Ter´nak Band 1: Wind von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 13: Der Angriff ----------------------- Ich seufzte schwer und drehte mich auf die andere Seite. Mit einer Hand krümmte ich mein Kopfkissen und drückte es mir aufs Ohr. Diese verdammten Wölfe. Allein in meinem Zimmer, in der Stille der Nacht, konnte ich die Biester jaulen hören. Immer mehrere zugleich, stimmten sie ihren schrecklichen Gesang an. Kaum war einer verklungen, stieg ein anderer ein. Es entstand ein stetig auf- und abschwellendes Hintergrundgeräusch, ähnlich einer Alarmsirene. Seit gut einer Stunde versuchte ich schon zu schlafen und doch schaffte ich es nicht. Wütend hieb ich mit der Faust auf das Bettlaken und warf mich auf die andere Seite. Wenn nicht bald etwas geschah, würde ich keinen Schlaf finden können. Ich öffnete die Augen und sah zu meinem kleinen Liebling. Anfangs hatte sich Lucky auf meiner Brust eingerollt, so wie jede Nacht, nun aber lag sie auf einem Stuhl neben dem Bett. Mein unruhiges Hin-und hergewälze hatte sie vertrieben, doch auch sie fand keinen Schlaf. Ich konnte genau sehen, wie ihre Schweifspitzen und Ohren zuckten. Abermals stimmte ein Wolf in das Wehklagen mit ein. Was sollte das? Wollten die Wölfe uns mürbe machen? Frustriert seufzte ich auf. Konnten einfache Tiere eine derartige Intelligenz besitzen? Oder lag es an ihrem Anführer, dem Schreckenswolf. Unsere Augen hatten sich nur einen Wimpernschlag lang gekreuzt und doch reichte es, um mir zu sagen, dieses Biest war kein einfaches, dummes Tier. Unvermittelt hörte ich, wie sich die Tür meines Zimmers öffnete. Durch die Dunkelheit spähend, einzig und allein vom schwachen Mondlicht durchbrochen, sah ich eine Gestalt in den Raum huschen. Auch ohne die Fähigkeit Dunkelsicht, wusste ich diese Umrisse zuzuordnen. Leicht hob ich den Kopf und sprach mit freundlicher Stimme: »Du kannst wohl auch nicht schlafen, Rogue?« Versteinert hielt er mitten in der Bewegung inne. »Du bist wach?«, fragte er mich überflüssigerweise. »Ja«, stöhnte ich klagend, »Wenn die Viecher nicht gleich Ruhe geben, dann raste ich aus. Ich will doch nur eine Runde schlafen.« »Ich …, ich bin hier, weil …«, stammelte Rogue nervös vor sich hin. Ich sah genau, wie er verlegen von einem Bein auf andere trat. Es war sonnenklar, was er vorgehabt hatte: Er wollte zu mir ins Bett schleichen. Nun da ich wach war, verließ ihn sein Mut. Ohne weiter auf sein Gebahren zu achten, rutsche ich zur Seite, um ihm Platz zu machen. Einladend hob ich meine Decke und sagte zu ihm: »Komm schon her, du Dussel. Aber sei gewarnt, selbst Lucky hat die Flucht ergriffen, weil ich mich andauernd hin- und herdrehe.« Langsam, als wäre es der Weg zur Schlachtbank, kam Rogue auf mich zu. Ein leichter Windstoß aus dem offenen Fenster teilte den Vorhang. Im Licht des Mondes sah ich seine schmächtige Gestalt. Der Junge musste dringend mehr essen. Anders als ich, trug er eine dünne Stoffhose zum Schlafen. Mir genügte meine Boxershorts vollkommen. Frecherweise hatte ich diese Gisela nie zurückgegeben. Im Schneckentempo stieg er zu mir ins Bett, dabei bekam ich allmählich das Gefühl, die Welt in Zeitlupe zu sehen. So weit weg von mir, wie irgend möglich, legte er sich auf den Rücken. Nein, so hatten wir aber nicht gewettet. Beherzt ließ ich die Decke fallen und schnappte mir den frechen Bengel. Ich zog ihn zu mir, wobei ich ihn gleichzeitig mit dem Rücken zu mir auf die Seite drehte. Anschließend schmiegte ich mich an ihn. Mit einem Arm über seine Taille gelegt, bemerkte ich sein leichtes zittern. »Ich weiß nicht, was du schon alles durchgemacht hast, aber vor mir brauchst du echt keine Angst zu haben. Entspann dich und schlaf. Gute Nacht, kleiner Bruder.