Devil in Heaven von Hadara ================================================================================ Prolog: -------- Eine Party in einem Haus, welches ursprünglich dafür vorgesehen war ein Zuhause für zehn Personen zu sein. Nun wohnte dort eine einzelne Person und hatte sich die Räume ganz nach seinem Belieben eingerichtet. Die Zimmer, die früher bewohnt gewesen waren, waren in eine Sauna, einen Fitnessraum, eine Lounge und einen Playroom umgebaut worden. Ungeachtet dessen, dass dort vielleicht Leute leben könnten, die aktuell auf den Straßen herumstreiften und auf dem kalten Boden schlafen mussten wurden in dem großen Wohnraum nun Drinks ausgeschenkt und im Hintergrund lief stimmungsvolle Musik. Die Personen, die zu Besuch waren, nahmen nicht einmal ein Viertel der Raumgröße ein. Sie hatten sich in kleineren Gruppen zusammengestellt und redeten über die verschiedensten Themen. Oberflächliche Themen. Konversationen, die man mit Geschäftspartnern führte, denen man noch nicht ganz vertraute. Das Stimmungsbild wirkte im Allgemeinen eher angespannt. Konnte man es überhaupt noch eine Party nennen? Schließlich schien keiner wirklich hier sein zu wollen. Da trat ein schwarz gekleideter Mann in den Raum und die Gespräche verstummten innerhalb von Sekunden. Der Besitzer dieses großen Anwesens war dem Event beigetreten. Wohl das, worauf alle hier gewartet hatten. Ihm folgten zwei gut gebaute Männer, die unmittelbar erschreckend auf alle Anwesenden wirkten. Gegen die beiden wirkte der Hausbesitzer gerade zu zierlich, obwohl auch dieser um die 1,80 war und offensichtlich die nötige Muskelmasse hatte, um es mit den anderen Anwesenden aufzunehmen. "Willkommen, alle miteinander. Schön, dass ihr es einrichten konntet!" durchbricht der Mann die Stille und alle versuchen ihr bestes Lächeln aufzusetzen, weil sie auch so froh waren, hier zu sein. "Ich hoffe ihr wisst, warum wir heute alle hier sind." fuhr er fast ohne Unterbrechung fort. Er tritt weiter vor und befand sich nun in der Mitte des Raumes, um ihn hatten sich die kleinen Gruppen zu einem einheitlichen Kreis geformt. "Es ist jetzt mittlerweile ein Jahr her seit wir im Himmel eingezogen sind." seine Lippen formten ein Lächeln, doch es erreicht nicht seine Augen. "Und wir leben seitdem besser als je zuvor." er rückt seine Krawatte. "Also lasst uns diese Gelegenheit nutzen, um unsere Erfolge gemeinsam zu feiern. Bringt mir bitte jemand einen Drink." Es dauerte eine Weile bis einer der Bediensteten merkte, dass dies eine Anweisung gewesen war. Als dieser den Fehler bemerkte schritt er hastig nach vorne und reichte dem Mann ein Glas Champagner so wie alle anderen auch eines in der Hand hielten. Ein kalter Blick traf ihn als er kurz nach oben blickte und schnell huschte er wieder zurück an seinen zugeteilten Platz. Der Mann ignorierte die kleine Pause und hielt stattdessen einfach sein Glas hoch. "Stoßen wir gemeinsam an. Auf dass das nächste Jahr noch besser wird!" Die Menschen um ihm herum taten ihm gleich und hoben ihre Gläser. Ein paar trauten sich sogar verbal zuzustimmen. "Auf ein besseres weiteres Jahr." Unbemerkt schob sich ein Grinsen über den Mund des Hausbesitzers, während er das Glas zum Trinken ansetzte. All diese Leute hier waren einfach nur erbärmlich. Alle versuchten sie ihm zu schmeicheln und nicht zu zeigen wie klar sie doch Angst vor ihm hatten. Dabei hatte er ihre Angst bereits gerochen bevor er den Raum betreten hatte. Sie waren ja auch berechtigt ihn zu fürchten. Einige von ihnen hatte er bereits ein paar Mal getötet. Oder wie auch immer es hieß, wenn man jemanden Unsterblichen so nah an den Tod brachte, wie es nun einmal ging. Auch heute hatte er vor ein paar der Anwesenden für ihre Inkompetenz vor der versammelten Mannschaft ein wenig Blut spuken zu lassen. Das wussten alle, denn er berief sie sicherlich nicht nur ein, um das einjährige Jubiläum des Himmeleinzugs zu feiern. Alle wussten, dass er einen Dreck auf den Einzug gab. Schließlich war er nicht unter den großen sieben gewesen. Darum hoffte er nun auch umso mehr darauf der erste zu sein, der die Devils Core findet. Leider entpuppte sich sein Personal immer wieder als unfähig und langsam. Umso mehr Grund, sie voreinander zu bestrafen, wenn sie ihre Aufgaben nicht erfüllten, wie sie sollten. Er setzte sein Glas wieder von seinem Mund ab und schaute in die Runde. Wie er die Furcht in den Augen anderer Menschen doch liebte. Sein Blick ging einmal rund, aber blieb an einem der Männer hängen. Seine Augen waren anders. Er blickte ihn direkt an, ohne Filter, komplett ungerührt vom Blick seines Gegenübers. Stattdessen strahlten sie fast sogar etwas wie Entschlossenheit aus. Der Gastgeber schaute den