Ter´nak Band 1: Wind von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 15: Der Krieger ----------------------- Blut, einer Fontäne gleich, schoss aus dem Torso des Monsters. Während ich angewidert den Mund verzog, sackte der Leichnam in sich zusammen. Begleitet von einem dumpfen Scheppern, zog Aaron seine Axt aus dem Boden und sah zu mir herüber. In seinen Augen lag ein seltsamer Ausdruck, den ich nicht zu deuten wusste. Ich beschloss, den Kerl erstmal zu ignorieren. Aktuell gab es Wichtigeres. Nun da der Schreckenswolf tot war, sollte ich mich um unsere Verletzungen kümmern. Ich hob den Blick. Dort, über uns, schwebte der letzte Windgeist. »Charlotte, kannst du mich hören? Wir sind verletzt, ich benötige meinen Seesack. Wärst du so nett und würdest ihn zu mir bringen?« Das Windelementar drehte sich ins Profil und neigte sich leicht nach oben. Die Geste war eindeutig: hochnäsiges Kopfheben. Ich konnte nicht anders, als über diese kindische Aktion zu schmunzeln. Da schoss der Windgeist auch schon davon. Im nächsten Augenblick hörte ich, wie die doppelflügelige Eingangstür geöffnet wurde. Ich wandte meinen Blick dorthin und sah die Dorfbewohner langsam heraustreten. Vorsichtig schauten sie sich um. Einige zeigten auf den toten Schreckenswolf, dann brachen sie in Jubel aus. Bei diesem Anblick zuckte ich zusammen. »Aua«, stieß ich unwillkürlich hervor, da meine Brust wie Feuer brannte. Leichtfüßig sprang Lucky um mich und stellte sich dem lärmenden Mob in den Weg. Sie bleckte die Zähne und stellte das Fell auf. Irgendwie fand ich, dass sie eher süß als bedrohlich aussah. Offenbar betrachteten die Dorfbewohner sie ebenfalls als nicht gefährlich, da sie weiternin auf uns zustürmten. Explosionsartig dehnte sich Luckys Körper aus. Vom einen zum anderen Augenblick stand dort eine gut zwei Meter große, aufgebrachte Fuchsdame. Nun sah sie keineswegs mehr süß aus, sondern wie ein Monster, ähnlich dem Schreckenswolf, wenn auch etwas kleiner. Ängstlich wichen die Dorfbewohner bei ihrem dröhnenden Knurren zurück. »Lucky, aus«, befahl ich streng. »Sie wollen mir nichts tun. Mach brav Sitz.« Das Knurren erstarb, während sie mich blinzelnd ansah. Ich hob eine Augenbraue und starrte sie nieder. Zur Überraschung aller, auch der meinen, tat Lucky, was ich wollte. Sie ließ alle Drohgebärden fallen und setzte sich auf ihre Hinterläufe. Ihre drei Schweife zuckten unruhig umher, während sie die Dorfbewohner scharf im Blick behielt. Ich wandte mich an die Leute: »Entschuldigt bitte. Mein kleiner Liebling will mich nur beschützen. Rogue und ich wurden bei dem Kampf verletzt, aus diesem Grund ist Lucky gerade etwas überfürsorglich.« Gustav drängte sich an die Spitze seiner Leute. »Wir müssen uns entschuldigen, Sie so bedrängt zu haben, werter Magier. Sie haben uns alle gerettet. Wir stehen tief in Ihrer Schuld.« Er, sowie alle anderen, verbeugten sich vor mir. Der Ehre zuviel, kratzte ich mich verlegen am Hinterkopf, den Schmerz kurzerhand ausblendend. »Aaron hat den Wolf getötet. Ich habe ihn lediglich unterstützt und das Monster abgelenkt.« Das war nichts als die reine Wahrheit. Von der Seite mischte sich Aaron schnaubend ein: »Ich danke dir für deine Hilfe, Magier.