A Monster's Diamond von Kikono-chan (Sozialstunden mit Folgen) ================================================================================ Kapitel 4: Part 4 ----------------- >> Part 4 « "Und jetzt?" fragt mich Penguin. Ich zucke nur mit den Schultern. Woher soll ich bitte wissen, was wir jetzt tun sollen? Ich habe bisher nie in einem Fahrstuhl festgesteckt! Normalerweise nehme ich nämlich die Treppe... Aber der Herr wollte ja unbedingt in den Metallkasten! Zu faul, alles bis nach oben zu schleppen - dabei hatte ich ihm sogar angeboten, seine Sachen ebenfalls zu tragen. Mir hätte es nichts ausgemacht. Aber nein! "Hast du schon auf den Knopf gedrückt?" antworte ich stattdessen. Mir ist bewusst, dass das keine besonders konstruktive Antwort ist. Immerhin scheint der Strom ausgefallen zu sein - da funktionieren auch die Notrufknöpfe, wenn überhaupt, nur noch bedingt. Penguin schüttelt nur verständnislos den Kopf, begibt sich in eine Ecke und lässt sich dort auf den Boden gleiten. "So eine verfluchte Scheiße!" knurrt er und wirft seine Kappe vor sich zu Boden, um sich dann durch seine kupferbraunen Haare zu fahren. Er hat anscheinend wirklich keinen Plan, was er jetzt tun soll. Als ob es nicht schon kompliziert genug ist, seit dem Aufeinandertreffen mit Trafalgar. Penguin hat eine gesamte Woche lang versucht, herauszufinden, was da wirklich vorgefallen war. Ob das wirklich mein alleiniges Verschulden gewesen ist. Oder ob ich Buße tu für irgendetwas oder -jemand. Ich habe mich daraufhin nur in Schweigen gehüllt, ihn weitestgehend ignoriert oder bin ihm, so gut es ging, aus dem Weg gegangen. Ich hasse es, wenn jemand versucht, in mein Privatleben einzudringen! Und der Kappenträger ist verflucht hartnäckig, was das angeht. Danach folgten noch zwei weitere Wochen beharrlichen Schweigens. Selbst auf seine ganzen Anspielungen - wo ich so gut putzen gelernt hätte, das könne ja nicht mit rechten Dingen zugehen, dass ich das besser könne, als er - bin ich nicht eingestiegen. Wollte ich nicht einsteigen, denn das hätte unweigerlich dazu geführt, dass wir eine Bindung zueinander aufbauen. Und genau das will ich nicht mehr. Ich habe genug von falschen Spielen und vorgeheuchelten Gefühlen. Also habe ich mich einfach immer mehr zurück gezogen. Außerdem geht es niemanden etwas an, was Kid und ich so treiben. Allerdings habe ich das Gefühl, dass der Kappenträger, je mehr ich mich zurückziehe, nur noch hartnäckiger wird. Penguin ist keiner von den Menschen, die man durch Schweigen einfach wieder loswird. Und insgeheim möchte ich das auch gar nicht. So sehr ich mich auch dagegen gewehrt habe die letzten Wochen, Penguins Nähe ist mir nicht unangenehm. Sein ehrliches Interesse an mir - und seine Hartnäckigkeit - weckt ein Gefühl, dass ich so schon lange begraben glaubte. Aber immer wieder rufe ich mir ins Gedächtnis, dass das hier nur eine Beziehung auf Zeit ist. Eine rein geschäftliche Beziehung! Ich muss hier meine Sozialstunden abreißen und fertig. In nicht einmal mehr einer Woche werde ich wieder von hier verschwinden. Und aus Penguins Leben. Seufzend lehne ich mich gegen die kalten Stahlwände. Schlimmer kann es ja kaum noch kommen oder? Und in genau diesem Moment rumpelt die ganze Kiste bedrohlich. Es kracht und donnert. Dann ist