Mann genauer an und erinnerte sich nicht, ihn jemals zuvor gesehen zu haben. Er warf einen Blick zu seinen zwei Bodyguards und deutete auf den ungebetenen Gast. Die beiden verstehen ihn ohne Worte und gehen bedrohlich auf den Mann zu. Doch dieser hatte scheinbar nicht vor, sich von den beiden aus der Ruhe bringen zu lassen. Gerade zu leichtfüßig wich er ihren doch recht groben Angriffen aus und auf einmal befanden die beiden schwergewichtigen Männer sich auf dem Boden. In ihren Rücken zwei tief klaffende Stichwunden, aus denen eine rote dicke Flüssigkeit austrat. Alle schauten geschockt zu dem Mann, der das blutige Messer in seiner rechten Hand hielt. "Ich wurde wohl entdeckt", merkt der Mann komplett ungerührt an, "Entschuldigt bitte mein unerlaubtes Eintreten, Herr Marrow" Angesprochener schleuderte augenblicklich sein Glas zur Seite, denn er brauchte seine Hand, um zu seiner Waffe greifen zu können. Doch seine Mühe war vergebens, denn er erreichte die Pistole an seinem Gürtel nicht schnell genug. Mit kleinen aber flinken Schritten hatte sich der Unbekannte ihm genähert und kaum, dass er überhaupt die Möglichkeit hatte sich eine Alternative Abwehr zu überlegen, hatte man ihm die Kehle aufgeschnitten. Erst zerschellte laut das Glas auf dem Marmorboden. Kurz darauf kam dumpf Herr Marrows Körper auf dem großen grün-goldenen Teppich im Raum auf, der nun langsam zusätzlich rot wurde. "Das war einfacher als gedacht" sprach der Mann mit dem Messer zu sich selbst und schaute sich dann kurz um. Allen Anwesenden konnte man die Panik aus den Gesichtern ablesen. Kurz waren alle in eine kleine Starre verfallen und keiner traute sich, sich zu rühren, aber, als der erste sein Glas fallen ließ und wie ein erschrockenes Reh die Flucht ergriff, kam Leben in die meisten zurück. Viele rannten davon, einige rannten ins Haus hinein, ein paar sackten an Ort und Stelle zusammen. Wahrscheinlich aus Schock. Ganz sicher nicht, weil sie sich in irgendeiner Weise um den Mann mit der aufgeschlitzten Kehle sorgten. Doch das interessiert den Unbekannten alles nicht. Schließlich hatte er schon das, weswegen er hier war. Oder besser gesagt er hatte es nicht. Die Person, die er suchte, war auch heute nicht unter den Anwesenden gewesen. Eine weitere Party, die sich als pure Zeitverschwendung entpuppt hatte. Etwas enttäuscht blickt er auf sein Messer. Wenn er es nicht hier wusch, dann wäre das Blut bis nach Hause angetrocknet. Sicherlich hatte der gute Herr Marrow nichts dagegen, wenn er kurz das Bad benutzte, denn sein schönes Hemd wollte er deswegen nun nicht verdrecken. Er blickte sich um. Offensichtlich gab es nirgendwo ein Schild auf dem "Zu den Toiletten" stand. Daher lief er einfach mal durch die rechte Tür und schaute, ob er das Bad auf Anhieb finden konnte. Sein Blick streifte die übertriebene Einrichtung des Hauses und er nahm sich heraus die Türen zu öffnen, an denen er vorbeilief. Die erste ein Lagerraum, dann ein Raum voll mit Büchern. Die dritte Tür offenbarte zu seinem Glück tatsächlich ein größeres Bad und er nutzte das Waschbecken, um das Blut von seinem handlichen Messer abzuwaschen. Es war schon einige Zeit in seinem Besitzt und vielleicht hatte er sogar eine Art von Verbindung zu der Waffe aufgebaut. Schon witzig, dass er kaltes Stück Stahl, der menschlichen Wärme vorzog. Doch sein innerliches Schmunzeln zeigte sich nicht nach außen. Er trocknete die Schneide an einem der Handtücher ab und ließ das Schwert zurück in dessen Scheide fallen, die sich an seinem Gürtel befand. Er war gerade dran das Haus zu verlassen und nie wieder zurückzukehren, da hörte er ein lautes Geräusch aus dem Nebenraum. Als wäre etwas Hartes zu Boden gefallen. War etwa noch jemand hier, von dem er nichts wusste? Vielleicht war ja doch die Person hier, nach der er suchte, auch wenn er sich keine große Hoffnung mehr machte. Die Leute hier schienen alle ziemlich kleine Sündiger gewesen zu sein, bei der schnellen Flucht. Dennoch wollte er einen Blick in den Raum werfen, bevor er verschwand. Nur zur Sicherheit. Doch die Tür stellte sich als abgeschlossen heraus. Hatte sich jemand eingeschlossen? Nichts wofür er nicht eine Lösung hatte. Ein wenig Anlauf, ein gezielter Tritt und das Schloss gab nach. Dahinter eröffnete sich ihm ein dunkler Raum. Das Licht aus dem Flur reichte nicht aus, um zu erkennen, ob sich jemand darin befand. "Ist da jemand?" Die Frage war bestimmt und er hatte nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet. Er war bereits drauf und dran nach einem Lichtschalter zu suchen oder es einfach sein zu lassen. Doch er wurde überrascht. "Ich..., wer ist da?" hauchte eine Stimme, sodass er sie gerade hören konnte. Der Besitzer der Stimme schien