« »Kein Problem.« In diesem Augenblick kehrte Charlottes Windgeist zurück und übergab mir meinen Seesack. Abermals beschloss ich das Gespräch mit Aaron auf später zu verschieben. Zurzeit hatte ich andere Sorgen. Rasch griff ich in meinen Beutel und zog die beiden Heiltränke hervor. Ich wusste zwar nicht wie effektiv die waren, aber Schaden würden sie sicher nicht. »Hier trink das.« Mit diesen Worten übergab ich Rogue eine der Phiolen, die mit einer dunkelblauen Flüssigkeit gefüllt war. Mein Kamerad riss die Augen auf und fragte: »Echt jetzt. Beim heiligen Licht, was hast du da alles reingestopft?« Ohne auf seine Worte einzugehen, entkorkte ich meinen Trank und schluckte die leicht bittere Substanz hinunter. Augenblicklich spürte ich eine Veränderung. Der Schmerz ließ nach. Erleichtert stöhnte ich auf. Allein dafür war ich dem Götterdrachen sehr dankbar, da er mir diese Heiltränke zugesteckt hatte. Rogue folgte meinem Beispiel. Anschließend steckte ich die leeren Phiolen zurück in meinen Beutel. Eines hatte ich von Garrets langatmigen Vorträgen behalten, verschwende nichts, was noch hilfreich sein könnte. Aaron sah uns stirnrunzelnd zu. Offenbar lag ihm etwas auf dem Herzen, jedoch sagte er nichts. Das war mir nur recht. Während Lucky weiterhin die Dorfbewohner in Schach hielt, griff ich nach Rogues Arm. Vorsichtig zog ich den Jungen zu mir, um mir seine Wunde genauer anzusehen. Ob die hier Desinfektionsmittel hatten? Wenn nicht, würde ich nach hochprozentigem Alkohol fragen. Rogue warf mir einen fragenden Blick zu, ließ mich aber gewähren. Behutsam zupfte ich an den blutverkrusteten Stoffresten über seiner rechten Schulter. Darunter kam nackte Haut zum Vorschein. Irritiert blinzle ich diese Stelle an. »Wo ist denn die Wunde hin?« Leise flüsterte Rogue mir zu: »Man ey, du weißt echt gar nichts über diese Welt, oder? Der Heiltrank hat die Wunde geschlossen, dafür sind die Dinger doch da.« »Oh«, entwich es mir. Streng hob ich einen Finger. »Nicht so frech, du Bengel.« Unverschämt grinste er mich an. Ehe ich etwas erwidern konnte, räusperte sich Aaron. »Ich stehe in deiner Schuld. Bis ich diese Schuld beglichen habe, werde ich mich deiner Gruppe anschließen.« Ich ließ von Rogue ab und sah auf. Etwas neben mir stehend stammelte ich: »Wie bitte?« Begleitet von einem Räuspern machte Gustav auf sich aufmerksam und lenkte mich erfolgreich von Aaron ab: »Verzeiht, werter Magier. Wenn Ihr erlaubt, würden wir gerne in unser Dorf zurückkehren. Nur wenn es keine Umstände bereitet.« »Natürlich, ich habe nichts dagegen. Außerdem, wer bin ich, darüber entscheiden zu wollen, wo ihr euch aufhaltet?« Ohne darüber nachzudenken, erhob ich mich. Da ich keinerlei Schmerz spürte, nahm ich an, dass auch meine Wunden sich geschlossen hatten. Bei dem Gedanken an die kleinen Strohhütten biss ich mir auf die Unterlippe. »Hoffentlich hat mein Zauber euer Dorf heil gelassen. Es tut mir Leid, ich hatte keine andere Wahl. Ich musste -« Mit den Armen wedelnd, unterbrach Gustav mich. »Bitte, bitte. Nur keine Umstände. Ihr habt uns alle gerettet. Selbst, wenn das Dorf durch Ihre großartige Magie zerstört wurde, dann ist das eben so. Unsere Häuser haben wir im Nu wieder aufgebaut.