Folie à deux von Anemia (frz. „Geistesstörung zu zweit“) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- I know it's self inflicted We're way too desperate, Way too addicted But I can't help the way I feel I know it's time to be strong Now when all hope is gone (Apoptygma Berzerk - In this together) * Ein bisschen kitschig angehaucht war Sugi definitiv. Zumindest glaubte er an Dinge wie Schicksal und Bestimmung, zumindest ab und zu. Und ganz besonders seit einiger Zeit, als ihn das Schicksal mit seinem perfekten Gegenstück kollidieren hatte lassen. Nicht seltsam, dass es noch einmal solch ein Attentat auf ihn vorhatte. Überhaupt nicht. Und doch reagierte er nicht nur überrascht, als er Tomoya im Wartezimmer des Kinderarztes sitzen sah. Nein, Sugi war förmlich geschockt. Als hätte er einen Geist gesehen. Er gefror nicht nur zur Salzsäule, sondern wich sogar einen halben Schritt zurück. Ganz instinktiv. Sein Fluchtinstinkt erwachte bei diesem Anblick, sein Blick fixierte den...ja, wen? Den Feind? Mitnichten. Tomoya war alles andere als ein Feind. Und erst recht war er auch nicht das Gegenteil dessen. Beute. Sugis Beute. Nein, auf keinen Fall. Wie angewurzelt stand er im Türrahmen, bis ihn eine junge Mutter höflich von hinten bat, doch bitte Platz zu machen. Nun fiel Flucht komplett flach, denn Tomoya hatte den Blick längst gehoben und Sugi entdeckt. Immerhin war ihm die Entscheidung abgenommen worden. Obwohl er sich ohnehin nicht aus dem Staub hätte machen können. Aber jetzt gab es nur noch komplette Konfrontation. Keine halben Sachen. So war Sugi nicht. So hob er grüßend die Hand und setzte sich auf den freien Platz neben jenem Mann, den er bereits ausgiebig kennengelernt hatte. Vor einer halben Ewigkeit, wie ihm schien. Tomoyas Haarspitzen waren inzwischen grün, Sugis Locken pink. Das war das erste, was ihm auffiel. Tomoya schien zunächst etwas ganz anderes aufzufallen. Vollkommen ungläubig schaute er auf die Babyschale, welche nun auf Sugis Schoß ruhte. Fast scheu blickte er schließlich hinein. Sagte erst einmal gar nichts. "Du bist Vater geworden?", fragte er letzten Endes das Offensichtliche. Sugi nickte mit einem zufriedenen Summen und streichelte dem schlafenden Baby sacht mit dem Zeigefinger über die etwas faltige Wange. Dass er sich fast in die Hosen machte aufgrund der Wirkung Tomoyas auf ihn, ließ er sich nicht anmerken. Er konnte es förmlich körperlich spüren, dass er nicht in die Nähe dieses Mannes gehörte. Nein, anders: Dieser Mann sollte besser nicht in seiner Nähe sein. Tick, tack, tick, tack. Die Zeitbombe tickte. "Es ist ein Junge, oder?", wollte Tomoya wissen. "Er sieht dir schon ein bisschen ähnlich, finde ich." "Meine Haare hat er definitiv", meinte Sugi mit einem versonnenen Lächeln. Er würde Tomoya nicht ansehen, nein. Er hatte nur verliebte Augen für sein Baby. Von der Rutsche her rief ein Junge nach seinem Vater. Sugi hob den Kopf und sah den Kleinen an. Er mochte vier, fünf Jahre alt sein. Es spielte keine Rolle. Der Junge schaute Tomoya an, und Tomoya erwiderte etwas. "Dein Sohn sieht dir aber auch ein bisschen ähnlich", sagte Sugi. Dabei stimmte es nicht. Der Junge kam nicht nach Tomoya. Zumindest bemerkte man nicht auf den ersten Blick, was er von ihm hatte. "Er sieht meiner Frau viel ähnlicher", meinte Tomoya, und als Sugi anhand seiner Stimme hören konnte, dass er lächelte, wandte er sich krampfhaft ab. Er durfte dieses Lächeln nicht sehen. Er durfte ihn nicht ansehen. Es hätte ihn wahrscheinlich bereits zerbrochen, wenn dieses Kind Tomoyas Lachen gehabt hätte. Wahrscheinlich