alles still. "Scheiße, was war das?" dringt Penguins Stimme an mein Ohr. "Ich habe absolut keine Ahnung." oder besser: Ich will keine Ahnung haben - denn einen Verdacht habe ich schon. Der behagt mir aber so gar nicht. "Warum waren wir nochmal gleich hier?" frage ich deswegen zur Ablenkung. "Das Gebäude wird von Grund auf saniert und wir sollen die bereits fertigen Wohnungen säubern." Bedeutet im Klartext, hinter all den anderen aufräumen, Fliesen blank polieren und Dielen schrubben, damit niemand mehr den Dreck sieht, den die Bauarbeiter hier hinterlassen haben. Ich spüre deutlich Penguins Blick auf mir ruhen. "Meinst du, die könnten bei der Sanierung versehentlich... was kaputt gemacht haben?" "Ich bin sogar davon überzeugt. Aber es klang nicht so, als wäre es in unserer unmittelbaren Nähe. Irgend ein Trottel wird eine Wand eingerissen haben, in der auch noch zufällig wichtige Stromkabel entlangliefen. Ich befürchte, wir werden hier eine Weile fest sitzen." Jaaaa, Jackpot - ich betone und wiederhole an dieser Stelle nur noch einmal: ICH wollte die Treppe nehmen! Nach einer gefühlten Ewigkeit des Schweigens, meldet sich plötzlich Penguins Magen lautstark. Belustigt schaue ich in seine Richtung. "Hunger?" "Ach halt doch die Klappe, Killer..." dann raschelt es. Anscheinend durchwühlt er seinen Rucksack nach etwas Essbarem. "Ach verflucht. Das darf jetzt echt nicht wahr sein oder?!" schimpft er nach kurzer Zeit. "Was ist?" "Ich glaube, ich hab mein Essen heute Morgen in der Küche liegen lassen..." Daraufhin knurrt sein Magen nur noch lauter und dem Kappenträger entfleuchen ein paar derbe Verwünschungen auf sein Organ. "Warte mal..." nun krame ich in meiner Tasche. Ich habe immer irgendetwas Essbares da drin. Schon alleine deswegen, weil ich nie weiß, was Kid als nächstes ausheckt. Einmal hat uns eine seiner glorreichen Ideen in ein verdammt abgeschiedenes Fleckchen Erde geführt. Und dann war das Benzin alle. Und weit und breit weder eine Menschenseele, noch ein Dorf. Wir haben mehrere Tage gebraucht, um wieder auf Zivilisation zu treffen - was mitunter daran lag, dass Kid die Richtung vorgab, in die wir gelaufen sind. Sein Orientierungssinn ist in etwa so ausgeprägt, wie der eines fehlprogrammierten Roboterrasenmähers. "Hier. Ich hab ein ganzes Dutzend davon in meiner Tasche. Wenn es hart auf hart kommt, werden wir zumindest nicht verhungern." Damit überreiche ich ihm einen Energieriegel. Allerdings findet Penguin im Dunkeln nicht gleich das ihm dargebotene Essen. Und so kommt es, dass er als Erstes meine Hand streift, kurz inne hält und sich dann an meinen Fingern entlang tastet, bis er den Riegel festhält. Ist es eben auch schon so warm gewesen hier drin? "Danke." "Kein Ding. Ich hab sowas immer dabei, falls mal wieder eine Aktion meines besten Freundes in einem Survival-Training endet." "Ich wusste gar nicht, dass du so spannende Sachen in deiner Freizeit erlebst." "Es gibt so Einiges, was du nicht über mich weißt, Penguin." Im Grunde gar nichts. "Dann erzähl mir doch einfach ein bisschen was. Wir haben ja Zeit." Sein Grinsen ist deutlich zu hören und auch meine Mundwinkel schnellen nach oben. Ich rücke näher zu ihm heran. Es ist mehr eine unbewusste Aktion, aber anscheinend hat mich die kurze Berührung seiner Finger dazu