« Nach dieser Bekundung, verbeugen sich alle abermals vor mir und zogen langsam davon, wobei sie einen weiten Bogen um Lucky machten. Während ich ihnen nachsah, spürte ich wie eine schwere Müdigkeit sich über mich legte. Die Nacht war viel zu kurz gewesen und nun, da die Aufregung des Kampfes sich gelegt hatte, wurde mir bewusst, wie erledigt ich war. Hinter den Leuten kam Klaus auf uns zugeeilt. »Mein Herr wünscht Euch zu sprechen, werter Magier.« Musste das jetzt sein? Ich wollte mich gerade nur noch aufs Ohr hauen und ausspannen. Das hatte ich mir doch verdient, oder? Ich seufzte und nickte Klaus zu. Erschöpft stiefelte ich los. Hoffentlich würde das nicht allzu lange dauern. * Als Rogue hinter uns die Tür von Felix’ Schlafzimmer schließen wollte, schlüpfte Aaron ebenfalls herein. Für einen muskelbepackten Krieger konnte er sich recht flink bewegen. »Alter, was willst du denn hier? Hör auf, uns zu verfolgen und verpiss dich, du Streuner.« Für diese Worte verpasste ich Rogue eine saftige Kopfnuss. Was war nur in ihn gefahren? Dieses Verhalten ging weit über seine sonst so unverschämte Art hinaus. Ich fragte mich, was Rogue für ein Problem mit Aaron hatte. Darauf würde ich ihn wohl später noch ansprechen müssen. »Du sollst doch nicht so frech sein. Und lass dieses Unwort endlich bleiben.« Sich den Kopf reibend, murmelte Rogue irgendwas vor sich hin. Bestimmt waren es Beschimpfungen oder so etwas in der Art. Streng fragte ich: »Wie bitte?« »Nichts«, stieß er ertappt hervor und brachte sich rasch in Sicherheit. Ich hob den Blick und sah zu Aaron. »Würdest du mir bitte erklären, warum du uns hinterherläufst?« Irritiert blinzelte er mich an. Dann sagte er voller Inbrunst: »Ich folge dir überall hin. Wir sind doch jetzt eine Gruppe.« Mein rechtes Auge begann zu zucken. Schnell wandte ich mich von ihm ab und entschied: »Darüber reden wir noch, Aaron, aber nicht jetzt.« Ich sah zum Bett und fragte: »Du hast nach uns gerufen?« »Wie ich sehe, hast du einen neuen Gefährten an deiner Seite«, sagte Felix. Anhand seiner Stimmlage, stellte ich mir vor, wie ein freches Grinsen seine Lippen umspielte. Zumindest einer fand diese absurde Situation erheiternd. »Ihr müsst erschöpft sein, bitte setzt euch doch.« Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Müde und ausgepowert war ich schon vor den endlosen Treppenstufen in den dritten Stock gewesen. Nun da das Adrenalin in meinen Adern endgültig nachließ, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als in mein Bett zu steigen. Ich konnte nur hoffen, dass Felix uns nicht allzu lange aufhalten würde. Nachdem sich jeder von uns einen Sessel ausgesucht hatte, begann der Weise mit ernster Stimme: »Ich habe euren Kampf genau verfolgt. Du hast meine Erwartungen deutlich übertroffen. Mir fehlen die Worte, um dir zu sagen, wie sehr du mich überrascht hast.« Verlegen grinste ich meine Füße an. »Ich habe doch gar nichts Besonderes getan.« »Nichts Besonderes?« Ich konnte es mir bildlich vorstellen, wie Felix gerade den Kopf schüttelte. »Du hast nicht nur maßgeblich geholfen den Schreckenswolf zu besiegen, sondern zwei weitere Zauber gelernt. Von den sechs großen Windzaubern beherrschst du nun fünf. Das ist eine beachtliche Leistung für dein Alter, die meine Anerkennung verdient. Jedoch frage ich mich, wie du das geschafft hast.