ich an seinen Lippen. Und als ich schon an ihm vorbei war, meine Beobachtungen zu sortieren versuchte, stach mich etwas Rotes, wie ein Blitz im Winkel meines Auges. Sofort schossen meine Augen wieder zu ihm und die Hand, die meinen Schirm hielt, begann ebenso zu zittern wie seine Haut. Er hatte die Augen wieder geschlossen. Hatte ich mir das Rot nur eingebildet? Das Zittern? Nein, es war nach wie vor da und ohne darüber nachzudenken hielt ich an und ging dann auf ihn zu. Ich hob den Schirm über seinen Kopf und sah ihn ernst an. „Hey! Merkst du nicht, dass du zitterst?“, sprach ich ihn an und musterte sein Gesicht nun aus der Nähe. Er hatte feine Züge, sein Ohr wurde von 5 Ohrringen geziert, allesamt Silber, einer mit einer roten filigranen Perle. Sein Haar hing tropfnass und fast bis zu seiner Nasenspitze in sein Gesicht. Lange schwarze Wimpern zierten seine geschlossenen Augen. Schlief er? „Hey!?“, versuchte ich es erneut und nun zuckten seine Augenlider, schoben sich langsam nach oben und offenbarten mir, dass ich es wirklich gesehen hatte. Das satte Rot seiner Augen. Ich war wie gebannt und brachte zunächst kein Wort heraus. Dieses Rot war teuflisch, dämonisch und ich streckte meine Aura heraus. Er war ein Yokai. „Soll ich dich begleiten?“, fragte ich ihn und dachte erst dann über meine Worte nach. War ich bekloppt? Sprach wildfremde, finster aussehende Yokai an und fragte ob ich sie begleiten sollte. Schnell begann ich die richtigen Worte zu stottern, um es nicht wie eine dumme Anmache aussehen zu lassen: „Sonst wirst du noch nass bis auf die Knochen!“ „Das bin ich bereits!“ antwortete er und ging einfach los. Perplex sah ich ihm die ersten Schritte nach und geriet wieder in Bewegung. Schnell schloss ich auf und hielt wieder den Schirm über unsere beiden Köpfe. Dabei löste sich ein Rinnsal von dem Schirm, da ich ihn neigte und traf ihn direkt im Nacken. „Oh Fuck! Das tut mir leid!“, entschuldigte ich mich sofort und zog meinen violetten Kaschmirschal von meinem Hals. Außer meinem Haustürschlüssel und dem Smartphone hatte ich keine Tasche mitgenommen und somit keine Taschentücher. Der Schal musste genügen. Also nahm ich ihn und warf ihm den Schal um den Hals. „Hier!“ Seine Augen wurden starr, ebenso blieb sein Körper stehen und seine Hand glitt zu meinem Schal. Er schien geschockt und wandte den Blick dann zu mir. „Bist du irgendwie komisch?“, fragte er mit tiefer und monotoner Stimme. „Hä?“, antwortete ich und hielt den Schirm fest im Griff. Sollte ich hier einen Fehler begangen haben, hatte ich noch immer einige Kniffe aus dem Krieg, sowie den Schirm im Hinterkopf, welche ich gerade aufrief und die einzelnen Techniken durchging. 1. Schritt – Tritt gegen das Knie. 2. Schri… „Warum machst du sowas?“, setze er nach und drehte sich zu mir. Er kam mir verdächtig nahe und seine Augen drohten mich zu verschlingen. Ich schluckte und sah silbrig blitzend ein massives Kreuz an einem schwarzen Band um seinen Hals gewickelt. „Nun?“, holte seine Stimme mich zurück zu seinen Augen. „Ich will nur nicht dafür verantwortlich sein, dass du hier klatschnass erfrierst. Es ist schließlich Winter!“, lief es aus meinem Mund. Was erzählte ich denn da? Ich kannte ihn doch null. Er würde mich für einen Idioten halten. „Bist du ein Arzt?“, fragte er und sah mich fragend an. Seine Wimpern waren wirklich unglaublich lang. „Sowas in der Art.“, verriet ich und schlug mir innerlich an den Kopf. Regel Nummer eins, Punkt eins. Erzähle nie etwas von dir, wenn du mit Fremden sprichst. Sicher hatte Yosukes kleine Prinzessin es besser drauf als ich. „Also bist du hilfsbereit?“, fragte er und stellte sich wieder komplett auf. Mein Schal strahlte, neben seinen Augen, die einzige Farbe an ihm aus und hüllten die kühle Farbe seiner Haut ein. „Ich habe meinen Schirm vergessen und auf jemanden gewartet, der mich wohl versetzt hat. Wärst du vielleicht so nett, mir den Schirm zu leihen? Ich wohne nur wenige Straßen weiter.“, bat er. Wieder schluckte ich und sah seinem Fingerzeig nach. Schwarz lackierte Nägel zeigten die dunkle Straße hinab, welche nur durch wenige Laternen erleuchtet schien. Ein dunkler Pfad. Sollte ich meinem Drang nachgeben? Es waren sicher nur ein paar Meter. Ich hörte schon Yosukes strenge Stimme, wenn ich ihm davon erzählen sollte. „Ich muss in dieselbe Richtung!“, murmelte ich schlussendlich und hob den Schirm in die Höhe. Mein Lächeln streckte sich über mein Gesicht, seine Augen blieben darauf hängen, während seine Miene sich nicht verzog. Schweigend gingen wir los und ich hörte die Feuchtigkeit in seinen schwarzen Converse, die sich bei jedem Auftritt aus seinen Socken presste. Wie lange hatte er da draußen gestanden und gewartet? Meinen Blick erstreckte ich auf den Boden vor uns, traute mich nicht mehr aufzusehen. Dieser Mann war komisch und doch so anziehend, irgendwie spannend. Als wir an einigen Haustüren vorbeiliefen, blieb er plötzlich vor einer stehen. „Danke für deine Hilfe.“, sagte er mir und drehte sich zu den Stufen, die zum Eingang führten. „Kein Problem!“, bedachte ich ihn und sah ihn auffordernd an. Doch er drehte sich nicht mehr um, zog einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und schloss die Tür auf. Er schlüpfte in die Trockenheit, würde sicher einige Fußspuren im Eingang hinterlassen. Aber dies war mir egal. Er hatte mich nicht mal mehr angesehen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)