Blühende Dankbarkeit von Lost_Time ================================================================================ Kapitel 1: Blühende Dankbarkeit ------------------------------- Blühende Dankbarkeit „Etwas stimmt nicht mit ihm.“ „Hm“, kam es zustimmend von der Person rechts von ihm. „Ist das alles, was du zu sagen hast? Machst du dir keine Sorgen? Immerhin seid ihr befreundet“, meinte eine weitere Person mit braunen Haaren und dunklen Hautteint, welche sich zwischen die anderen beiden gesellte. „Er scheint nachdenklich zu sein. Darüber sollte man sich nicht unbedingt sorgen.“ „Dein Ernst? Als nur nachdenklich empfinde ich es nicht.“ „Vielleicht ein anderes nachdenklich, als wir es bisher kennen. Aber immer noch nachdenklich“, bekräftigte der junge Mann mit blasser Haut und den langen lila-blauen Haaren. Die Gesichter seiner drei Mitschüler sahen ihn ungläubig an. Ludwig beeindruckte dies wenig. Generell lies sich der Herzog von Mohn nahe Liechtenstein selten, gar nie, von anderen verunsichern. So etwas war ihm in seiner Erziehung aberzogen worden. Für seine zukünftige Position ziemte es sich einfach nicht. Jemand wie Eduard, welcher nur Markgraf war und ein uneheliches Kind von einer Frau niederen Standes, konnte so etwas natürlich nicht verstehen. „Wenn ihn wirklich etwas bedrückt, wird er es schon sagen“, lenkte Ludwig leicht ein, bevor Orpherus sich zu Wort melden konnte. Auf die Worte des blonden Fürsten legte er gerade keinen Wert. Die beiden Männer waren oft unterschiedlicher Meinung und nicht selten endete dies in Streitereien. Nicht, dass Ludwig diesen unbedingt aus dem Weg gehen wollte, aber gerade hatte er einfach kein Interesse daran. „Wer ist bedrückt?“ Eine weibliche Stimme gesellte sich zu ihnen. Sie gehörte zu Erika Kraus, der Halbschwester von Eduard und Freundin von Orpherus. Noch bevor Ludwig ihr auf seine Art mitteilen konnte, dass sie nicht solch neugierigen Fragen stellen sollte, erzählte Eduard ihr den Sachverhalt. „Reine Spekulation, dass ihn etwas bedrückt“, fügte Ludwig den Ausführungen hinzu. „Mensch, Lui, das ist doch offensichtlich“, polterte Eduard los. „Beruhige dich, Ed“, schritt Orpherus ein, um das Temperament seines besten Freundes zu besänftigen. „Wäre es vielleicht eine Idee ihn zu fragen?“, warf Erika in den Raum. Diese Art der Problemlösung war simpel. Zu simpel, als dass es für einen der vier Strahlanwärter in Betracht gekommen wäre. „Es wäre eine Möglichkeit, aber ob Camus das genehm ist?“, räumte Naoji ein. Der Japaner blickte dabei zu Ludwig herüber, welcher kurz den Kopf verneinend bewegte. „Ich werde es versuchen“, meinte Eduard und Erika stimmte ihm mit einem lächelnden Kopfnicken zu. „Ich denke, es ist keine gute Idee, Ed. Lui kennt Camus am besten und längsten, wenn er meint, das sei eine schlechte Idee, dann sollten wir das berücksichtigen.“ „War klar, dass du zu ihm hältst, Naoji.“ „Nun, vielleicht hat Naoji tatsächlich recht, wenn ich genauer darüber nachdenke. Was meinst du, Orphe?“ Der Blonde hatte mittlerweile eine Hand nachdenklich ans Kinn gelegt, als ihn seine Freundin ansprach. Auch Eduard schien auf dessen Urteil zu warten. „Ich denke, Naoji hat recht. Ludwig kennt ihn am besten. Zur Not können wir ihn immer noch ansprechen, wenn es deutlichere Anzeichen gibt.