« Abermals ließ ich den Kopf hängen, diesmal aus Frustration. Mir blieb wohl keine andere Wahl, als ihm alles haargenau zu erklären. Ich konnte nur hoffen, nicht während meines Vortrages einzuschlafen. Etwa zehn Minuten später schloss ich meine Erklärung ab. Mit müden Augen betrachtete ich Rogue. Der freche Bengel war auf seinem Sessel eingeschlafen und schnarchte leicht vor sich hin. Der hatte es gut. Auch Lucky döste friedlich auf meinem Schoß. Einzig und allein Aaron schien wach zu sein, wobei ich anhand seines glasigen Blickes darauf schloss, dass er nicht wirklich zugehört hatte. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er mit offenen Augen schlafen würde. »Erstaunlich«, meinte Felix, wobei sich seine Stimme fast überschlug. »Du besitzt Wissen, das selbst mir nicht bekannt ist. Im Vakuum kann man also nicht sprechen? Das ist hochinteressant. Das schreit geradezu danach, erforscht zu werden.« Etwas an Felix’ Geschwafel riss mich aus meinem Dämmerzustand. Ich blinzelte und ging seine Wort nochmals im Kopf durch. Mein Wissen soll besonders sein? So gut hatte ich in der Schule gar nicht aufgepasst. Allerdings kam mir da ein Verdacht. »Felix, du sagtest, die Vorfahren der Menschen stammen von der Erde. Kannst du mir sagen, wann genau die ersten Menschen hier ankamen?« Ich hatte angenommen, dass er etwas brauchen würde, um zu antworten, jedoch sagte er sofort: »Das war vor 303 Jahren, 2 Monaten und 21 Tagen.« Erstaunt riss ich die Augen auf. Diese Angabe übertraf meine Erwartungen. Nun wusste ich, wie sich Felix fühlen musste, bei den Dingen, die ich tat. Stammelnd sagte ich: »Das, das ist eine sehr präzise Angabe.« Vom Bett her konnte ich ihn lachen hören. »Ich vergesse immer wieder, dass du nicht von dieser Welt stammst. Heute ist der 21 Tag, des 2.Monats, im Jahre 303.« Anschließend erklärte er mir, wie die Zeitrechnung auf Ter´nak vonstattenging: Im Prinzip hatten die Menschen ihre Zeitrechnung aus dem alten Leben übernommen und an die Bedingungen dieses Planeten angepasst. Der Tag ihrer Ankunft wurde als Startpunkt der Zeitrechnung bestimmt: 1. Tag des 1. Monats, im Jahre 0. Kurz dachte ich über die soeben enthaltenen Informationen nach. Wenn die Erde der ersten Menschen auf Ter´nak in etwa der meinen entsprach, so stammten diese aus dem frühen 18. Jahrhundert. Seit ihrer Ankunft auf Ter´nak musste einiges an Wissen verloren gegangen sein. Hinzu kam die Tatsache, dass sie die Zivilisation von Grund auf neu aufbauen mussten und es Magie gab. Vor allem der letzte Punkt dürfte ihre Entwicklung maßgeblich beeinflusst haben. Außerdem hatte ich nicht den Eindruck, dass sich die Wissenschaft auf dieser Welt erheblich weiterentwickelt hatte. Das Ergebnis meiner Überlegungen war: Mein, wenn auch lückenhaftes Wissen im Bereich der Naturwissenschaften, übertraf alles, was die Menschen hier kannten. Diese These galt es, nun zu überprüfen. Ich räusperte mich und sah zum Bett. »Felix, aus was bestehen Wolken?« »Eine recht eigenartige Frage. Aus Luft natürlich.