animiert, nun seine Nähe zu suchen. Dabei streife ich kurz mit meinem Arm den seinen und ich höre, wie er den Atem anhält. "Soll ich mich lieber woanders hinsetzen?" frage ich beinahe entsetzt. Ist ihm meine Nähe etwa unangenehm? Ich fühle deutlich, wie er seinen Kopf bewegt, kann aber in der Dunkelheit nicht erkennen, ob er nun heftig mit dem Kopf geschüttelt oder genickt hat. "Nein. Alles okay." kommt es dann doch noch von ihm, als ihm anscheinend bewusst wird, dass ich seine Reaktion nicht sehen konnte. Zufrieden und irgendwie erleichtert, lehn ich mich zurück, überlege kurz, was ich ihm über mich erzählen könnte. Schmunzelnd muss ich mir eingestehen, dass der Kleine es nun anscheinend doch irgendwie geschafft hat, mich dazu zu bringen, mich ihm gegenüber zu öffnen. Zumindest ein bisschen. "Mein bester Freund und ich leiten eine Werkstatt. Wir reparieren so ziemlich alles, was als fahrbarer Untersatz dienen kann: Autos, Fahrräder, Motorräder, sogar einen elektrischen Rollstuhl haben wir schon wieder fahrtüchtig gemacht. Anfangs war es nur ein Hobby. Ein alter Lagerraum diente uns als Unterschlupf. Wir reparierten alles mögliche für Freunde und Bekannte. Anscheinend waren wir so gut, dass sie uns weiter empfahlen. Und damit wuchs unser Kundenstamm. Aus dem Lagerraum haben wir von dem Geld dann eine richtige Werkstatt errichtet, ausgebaut, angebaut und mittlerweile gehört uns ein ganzer Gebäudekomplex und wir haben noch einige fähige Mitarbeiter einstellen können." "Bist du so auch zu deiner Maschine gekommen?" fragt Penguin neugierig. Ein verträumtes Lächeln umspielt meine Lippen, als ich daran zurück denke. "Ein Kunde hatte sie uns gebracht. Meinte, sie sei schrottreif, wir könnten sie zerlegen gegen einen kleinen Obolus. Ich habe mich sofort in die Maschine verliebt gehabt und alles daran gesetzt, sie wieder zum Laufen zu bringen. Es hat ewig gedauert aber sie war die Mühe wert. Dabei hat Kid es mir so oft versucht, auszureden..." "Wer ist Kid? Dein Kumpel?" "Ja. Du hast ihn auch schon getroffen: Der Typ mit der feuerroten Mähne in dem Jeep." "Ernsthaft? Du solltest die Wahl deiner Freunde echt überdenken - er hat einen grausigen Musikgeschmack!" Ich muss lachen bei der Bemerkung. Es stimmt. Das, was Kid 'Musik' nennt, klingt für viele nur nach sinnlosem Geschrei mit viel zu harten Bässen. Aber ich bin ja nicht wegen seines Musikgeschmacks mit ihm befreundet. "Kid ist schon eine Sache für sich. Ihm habe ich das hier im Übrigen auch zu verdanken." "Meine Rede: überdenke die Wahl deiner Freunde!" "Niemals. Wir sind zusammen durch so viel Scheiße gegangen. Ich würde jederzeit für ihn durchs Feuer gehen. Und er für mich. Eigentlich wollten wir in jener Nacht bei Trafalgar einsteigen. Weiß der Geier, was Kid sich ausgedacht hat, aber er erhoffte sich anscheinend, damit sein Objekt der Begierde im Sturm zu erobern." Penguin verschluckt sich und ringt röchelnd nach Atem. Was genau hab ich gesagt, dass er so reagiert? Ich hab nämlich verdammt viel gesagt in den letzten Minuten, was für mich eher untypisch ist. "Die Feuermähne steht auf Law?! Welcher Teufel reitet den armen Irren?" "Ja, der Teufel reitet..." Aber nicht so, wie Penguin denkt. Kid hat es nämlich in den vergangenen Wochen geschafft, Trafalgar sage und schreibe