Break on through von Lady_of_D ================================================================================ Kapitel 10: ------------ Die Tage zogen dahin. Bunte Blätter tränkten das Reich. Die Prophezeiungen der Rebellen erfüllten sich. Konflikte waren unvermeidbar geworden. Verluste wurden vertuscht, die Särge in die Flüsse getrieben. Gebete schienen nicht gehört, das Flehen derjenigen, die auf ihre Flucht hofften, wurden zum Schweigen gebracht. Außerhalb der Innenstadt gab es keine Zivilisationen mehr. Es gab nur noch Hunger, Krankheit und ein erbitterter Kampf um die eigene Hoffnung. Ungeduld ergriff die ersten. Die Rufe innerhalb des Untergrunds wurden eindringlicher, dass die Prinzessin keinen Schlaf mehr fand. Das Schicksal der Vertriebenen ruhte auf den schwachen Schultern der Zuversicht. Geduld erwies sich als Zerreißprobe, an dessen Ende die Ungewissheit verweilte. Hände umfassten ihre Hüften, hoben sie ein Stück weit an, dass Eoweli von selbst ein wenig nach vorne rutschte. Die dünnen Laken unter ihrem Körper schützten nur in Maßen vor dem steinigen Boden des Zeltes. Seitdem die Hütten eine nach der anderen niedergebrannt worden waren, mussten die Pangäsanen auf improvisierte Zelte zurückgreifen. Gerade im Spätherbst erwiesen sich die zusammen geflickten Stofffetzen als unzureichende Schutzmauer. Schmerz erfüllte die Prinzessin immer wieder aufs Neue, sobald sie in die Armenviertel zurückkehrte. Die wehleidigen, klagenden Blicke der Vertriebenen im Rücken waren wie ein Stich durch das eigene Fleisch. Nur die sicheren Mauern, die Tiwaz Anwesenheit umgaben, lenkten sie von dem ausbreitenden Leid ab, welches ungeahnte Grausamkeit erfahren hatte. In seine Augen zu blicken, die Überzeugung und Selbstsicherheit ausstrahlten, gaben ihr die Kraft durchzuhalten, sich der Hilflosigkeit nicht hinzugeben. Sie tat es für die Menschen, die auf sie bauten und ihr Leben in ihre Obhut gelegt hatten. Sie war nie darum gebeten worden und trotzdem fühlte sie sich für deren Schicksal verantwortlich. Seufzend wickelte sie die Beine um seine eigenen Hüften, dass er den Augenblick nutzte, ihren Anblick in sich aufzunehmen. Jedes Mal errötete sie, wenn die Blicke so schamlos auf ihr entblößtes Antlitz gingen. Sie genoss seine Aufmerksamkeit, wenn es sie auch immer noch in Verlegenheit brachte. Seine überlegene Statur über sich brachte sie aufs Neue aus den Bahnen. Schließlich beugte er seinen Rücken, das Gesicht wanderte zu ihrem Hals, küsste den Nacken, die Schulter. Die junge Prinzessin versuchte ihre Beine noch weiter zu verknoten als ihr Körper bereits von diesem brennenden Gefühl ergriffen wurde. Die erste Berührung, sobald er in ihr war, raubte ihr auch jetzt noch den Atem. Anfangs von einem leicht stechenden Ziehen bestimmt, fühlte es sich nun wie eine Explosion gesammelter Emotionen an, die von einem einzigen Lustgefühl dominiert wurden. Das Gesicht in die Kissen vergraben hieß sie jede weitere Bewegung willkommen. Ihr Atem ging stoßweise. Mit den Händen auf ihrer Taille packte er sie noch fester und gab den Rhythmus vor. Eoweli ließ sich treiben - von Tiwaz, seinen Bewegungen und ihrer ungezügelten Gier. In einer einzigen befreienden Kapitulation stieß sie einen Lustschrei aus, der wenig später von Tiwaz Knurren abgelöst wurde. Kurz darauf lag sie in seinen Armen - erschöpft, glücklich. Doch die Freude währte nur kurz, bis die Sehnsucht zurückkehrte. Der baldige Aufbruch war allgegenwärtig. Fester drückte