nicht besonders stark zu sein, denn er klang äußerst sanft, wenn auch etwas heiser. Dies war definitiv nicht seine gesuchte Person. Also hätte er eigentlich auch gehen können. Doch nun war er neugierig, wer hier alleine in einem dunklen Raum saß. Aus irgendeinem Grund entschied er sich sogar spontan dazu sich vorzustellen: "Niel, mein Name ist Niel. Kannst du mir sagen, wo der Lichtschalter ist? Ich sehe dich nicht." Kapitel 1: Der Engel -------------------- "Rechts neben der Tür... von dir aus links", antwortete man Niel tatsächlich ziemlich schnell auf seine Frage und Niel fragte sich nun umso mehr, wer da so gehorsam seine Fragen beantwortete. Mit der Richtung hatte er schnell den Schalter gefunden und ein dumpfes Licht flackerte auf. Der Raum erhellte sich und zum Vorschein kam tatsächlich ein Anblick, den Niel so nicht erwartet hatte. Dort neben einem großen Bett saß auf dem Boden zusammen gekauert ein Mann, vielleicht in seinem Alter. Um seinen Hals schlang sich ein eisernes Halsband. Seine Hände waren in Handschellen gelegt und seine Augen waren mit einem Stück schwarzem Stoff verbunden worden. Seine Kleidung beschränkte sich auf einen Tuch-artigen Rock, welcher bereits sehr abgenutzt aussah. Seinen Oberkörper zierten Wunden, welche gerade mal einige Stunden alt sein durften. Im Grunde kein Anblick, der hier im Himmel besonders neu war. Die Stärkeren unterjochten nun einmal die schwächeren. Ein ungeschriebenes Gesetz in der Hölle. Und als die Teufel in den Himmel eingezogen sind, hat es sich auch dort etabliert. Nein, was an diesem Bild vor Niels Augen besonders war, war der Rücken des Mannes. Genauer gesagt die zwei großen weißen Flügel die aus diesem hinausragten. Schon lange hatte Niel keinen echten Engel mehr zu Gesicht bekommen. Interessant, dass der Engel genau so aussah, wie er sich die Engel aktuell vorstellte: In irgendeinem Keller angekettet, benutzt und machtlos. "Bist du ... im Auftrag von Sir ... Marrow... hier?" man merkte, dass der Name des Hausherren dem Engel nicht einfach fiel. Ihn auszusprechen war scheinbar nicht leicht. Wahrscheinlich verknüpfte er viele Schmerzen mit diesem Namen. "Nein", antwortete Niel schlicht und trat näher zu dem Engel heran. Er wollte schon immer mal Engelsflügel aus der Nähe betrachtet haben. Er konnte deutlich sehen, dass sich der Engel bei dieser Aussage entspannte. Niel interessierte die Reaktion des Engels nicht weiter, als dieser kurz zuckte so wie er näher auf ihn zutraut. "Herr Marrow liegt im Wohnzimmer auf dem Teppich und blutet aus. In ein 10 bis 20 Minuten sollte er wieder einigermaßen atmen können." erklärte er trocken, nicht aus irgendeinem bestimmten Grund, einfach so. Gemächlichen Schrittes ging er weiter an den Engel heran, um die Flügel zu inspizieren. "Was haben ... Sie vor?", fragte der Engel nun ängstlich und auf einmal viel höflicher, als ob das irgendetwas an seiner Situation verbessern könnte. "Mit dir?", entgegnete Niel, "Eigentlich nichts, ich wollte nur wissen, wer hier drin ist. Ich hatte aber nicht erwartet einen Engel anzutreffen." Niel streckte seinen Arm aus und seine Finger glitten über einen der großen weißen Flügel. Nur dass sie nicht so weiß waren, wie in seiner Erinnerung. Viel mehr waren sie leicht gräulich. Hier und da sah er sogar etwas Dreck und in der Rückenregion einige rötliche Flecken. Kaum hatten seine Finger die Federn berührt, zuckte der gesamte Körper des Mannes zusammen. Seine Finger hatte er mittlerweile ineinander verschränkt und er presste seine Hände so eng aneinander, dass seine gesamten Arme zitterten. Betete er etwa? Hofft er tatsächlich nach all der Zeit immer noch auf seinen Gott? Was ein Unsinn. "Keine Angst ich habe nicht vor die irgendetwas zu tun. Ich bin auch schon wieder weg." versicherte er dem Engel, denn seine Neugier hatte er mittlerweile gestillt. Viel länger wollte er nun wirklich nicht bleiben. Er ließ von den Flügeln ab. Sie waren erstaunlich weich trotz ihrer unreinen Farbe. Aber sicherlich würde er sich nicht einen Engel mit nach Hause nehmen nur, um dessen Flügel ab und an fühlen zu können. So toll waren sie nun auch wieder nicht. Ohne dem Engel einen weiteren Blick zu schenken, drehte er sich um und schritt zur Tür. "Warte!" ertönte es auf einmal hinter ihm und Ketten rasselten. Die Stimme des Engels klang auf einmal anders. Immer noch erfüllt von Angst, aber diesmal klang so etwas wie Entschlossenheit mit einher. Augenblicklich drehte sich Niel um, da er nicht erwartet hatte, dass der Engel seine Stimme so weit heben konnte. Der Engel hatte seine Hände nach vorne hin ausgestreckt und sich so weit nach vorne gebeugt, wie es die Kette zuließ, die sich um seine Flügel legte und an der Wand