“ Zähneknirschend gab sich auch Eduard mit dieser Antwort zufrieden, wenn gleich Orpherus bemerkte, dass es seinen besten Freund wurmte Ludwig nachgeben zu müssen. Dem Blonden selbst ging es nicht anders, aber es fiel ihm leichter es zu verbergen. Erschöpft ließ sich Camus in den Sessel seines Zimmers nieder. Sein Kopf schmerzte und konzentrieren konnte er sich heute auch nicht mehr. Die letzten Tage war es schlimmer geworden. Der Pfalzgraf wusste, dass er anders war als andere. Sensibler. Sowohl was seine eigenen Gefühle anging, aber auch was die Gefühle anderer Menschen betraf. Derzeit plagten ihn letztere. Was noch schlimmer war, war die Tatsache, dass es auf Grund seiner eigenen Familie war. Es belastete ihn mehr als seinen Bruder, da dieser bereits mit seiner eigenen Familie in einem eigenen Anwesen lebte. Camus hingegen lebte noch bei seinen Eltern und bekam das Problem im vollen Umfang mit. Seine ältere Schwester und sein Vater waren derzeit im Dauerstreit, was er schon in seinem Zimmer wieder zu Gesicht bekam. Die Hortensie, welche er von Zuhause mit hierher genommen hatte, als Verbindung zu diesem, lies erneut die Blätter hängen. Seine Schwester war wohl wieder traurig. Zumindest waren die Blüten noch in voller Pracht, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie zumindest nicht stritten oder gar nicht miteinander redeten. Leider konnte sich die Situation schnell ändern. Müde fuhr er sich über die Augen. Der Grauhaarige hatte gehofft, dass ihm der Sparziergang gut tun würde, ihn auf andere Gedanken bringen würde. So wirklich funktioniert hatte es nicht, obwohl er noch zur Orangerie gegangen war. Die Blumen dort waren in einem guten Zustand und hatten ihm beruhigend zu gesprochen. Kurz hatte er sogar lächeln können. Kaum hatte er die Orangerie hinter sich gelassen, kehrte das unangenehme Gefühl zurück. Mittlerweile stand er vor der Hortensie und strich zärtlich über die Blätter, um seiner Schwester Trost zu spenden. Auf seine Art. Wie sollte sie es ihr nur schonend beibringen? Marlene war wirklich ein netter Mensch, eine gute Freundin, aber auch nicht mehr. Nur schien Marlene dies nicht zu verstehen, egal wie oft Erika ihr von Orphe vorschwärmte. Sie wollte ihre Beziehung zu diesem auch nicht an die große Glocke hängen, schließlich war sie die Assistentin der Strahlanwärter. Orphe selbst schien es auch nur recht zu sein, dass ihre frische Beziehung nur dem inneren Freundeskreis, sprich den Strahlanwärtern bekannt war. Trotzdem musste sie Marlene irgendwie verständlich machen, dass sie vergeben war, ohne, dass es alle mitbekamen. In Gedanken verloren ging Erika durch die Gänge der Akademie. Sie brauchte Hilfe. Die Frage war nur von wem? Orpherus war zwar ihr Liebster und sicher nicht eifersüchtig auf ein Mädchen als Nebenbuhlerin, aber er würde die Sache auch entsprechend entspannt abwinken. Er würde Dinge sagen wie, sie solle Marlene und ihre Flirtereien ignorieren. Er hatte ja keine Ahnung, wie offensiv diese waren. Davon abgesehen, dass sie dies bereits probiert hatte ohne sichtbaren Erfolg. Ihren Bruder hatte sie nicht einweihen wollen, der würde es amüsant finden, Orphe davon erzählen und ihr das Selbe wie dieser raten. Oder er würde auf Marlene zu stürmen und ihr unfreundlich sagen, dass sie Erika in Ruhe lassen solle. Wobei so ungehobelt und vom Temperament geleitet war Ed nun auch wieder nicht. Dennoch er fiel raus, genauso wie Ludwig. Zu ihm hatte sie nun wirklich kein Verhältnis, um solche Angelegenheiten zu besprechen. Und Naoji? Die Mädels? Nein. Die Mädels fielen auch raus, sie