hätte er sich Tomoya dann winselnd vor die Füße geworfen. "Mein Kleiner eigentlich auch." Er sah wieder in den Tragekorb. Zumindest ein wenig erdete ihn der Anblick seines Kindes. "Ich liebe ihn so sehr, aber er kann auch nicht das heilen, was in mir kaputt ist. Das konnten deine Kinder ja auch nicht." Ein angespanntes Schweigen machte sich zwischen ihnen breit, unterbrochen von dem Gelächter und Geschnatter der spielenden Kinder. Aber diese Geräusche waren weit weg. Befanden sich außerhalb ihrer Blase. Sugi war nicht mehr zur Selbsthilfegruppe gegangen, nachdem dies vollkommen nach hinten losgegangen war, aber vielleicht war Tomoya ja wieder dort gewesen? Doch ganz egal, ob dem so gewesen war oder nicht, die Spannung zwischen ihnen existierte noch. Die gemeinsame Welt, die sie sich innerhalb von wenigen Stunden aufgebaut hatten und die nur ihnen gehörte. Hätte der Zugang zu ihr nicht für Tomoya hätte zerstört werden müssen, wenn er den Dämon besiegt gehabt hätte? Ganz vorsichtig sah Sugi nun doch hin zu Tomoya. Musterte sein Profil. Mochte gar nicht, wie ernst er dreinblickte. Nein, schuldig. Er sah schuldig auf seine Fingernägel. Und so wie die grünen Locken etwas mehr von seinem Hals freigaben, als er nach unten sah, konnte Sugi die kleine Narbe entdecken. Sie befand sich fast auf seiner Schulter. Etwas in Sugi bebte. In den letzten Wochen war alles gut gewesen, er hatte wirklich daran geglaubt, dass ihm die Nacht gereicht hatte, um gesättigt zu sein, aber nun war dies zunichte gemacht. Er war in Wahrheit ein bodenloses Fass. "Etwas wird für immer bleiben", flüsterte er und streckte die Hand aus, tippte auf die Narbe, strich dann mit dem Zeigefinger über Tomoyas Hand. Sparte den Ehering aus, als würde er sich verbrennen, wenn er ihn berührte. Er befand sich nicht in ihrem gemeinsamen Universum. Existierte nicht. "Du und ich...das geht nicht mehr ganz weg, nie mehr." Tomoya zog die Hand zurück, wich Sugi aus. "Hör auf", wisperte er. "Ich mache das wirklich nicht nochmal..." War das ein Spiel? War das Tomoyas kaputte Seite? Sugi betrachtete ihn abschätzend. Oder meinte er es wirklich ernst? In dem Moment wurde Tomoyas Sohn aufgerufen. Ohne ein weiteres Wort stand Tomoya auf und nahm seinen Kleinen bei der Hand, um in das Sprechzimmer zu gehen. Sugi drehte angespannt Däumchen. Warum tat das irgendwie weh? Weil er allein in der Blase zurückgeblieben war? Weil er der einzige von ihnen beiden war, der noch verrückt war? Während der letzten Monate hatte er das Ganze als abgehakt betrachtet, ohne sich zu fragen, ob Tomoya wieder bei Sinnen war oder nicht. Der Süchtige hatte seinen Fix erhalten und davon gezehrt. Aber nun hatte die Kokstüte wieder vor ihm geraschelt und ihn verführt. Um verschlossen zu bleiben. Die Gedanken kreisten in seinem Kopf, der Verstand duellierte sich mit dem Verlangen. Er rieb sich angespannt den Daumen. Schaute erst wieder auf, als die Tür aufging und Tomoya mit seinem Sohn zurückkehrte. Wehmütig und zugleich fasziniert schaute Sugi zu, wie er dem Kleinen die Jacke zuzog, wie er anschließend seine eigene überstreifte. Als sich ihre Blicke begegneten, wollte er wegsehen, aber anstelle starrte er ihn sehnsüchtig an. Wie er sich angefühlt hatte. Wie er sich angehört hatte...es würde ihn ab diesem Zeitpunkt quälen. Nun ließ es sich nicht mehr zurückdrängen. "Falls du mal einen Babysitter brauchst", sagte Tomoya plötzlich und drückte dem verdutzten Sugi einen Zettel in die Hand. Als Sugi ihn auseinanderfaltete, las er darauf Tomoyas Telefonnummer mitsamt seiner Adresse. Sugi sah Tomoya nach. Er drehte sich nicht noch einmal um. Aber das machte nichts. Der niederträchtige Dämon jubilierte. Tomoya hatte ihn nicht verlassen. Es war noch da, dieses Etwas, das sie aneinander kettete. Sugi hatte Recht gehabt. Das mit ihnen ging nicht mehr ganz weg. Nie mehr. Don't you see, we're in this together You and me One on one forever (Apoptygma Berzerk - In this together) * Sugis Blutdruck schoss in die Höhe, als Tomoya ihm mit diesem bildschönen Lachen die Tür öffnete. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass ihm dies weniger als Tomoyas Sohn galt, der sich an sein Bein geklammert hatte und fröhlich krähte. Sugi hatte es ja schon damals vermutet, aber nun bekam er die Beweise dafür geliefert, dass Tomoya tatsächlich der süßeste kleine Daddy auf Erden war. Im Grunde hätte man ihn eher für den großen Bruder dieses quirligen Jungen gehalten, und Tomoyas jungenhafter Charme brachte Sugi fast um. Haute ihn aus den Latschen. Ließ ihn sich den Nacken angespannt reiben und vergessen, wie man eigentlich sprach. "Minami war so brav", erklärte Tomoya Sugi nun und machte Platz, damit Sugi eintreten konnte, um die Babyschale zu holen. "Er hat sich kaum bemerkbar gemacht. Wahrscheinlich ist er ziemlich schüchtern...oder nur ziemlich müde." "Dann kommt er wirklich gar nicht nach mir", urteilte Sugi mit einem Glucksen, als er Tomoya folgte, den Blick auf den kleinen Daddy gerichtet, der genauso quirlig wirkte wie sein Sohn. Er schien das Daddysein wirklich zu leben und es mit Bravour zu meistern. Vier Kinder zählte Sugi, und diese gleichzeitig zu sitten war wirklich eine bewundernswerte Kunst. Zumal Tomoyas Kinder nicht so schüchtern wirkten wie Minami. Das kleine Mädchen mit den putzigen Zöpfchen wollte hochgenommen werden, streckte die Ärmchen aus und krähte nach ihrem Papa. Tomoya bückte sich und hob sie hoch, und wie er da stand, das putzige, daumenlutschende Mädchen - das ihm im Gegensatz zu dem Sohn, den Sugi im Wartezimmer des Kinderarztes kennengelernt hatte, wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten war - haltend, spürte Sugi seinen aufgebrachten Herzschlag. Wie entzückend konnte ein Mann eigentlich sein? "Bist du allein?", wollte Sugi wissen, nachdem er dies selbst schon unauffällig herauszufinden versucht hatte, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass Tomoyas Frau wohl tatsächlich nicht zu Hause war. Als Tomoya schulternzuckend nickte, betont beiläufig, schnaubte Sugi mit einem Lächeln und schüttelte maßregelnd den Kopf. "Dann ist das aber nicht sehr höflich, dass du mich nicht einmal auf einen Kaffee einladen möchtest." Tomoya setzte das nun quengelnde Mädchen ab und stellte sich vor Sugi, merkte wohl, dass es wenig zuträglich anmutete, die Distanz zwischen ihnen zu überbrücken, wich also zumindest mit dem Kopf ein wenig zurück. "Nicht vor den Kindern", zischte er, woraufhin Sugi belustigt grunzte und seine Schulter tätschelte. "Aber Puschel, ich würde dich doch nicht vor ihnen angrabschen." Er legte den Kopf keck schief und schmunzelte. "Hältst du mich denn für so beherrschungs- und anstandslos?" Tomoya wandte daraufhin den Blick ab. Also tat er dies. Okay, Sugi konnte es ihm noch nicht einmal verübeln, schließlich hatte Tomoya ihn von seiner animalischsten Seite kennengelernt, und die war nun einmal beherrschungs- und anstandslos, wenn sie denn solch ein schmackhaftes Futter bekam. Wahrscheinlich hatte Tomoya recht. Er lief definitiv Gefahr, dass Sugi zu einer Wildsau mutierte, wenn er ihr Tür und Tor öffnete. Aber vor den Kindern würde er sich benehmen. Ehrenwort. Nachdem