befestigt war. Aufgrund der Augenbinde konnte er seinen Gesichtsausdruck nicht ganz sehen, aber die Stimmung hatte sich definitiv geändert. "Was?", fragte Niel. "Kannst du mir bitte helfen." Niel kann sich ein scherzhaftes Lachen nicht verkneifen. "Sorry, aber ich bin kein Held, der dich retten kommt. Ich habe meine eigenen Probleme. Und falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte: Ich bin ein Teufel, wir sind nicht unbedingt die Freundlichsten." "Bitte, ich flehe dich an. Wenn er wieder zu sich kommt, wird er es an mir auslassen", die Stimme klang flehend. Ein bisschen schuldig fühlte sich Niel ja schon, aber er bei weitem nicht genug, um hier sich einem Engel anzunehmen. Schließlich würde der Mann, den er umgebracht hatte in ein paar Minuten wieder aufwachen. Gegen Schusswaffen konnte auch sein Messer wenig anrichten. Da war ihm doch seine Sicherheit wichtiger. "Dein Problem. Ich krieg die Ketten sowieso nicht durch." antwortete er, mittlerweile klang seine Stimme etwas schroff. Warum stand er überhaupt noch hier? "Der, der Schlüssel ist in seiner Hosentasche. Bitte, ich tue alles. Nur lass mich nicht hier. Ich bitte dich!" bittet der Engel ein weiteres Mal, mittlerweile nicht mehr flehend, dafür aber verzweifelt. Niel verstand Verzweiflung nur allzu gut, aber dieser Engel ging ihn nichts an. "Was kann ein gefallener Engel wie du schon für mich tun. Ich habe keinerlei Gebrauch für dich. Ich steh nicht auf das Zeug, was dein Besitzer so mit dir anstellt. Da habe ich definitiv Wichtigeres zu tun. Ich muss jetzt gehen." "Ich, ich kann dir eine Erinnerung nehmen, die du vergessen willst!" versucht es der Engel trotz der klaren Abweisung weiter. "Was lässt dich bitte schön glauben, dass ich irgendetwas vergessen will!", antwortet Niel etwas wütend über diesen Vorschlag. "Lieber würde ich mich an etwas erinnern, was ich vergessen habe. Das würde mir meine Suche erleichtern." merkte er für sich selber an und der Engel reagierte sofort. "Das kann ich auch!", "Wie bitte?", "Ich kann dich eine alte Erinnerung erneut durchleben lassen." Niel war skeptisch. Das wäre doch fast zu Gut, um wahr zu sein. Wenn Engel das wirklich konnten, hätte er doch sicherlich schon früher etwas davon gehört und neben ihm würden sicherlich auch andere Teufel diese Fähigkeit liebend gerne ausnutzen. "Beweis es." gab er daher an und der Engel sackte etwas nach hinten und senkte seinen Kopf ein wenig. Das hatte Niel sich schon fast gedacht. Dabei hatte er immer gemeint Engel lügen nicht. Da muss er sich wohl geirrt haben. "Was eine Zeitverschwendung. " "Moment, ich gebe zu gerade kann ich es nicht, aber wenn ich meine Kräfte wieder habe..." "Ach, wenn es nur das ist, ist ja nicht so, dass das unmöglich ist!" gab Niel sarkastisch zurück, offensichtlich nicht überzeugt von dieser Aussage. "Es ist nicht unmöglich. Ich, ich brauche nur einen Splitter!" scheinbar hatte der Engel mittlerweile ein wenig Hoffnung gefasst und seine Sätze klangen nicht mehr ganz so kläglich. Vielleicht hatte man ihn hier in diesem Raum noch nicht komplett gebrochen. "Einen Splitter?" Niel war auf einmal doch etwas interessiert. Schließlich suchte er nun schon seit fast einem Jahr nach diesem Mann und mit einem Namen und Bild wäre es einfach tausendmal einfacher, als ganz ohne. Hoffen, dass seine Erinnerungen hochkommen, wenn er dem Mann in Person begegnete, war nicht unbedingt die schnellste Lösung. "Der Heaven Cristal. Ich brauche nur einen der Splitter." erklärte der Engel. "Ach nur einen Splitter vom Heaven Cristal. Dir ist schon klar, dass die großen sieben die Splitter haben?" entgegnete Niel. "Du hörst dich stark an?" gab der Engel zurück und Niel musste zugeben, dass der Mann mehr Mumm hatte, als er ihm zu Beginn zugetraut hatte. Er musste leicht lachen. Immer noch lächelnd wiederholte er die Worte des anderen. "Du hörst dich stark an! Oh Mann. Du bist dir da ja ziemlich sicher." Er kratzte sich mit der Hand am Kopf. Sollte er sich hier tatsächlich von einem Engel überreden lassen? Jede Minute, die er überlegte, gab den Toten im Wohnzimmer die Möglichkeit zu heilen. Er musste eine Entscheidung treffen. "Fuck it", sagte Niel und verließ den Raum nun ganz. Kapitel 2: Die Freiheit ----------------------- Niels Schritte führten ihn ins Wohnzimmer, wo die Körper der Männer zum Glück noch immer recht tot aussahen. Sie brauchten scheinbar etwas länger um sich zu regenerieren. Das war bei jedem ein wenig anders. Er hatte sich entschlossen, sich auf den doch recht krassen Plan des Engels einzulassen und zu hoffen, dass es ein besserer Plan war als: Ich gehe auf jede Versammlung und schaue, ob ich ihn sehe. Definitiv nicht der beste Plan, den man haben