wollte Marlene nicht bloßstellen. Auch wenn einige sicherlich schon einen Verdacht hatten, dass sie sich nicht für Männer erwärmen konnte, war sich Erika nicht sicher, ob sie sich geoutet hatte oder bereit war dies zu tun. Für Erika selbst kam es gar nicht erst in Frage dies zu tun. So etwas war eine Sache, die jeder selbst tun musste. Mit Naoji könnte sie jedoch darüber reden. Er war ein guter Zuhörer, nahm die Dinge ernst und hatte sicherlich auch einen guten und weisen Rat für sie. Vielleicht sollte sie ihn aufsuchen und wenn dieser ihr nicht weiterhelfen konnte, blieb ihr noch Camus. Camus… Sie blieb bei diesem Gedanken stehen. Er war schon immer ein ruhiger Mensch gewesen, aber zur Zeit hatte dies noch stärkere Züge angenommen. Vor ein paar Tagen hatten sie erst darüber gesprochen und waren übereingekommen ihn nicht zu bedrängen. Mittlerweile ging er ihnen regelrecht aus dem Weg, so schien es. Seine Haut war blasser als sowieso schon und in den letzten zwei Tagen hatte er gesundheitsbedingt auch im Unterricht gefehlt. Das wusste sie von Eduard. Hoffentlich konnte ihr Naoji weiterhelfen, denn nur ungern wollte sie Camus stören, da dieser wahrscheinlich schlimmere Sorgen, als sie hatte. Anderseits fragte sie sich auch, ob nicht gerade ein Gespräch dem Pfalzgrafen gut tun würde. Es hatte zwar eine Weile gedauert bis sie Naoji fand, aber schließlich saßen sie beisammen. Sie hatten ein langes Gespräch, besser gesagt Erika hatte Naoji die Situation ausführlich geschildert. Wie sie es von dem Asiaten gewohnt war, hatte er ihr schweigend, aber aufmerksam zu gehört. Er bestätigte ihr auch, dass ihr Gedanke die Sache zu klären, statt sie zu ignorieren, der richtige Weg war. Beide überlegten, wie Erika die Situation ein für alle mal klären konnte. Die bisher unterschwellige Botschaft durch das Schwärmen über Orpherus reichte nicht. Naoji schlug einen Brauch aus seiner Heimat vor, welchen er aber schnell wieder verwarf, nachdem er ihn Erika erklärt hatte. Wahrscheinlich würde Marlene ihn ohne Erklärung auch nicht verstehen. Das Endergebnis war ernüchternd. Dennoch versprach Naoji ihr sich weiterhin Gedanken zu machen und sich zu melden, wenn ihm noch etwas einfallen würde. Die Brünette wollte im Anschluss zu ihren Freundinnen gehen, um gemeinsam zu lernen. Soweit kam Erika jedoch nicht, denn sie lief Marlene in die Arme, welche auf der Suche nach ihr war. Marlene hatte ihr neben einen fröhlichen Gespräch, auch einen Strauß mit lila Rosen und weißen Tulpen gegeben. Der Strauß schien selbst gebunden zu sein, denn er wies nur wenig dekoratives Grünzeug auf, welches Erika von Floristensträußen kannte. Als Erika fragte, was dies zu bedeuten hätte, zwinkerte ihr Marlene nur frech zu und sagte die Bedeutung müsste sie selber herausfinden. Zum Glück hatte die andere selbst noch etwas zu tun und verabschiedete sich von der verdutzt drein schauenden Erika. Es war der Kraus dennoch nicht entgangen, dass Marlene etwas nervös war, als sie ihr die Blumen reichte. Es schien, als hätte sie eine oder mehrere bestimmte Reaktionen erwartet, aber keine schien von Erika gezeigt worden zu sein. Mittlerweile stand der Strauß in einer Vase in ihrem Zimmer und gab ihr weiter Rätsel auf. In Büchern nachschlagen war gerade keine Option, da sie ja zum Lernen verabredet und schon spät dran war. Ihr ging es schlecht und sie fühlte sich hilf- und machtlos, das spürte und sah er auch deutlich. Die