« Nachdenklich runzelte ich die Stirn. Wolken bestanden aus kondensiertem Wasserdampf, nicht aus Luft. Andererseits war dieser Wasserdampf Teil der Luft. Leider war Felix’ Aussage nicht eindeutig, daher fragte ich weiter: »Weißt du, aus was die Luft besteht?« »Luft ist Luft, sie besteht aus nichts. Oder reden wir hier von Magie? In diesem Fall -« Um ganz sicherzugehen, fiel ich ihm ins Wort und offenbarte: »Luft ist ein Gemisch aus verschiedenen Gasen. Sie besteht zu 78 Prozent aus Stickstoff, in etwa 21 Prozent aus Sauerstoff. Der Rest sind Kohlenstoffdioxid und Edelgase. Jedenfalls war das so auf der Erde, von der ich komme.« Vom Bett her kam ein dumpfes Brummen. »Hm …, diese Worte sagen mir nichts. Wärst du so freundlich, mir das genauer zu erklären?« Ich hatte Recht. Die Naturwissenschaft war in dieser Welt vollkommen unterentwickelt. Bevor ich mein Wissen mit ihm teilen konnte, musste ich gut nachdenken. Ich hatte genügend Filme und Serien gesehen oder Bücher gelesen, bei denen die Weitergabe von Technologie an unterentwickelte Spezies zu mannigfaltigen Problemen geführt hatte, teilweise zu deren Auslöschung. Mit Lucky in den Armen stand ich auf. »Es tut mir Leid, Felix, aber das müssen wir verschieben. Ich bin von oben bis unten verschwitzt und blutbespritzt. Mit deiner Erlaubnis würde ich mich gerne etwas frisch machen und anschließend eine Runde schlafen. Wir können später weiterreden, wenn du willst.« »Bitte, verzeih mir, dass ich keine Rücksicht auf dein körperliches Befinden genommen habe. Geh nur. Wenn du möchtest, kannst du gerne im Keller ein heißes Bad nehmen. Du musst wissen, dieses Haus wurde auf einer natürlichen heißen Quelle errichtet.« Ein Bad, ein richtiges Bad, in einer Badewanne? Ich war mir sicher, dass meine Augen gerade funkelten. Seitdem ich auf diese Welt gekommen war, hatte ich mich lediglich mit einer Waschschüssel voller kaltem Wasser oder einem Bach abfinden müssen. Ich hätte mir nie träumen lassen, wie sehr ich solch einfach Dinge wie fließend warmes Wasser vermissen würde. Für ein Bad nahm ich sogar die vielen Treppen in kauf. * Kurze Zeit später saß ich, gemeinsam mit den anderen, in einer riesigen Badewanne im Keller. Das nahezu runde Ding besaß einen Durchmesser von schätzungsweise drei Metern und etwa einen Meter tiefe. Da die Wanne mitten im Raum in den Boden eingelassen worden war, erinnerte sie mich ein wenig an eine japanische heiße Quelle. Befüllt wurde der kleine Pool von einem stetig fließenden, dampfendem Wasserfall, der aus einem über einen Meter hohen Stein quoll. Damit das Becken nicht überlief, gab es eine Art Abfluss. Dem Zulauf gegenüber war im grob gehauenen, grauen Steinboden eine Vertiefung eingelassen, über diese floss das heiße Wasser zur rechten Wand. Diese Seite des Raumes musste direkt an der Klippe zum Meer liegen, da ich das Rauschen der Wellen durch die Öffnung, in der das Wasser verschwand, hören konnte. Mehrere weitere Löcher regulierten die Luftzufuhr und sorgten dafür, dass es trotz des vom heißen Wasser aufsteigenden Dampfes, angenehm frisch blieb. Diese Badewanne war absolut überdimensioniert für eine Person. Ich zuckte mit den Schultern. Reiche Leute konnten sich immer Dinge leisten, von denen andere nur träumen konnten. Das war wohl in jeder Welt so. Der