sie sich an ihn und lauschte seinen ruhigen Herztönen. "Ich wünschte, ich könnte ewig hier liegen bleiben", flüsterte sie und versteckte das Gesicht unter den Büscheln ihrer Haare, dass er ihre glänzenden Augen nicht sehen konnte. "Du weißt, dass ich dich genauso wenig gehen lassen will", sagte er und klang weniger wie der arrogante Clanführer, dessen Rolle er für sein Leben gern spielte, "bald", seine Worte besänftigen sie. "Ja. Bald." Auch Eoweli wurde fürweilen auf die Probe gestellt. Geduld war nie eine Stärke von ihr gewesen. Umso tiefer sie in dessen Strudel gerissen wurde, umso mehr kämpfte sie gegen ihre eigenen selbstsüchtigen Dämonen an. Der Gedanke war zum greifen nahe - einfach auszubrechen, mit Tiwaz aus Atlantis zu flüchten, die anderen dabei zurückzulassen. Doch dann dachte sie an all die Schicksale, an Tiwaz Worte, ihr Versprechen und die Stärke kehrte zu ihr zurück. Langsam zog sie kleine Kreise um seinen Brustkorb. Sie fuhr über die Wunde, die gut verheilt war, dass keine Narben zurückbleiben würden. Diese hatte er zu genüge - am Rücken, zwischen der Wirbelsäule, zog sich ein einziger gerader Strich. Eine Verletzung aus Kindstagen, während eines gescheiterten Kletterausflugs. Und dann noch die gezackte Narbe, die knapp unterhalb seines Herzens platziert war - ein Erinnerungsstück, als er versucht hatte seinen Vater von den Wachen loszureißen. Sie wusste, dass er kein Mitleid von ihr wollte. Dass die Pangäsanen ihre Wunden wie Abzeichen trugen. "Tiwaz", murmelte sie und tippte vorsichtig auf seine Brust, "was wirst du tun, wenn wir auf der anderen Seite sind?" Er sah zu ihr herunter: "Ich sagte doch, ich würde meiner Prinzessin treu ergeben sein." Eoweli funkelte ihn an. Es schien ihm Freude zu bereiten, sie zu ärgern. Irgendwann würde sie es ihm heimzahlen. Wenn sie seinen Blicken Paroli bot, war es schwer, Ironie von Ernsthaftigkeit zu unterscheiden. "Die Frage ist also", er begann über ihren Rücken zu streichen, weil er wusste, dass es sie besänftigte, "was hast du vor?" "Was ich vorhabe", wiederholte sie wie in Trance, "ich möchte die Länder bereisen, die Reiche erkunden. Noch mehr von dieser neuen Welt sehen. Nicht nur flüchtig, wie auf meinen Reisen. Ich möchte sie richtig kennenlernen. Am liebsten zu Fuß, als ein nie enden wollender Spaziergang." Sie sah hoch zu ihm und kniff die Augen zusammen."Verspottest du mich?" "Abgesehen von der Vorstellung, dass du mehr als zehn Meilen überstehen würdest - nein." Tiwaz fasste nach einer ihrer Strähnen und wickelte sich diese um den Zeigefinger. "Ich konnte mir schon denken, dass es dich nicht in die künftige Siedlung verschlagen würde. Obwohl du bedenken solltest, dass die Leute eine führende Hand benötigen." "Ich weiß", seufzte sie und verdrängte die Sorgen, die sie seit einigen Tagen nicht los ließen, "sie werden wohl wollen, dass du die Gruppe anführst. Vielleicht ist es doch keine so gute Idee, die Siedlung zu verlassen." Er hielt inne. "In ihr auszuharren sehe ich als noch größeren Fehler an. Es stimmt, es braucht jemanden, der die Zügel hält. Aber wenn wir einfach nur in unserem Territorium verrotten, werden wir in einigen Jahren dieselben Probleme haben." "Woran genau denkst du?" "Diese Geschöpfe - sie sind uns in allem überlegen: körperlich, geistig. Gemessen an ihren Fähigkeiten können wir ihnen nicht annähernd das Wasser reichen. Das macht uns angreifbar, vor allem, wenn sich eine Gruppe doch dazu entschließt, uns wieder