konnte. Sich mit einem der großen sieben anlegen? Auch nicht viel besser, aber es schien weniger Zeit aufwendig zu sein. Und Niel hatte in den letzten Monaten bereits genug Zeit verschwendet. Er fand die Schlüssel relativ schnell und kehrte zügigen Schrittes zurück zum Engel. Der Kopf des Engels hob sich, als er die Schritte auf dem Boden hörte. Doch er war sich scheinbar nicht sicher, ob es Niel oder doch sein Besitzer war, denn seine Hände hatten sich wieder ineinander verschränkt. Niel klimperte mit den Schlüsseln und der Engel zuckte kurz zusammen. "Ich hab die Schlüssel. Ich hoffe für dich du hast mich nicht angelogen, was die Erinnerungen angeht." "Hab ich nicht!", antwortet der Engel sofort, eindeutig erfreut darüber, dass die Stimme nicht dem Hausherren gehört. Niel beugt sich nach unten und sucht nach dem Schloss. Insgesamt waren es drei. Die Flügel, der Hals und die Hände. Eins nach dem anderen fielen sie zu Boden und legten dunkle Stellen an Hals und Armgelenken frei. Offenbar waren die Schlösser lange nicht geöffnet worden. Der Engel ließ ihn frei gewähren und löste sich nicht aus seiner sitzenden Position. Erst als er von allen Ketten befreit worden war, wandte er sich zu Niel und fragte um einiges zurückhaltender, als zuvor: "Darf ich die Augenbinde abnehmen?" Die Frage tat Niel aus irgendeinem Grund weh, den er nicht verstehen konnte oder wollte. Statt zu antworten, nahm er dem Mann die Augenbinde selber ab. "Du kannst auch aufstehen." Zum Vorschein kamen zwei durch und durch himmelblaue Augen, die ihn wohl noch nicht richtig erkennen konnten, da diese noch ein paar Mal blinzelten, um sich an das Licht zu gewöhnen. Unter dem linken Auge ein kleiner Schönheitsfleck, der die Aufmerksamkeit von seiner Narbe auf der rechten Wange ablenkte. Als sich die Augen des Engels an die Helligkeit gewöhnt hatten, erblickte er zum ersten Mal seinen Retter. Niel war nicht unbedingt groß. Als sich der Engel erhob, wurde schnell klar, dass Niel sogar kleiner war als dieser. Dennoch konnte man unter Niels weitem Hemd klar lange antrainierten Muskeln sehen und allein seine Haltung ließ ihn in keinster Weise schwach wirken. Ein Fall bei dem es definitiv nicht nur auf die Größe ankam. Niels Augen teilten sich eine Farbe mit seinen Haaren, ein helles braun, welches leicht rötliche Nuancen hatte. Unter den Haaren blitze an einem seiner Ohren ein rötlicher kleiner Stein hervor. Die Haare des Engels hingegen waren mit einem tiefen schwarz um einiges dunkler. Nicht unbedingt die Haarfarbe, die man bei einem Engel erwartete, aber Engel waren ja auch nur ehemalige Menschen und die schwarzen lockigen Haare bildeten einen perfekten Rahmen für sein breites Gesicht, welches in einem schlanken Kinn zusammenlief. Seine schmalen Lippen formten ein leichtes Lächeln und seine Hände strichen über die Stellen an seinem Körper, wo gerade noch die Fesseln gelegen hatte. Anscheinend musste er seine Freiheit zunächst begreifen. Den Schlüssel, mit dem Niel die Fesseln geöffnet hatte, landeten neben ihnen auf dem großen Bett. Diese waren nun nicht mehr von Relevanz. Niel wollte ein für alle Male raus aus diesem Haus, dass ihn mittlerweile schon ein wenig ankotzte. Schließlich war er noch nie ein Fan von Prunk und Luxus gewesen und dieses Haus triefte nur so von teuren Möbeln und unnötig schmuckvollen Dekorationen. Niel brauchte keine großen Gemälde mit goldenem Rahmen, um anderen irgendetwas zu beweisen. Vor allem nicht sich selbst. "Gehen wir" wies er den Engel daher an und begab sich bereits zur Tür. Allerdings drehte er sich an der Schwelle um, weil seinem Befehl offensichtlich nicht Folge geleistet wurde. Hatte der Engel etwa vor sich jetzt gegen ihn zu sträuben? Dann wäre er dummer als Niel erwartet hatte. Schließlich sollte er doch gemerkt haben, dass er gegen Niel keine Chance haben könnte. Besonders nicht in der Verfassung, in der sich der Engel aktuell befand. "Los, komm!" versuchte er es ein weiteres Mal, nun durchaus kräftiger ausgesprochen, als zuvor. Man hörte Niel an, dass er ein wenig genervt von der Verzögerung seines Besuches hier war. Der Engel hingegen zeigte kaum Reaktion auf seine Worte, sondern ließ seinen Blick nur huschend durch den Raum gleiten. Suchte er nach etwas? Genervt ging Niel die paar Schritte wieder zurück und fasst den Mann am Arm. Dieser zuckte natürlich sofort zusammen und sah Niel erschrocken an, als hätte er vergessen, dass er nicht allein war. Niel schaute ihn etwas verärgert an und der Engel konnte das sofort merken, er entschuldigte sich. "Es tut mir leid. Von hier oben wirkt das Zimmer so anders..." versuchte er sich selbst zu erklären. Niel konnte ihn nur nicht ganz verstehen. Weder was er mit oben meinte, noch