Hortensie ließ die Blütenköpfe hängen und einige grüne Blätter wurden welk. Camus ahnte, was in ihrem nächsten Brief stehen würde und er fühlte sich genauso machtlos, wie sie. Sein Bruder hatte auf seinen Brief nicht reagiert, zumindest hatte er noch keine Antwort darauf bekommen. Geändert hatte sich, wie er sehen konnte zu Hause auch nichts. Was bedeutete, dass sein Bruder noch nicht mit ihrem Vater gesprochen hatte, oder es nichts gebracht hatte. Dass Camus‘s Worte seinen Vater nicht erreichen würden, war ihm bewusst gewesen, dennoch hatte er es seiner Schwester zu liebe wenigstens versucht. Wie zu erwarten war erfolglos. Der Pfalzgraf legte das Buch beiseite und nahm sich den Grundriss der Akademie zur Hand, auf welchem ein Bereich grün markiert worden war vom Direktor. Dort stand bis vor Kurzem noch ein alter Geräteschuppen und ein mehr als baufälliges Gebäude, dessen ursprünglichen Nutzen wohl nur dem Oberhaupt der Akademie bekannt gewesen war. Nun hatte dieser beschlossen die beiden ungenutzten „Schandflecken“, wie er sie betitelte, in etwas Schönes umzuwandeln. Nach langen Gesprächen hatte man sich für eine Art Garten entschieden. Da Camus derjenige war, welcher am meisten Ahnung von Pflanzen und der Gestaltung von Grünanlagen hatte, wurde er damit beauftragt sich auch um diese zu kümmern. Schon vor Wochen hatte er den Plan bekommen. Natürlich hatte er gleich eine Idee was für Beete, Bäume und Rasenflächen angelegt werden sollten und wo. Doch welche Blumen oder welchen Namen der Garten tragen sollte, darüber hatte er sich noch keine Gedanken gemacht. Er versuchte darüber nachzudenken, aber die Konzentration wollte nicht ausreichen dafür. Camus seufzte und steckte den Plan, nachdem er ihn zusammen gefaltet hatte, in seine Jacketttasche. Er musste raus, sich die Fläche noch einmal ansehen, dann kam ihm sicherlich eine Idee. Die Umrandungen für die Beete und Wege waren bereits vorhanden, wie es sein Plan vorsah. Der Direktor hatte von ihm vor einer Woche eine Zwischenplanung erhalten, um diese schon einmal anlegen zu können. Nun drängte der Leiter der Akademie auf die schnelle Fertigstellung in einer, maximal zwei, Wochen. Die Forderung war vor zwei Tagen gekommen und Camus hatte noch keine Ahnung, ob er es schaffen würde. „Hallo Camus.“ Die Stimme kam ihm bekannt vor und als er von seinem Plan aufsah und über seine Schulter sah, erkannte er Erika. „Hallo Erika“, begrüßte er sie. Trotz ihres Lächelns hatte auch sie Sorgen, zumindest verriet ihm dies ein wildes Stiefmütterchen, welches am Wegesrand wuchs. Aber auch ihre Augen, welche sonst ein freudiges Strahlen besaßen, hätten sie verraten. „Wie geht es dir?“, fragte er sie und schob seine trüben Gedanken beiseite, schenkte ihr sogar ein aufmunterndes Lächeln. Kurz schien sie zu überlegen, wie sie auf diese Frage antworten sollte, gab sich dann aber einen Ruck. „Um ehrlich zu sein, ging es mir schon besser.“ „Hast du schon mit jemanden darüber geredet?“ Zu Camus‘s Erleichterung nickte Erika. „Ja, habe ich. Mit Naoji, aber leider hatte er noch keine Idee zur Lösung des Problems. Aber ich habe auch erst heute mit ihm geredet“, gestand sie ein, schien zur gleichen Zeit erleichtert mit noch jemanden darüber sprechen zu können. „Das freut mich. Ich bin mir sicher, dass ihr eine Lösung finden werdet. Wenn ihr dabei meine Hilfe braucht, gebt mir Bescheid, bitte.