« Das letzte Wort war mir so rausgerutscht. Verlegen vergrub ich meine Gesicht in seinen Haaren. Gott war mir das peinlich. Wir kannten uns doch kaum und doch hatte ich die Wahrheit gesagt. Natürlich konnte Rogue meine Aussage nicht einfach so im Raum stehen lassen. »Kleiner Bruder?« »Entschuldige, ich wollte dich nicht so überfahren. Aber ja, so empfinde ich. Weißt du, ich bin ganz allein auf dieser Welt. Ich habe weder Eltern, Geschwister noch Freunde. Nach allem, was wir schon durchgemacht haben, bist du mir sehr ans Herz gewachsen.« Mit einem Bellen machte meine kleine Diva auf sich aufmerksam. »Du sei still. Bei dir war es Liebe auf den ersten Blick. Wenn du mir nicht glaubst, dann frag Rogue, wie ich drauf war, als ich dachte, du wärst tot. Du weißt ganz genau, wie wichtig du mir bist, meine Kleine.« Lucky setzte sich auf und wedelte vor Freude mit ihren Schweifen. Ich nickte ihr zu, dann wandte ich mich wieder an Rogue. »In dieser, für mich fremden Welt, sehe ich euch beide als meine Familie an. Verzeih, wenn ich dir damit zu nahe getreten bin.« »Bist du nicht«, murmelte Rogue undeutlich vor sich hin. »Gute Nacht.« Erstaunt sah ich auf den schwarzen Haarschopf vor mir. Nicht nur, dass der Bengel mir das erste Mal eine gute Nacht gewünscht hatte, nein, er nahm meine Worte kommentarlos hin. Das Zittern erstarb, während sich Rogue leicht an mich kuschelte. Glücklich grinste ich in mich hinein. Auch wenn der Bengel seine Gefühle nicht auf der Zunge trug, zeigte er mir mit seinem Verhalten, dass er mir langsam vertraute. Ich drückte ihn kurz an mich, dann entspannte ich meine Muskel. Das Wolfsgeheul störte mich auf einmal gar nicht mehr. Während ich ein möglichst leises Gähnen von mir gab, sprang Lucky zu uns aufs Bett. Einen Augenblick sahen wir uns an. Wie nicht anders zu erwarten, war meine kleine Diva mit dieser Situation nicht ganz einverstanden, das konnte ich an ihren zuckenden Schweifen erkennen. Zu meiner Überraschung kam sie langsam näher und tapste leichtfüßig über den Katzenjungen hinweg. Halb auf meinem, halb auf Rogues Oberkörper liegend, rollte sie sich zusammen. »Gute Nacht Rouge. Gute Nacht, Lucky«, sagte ich, von einem zum anderen Ohr grinsend. Kurz warf sie mir einen Blick zu, schnaubte, dann drapierte meine Kleine ihre Schweife so, dass ich ihr Gesicht nicht mehr sehen konnte. Mein Grinsen wurde noch breiter. So langsam schien sich Lucky damit abzufinden, mich teilen zu müssen. Ich gähnte leise auf, dann kroch mir die Müdigkeit in die Augen. Vollkommen entspannt und eng an Rogue gekuschelt, schlief ich ein. * Schreie drängten sich in meine Ohren. Manche waren leise, andere lauter. Zwei davon kamen mir vage bekannt vor, aber woher? War das ein Traum? Wenn ja, wessen Stimmen waren es? Ich hatte das eigenartige Gefühl, mich zu bewegen, jedoch konnte ich nichts sehen. Außer meinem Gehör, schienen all meine Sinne betäubt zu sein. Was war hier los? Plötzlich änderte sich etwas. Als hätte jemand den Rolladen hochgezogen, nahm ich meine Umgebung wahr. Ich lief ziellos in meinem Zimmer umher. Rogue erschien in meinem Sichtfeld. Seine Augen waren weit aufgerissen. Während er sich die Hände auf die Ohren drückte, rannte er, wie ich, durch den Raum. Als mein Blick auf seinen weit geöffneten Mund fiel, wurde mir eines klar. Eine der beiden schreienden Stimmen in meiner unmittelbaren Umgebung stammte von ihm. Im nächsten Augenblick erkannte ich auch die zweite Stimme. Es war meine! Wie kopflose Hühner, rannten wir beide im Zimmer umher, während wir uns die Seelen aus dem Leib schrien. Seltsamerweise war mir dieser Umstand bewusst, aber ich konnte nichts daran ändern. Ich hatte weder die Kontrolle über meinen Körper noch über meine Stimme. Mit einem Affenzahn sprang Lucky an mir vorbei. Selbst sie befand sich in diesem eigenartigen Zustand. Sie gab ein hohes Wehklagen von sich, das ich noch nie von ihr vernommen hatte. Was war hier los? Etwa vier Sekunden später endete, was auch immer gerade passierte. Wir alle drei kamen zum Stehen. Verwirrt schlossen Rogue und ich synchron die Münder. Unsere Augen suchten den Blick des jeweils anderen. Ich fand als erstes meine Sprache wieder. »Was war das?