inwiefern das Zimmer überhaupt noch von Belangen war. Er wusste einfach nicht wie viel Zeit der Engel das letzte Jahr über in diesem Raum verbracht hatte, meist kniend oder liegend. "Egal, jetzt komm schon wir gehen!", antwortete Niel recht schroff und zog am Arm des Engels. Dieser stolperte regelrecht nach vorne und konnte sich noch so gerade eben fangen, indem er sich an Niels Arm fest klammerte. "Verdammt, was ist jetzt los?!" keifte Niel durchaus ungehalten. Er wollte endlich von hier verschwinden. "Sir Marrow ist kleiner als ich", gab der Engel leise zurück, "Er mag es nicht, wenn ich stehe. Ich bin lange nicht gelaufen." Seine Stimme hörte sich leicht beschämt an. "Na toll!" stieß Niel aus. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, ihn zu befreien. Jetzt hatte er einen Lauf-unfähigen Engel am Hals. Kurz verdrehte er seine Augen, dann drehte er seinen Rücken zum Engel und ging in die Hocke. "Ich hab jetzt keine Zeit dir noch eben das Laufen beizubringen! Spring auf!" erklärte er und fügte noch schnell hinzu, "Ausnahmsweise! Glaub nicht, dass ich dich noch einmal herumtrage! Aber wir haben keine Zeit mehr." Kurz zögerte der Engel, ob er sich nun tatsächlich von diesem Mann Huckepack tragen lassen sollte. "Verdammt! Mach schon!" unterbrach Niel das Zögern und schnell tat der Engel wie geheißen. Niel richtete sich wieder auf und sie begaben sich in Richtung Ausgang. Ein weiteres Mal vorbei am Bad und dem Lagerraum. Durch das Wohnzimmer in die Lobby. Sie hatten fast den Ausgang erreicht. Sie hatten das Anwesen quasi schon verlassen, da ertönte hinter ihnen eine Stimme. "Tao" Die Stimme war heiser, aber der Engel wusste sofort zu wem sie gehörte. "Sir!" erschreckte er sich und ließ augenblicklich Niels Hals los, um sich herumzudrehen. Niel verlor aufgrund der plötzlichen Unruhe den Halt und er konnte den Engel nicht länger auf dem Rücken halten. Stattdessen fiel dieser zu Boden. Nun wusste Niel ganz bestimmt, dass er die falsche Entscheidung getroffen hatte. Es war ein einziges Desaster. Noch könnte er den Engel einfach zurücklassen, aber dann wären die letzten zehn Minuten pure Zeitverschwendung gewesen. Damit wollte er sich nicht so recht zufriedengeben, also drehte auch er sich langsam um. Und dort stand Herr Marrow. Mit gebeugtem Rücken und einer Hand an seiner Halswunde, die noch immer leicht tropfte, aber längst nicht mehr so viel Blut verlor wie kurz zuvor. Seine andere Hand hielt die Schusswaffe, die er zuvor nicht hatte zu fassen bekommen. Er hatte sie, wie nicht anders zu erwarten war, auf Niel gerichtet. Offensichtlich brauchte er keine Angst vor dem Engel zu haben. Dieser war zurückgefallen, in die Position, die er zuvor in dem dunklen Raum eingenommen hatte und starrte angewurzelt hoch zu seinem Besitzer. "Was du da hast gehört mir!", rief Herr Marrow so laut es ihm mit seiner Wunde möglich war. Es hörte sich nicht wirklich einschüchternd an. Erst Recht nicht für Niel. Das einzige, was Niel ein wenig fürchtete, war die Schusswaffe des Mannes. Kugeln konnte er nicht ausweichen und wenn er hier sterben würde, würde nachher auch angekettet in einem dunklen Raum aufwachen. Das wollte er eingehendst vermeiden. Nur wie. Das wusste er noch nicht ganz. "Lass es hier und ich vergesse den kleinen Aufruhr von gerade!" Herr Marrow schien wohl ein klein wenig an dem Engel zu hängen. Auf seine eigene verstörte Art. Niel überlegte. Noch nie seine Stärke. Er war eher jemand der spontan agierte. Wie man klar an dieser Situation sehen konnte. Schließlich hatte er nicht damit geplant einen Engel aus dem Haus herauszutragen. So hatte er auch nicht damit gerechnet sich mit einer Schusswaffe rumschlagen zu müssen. Herr Marrow hatte sichtlich nicht vor Niel noch länger überlegen zu lassen, denn er begann auf einmal runterzuzählen: "5, 4, ..." So schnell konnte Niel nicht nachdenken. "3, 2 ..." In der Eile dachte Niel nicht daran, dass seine einzige Option war, wegzulaufen. Stattdessen stand er nur da und überlegte, ob er vielleicht mit Schusswunde noch nah genug an Marrow kommen würde, um ihn zu entwaffnen. Er hatte schon damit abgeschlossen, dass er um eine Schusswunde nicht herum käme. "Eins" Ein Schuss fiel und Niel sprintete ungeachtet dessen los, was geschah. Zu seinem überraschen lud Marrow die Waffe nicht nach, sondern schien durch irgendwas aus der Bahn geworfen worden zu sein. So war es ein leichtes diesen zu entwaffnen und ihn mit einem gezielten Kopfschuss zum zweiten Mal an diesem Abend außer Gefecht zu setzten. Die Waffe ließ er neben dem Körper fallen. Niel hatte nie wirklich was mit Schusswaffen anfangen können. Der Nahkampf lag ihm eher. Nun erst schaute er an sich herunter. Keine Schusswunde? Hatte