Sugi ihm dieses Ehrenwort gegeben hatte, ging Tomoya tatsächlich in die Küche, und Sugi kündigte an, das Badezimmer aufzusuchen. Dort angekommen brauchte er sich gar nicht gezielt umzugucken, um all die weiblichen Pflegeprodukte zu entdecken, die im Kontrast zu Tomoyas standen. Kurz roch er nach der Verrichtung seines Geschäftes an Tomoyas Duschbad, konnte die Wonne, die jenes eigentlich in ihm auslöste, jedoch nicht genießen. Alles in diesem Raum mahnte ihn, dass er nicht hierher gehörte und nichts in Tomoyas Leben verloren hatte. Noch war es nicht zu spät, zu zeigen, dass er zumindest aus dem begangenen Fehler gelernt hatte. Denn ja, es war ein Fehler gewesen, sich an Tomoya heranzuschmeißen, ganz ohne Frage. Das Leben teilte aber manchmal auch zweite Chancen aus, wenn es einen nicht für einen komplett hoffnungslosen Fall hielt. Für einen Moment nahm sich Sugi wirklich vor, die Finger von Tomoya zu lassen. Aber so, wie er das Badezimmer verließ und sich zu dem anderen in die Küche gesellte, die dampfende Kaffeetasse in Empfang nehmend, bröckelte die Entschlossenheit wieder. Die Kokstüte raschelte direkt vor seiner Nase. "Na, alles erledigt, was du erledigen musstest?", initiierte Tomoya ein Gespräch; er hatte die Finger um seine Tasse gelegt und abermals einen beiläufigen Ton angenommen. "Klaro. Blase geleert!", erwiderte Sugi gut gelaunt und erntete ein Lachen von Tomoyas Seite. Hatte er sich doch absichtlich dumm gestellt. So ein Schlingel aber auch. Sugi, Sugi. Gelohnt hatte es sich auf jeden Fall. Das Lachen war sein Hauptgewinn. "Das meinte ich nicht", hielt dieser entgegen. "Ich meinte, was du gemacht hast, während Minami bei mir war." "Ach sooo!" Sugi lachte ebenfalls und schüttelte den Kopf über sich. So ein Dummerchen war er. "Ich musste was für die Band aufnehmen. Die Jungs sind ja gerade in Amerika, wegen der Produktion des neuen Albums, und ich bin eben wegen Minami hier geblieben." Er trank von seinem Kaffee und seufzte dann tief und theatralisch. "Manchmal bin ich deshalb schon ein bisschen einsam, so ganz allein in Tokyo, in einem leeren Proberaum..." Tomoya trank eifrig von seinem Kaffee. Guckte auf die Tischplatte. Erwiderte nichts. Spürte aber ganz sicher, dass es da etwas gab, auf das Sugi hinauswollte. Und Sugi konnte sich nun nicht mehr stoppen. Es war schon viel verlangt, dass er gerade eben seine Finger bei sich behielt, obwohl sie sich so danach sehnten, sich in Tomoyas vollen, weichen Löckchen zu vergraben. Am besten, während er gerade mit dem Mund in seinem Schoß zugange war...ob Tomoya denn wusste, wie man Schwänze lutschte? Falls nicht, würde Onkel Sugi es ihm schon beibringen, ganz gewiss. Er lehnte sich etwas weiter vor, lächelte Tomoya lieb an. "Ich könnte deshalb auch jemanden brauchen, der mich ein bisschen umsorgt. Einen süßen, kleinen Babysitter." Er stellte die Tasse auf den Tisch. Er wusste, dass er hier die Regeln machen und die Initiative ergreifen musste. "Schaufel' ein bisschen Zeit frei. Mach' dich hübsch. Onkel Sugi kommt dich morgen holen, Püppchen." Er konnte förmlich hören, wie Tomoya den Atem anhielt. Ja, er wurde auch rot, so richtig. Rieb sich mit dem Ärmel seines Hoodies über das Gesicht. Frustriert, erregt und vorfreudig. Sugi kannte sein Baby doch. Aber die mündliche Reaktion auf Sugis Entschluss fiel eher ernüchternd aus. "Ich wollte wirklich nur helfen, auf Minami aufzupassen..." Tomoya stand auf, brachte die Tasse in die Spüle. Sugi stand ebenfalls auf, brachte seine Fingerspitzen zu Tomoyas Seiten und kitzelte ihn. "Sorry, ich bin nicht