sieben Mal auszuführen. Also wenn der Teufel hier einen reitet, dann den Chirurgen - in zweierlei Hinsicht. Und dann fällt mir noch eine viel interessantere Tatsache auf. "Trafalgar ist der Grund, warum du keine Kaffeemaschine besitzt!" "Und dein Verstand arbeitet mindestens genauso präzise wie seiner. Das ist echt unheimlich." Ich nehme das einfach als Bestätigung. "Woher kennt ihr euch eigentlich?" Nun bin ich dran, meine Neugier zu stillen. Immerhin weiß ich genauso wenig über ihn, wie er über mich. Doch Penguin hüllt sich in Schweigen. So haben wir aber nicht gewettet, Freundchen! "Ist die Geschichte zu langweilig oder zu peinlich, dass du sie mir nicht erzählen magst?" Wieder beharrliches Schweigen. Tut er mir das gerade wirklich an? "Ich dachte, wir würden ein Gespräch führen... einen Dialog. Aber zur Zeit führe ich lediglich einen Monolog und das ist auf Dauer so gar nicht meins. Also entweder du redest endlich wieder mit mir, oder..." "Schon gut, schon gut!" fällt er mir ins Wort. Na also, es geht doch. Ein genervtes Seufzen ertönt. "Ich hab ganz klein in der Firma angefangen und wurde zunächst dazu verdonnert, in einem Krankenhaus zu putzen." Doch nicht etwa in dem Krankenhaus, in dem auch der Chirurg praktiziert? Ich ahne, was da gleich kommt. Kein Wunder also, dass er sich ziert, davon zu erzählen. "Nach einiger Zeit des Einarbeitens, wurde ich dann der Chirurgie zugeteilt - jeder hatte seine eigene Abteilung, die er ordentlich zu halten hatte. Und da bin ich Law zum ersten Mal begegnet." Macht er diese dramatische Pause mit Absicht? Oder grämt er sich einfach nur, weiter zu sprechen? "Alles in Ordnung, Penguin?" "Ja. Ja, alles in Ordnung. Ich hab nur eben an die Zeit zurück gedacht. Law ist ein echter Sklaventreiber und ein Sadist, ich hatte es echt nicht immer leicht. Einmal habe ich ein Buch angeblich falsch einsortiert in seinem Regal. Daraufhin hat er mir den Tag zur Hölle gemacht. Beim Behandeln seiner Patienten hat er extra großes Chaos hinterlassen, im OP hat er absichtlich rumgesaut, wie ein Metzger und wo immer er auftauchte, hinterließ er eine Spur aus Brotkrumen - echte Brotkrumen! Die ich augenblicklich zu entfernen hatte!" "Ja, das kann ich mir lebhaft vorstellen. Trafalgar ist schon ein Monster für sich. Ob er weiß, dass er sich mit einem ebenso fiesen Monster eingelassen hat, als er Kid nachgab?" Penguin und ich fangen gleichzeitig an zu lachen. "Wohl eher nicht. Aber Law hat auch seine guten Seiten. Er kann nicht nur der eiskalte Oberarsch sein." "Kommt jetzt der spannende Teil?" zieh ich ihn etwas auf, werde dafür freundschaftlich in die Seite geboxt. Wieder so eine Berührung, die mein Körper einfach nur genießt... "Ich werde den Tag nie vergessen... Einer dieser Freitage, die jeder hasst, der einmal in einer Klinik gearbeitet hat. Die Freitagnachmittagsverlegungen. Meist dehydrierte Heimbewohner oder einfach nur extrem anstrengende Menschen, die die Einrichtungen über das Wochenende loswerden wollen - wie böse Zungen behaupten. Unter diesen Verlegungen ist immer ein Kuckucksei..." "Wie meinst du das?" Was hat ein Kuckuck mit einer Klinik zu schaffen? "Als Kuckuckseier bezeichnet man Patienten, die bei genauerem Betrachten eine Reihe an Krankheiten haben, die in Kombination gern unvorhergesehene