Raum wurde von unzählige kleinen Kristallen erhellt. Wenn ich die Intensität des Lichtes durch eine Handbewegung herunterregulierte, dann funkelte die Decke wie der Sternenhimmel. Fehlte nur noch ein sanftes Harfenspiel und ich wäre in einem Spa gelandet. Ich lehnte mich entspannt auf der am Rand eigens dafür vorgesehen Sitzfläche zurück und seufzte wohlig auf. »Ah, tut das gut«, meinte Rogue neben mir. Während er keine Scheu vor dem Wasser hatte, wie ich erst vermutete, hielt sich Lucky fern von der Wanne. Nahe der Tür hatte sie Stellung bezogen und wachte mit Argusaugen über die Geschehnisse. »Ja. Es ist recht angenehm«, stimmte Aaron zu. So ganz verstand ich immer noch nicht, was der Kerl hier zu suchen hatte. Er war uns einfach gefolgt und zu uns ins Wasser gekommen, bevor ich ihn aufhalten konnte. Ich zuckte mit den Schultern. Sollte Aaron doch machen, was er wollte. Ungeniert warf ich ihm einen Blick zu. Wo käme ich denn hin, diese Aussicht nicht zu genießen. Der Wolfsmensch war echt nicht schlecht gebaut. Schnell rief ich mir sein Alter in Erinnerung, bevor meine Gedanken in nicht jugendfreie Bereiche abdriften konnten. Aaron war erst sechzehn, ein halbes Kind, dennoch ein wahrhaft stattlicher Krieger. »Sag mal Aaron, wundert es dich nicht, dass ich deinen Namen kenne?«, fragte ich aus einer Laune heraus. »Nein, du bist doch ein Magier.« Gespannt wartete ich, aber da kam nichts mehr. Dieser Krieger schien nicht gerade von der gesprächigen Sorte zu sein. »Du sagtest, dass du deine Schuld begleichen willst, was genau meinst du damit?« Aaron hob den Kopf und sah mich an. »Du hast mir geholfen das Monster zu besiegen. Allein war ich dazu nicht im Stande.« Dreist mischte sich Rogue ein: »Du bist uns nichts schuldig und kannst gerne verschwinden. Husch, husch ab in den Wald mit dir.« Abermals reagiert der Bengel derart aggressiv, wobei ich mir noch immer keinen Reim auf sein Verhalten machen konnte. Aaron sah verlegen zu Seite und ließ sich offenbar nicht im geringsten von Rogues Verhalten beeinflussen. »Ich gebe es zwar nicht gerne zu, aber ich hatte Angst und bin vor dem Alphawolf weggelaufen. Ohne Adrians Hilfe wäre ich wohl gestorben.« Bevor Rogue ihn weiter ärgern konnte, hob ich eine Hand, um ihm Einhalt zu gebieten. Mit freundlicher Stimme erklärte ich: »Aaron, deine Angst wurde von dem Skill Schreckensgeheul erzeugt. Dafür musst du dich nicht schämen. Keiner von uns konnte dem Effekt dieser Fähigkeit widerstehen.« Mit einem eigenartigen Blick sah Aaron mich an. »Du bist nicht weggelaufen. Ich habe es genau gesehen. Du hast uns beobachtet und dann den Wolf mit deiner Magie abgelenkt.« Ich überging seinen Einwand. »Ich habe dich nicht gerettet. Ich bin sogar der Meinung, dass du dieses Biest auch ohne meine Hilfe erledigt hättest. Es tut mir leid, dass ich mich ungefragt eingemischt habe. Du bist mir nichts schuldig und musst uns nicht begleiten.« Deprimiert senkte Aaron den Blick. »Ich wusste es, du willst mich nicht in deiner Gruppe haben. Ich verstehe schon. Menschen mögen eben keine Tiermenschen.