kitzlig", murmelte er - und drehte sich halb um. Sah Sugi flehend an. Nicht vor den Kindern. Aber seine Augen waren so groß und so rund. Dass Sugi noch hier stand und seine Lippen nicht auf Tomoyas hatte, grenzte an eine grenzenlose Willenskraft und Beherrschung. Jemand hätte ihm applaudieren sollen. Standing Ovations gebührten ihm. Aber er bekam überhaupt nichts dafür. "Gehst du jetzt?", fragte Tomoya; es war eine unglückliche Formulierung. Aber es war auch eine sehr devote. Tomoya konnte Sugi nur indirekt rausschmeißen. Wahrscheinlich hätte er sich sogar auf der Küchentheke vögeln lassen, auch wenn es ihm nicht recht gewesen wäre. Aber nicht vor den Kindern. Nein, nein. Nicht in diesem Haus, in dem er nichts zu suchen hatte. Sugi riss sich zusammen. Nickte und verließ die Küche, nahm die Babyschale an sich. Ja, er ging jetzt besser. Viel länger hätte er sich nicht mehr zusammenreißen können, das stand fest. Als er sich im Flur die Schuhe anzog, tauchte Tomoya wider Erwarten im Türrahmen auf, die Hände in die Hosentaschen geschoben. Guckte Sugi eine ganze Weile unschlüssig zu. "M-morgen also", brachte er schließlich hervor, als würde es ihm viel Mühe kosten. "Um welche Uhrzeit ungefähr?" Sugi fühlte die erregende Vorfreude bis in die Handgelenke. Also spielte Tomoya doch lediglich den Unschuldigen, um Sugi heiß zu machen. Was natürlich klappte. Sugi war heiß wie eine frisch frittierte Pankogarnele. Tomoya würde ihn von seiner besten Seite erleben. Morgen. Die obszön schlabbernde Geste, die er in seine Richtung machte, bevor er die Treppe hinunterging, ließ Tomoya sich lachend die Augen zuhalten. Sugi konnte aber sehen, dass sogar sein Hals rot angelaufen war. "Um drei bist du fertig", verkündete Sugi dann und winkte ihm. "Onkel Sugi braucht dann ganz viel Zuwendung, stell' dich darauf ein." * Tomoya erschien leicht überpünktlich; Sugi parkte erst seit zehn Minuten vor seinem Haus, auch wenn er sich bereits eine Stunde eher in den Wagen gesetzt hatte, um ziellos durch die Stadt zu fahren, mit schwitzigen Händen und diesem verkehrten Prickeln. Nun öffnete er die Beifahrertür und streckte die Hand aus, zuerst, um Tomoya heranzuwinken, der noch etwas unschlüssig wirkte, dann, um ihn am Handgelenk hineinzuziehen. Tomoya plumpste wortlos neben ihn, und Sugi strich fahrig über seinen Oberschenkel, konnte nun einfach nicht mehr seinen schmachtenden Blick von ihm wenden. "Du konntest es wohl nicht mehr erwarten", säuselte er und drückte leicht zu, ließ seine Finger näher in Richtung von Tomoyas Schritt wandern. "Aber das braucht dir nicht peinlich zu sein, gar nicht. Mir geht's doch nicht anders." Noch wirkte Tomoya recht steif, und auch das konnte Sugi ihm nicht verübeln. Sugi hatte auch mit sich zu kämpfen gehabt. Die Nacht hatte er im Proberaum verbracht, weil ihn Zuhause das schlechte Gewissen umgebracht hätte. Zu Tomoya zu fahren, nachdem er seiner Frau einen Abschiedskuss gegeben hatte, schien unmöglich. Noch nicht einmal Sugi war derart schäbig. Doch jetzt gab es Dinge, die schwerer wogen als das schlechte Gewissen. Tomoyas Duft zum Beispiel. Sugi beugte sich näher zu ihm, roch an seinem Haar und seinem Hals. Seufzte. Legte seine Hände dann fast barsch um Tomoyas Wangen, damit er ihn ansehen musste. Der Kleine starrte förmlich, mit einem Rotschimmer im Gesicht. Und Sugi kam nicht umhin, ihm es schlicht und ergreifend abzulecken, dieses hübsche Antlitz. Klar, Tomoya schnaubte und versteifte sich, versuchte auszuweichen, aber Sugi hörte erst auf, als er fertig war. Schließlich wusste er nur zu gut, dass Tomoya es