« Vor mir erschauderte Rogue. »Das war der Schreckenswolf. Der Legende nach besitzt er die Fähigkeit, Leute in Angst und Schrecken zu versetzen, daher auch der Name.« Das klang einleuchtend. Leider hatte ich versäumt, mir seine Skills anzusehen. Die Panik der Dorfbewohner und Klaus’ Auftauchen, hatten mich zu sehr abgelenkt. Ich warf einen Blick zum Fenster. Es war noch immer mitten in der Nacht. Vom Gefühl her schätze ich, dass wir gerade mal ein paar Stunden geschlafen hatten. »Aber warum macht dieses Monster das? Was bezweckt es damit? Und warum hat es diese Fähigkeit nicht schon vorher eingesetzt?« Als Rogue antwortete, wurde mir bewusst, dass ich meine Gedanken laut ausgesprochen hatte: »Keine Ahnung. Vielleicht sollten wir Felix fragen.« »Das ist eine gute Idee.« Mit einem schnellen Blick zu Lucky vergewisserte ich mich, dass es ihr gut ging, dann stürmte ich aus dem Raum und eilte durch den Gang. Nur in Boxershorts bekleidet, ohne Zeit mit Anklopfen zu verschwenden, riss ich Felix’ Schlafzimmertür auf. »Ich habe euch bereits erwartet«, erklang die schwache Stimme des Weisen vom Bett her. Rogue und Lucky waren mir gefolgt und flankierten mich. Bevor ich etwas sagen konnte, jammerte Charlotte aus ihrem Versteck heraus: »Das Mistvieh hat Glimmer und Flimmer erwischt. Ich weiß nicht, wie lange ich ihn noch aufhalten kann.« Verdammt, die Situation war ernster, als ich dachte. Somit blieben uns nur noch drei Windgeister zur Verteidigung. Felix’ Stimme wurde streng und eindringlich: »Hör zu Adrian, wir haben keine Zeit mehr. Sag mir, hast du den Schreckenswolf analysiert?« Schuldbewusst ließ ich die Schultern hängen. Wahrheitsgemäß antwortete ich: »Nein.« »Komm näher und sieh in meinen Spiegel«, wurde mir befohlen. Rasch trat ich einige Schritte vor, während der magische Spiegel, der normalerweise immer über Felix’ eingewickeltem Körper schwebte, auf mich zu kam. Angespannt starrte ich auf das blutrote Monster, das mir der Spiegel zeigt. Der Schreckenswolf griff gerade mit seiner gewaltigen Pranke die Mauern an. Steine splitterten und Staub rieselte zu Boden. Das Biest hatte einige breite Risse in die Außenmauer gehauen. Noch war er nicht durchgebrochen, jedoch war es wohl nur eine Frage der Zeit. Ich schüttelte den Kopf. Konzentration! Meinen Blick starr auf den Feind gerichtet, verwendete ich meinen Skill Analyse. Name: Schreckenswolf Geschlecht: männlich Spezies: magisches Tier Alter: 13 Tage Spezies Skills: Spürnase / Ultrainstinkt Extra Skills: Alphatier / Schreckensgeheul / Angstfresser Abwehr Skills: Windbarriere Mit belehrender Stimme sagte Felix: »Du musst wissen, solange er Schreckensgeheul einsetzt, kann er sich weder bewegen noch angreifen. Allerdings wird er mit dem Effekt von Alphatier die anderen Wölfe auf euch hetzen. In Kombination sind diese beiden Fähigkeiten absolut tödlich.« Kurz ging ich das Gehörte im Kopf durch. Das war wirklich eine erschreckend problematische Kombination seiner Skills. Jedoch gab es eine Lösung. Laut schlussfolgerte ich: »Also muss ich ihn ausschalten, bevor er in der Lage ist, sein Geheul einzusetzen.« »Das wird nicht möglich sein. Sein Skill Windbarriere beschützt ihn. Schwache Zauber, sowie einfache physische Angriffe werden durch diese Fähigkeit geblockt. Aus ebendiesem Grund ist Charlotte machtlos gegen dieses Biest.« Nach allem, was mir Felix beigebracht hatte, sollte ich doch in der Lage sein, meinem Gegner trotz dessen Abwehr Schaden zuzufügen. »Dann muss ich eben stärkere Zauber einsetzen. Wenn ich genügend Magie aus der Umgebung ziehe, sollte das doch funktionieren, oder?