Komplikationen hervorrufen. Kurz um: Es sind tickende Zeitbomben. Und weder für Ärzte noch für die Schwestern eine Bereicherung." "Wie ein Auto, das an schwer zugänglichen, uneinsichtigen Stellen anfängt zu rosten - auf den ersten Blick sieht es noch ganz gut aus aber bei genauerem Betrachten ist es ein Totalschaden." "Du hast es erfasst." Jetzt bin ich beruhigt. Meine grauen Zellen scheinen doch noch zu arbeiten. Für einen winzigen Moment war ich mir da nämlich nicht mehr so sicher gewesen nach der Sache mit dem Vogel. "Jedenfalls habe ich gerade ein Zimmer gewischt gehabt, in dem einer dieser Freitagnachmittagsverlegungen lag, als dieser Patient plötzlich anfing zu krampfen, nach Luft schnappte und dann gar nichts mehr tat. Heldenhaft, wie ich nun einmal bin, habe ich die Notfallklingel betätigt, bin zu dem Patienten gehechtet und habe mit der Reanimation begonnen. Es dauerte auch nicht lang, da kam einer der Pfleger ins Zimmer gestürmt." ein kurzes Glucksen seinerseits ertönt. Anscheinend amüsiert ihn die Rückblende doch mehr, als er zu Beginn angenommen hat. "Mitten im Raum lag mein Wischmob und der Putzwagen stand ebenfalls noch herum. Der übereifrige Pfleger rutschte auf dem Mob aus, stolperte durch den Raum über den Wagen, taumelte, suchte an mir Halt und riss mich ungünstig mit zu Boden. Er selbst holte sich dabei nur ein paar wenige blaue Flecken aber mir hat es die linke Schulter ausgekugelt und das Bein gebrochen. Law hatte alles mit angesehen, er war dem Pfleger gefolgt. Bei der anschließenden Behandlung war er dann ungewöhnlich freundlich zu mir und irgendwie hat sich daraus eine Freundschaft entwickelt, die sogar soweit ging, dass wir jetzt alle im selben Haus leben." "Darf ich raten, wer der Pfleger war, der so tollpatschig durchs Zimmer glitt?" "Musst du denn wirklich raten, Killer?" entgegnete er belustigt. "Es war dein Freund Shachi." "Jup. Beim Versuch, Law zu helfen, mich zu verarzten, hat er mir dann noch ein blaues Auge verpasst. Aus Schuldgefühlen und weil er wenigstens irgendetwas für mich tun wollte, um mir zu helfen, hat er mir dann diese Kappe geschenkt. Seitdem trage ich sie eigentlich ständig. Sie ist so etwas wie das Symbol unserer Freundschaft." "Bisschen doll überzuckert deine Geschichte, findest du nicht?" "Du wolltest sie ja unbedingt hören! Gib mir nicht die Schuld, wenn dir jetzt schlecht wird. Aber tu mir den Gefallen und kotz hier nicht hin. Der Geruch würde uns beide umbringen. Und ICH mach die Sauerei ganz sicher NICHT weg!" "Solltest du so etwas nicht gewöhnt sein? Immerhin habt ihr doch da quasi so etwas wie eine Männer-WG." "Da hast du was falsch verstanden, Killer! Jeder hat seine eigene Wohnung. Ich lebe allein. Gar nicht auszudenken, wenn ich mir eine Wohnung mit Law oder Shachi teilen müsste... es wäre entweder penibel sauber und steril oder ein heilloses Chaos, das seinesgleichen niemals finden wird. Nein danke! Ich bin sehr zufrieden mit meiner momentanen Wohnsituation." Erneut legt sich Schweigen über uns, doch empfinde ich es nicht als unangenehm. Ob es dem Kleinen genau so ergeht wie mir? Leise seufzend rede ich mir selbst ins Gewissen: Was mache ich hier eigentlich? Ich sollte das nicht tun. Sollte nicht mit ihm reden. Seine Nähe nicht genießen. Am Ende wird