Marrow etwa verfehlt und war deswegen zu abgelenkt gewesen, um einen weiteren Schuss abzufeuern? "Umso besser", dachte sich Niel und kehrte zurück zum Engel, welcher noch immer auf dem Boden lag. Nur, dass nun sein Körper nach vorne gebeugt war und seine Flügel senkrecht nach oben abstanden. "Los, steh auf, der tut nichts mehr!" versuchte Niel den Mann zu beruhigen. Der schien sich aber nicht mehr bewegen zu wollen. War es ihm etwa schade, um seinen Herrn? Hatte er sich jetzt doch anders überlegt? Genervt beugte sich Niel nach unten und zog die Schulter des Engels nach oben. "Na los, mach schon!" schnauzte er. Doch dann zuckte er kurz zusammen. Kapitel 3: Das Heim ------------------- Über die Brust des Engels strömte Blut. Das weiße Tuch um seine Hüfte war durchtränkt von der roten Flüssigkeit und die Augen des Engels sahen in glasig abwesend an. Knapp neben seinem Herzen klaffte eine große Einschusswunde, in der wohl immer noch die Kugel stecken musste. Daum hatte er also den Schuss nicht mitbekommen. Hatte der Engel sich in dem Moment wo er losgerannt war und sich auf Marrow fixiert hatte, vor ihn geworfen? Anders konnte er sich die plötzliche Verwundung nicht erklären. Wie konnte er das nicht mitbekommen haben? Der Anblick, der sich ihm erbot, erschreckte ihn, obwohl ihm der Anblick eines sterbenden Menschen oder besser gesagt Teufel, in diesem Fall Engel, nichts Neues war. Außerdem wusste er, dass der Engel es überleben würde. Genau so wie Marrow es überleben würde. Dennoch ergriff ihn irgendetwas, das er nicht ganz beschreiben konnte. Vielleicht weil es das erste Mal war, das jemand gestorben war, um ihn zu beschützen. Doch Neil hatte weder Zeit noch Lust diesen unbestimmten Gefühlen auf den Grund zu gehen. Stattdessen musste er sich schnellstens darum kümmern diese Kugel aus der Wunde zu entfernen bevor die Wunde ich wieder schloss. Das wäre eher unschön für den Engel. Also holte er sein Messer raus - wofür hatte er es überhaupt gewaschen - und setzte mit der Spitze an, um die Kugel, die man zum Glück leicht erkennen konnte, zu entfernen. "Das könnte jetzt weh tun." kündigte Niel an, aber der Engel war wahrscheinlich ohne hin kurz davor ohnmächtig zu werden. Niel war nicht unbedingt geübt in solch einer Aktion und ein Messer war eigentlich auch nicht das richtige Werkzeug hierfür. Daher machte er, während er die Kugel entfernte, die Wunde wohl nur noch schlimmer als besser. Nur einige Sekunden nachdem die Kugel draußen gewesen war, fiel der Engel vollkommen in sich zusammen und Niel strich ihm kurz durchs Haar. "Wie soll ich dich jetzt bitteschön tragen?", fragte er laut, auch wenn ihn keiner hier hören konnte. Egal, wie er den Engel tragen würde, sein weißes Hemd könnte er wohl vergessen bei dem ganzen Blut. Er entschied sich den Engel vor sich mit beiden Händen zu tragen, so musste er keine Angst haben, das dieser herunterfallen könnte. Sein Weg nach Hause war schließlich recht lange und er war sich nicht sicher, wie schnell der Engel zu sich kommen würde. Überraschender Weise blieb der Engel den ganzen Weg über bewusstlos. Dabei hatte Niel extra einen Umweg genommen, um niemanden über den Weg zu laufen. Schließlich zeigten die Flügel ganz offensichtlich, dass er hier keinen Teufel mit sich herumtrug, sondern einen waschechten gefallenen Engel. Das Haus, vor dem er Halt machte, stand im krassen Gegenteil zu dem Haus, aus welchem sie kamen. Ein Bungalow. Angereiht neben anderen ähnlich aussehenden Häuschen. Hier drinnen war wahrscheinlich aller höchstens Platz für zwei Personen. Er musste den Engel kurz vor seiner Haustüre ablegen, um in seiner Tasche den Schlüssel für die Tür herauszuholen. Kaum offen, hob er den Engel wieder vom Boden auf und betrat gemeinsam mit ihm seine Wohnung. Oder das, was er nun einmal zu seiner Wohnung erklärt hatte. Sein erster Weg brachte ihn in das Bad. Schließlich wollte er nicht Blut überall in der Wohnung verteilen. Denn auch wenn die Wunde mittlerweile schon viel besser aussah, quoll noch immer etwas von der warmen roten Flüssigkeit aus ihr heraus. Behutsam legte er den Mann in der Ecke des Bades ab, über der eine Duschbrause hing. Doch bevor er sich um die Säuberung seines Mitbringsels kümmerte, wollte er erst einmal sein nicht mehr so weißes Hemd einweichen. In der Hoffnung es noch retten zu können. Schnell ließ er Wasser in das Waschbecken laufen und knöpfte sich sein Oberteil aus. Darunter kam genau das zum Vorschein, was man bei seinen Kampffähigkeiten erwartet hatte. Ein gut durchtrainierter Oberkörper und ein wohldefiniertes Sixpack. Das Hemd schmiss er kurzer Hand in das warme Wasser, das mittlerweile das Waschbecken füllt und griff in den Schrank, um ein wenig