“ Erika nickte und war im Begriff weiterzugehen, als sie noch einmal innehielt. „Sag mal Camus, haben alle Blumen eigentlich eine Bedeutung? Rote Rosen stehen für innige Liebe zum Beispiel.“ Wenn sich einer mit Blumen und deren Bedeutung auskannte, dann war es Camus. Sie wusste nicht wieso, aber irgendwie kamen ihr die Worte von Marlene wieder in den Sinn, als diese ihr den Strauß in die Hand gedrückt hatte. Camus lächelte leicht und nickte dann bestätigend. „Ja, jede Blume hat ihre Bedeutung. Mehrere teilweise, das hängt oft vom Land, aber vor allem auch von der Farbe ab.“ „Hm…“ „Wieso fragst du?“ „Und was bedeutet in Deutschland ein Strauß aus lila Rosen und weißen Tulpen?“ Camus blickte sie erstaunt an. Zu erst dachte sie es liege daran, dass er die Bedeutung bereits wusste, aber als er kurz darauf nachdenklich die Hand an das Kinn führte, vermutete sie, dass ihn nur ihre doch sehr spezifische Blumenauflistung überrascht hatte. „Nun, ja. Also wenn du ihn Orpherus schenken möchtest, kannst du es bedenkenlos tun. An andere eher nicht. Ich meine, ob derjenige die Bedeutung weiß ist natürlich die andere Sache und wenn dir die Blumenkombination gefällt...“ „Oh, ähm, nein Camus. Ich will keinen Strauß dieser Art verschenken. Ich hab ihn bekommen.“ „Oh, also dann…“ „Bitte Camus, wofür stehen die Blumen und die Farben?“ „Nun. Die weißen Tulpen stehen für ewige Liebe und lila Rosen stehen für Liebe auf den ersten Blick.“ Erikas Gesichtszüge entglitten kurzzeitig und sie war auch erleichtert, dass sie nicht wirklich auf die Blumen reagiert hatte. Zumindest nicht freudig oder positiv. Im selben Moment füllten sich Erikas Augen mit Tränen. „Erika, was ist los?“ Der Grauhaarige legte ihr liebevoll den Arm über die Schulter. Die Angesprochene holte tief Luft, ehe sich ein Schluchzen lösen konnte. Sie war eine starke junge Frau und würde sich von so etwas nicht komplett aus der Bahn werfen lassen. Noch war nichts katastrophales geschehen. Nach einem weiteren Moment des Sammelns offenbarte sie auch Camus ihre Problematik, welcher ähnlich einfühlsam wie Naoji reagierte. „Das ist wirklich eine unangenehme Situation in welcher du dich befindest. Aber ich kann verstehen, dass du es ihr nicht direkt sagen willst, da sie es auch nicht tut. Hm… vielleicht solltest du es ihr dann gleich tun.“ „Wie meinst du das Camus?“ „Nun ja, es gibt eine Blume, die dir helfen sollte es ihr zu sagen, ohne, dass du Orpherus beim Namen nennst. Wie es mir scheint, hat sie Ahnung von Blumenbedeutung oder sich zumindest damit beschäftigt, also solltest du ihr damit auch antworten können.“ „Ich verstehe und welche Blume ist das?“ „Die Dahlie. Allerdings solltest du rote, gelbe und weiße meiden, um ihr zu antworten. Rot steht, wie du dir denken kannst für Liebe und Romantik, gelbe Dahlien sind mit Dankbarkeit und Glücksgefühlen verbunden. Nun und weiß steht halt für Reinheit, auch keine Bedeutung, die da hilfreich ist. Die anderen Farben der Dahlien haben keine so einheitliche Bedeutung, so werden andere Farben von Männern, welche Ahnung von der Bedeutung haben, genutzt um einer Frau zu sagen, dass sie diese zwar sehr nett finden, aber kein Interesse an einer Beziehung haben, da sie schon vergeben sind. Dementsprechend würde ich eine Dahlie empfehlen und dir raten, sie Marlene zu geben mit den Worten, dass es deine Antwort darauf ist, beziehungsweise deine Beziehungsstatus zeigt. Das musst du für dich selbst entscheiden, wie du es formulierst, dass es nicht missverstanden werden kann.