vertreiben zu wollen - egal, ob wir einen Pakt haben oder nicht. Wir dürfen uns auf diesem Versprechen nicht ausruhen. Zu viele Leben stehen auf dem Spiel. Wir verlassen unsere Heimat nicht, um uns von mächtigen Wesen kontrollieren zu lassen." "Ich möchte nicht, dass unser Neuanfang von Zweifel und Neid bestimmt werden." "Aber genau das wird passieren. Die Möglichkeit besteht, dass einige von ihrer Angst und Hilflosigkeit zerfressen werden. Darum stimme ich deiner >Wanderung< zu. Wir müssen viel lernen, es wird eine Menge Arbeit auf uns zu kommen. Vielleicht ist es das Beste Bündnisse mit schwächeren Clans zu schließen. Dass wir uns langsam steigern, bis wir im Ansatz ihr Niveau erreicht haben. Es wäre eine Schande, wenn wir das Schlusslicht der Kette bildeten. Es gibt nichts mehr das ich hasse als hinten auf zu liegen." Eoweli musste kichern. Etwas anderes hatte sie von dem Anführer der Pangäsanen auch nicht erwartet. Ihre Reaktion nahm er mit hoch gezogener Augenbraue hin, bevor er sich auf sie rollte und nach ihren Handgelenken griff. Entschuldigend biss sie sich auf die Unterlippe - ihr Grinsen wollte dennoch nicht weichen. Erst sein durchdringender Blick ließ sie ernst werden. Die Unerschütterlichkeit in seinen Augen verlor nie an Intensität. Seinen Blick erwidernd hauchte sie: "Ich würde mit dir überall hingehen." Daraufhin ließ er von ihr, streckte seinen rechten Arm aus und schnappte sich eine seiner Klingen. Schweigend beobachtete sie, wie er noch das Stirnband zur Hand nahm und sich dann wieder Eoweli zuwandte. "Wir Pangäsanen glauben", begann er ohne Umschweife, "dass in unserem Blut die Seele fließt und dass nach jedem Blutvergießen ein Stück der Seele schwindet. Darum darf ein Kampf auch nie sinnlos geführt werden." Er umschloss die Klinge mit seiner Faust, dass nur noch die Spitze hervorlugte. "Wenn Blut auf Blut trifft, treffen unweigerlich zwei Seelen aufeinander. Ihre Schicksale werden eins, dass sie bis zum letzten Blutstropfen kämpfen müssen, bis nur noch einer übrig ist", die Klinge ging durch die Innenfläche seiner freien Hand, "aber wenn sich Blut mit Blut vermischt", er griff nach ihrer Hand und schnitt sorgfältig über die reine Haut, dass sie kaum Schmerzen verspürte, "dann werden ihre Seelen eins. Natürlich ist es nur Volksglaube, aber die Bedeutung geht tiefer", er presste seine Wunde auf ihre, ohne seinen Blick von ihren Augen abzuwenden, "ein Seelenbund", fuhr er fort und machte sich mit der anderen Hand daran, das Stirnband um ihrer beiden Hände zu wickeln, "ist mehr als nur ein völkischer Brauch. Er besiegelt ein Versprechen - mein Versprechen, das ich dir damals gegeben habe." "Tiwaz-" Doch er schüttelte nur den Kopf. "Es bedarf keiner weiteren Worte." Also nickte sie bloß, während ihre Hand das süße Brennen entgegen nahm. Sie wurde von ihren Gefühlen überrannt, dass sie keinen bestimmten Gedanken mehr fassen konnte. Also nickte sie ein zweites Mal, dabei verhakte sie ihre Finger mit seinen, dass der Druck sich bis in ihr Innerstes ausbreitete. Zu dieser frühen Stunde ging sie mit einem sicheren Gefühl zurück in den Palast. Wie die letzten Mal begleitete er sie so weit wie es ihm möglich war und ritt dann Richtung aufgehender Sonne davon. Die Wunde unter ihrem Umhang versteckend schlich sie sich in ihr Zimmer, drückte sich an die Tür und lächelte. "Bald", flüsterte sie und spürte weiterhin dieses Kribbeln auf der Hand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)