« Nachdenklich musterte ich ihn. So langsam bekam ich das Gefühl, dass Aaron nicht so einfältig war, wie ich gerade noch dachte. Wenn ich das richtig verstand, hatte er das mit der Schuld nur als Vorwand benutzt, um sich uns anzuschließen. Wie aber sollte ich nun mit ihm verfahren? Im Grunde hatte ich nichts gegen ihn in meiner Gruppe einzuwenden. Ganz im Gegenteil. Er würde uns prima ergänzen. Als Magier war es meine Aufgabe im Hintergrund zu bleiben und dem Gegner mit Fernangriffen zuzusetzen, während Rogue, aufgrund seiner Klasse Dieb, bestens dafür geeignet war, einem Feind von hinten in den Rücken zu fallen. Nur zu zweit konnten wir demnach unsere Stärken noch nicht optimal ausspielen. Mit Aaron als Krieger im Team, könnte sich dieser dem Feind frontal stellen und ihn ablenken, damit wir unser Ding durchziehen konnten. Alles im allen eine perfekte Gruppenaufteilung, wie ich sie in vielen RPG Spielen schon gesehen hatte. Fehlte nur noch ein Heiler der uns unterstützend zur Seite stand. Unschlüssig malträtierte ich meine Unterlippe. »Ich habe nichts gegen Tiermenschen. Aaron, sag mir die Wahrheit, dieses ganze Gefasel über deine Schuld, das war doch nur eine vorgeschobene Ausrede oder?« Betreten zuckte Aaron zusammen. »Teilweise«, gab er zu, »Den Effekt von Schreckensgeheul kannte ich nicht. Ich war wirklich der Meinung, dass du mich gerettet hast.« Mit eiserner Miene knöpfte ich mir den Kerl vor: »Wie sieht es jetzt aus, wo du weißt, woher deine Angst rührte? Willst du noch immer in meine Gruppe?« »Ja«, sagte er kurz und knapp. »Warum?« »Weil ich nicht mehr allein sein will.« Echt mal diesem Kerl musste man alles aus der Nase ziehen. Ich verdrehte die Augen. »Weiter.« Aaron seufzte schwer, dann erklärte er: »Menschen mögen unsereins nicht sonderlich. Seit Jahren suche ich nach einer Gruppe, aber keiner will mir eine Chance geben. Bitte, ich verspreche, dir zu gehorchen. Ich mach alles, was du sagst, nur lass mich Teil deiner Gruppe sein.« So ganz konnte ich ihn nicht verstehen. Es war bestimmt schwer, immer allein zu sein, dennoch war das besser, als sich einem Wildfremden anzubiedern. Was war nur los mit diesem Kerl? Rogue rutsche ein Stück zu mir und flüsterte: »Nur zur Info, Wolfsmenschen sind in der Regel Rudeltiere. Sie vertragen es nicht, isoliert zu werden.« »Oh.« Bisher hatte ich mir über die Natur der Tiermenschen keine Gedanken gemacht. Für mich waren sie wie jeder andere Mensch, nur halt mit gewissen Extras, Schweif und Tierohren. Dass sie auch Charakteristika ihrer tierischen Equivalente besaßen, hatte ich nicht gewusst. Bei dieser Überlegung ging mir ein Licht auf und ich wandte mich an Rogue. Leise flüsterte ich ihm zu: »Ist das der Grund, warum du ihn nicht leiden kannst? Weil er ein Wolfsmensch ist und du ein Katzenmensch?« Betreten zuckte der Bengel zurück und wandte den Blick ab. Kaum vernehmlich murmelte er vor sich hin: »Ich mag eben keine Streuner. Was wollen wir auch mit so einem Muskelpaket.« »So so.« Frech grinste ich ihn an. Damit hatte ich meine Erklärung, für sein Verhalten. Eine klassische Hund und Katze Beziehung. Bestimmt spielte auch eine gewisse Eifersucht mit hinein. Welcher Kerl verglich sich nicht mit anderen und wollte mit seinem Körper protzen. Eine typisch menschliche Reaktion. Ich behielt meine Gedanken für mich und wechselte rasch das Thema: »Sind die Menschen wirklich so schlecht auf euch zu sprechen?