“ In Erikas Augen kehrte das Strahlen zurück, welches Camus von ihr kannte und es freute ihn, dass er anscheinend hatte helfen können. Ihn selbst lies dies förmlich erblühen und ebenfalls einen Teil seiner Last los werden, wenn vielleicht auch nur für kurze Zeit. Der Grauhaarige rechnete damit, dass sie nun gehen würde, um ihr Problem zu lösen, doch sie blieb bei ihm und umarmte ihn plötzlich aus dem Nichts. Es vergingen ein paar Minuten in denen sie schweigend ihre Arme um seinen Brustkorb geschlungen hatte und er dies irgendwann zaghaft erwidert hatte. Dann blickte Erika ihn von unten her an, da sie über einen knappen Kopf kleiner war. „Was ist los mit dir, Camus?“, fragte sie dann direkt und löste die Umarmung, hielt dafür nun aber seine Hände fest. Verdutzt sah er sie an und wusste im ersten Moment nicht, worauf sie anspielte. Doch dann dämmerte es ihm langsam. „Ist es so offensichtlich?“ „Ja, schon. Du bist seltener bei uns, sehr in dich gekehrt und gefehlt hast du die letzten Tage auch im Unterricht. Wir wollten dich eigentlich nicht darauf ansprechen und abwarten. Aber… ich halt es einfach nicht mehr aus. Wenn du nicht darüber sprechen möchtest, akzeptiere ich diese Entscheidung natürlich“, erklärte Erika. Der Pfalzgraf haderte mit sich, denn eigentlich wollte er niemanden mit seinen unwichtigen Problemen belasten, doch Erika strahlte eine solche Zuversicht aus, dass er sich schließlich dafür entschied es ihr zu sagen, auch wenn ihm klar war, dass die anderen Strahlanwärter es ebenfalls erfahren würden. Vielleicht war es auch besser so. Vielleicht war es gut, wenn man sich zumindest ab und an mit anderen unterhielt, wenn gleich es sicherlich nicht seine Probleme lösen würde, so könnte es eine Art Befreiung für die Seele sein, sich nicht mehr allein damit zu fühlen. „Nun zu erst war es nur eine Sache, mittlerweile sind es zwei“, begann der Strahlanwärter. Erika sah ihn weiterhin aufmunternd an, ließ seine Hände jedoch nicht los, was ihm ein Gefühl von Zuversicht gab. „Meine größte Sorge ist meine ältere Schwester. Mein Vater will, dass sie heiratet und hat auch jemanden für sie gefunden.“ „Eine arrangierte Hochzeit? Ich gehe mal davon aus, dass deine Schwester damit überhaupt nicht einverstanden ist.“ Camus nickte und erläuterte ihr, dass seine Schwester ihren Zukünftigen bereits aus Kindertagen kannte, da er ebenfalls aus einer einflussreichen Familie stammte, diesen aber in keinster Weise leiden konnte. „Sie selbst ist in jemand anderes verliebt. Auch jemand aus gutem Hause, aber eben weniger einflussreich, als unsere Familie. Das hat mein Vater herausgefunden und verbietet ihr den Kontakt zu der Person. Meine Schwester ist jedoch niemand, der sich so etwas gefallen lässt. Sie hat den selben sturen Kopf, wie mein Vater und dementsprechend ist die Stimmung zu Hause sehr… explosiv. Ich habe nur Angst, dass sie entweder an der Situation zu Hause zerbricht oder später in der Ehe.“ „Wie furchtbar...“, murmelte Erika betroffen. Sie wollte sich nicht mal ausmalen, wie es wäre, wenn Orpherus eine Zwangsverlobte vorgesetzt bekommen würde, die er nicht leiden konnte. Sie war froh, dass seine Eltern sie akzeptierten und bisher auch immer sehr nett zu ihr gewesen waren. „Kann man ihr denn gar nicht helfen?