es doch nur wieder weh tun. Penguins Kopf sinkt auf meine Schulter und erschrocken fahr ich zusammen. "'Tschuldige. Es war nur gerade so angenehm, da muss ich eingenickt sein." kommt es murmelnd von ihm und schon kuschelt er sich erneut an mich. Okay. Irgendetwas habe ich verpasst. "Tu das nicht, Penguin..." "Was...?" "Dich in meiner Nähe Wohl fühlen. In einer Woche werden sich unsere Wege wieder trennen und dann..." "Müssen sie das? Müssen sich unsere Wege denn wieder trennen? Willst du das?" "Nein, aber..." "Dann lass es einfach nicht zu. An mir soll es nicht scheitern." Ich spüre seinen Atem an meinem Ohr und bemerke erst jetzt, dass er sein Kinn auf meiner Schulter abgestützt hat, statt, wie ich zuerst annahm, den ganzen Kopf. Wie in Zeitlupe drehe ich mein Gesicht zu ihm, berühre dabei fast seine Nasenspitze mit meiner. Ist diese Nähe von ihm gewollt? Oder ist es reiner Zufall? "Peng..." "Halt die Klappe, Kira!" "Woher...?" "Hab mir endlich deine Akte durchgelesen. Und jetzt sei gefälligst ruhig - du zerstörst den Moment!" In meinem Kopf jagt ein Gedanke den nächsten. Ein katastrophales Durcheinander an Worten und Empfindungen, eingesperrt in einem Vakuum. Wenn nicht gleich etwas passiert, drehe ich durch. Bitte. Irgendetwas! Seine Nähe verbrennt mich, lässt mir kaum noch Platz zum Atmen und gleichzeitig ist sie so angenehm, wie ein lauer Frühlingstag, wirkt befreiend. Ich sollte das hier nicht genießen - sollte nicht einmal hier sein. Mit ihm zusammen. So nah. Ich hätte die Treppe nehmen sollen! Dann wären wir hier nie zusammen eingeschlossen worden. Dieses Gespräch hätte nie stattgefunden. Diese merkwürdige Situation wäre nie zustande gekommen. Ich hätte in einer Woche all das hier einfach hinter mir lassen können. Aber jetzt geht das nicht mehr. Jetzt sitzen wir hier gemeinsam. Seine Nähe, seine Stimme, sein Geruch - einfach alles an ihm - lässt mein Innersten Achterbahn fahren. Und ich weiß jetzt schon, wohin mich diese wilde Fahrt führen wird. Die Zeichen sind mehr als offensichtlich. "Kira...?" wispert Penguin zaghaft. "Hasst du mich?" Nein, das ist nicht das, worauf ich gehofft hatte. Es entschärft diese Situation nicht im Geringsten. Im Gegenteil. Sie heizt sie weiter an. Und ich scheine auch noch glücklich darüber zu sein, wenn ich diese taktvollen Aussetzer meines Herzens richtig deute. Denn jetzt muss ich mich unweigerlich dem stellen, was ich drei Wochen lang versucht habe, von mich zu schieben. Ob ich ihn hasse? Fragt er mich das ernsthaft? Ohne meine Handlung auch nur eine Sekunde lang zu überdenken, zeige ich ihm - auf eine unmissverständliche Art und Weise - was ich von ihm halte. Ich strecke meinen Hals weiter zu ihm, überbrücke den Zentimeter, der uns voneinander trennt und lege meine Lippen auf seine. Ein extrem zufrieden klingendes Stöhnen verlässt seine Kehle und ich spüre, wie er sich in den Kuss hinein lehnt, seine Hand in meinen Nacken legt und mich noch näher zu sich zieht. Mein Verstand schaltet auf Notstrom - alles, was ich jetzt noch brauche - jetzt noch will - ist der Mann, der mich gerade alle meiner Sinne beraubt. Und das mit einem einzigen, einfachen Kuss. Hoffentlich werden wir nicht allzu bald gerettet... (Fortsetzung folgt... ) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)