« Rogue nickte mir bestätigend zu. »In der Regel schon. Hier auf dem Land ist es nicht so schlimm. Auch Felix scheint eine Ausnahme zu sein, aber in den Städten müssen wir echt aufpassen. Wenn zum Beispiel etwas gestohlen wurde und ein Tiermensch in der Nähe war, dann wird dieser als erstes verdächtigt.« Betreten schüttelte er den Kopf. »Deswegen bin ich auch zum Dieb geworden.« Natürlich. Wenn man tagein tagaus zu Unrecht beschuldigt wurde, dann machte es wohl keinen Unterschied mehr. Man wurde genau das, was die Leute in einem sahen. In gewisser Weise konnte ich mit ihm fühlen. »Ich bin nicht so«, sagte ich mit Nachdruck. »Für mich macht es keinen Unterschied, ob Tiermensch oder nicht.« Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann musste ich sogar zugeben, dass ich einen Narren an den Tiermenschen gefressen hatte. Bei der Wahl einen Menschen oder Aaron in meiner Gruppe aufzunehmen, würde ich wohl sehr zu dem Wolfsmenschen tendieren. Aber diese Gedanken behielt ich besser für mich. Noch immer unentschlossen, hob ich den Blick und sah Aaron direkt an. »Nur dass du es weißt, wir beide sind noch Anfänger. Mit deinem Rang können wir nicht mithalten. Du wirst dich sicher bei uns langweilen.« Kurz sah er zwischen mir und Rogue hin und her. »Das ist mir egal. Selbst wenn wir nur Goblins jagen gehen, bitte, nimm mich auf.« »Was sagst du dazu, Lucky?«, fragte ich in den Raum, während ich mich zurücklehnte und einen Blick zu ihr warf. Ich für meinen Teil hatte meine Entscheidung bereits gefällt, aber ich war nicht allein. Halb den Kopf schüttelnd, halb nickend bellte sie hell auf. Also eine Enthaltung, wenn ich das recht interpretierte. »Rogue?« Frech schnaubte der Bengel: »Als ob ich etwas zu sagen hätte.« Ich seufzte schwer. »Natürlich zählt deine Meinung. Wenn du gegen Aaron bist, dann wird er uns nicht begleiten. Komm schon, sag mir, wie du dazu stehst.« Unruhig begann Rogue neben mir zu zappeln. »Ich mag ihn nicht.« Kurz schloss ich die Augen, dann setzte ich mich auf. Damit war die Angelegenheit vom Tisch. »Es tut mir Leid, Aaron, aber -« »Ich war noch nicht fertig«, unterbrach mich Rogue. Rasch warf ich ihm einen Seitenblick zu. War das ein Test? Wollte er sehen, ob ich meine Worte ernst meinte? Verlegen sah er woandershin, während er vor sich hin murmelte: »Ich bin dafür, ihm eine Chance zu geben.« Ich streckte meine Hand aus und wuschelte Rogue über den Kopf. Selbstverständlich, ich hatte nichts anderes erwartet, beschwerte er sich augenblicklich: »Hey, Finger weg.« »Herzlich willkommen in unserer Gruppe«, sagte ich grinsend zu Aaron. Dann wandte ich mich wieder an Rogue. »Da fällt mir ein, ich muss dich noch bestrafen, weil du immer so frech bist.« Bevor der Bengel sich einen Reim darauf machen konnte, tunkte ich seinen Kopf unter Wasser. Einen Augenblick ließ ich ihn zappeln, dann gab ich ihn frei. Mit einem Ruck riss Rogue den Kopf in die Höhe. Prustend funkelte er mich böse an, während ich ihn verschlagen angrinste. »Willst du noch mehr?« »Das bekommst du zurück«, fauchte er. Das war der Startschuss einer epischen Wasserschlacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)