“ Camus schüttelte leicht den Kopf und erzählte ihr, dass seine Bitte bei seinem Vater auf taube Ohren gestoßen war. Zwar setzte er noch seine Hoffnung in seinen Bruder, war sich aber ebenfalls nicht sicher, ob dieser Erfolg haben würde. „Und außerdem muss ich noch die Wünsche des Direktors umsetzen.“ „Die Wünsche des Direktors? Welche Wünsche?“ Camus deutet mit einer Handbewegung über das Gelände des neuen Gartens und zog seine Papiere wieder hervor, um sie Erika zu zeigen. „Hier soll ein Garten entstehen für die Akademieschüler zur Erholung. Wobei ich eher vermute, dass der Direktor einfach nur einen guten Eindruck auf ausländische Gäste machen möchte. Ich hatte auch eine Idee, wie du siehst, aber es ist noch nicht zu Ende gebracht, weil ich mit dem Kopf mehr bei meiner Schwester war. Nun will der Direktor alles spätestens in zwei Wochen fertig haben und ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll.“ Erschöpfung sprach aus seiner Stimme heraus und Erika drückte ihm aufmunternd die Hände. „Was fehlt denn noch?“ „Ein Name für den Garten, welche Art Blumen hier sein sollen, ob ein Misch oder eine Blumenart dominieren soll. Passende Bäume und Sträucher. Nun und Menschen, die das alles anpflanzen. Allein mit den Gärtnern der Schule wird es wohl nicht mehr schaffbar sein.“ „Hm. Ich verstehe. Uff… also bei deiner Schwester weiß ich aktuell nicht weiter, aber wenn du magst, dann kann ich dir mit dem Garten weiterhelfen. Wenn es in Ordnung für dich ist, kann ich die anderen Jungs ja mit dazu holen. Vielleicht haben sie ja auch Ideen. Damit hast du zumindest eine Sorge weniger.“ Auf dem Gesicht des Pfalzgrafen breitete sich ein liebevolles Lächeln aus, eins ohne den Schimmer von Sorge darin. „Das klingt nach einer guten Idee. Danke.“ „Hm, morgen ist Dienstag. Wollen wir uns Samstag versuchen dafür zusammen zu setzen?“ „Ja. Ich denke da haben alle Zeit. Ich lasse dir morgen eine Kopie von den Unterlagen zu kommen.“ „Gut. Und was deine Schwester angeht, ich drücke dir die Daumen, dass sich noch alles zum Guten wendet und dein Bruder etwas erreichen kann.“ „Danke, das ist sehr nett von dir.“ Dennoch glaubte Camus nicht daran, dass sein Bruder etwas erreichen würde. Aber die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt und so wollte er einfach daran glauben. Etwas erleichtert begleitete er Erika zurück zum Internat, wo sie Naoji trafen, welchen Erika von der Lösung erzählte. Die beiden jungen Männer steuerten dann mit ihr einen nahegelegenen Floristen an. Die Ereignisse überschlugen sich in den nächsten Tagen und zwar so stark, dass Camus den Direktor darum bat, die Schule am Freitag verlassen zu dürfen, um nach Hause zu fahren. Erika erfuhr es von Orpherus, als sie am Donnerstagabend endlich mal alle wieder zusammen saßen, da die Strahlklasse eine Sitzung abhielt und Erikas assistierende Hände dafür brauchte. „Und der Schulleiter hat dem statt gegeben?“, fragte sie gerade, als sie dem Blonden ein Buch reichte. „Ja. Er ist auch schon aufgebrochen“, antwortete Naoji für Orpherus. „Ich frage mich, was bei ihm zu Hause los ist“, merkte Eduard an, während er mit dem Stift sich im Haar kratzte. „Vielleicht… hat es mit seiner Schwester zu tun.“ Drei der jungen Männer blickten sie überrascht an und auch Ludwig hob kurz seinen Blick vom Buch vor sich. „Wie kommst du auf seine Schwester?“ „Ich… ich habe mit ihm am Montag gesprochen, er hatte mir… bei einem Problem geholfen und … nun ja irgendwie ergab sich daraus ein Gespräch, wo er mir sagte, was ihn bedrückte.