Waschmittel dazuzugeben. Viel erwartete er allerdings nicht von dieser Aktion. Wahrscheinlich konnte er das Hemd dennoch vergessen. Weiß würde das nicht mehr werden. Niel seufzte kurz und wandte sich dann wieder dem Engel hinter ihm zu. Dass er nun oberkörperfrei war, schien ihn nicht weiter zu stören. Schließlich gab es da nichts, was er versuchte zu verbergen und sein Gegenüber war weitaus knapper bekleidet. Niel entfernte die Duschbrause aus ihrer Halterung und stellte das Wasser ein. Kurz wartete er bis das Wasser nicht mehr ganz so eiskalt war dann begann er den Strahl über den Körper des Engels gleiten zu lassen. Er begann bei den Füßen und erlaubte sich, das lächerliche Kleidungsstück zu entfernen, dass sowieso nicht mehr viel verdeckte. Schließlich hatte er schon einmal einen nackten Mann gesehen und zum Waschen musste man sich nun mal entkleiden. Später würde er etwas Passendes suchen, dass man dem Engel anziehen könnte. Außerhalb des Bades musste er ihn ja nicht unbedingt nackt herumlaufen lassen. Das Wasser alleine spülte bereits mehr Dreck als erwartet mit sich und langsam wurde klar, dass der Engel eine weitaus reinere Haut hatte, als Niel vor kurzer Zeit angenommen hatte. "Man könnte seinen Besitzt ja zumindest sauber halten." ärgerte sich Niel ein klein wenig, während er sich langsam nach oben vorarbeitete. Vor der Wunde hielt er allerdings kurz Inne. Er entschloss sich den Strahl ein wenig schwächer einzustellen und nur ganz leicht das Wasser um die Wunde herum laufen zu lassen. Er konnte nur hoffen, dass sich durch seine Aktion mit dem Messer nichts entzündet hatte. Zumindest war es kurz davor noch gewaschen worden und es hatte kein fremdes Blut mehr daran geklebt. Dennoch war es sicherlich nicht steril gewesen. Aber Niel war schließlich kein Arzt und hatte keine Ahnung davon, ob es nun besser gewesen wäre die Kugel drin zu lassen oder vielleicht auch nicht. Auch das war eine spontane Entscheidung gewesen. Als die Wunde etwas weniger dreckig aussah, führte er den Wasserstrahl über die Schultern des Engels zu dessen Kopf. Diesen hatte er zuvor ein wenig angehoben, sodass das Wasser dem Engel nicht in die Augen lief, sondern über dessen Nacken. Den Strahl stellte er wieder stärker, sodass die Haare wirklich überall nass wurden. Schließlich reichten die Haare dem Engel fast bis zu den Schultern. Doch ohne Shampoo würden die Haare nicht ganz sauber werden. Niel hatte allerdings Bedenken, dass etwas von dem Shampoo in die Wunde kommen könnte. Er entschloss sich also zunächst beim reinen Wasser zu bleiben. Auch die Flügel traute er sich nicht zu waschen. Ihm war einfach zu ungewiss, ob man Federn ohne weiteres waschen konnte. Er hatte einmal alles mit Wasser abgewaschen und stellte den Hahn nun wieder aus. Die Brause steckte er zurück in die Halterung und er verließ den Raum kurz, um ein Handtuch und etwas Kleidung zu suchen. Er fand eine Schlafanzughose, die ihm immer etwas zu lang war und ein etwas größeres T-Shirt, das er nun schon länger nicht mehr trug. Niel trocknete den Engel ab, zog ihn an und trug ihn dann einen Raum weiter in das Wohnzimmer, wo er ihn auf das Sofa legte, nur um zu merken, dass dieses viel zu klein war. Der Mann an sich war nicht zu groß für die Sitzfläche, seine Flügel erschwerten die Sache allerdings. Niel konnte sich nicht vorstellen, wie der Mann mit dieser großen zusätzlichen Last am Rücken bequem schlafen konnte. Man hatte ihm mal gesagt, Engel können ihre Flügel bei Bedarf verschwinden lassen, aber da hatte man ihn wohl angeschwindelt, denn der Engel hätte seine Flügel dann ja ganz einfach aus den Fesseln befreien können. "Dann eben das Bett", seufzte Niel und hob den Mann zum wiederholten Mal an. Das Bett im Schlafzimmer war zum Glück groß genug und er konnte den Mann so auf die Seite legen, dass die Flügel waagerecht zum Boden lagen. Niel stützte seine Hände an seiner Hüfte ab. Selbst für ihn war es nicht unbedingt eine Leichtigkeit einen ausgewachsenen Mann herumzutragen. Ganz zu schweigen davon, dass er kurz davor auch noch mehrere Sprints und Ausweichmanöver hingelegt hatte, um den Hausbesitzer gleich zweimal an einem Tag umzulegen. Jetzt hieß es erst einmal warten, bis der Engel aufwachte. In der Zwischenzeit wollte Niel schon einmal überlegen, wie man wohl an so einen Splitter kommen könnte. Wo sie waren, wusste er. Das wussten alle, die damals dabei gewesen waren. An die Splitter dranzukommen war das viel größere Problem. Es hatte schließlich einen Grund, dass sie trotz ihres Wertes nie ihre Besitzer gewechselt haben. Die großen sieben. Teufel, mit denen sich niemand anlegte, der noch halbwegs klar denken konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)