absolut geil fand, wenn Sugi so war, wie er eben war. Ziemlich brutal und sehr cringey. Er grinste zufrieden, während er Tomoya dabei beobachtete, wie er sich mit dem Ärmel seines Hoodies notdürftig trockenwischte. Rote Flecken zierten Tomoyas Hals. Er war durchschaut. Schon lange. Dieses kleine Luder... "Du machst Sugis Hose ganz eng, du leckeres, kleines Törtchen", raunte Sugi in obszönem Ton und nahm Tomoyas Hand, um sie sich in den Schritt zu legen. "Fühl ruhig, was du anrichtest. Und lass deine Finger brav dort, wo sie jetzt sind. Du willst doch wieder ein braves Baby für Onkel Sugi sein, mh?" Tomoya japste gequält. Er war jetzt schon hinüber. Armes Kleines. Wieder gebührten Sugi Beifall und stehende Ovationen dafür, dass er ihn noch nicht vögelte. Welch Kunststück dies darstellte, da er ganz und gar verrückt nach Tomoya war. Im Moment bereute er gar nichts. Vielleicht würde er es morgen tun, vielleicht würde er sich morgen besaufen müssen. Aber daran wollte er jetzt noch nicht denken. Konnte es gar nicht wirklich. Nicht mit dieser süßen Hand in seinem Schoß, die ab und zu sogar etwas zudrückte. Dieses Mal fragte er Tomoya nicht, ob er wieder aussteigen wollte. Er hatte seine Entscheidung getroffen wie ein großer Junge es tat und sich in Sugis Fänge begeben. Sugi hatte ihn noch nicht einmal ins Auto schleppen müssen. Ganz freiwillig war es aus seinem Loch gehoppelt gekommen, das puschelige Häschen. Ganz zutraulich und willig. Jetzt würde der Wolf mit ihm spielen. Aber der Wolf war nicht nur grob und gierig, sondern auch sehr gut vorbereitet. Sugi hatte einigen Aufwand wegen ihres Dates betrieben. So wie sie also schließlich im Proberaum standen, durfte Tomoya staunen. Über all die Kerzen, die Sugi nun nacheinander entflammte und schließlich die auf dem Boden liegende Matratze umgaben, die wiederum von unzähligen Kissen gemütlich gestaltet worden war. Aber Tomoya staunte nicht. Jedenfalls nicht mit einem wunderschönen Lächeln, sondern mit einem verzweifelten Blick. "Hey, du brauchst doch keine Angst zu haben", flüsterte Sugi sanft und nahm Tomoyas Hände, überlegte es sich aber noch anders und schlang seine Arme fest um ihn, streichelte begehrlich über seinen Rücken - und kniff knurrend in seinen Po. Männer waren etwas so Scharfes, Wundervolles. Sugi bekam ganz glasige Augen. Hart war er sowieso immer noch. Oder schon wieder. "Ich bin ganz zärtlich. Zumindest später vielleicht. Aber du willst doch sowieso den bösen Sugi, der dich zu allen möglichen Schweinereien zwingt." Tomoya sah ihm bangend in die Augen. Dann schlossen sich seine Lider und er lehnte seine Stirn gegen Sugis. Sie waren exakt gleich groß, sodass sich ihre Nasenspitzen mit Leichtigkeit berühren konnten. Tomoyas Hände lagen auf Sugis Brust. Sugi strich Tomoyas Locken nach hinten, entblößte seinen Hals, den er mit gierigen Bissen und Küssen bedeckte. Er spürte Tomoyas Unruhe wie seine eigene. Nichts hatte sich innerhalb dieser Wochen geändert. Oder doch? Waren sie sich nun etwa noch näher? Sugis Verlangen, Tomoya mit all dem zu überschütten, was nur er ihm geben konnte, schäumte förmlich über. Seine saugenden Lippen näherten sich seinem Ohr, entlockten Tomoya ein unwohles Murren, während Sugis Zunge ihn zum Keuchen brachte, als sie sich durch die sensiblen Kerbungen windete. Oh, wie sehr konnte man eigentlich als Mann auf Männer stehen? Und wie sehr konnte man sich auf einen ganz bestimmten fixieren? Sugi fantasierte nicht mehr von irgendwelchen Typen. Wenn er träumte, dann nur noch von Tomoya. "Du kannst mir ruhig danke sagen, dafür, dass