« »Der Schreckenswolf ist kein dummes Tier. Durch seinen passiven Spezies Skill Ultrainstinkt wird er die Bedrohung augenblicklich erkennen und dich mit seinem Schreckensgeheul aufhalten.« Laut dachte ich nach: »Wenn der Schreckenswolf ein derart starker Gegner ist, warum hat er uns dann nicht direkt angegriffen? Warum hat er gewartet?« Vom Bett her hörte ich ein nachdenkliches Brummen. Dann sagte Felix: »Ich vermute, das hat etwas mit seinen Skill Angstfresser zu tun. Da die Angst seiner Opfer ihn nährt, hatte er es nicht eilig. Aus diesem Grund, denke ich, hat er auch bisher davon abgesehen, von seinem Geheul Gebrauch zu machen. Denn Angst, die er selbst erzeugt, kann er nicht fressen.« Das war zwar interessant, half uns aber nicht. Angestrengt zermarterte ich mir das Hirn. Wenn ich Garrets Worten Glauben schenken konnte, war der Schreckenswolf ein Gegner für zwei Abenteurer des Malachitranges. Das war gerade mal die vierte Stufe von insgesamt zwölf. Demnach musste es einen Weg geben. Da ich keine Lösung fand, fragte ich Felix: »Wie kämpfen andere Abenteurer gegen einen Schreckenswolf?« »Es gibt Mittel und Wege, um gegen einen solchen Feind vorzugehen. Jedoch stehen diese uns nicht zur Verfügung. Wir haben weder einen Priester, der euch vor dem negativen Effekt von Schreckensgeheul schützt noch besitzen wir ein magisches Werkzeug mit der Verzauberung Furchtresistenz. Höherrangige Abenteurer besitzen zumeist einen eigenen Widerstand gegen geistige Beeinflussung. Aber, im Gegensatz zu mir, besitzt keiner von euch diesen Skill.« Ratlos runzelte ich die Stirn, meinen Blick weiterhin auf den magischen Spiegel gerichtet. In diesem Augenblick tauchte einer von Charlottes Windgeistern über der Mauer auf und versuchte, den Schreckenswolf mit seinen Zaubern zurückzudrängen. Ich nutzte meine Chance und analysierte ihn, dabei fiel mir etwas Interessantes auf: »Die Windgeister sind immun gegen geistige Beeinflussung. Sie können uns beschützen, solange er Schreckensgeheul einsetzt.« Felix seufzte schwer auf. »Im Grunde hast du recht. Allerdings, im Gegensatz zu deinem beschworenen Fuchsgeist, besitzen Charlottes Windgeister keine eigene Persönlichkeit. Sie sind nichts weiter als Puppen, die von ihr gesteuert werden.« Verdammt und zugenäht. Mir gingen die Ideen aus. Die Situation schien aussichtslos zu sein. Sollten wir da nicht besser die Beine in die Hand nehmen und fliehen? Ich für meinen Teil, wollte nicht schon wieder sterben. Anerkennend sagte Felix: »Offenbar hast du nun den Ernst der Lage erkannt. Im Grund haben wir keine Chance, aber da kommst du ins Spiel, Adrian. Dank deines Skill, besteht noch Hoffnung.« Ein schweres Seufzen entrann meiner Kehle. Warum musste ich schon wieder alles regeln? Gut, Weglaufen war eh keine Option. Zum einen würde ich es nicht übers Herz bringen, Felix, Charlotte, Klaus, Garret und all die Dorfbewohner ihrem Schicksal zu überlassen, zum anderen stand der Schreckenswolf keine fünf Meter neben dem Eingangstor. Solange es keinen geheimen zweiten Ausgang gab, waren wir gefangen. Ich hob den Blick und sah zum Bett. »Sag mir, was muss ich tun?« »Ihr drei werdet euch dem Schreckenswolf im Hof stellen. Durch die beengten Verhältnisse sollte das dem Feind einen Großteil seines Bewegungsspielraumes nehmen.« Ich konnte es nicht lassen und schnaubte sarkastisch: »Bleiben nur die anderen Wölfe. Die werden bestimmt seelenruhig zusehen, wie wir ihren Alpha umnieten. Außerdem hast du doch gesagt, dass ich keine Magie sammeln kann, weil der Schreckenswolf das nicht zulassen wird. Wie also sollen wir ihn bekämpfen?« »Ich habe mir etwas ausgedacht. Hör mir gut zu …« Gespannt lauschte ich seinen Worten, während mir langsam der Mund aufging. Felix’ Plan barg einige Risiken, jedoch war es der einzige, den wir hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)