ich das alles so schön zurecht gemacht hab'", wisperte Sugi und biss in Tomoyas Ohrläppchen, dann vergrub er seine Finger in den dichten Locken und drückte Tomoya nach unten auf die Knie, während er sich selbst auf die Couch setzte und seine Hose mit hektischen Handgriffen öffnete. "Du weißt doch, wie das geht, oder?" Er zog Tomoya näher, drückte dessen Gesicht zwischen seine Beine. Tomoya wusste es tatsächlich. Der kleine Daddy würde Sugi noch vollends um den Verstand bringen. Seine Blowjobskills ließen Sugi fassungslos keuchen, aber was ihn tatsächlich zur Ekstase brachte, war dieser Blick zu ihm hinauf. Diese unschuldigen, dunklen, tränenden Kulleraugen. "Du bist so eine Schlampe", brachte Sugi erregt und zugleich atemlos hervor, so wie er Tomoya an sich zog und ihn in einen ungestümen Kuss involvierte. Sein voller Mund lief über, das Gemisch aus Sperma und Speichel saute ihre Klamotten ein. Es machte nichts. Nichts interessierte Sugi mehr außer Tomoya. Ihn nun nehmen zu können war das größte Glück für ihn, zu spüren, wie heiß er war und wie scharf. Es war besser als der Blowjob, denn was er wirklich brauchte war die Nähe. Es ging nicht mehr nur um die Befriedigung. Es ging um diesen süßen Mann, der die Augen geschlossen hielt und welchem Sugis Name über die Lippen kam, als dieser dafür sorgte, dass er sich gut fühlte. Nein, noch einmal würde Sugi ihn nicht gehen lassen. Er konnte sich nicht darauf verlassen, dass das Schicksal sie noch einmal zusammenführte. Er würde die Dinge selbst in die Hand nehmen müssen. Nach drei Runden legten sie eine Pause ein. Nun, dies war wohl zu hoch gegriffen, denn Sugi verharrte noch immer in dieser heißen Enge und hielt Tomoya ganz fest an sich gedrückt, streichelte immer wieder über seinen perfekten Körper. Er roch jetzt nach Sugi, so, wie es sich für Sugis Baby gehörte. Und er war wieder von Knutschflecken übersät. Sugi war darauf gefasst, die Stille und den Moment mit geschlossenen Augen zu genießen, aber zu seiner Überraschung begann ausgerechnet Tomoya ein Gespräch. "Damals, bei der Selbsthilfegruppe", fing er langsam mit vom Stöhnen rauer Stimme an, die Wange an Sugis Brust geschmiegt. "Da hast du gesagt, dass...du nicht mit einem Singletypen schlafen wollen würdest, weil es für dich ein Abtörn wäre, wenn dieser sich in dich..." Er seufzte. "Verknallen würde. Du würdest dich nicht mit seinen Gefühlen herumärgern wollen." Ja, richtig. Das hatte Sugi gesagt. Auch wenn er darüber schon am selben Tag nicht mehr nachgedacht hatte. Deshalb war er nun ein wenig sprachlos. Er hatte nicht geglaubt, dass Tomoya sich diese Worte gemerkt hatte. Und erst recht beschlich ihn ein leichtes, unwohles Ziepen in seinem Bauch, als Tomoya dieses Thema aufs Tapet brachte. Aber um ehrlich zu sein war da auch etwas anderes dabei, denn Sugi schwante bereits etwas. Er war schließlich nicht ganz blöd. "Aber...meinst du nicht auch, dass sich vielleicht auch...ein verheirateter Mann in dich..." Tomoya stockte und biss sich auf die Lippe. "Verlieben könnte?" Sugi legte die Hand an Tomoyas Hinterkopf und drückte sein Gesicht mit einem beruhigenden Laut in seine Halsbeuge, streichelte behutsam sein Haar. "Mach dir deshalb keine Sorgen, mein Engel." Er fragte sich, ob Tomoya seinen irre rasenden Herzschlag an seinem spüren konnte. Nein, Sugi wollte es jetzt nicht hören. Er wollte sich damit tatsächlich nicht auseinandersetzen müssen. Aber es war real, und er fühlte es auch. Dagegen konnte er sich nicht zur Wehr setzen. Er genauso wenig wie Tomoya. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)