“ Dies entsprach zwar nicht hundertprozentig der Wahrheit, da sie ihn schließlich direkt gefragt hatte, aber das mussten die anderen ja nicht wissen. „Ich denke nicht, dass es ihm recht ist, wenn du ein vertrauliches Gespräch einfach weiter tratscht“, hörte man Ludwigs kühle Stimme. „Ich glaube diesbezüglich werden wir ihm eh nicht helfen können“, lenkte Erika traurig ein, ehe sie fortfuhr, „Aber ihn bedrückte auch noch ein anderes Problem und da war er durchaus einverstanden, dass ich euch mit um Rat oder besser gesagt Hilfe bitte.“ „Hervorragend. Dann schieß mal los, Schwesterchen. Wobei, dass mit seiner Schwester eh in diesem Raum bleibt, also hau raus.“ Eduard klatschte dabei voller Tatendrang in die Hände und ließ den Stift auf das Papier fallen. Unsicher sah Erika zu Ludwig, da sie sich schon eingestehen musste, dass er nicht Unrecht hatte. „Du solltest dich lieber um deine Aufgaben kümmern, Eduard“, widmete sich der Lilahaarige stattdessen ihrem Halbbruder. „Mach dir keine Gedanken darum, ich kriege das schon fertig. Also los Erika, wobei können wir Camus helfen.“ Eduards Tatendrang übertrug sich auf alle Anwesenden Strahlanwärter, Ludwig ausgenommen, und so lauschten sie Erika, als diese über das Gartenprojekt des Schulleiters sprach, welches Camus aufgetragen worden war. Dabei breitete Erika die Skizzen und Notizen von Camus auf den Tisch aus, welche sie erhalten hatte. „Hm, also mit Bäumen und Blumen und so kann ich echt nicht helfen, aber beim Eingraben bin ich definitiv dabei. Ich denke, ich kann noch ein paar weitere Schüler zum Mithelfen animieren“, reagierte Ed zu erst auf die Situation. „Ich werde auch einige fragen. An helfenden Händen wird es nicht mangeln. Gerade, wenn sie hören, dass man Camus damit helfen kann. Er ist beliebt und hat auch vielen schon geholfen. Sie werden glücklich sein, dass einmal zurückgeben zu können“, warf auch Orphe ein. „Gut, dann fehlen noch Pflanzen und der Name, letzterer kann sich aber durch die Pflanzen ergeben.“ „Genauso, sehe ich es auch Erika. Ich schlage vor, dass wir uns mit den Blumen genauer beschäftigen. Die Bäume und Sträucher würde ich dann darauf abstimmen.“ Ludwig räusperte sich hörbar, als sich nun auch Naoji für die Sache interessierte. Dieser blickte etwas ertappt zu ihm und schwieg. „Dann ist ja alles aufgeteilt. Was ist denn nun, die Sache mit seiner Schwester?“, fragte Eduard unbekümmert. „Das geht dich nichts an“, donnerte die Stimme von Ludwig durch den Raum, welcher geräuschvoll sein Buch zu klappte. Auf Eduards Gesicht zeichnete sich ein vielsagendes Grinsen ab und so widmete er sich dem anderen zu. „Du weißt es also auch?“ „Wie kommst du zu dieser absurden Annahme?“ „Weil du dich zu sehr reinhängst, dass machst du sonst nie.“ Ludwig verzog keine Miene und dennoch spürte man, dass er entlarvt wurde. Trotzdem blieb er eisern, blickte Eduard genervt an und schlug sein Buch wieder auf. Ob er wirklich las oder sich auf den Wortlaut des komplexen Inhalts konzentrieren konnte, vermochte Erika nicht mit Sicherheit zu sagen. Lediglich ein vorangehendes Schulterzucken deutete an, dass er sich nicht weiter äußern würde. Ihr Bruder schien zufrieden mit diesem Etappensieg und sah zu ihr herüber mit einem liebevollen Lächeln, das seine Frage ohne Umschweife offenbarte. Resignierend seufzte Erika schließlich auf und offenbarte ihnen auch die Situation von Camus‘s Schwester. Betretendes Schweigen legte sich über die vorher noch motivierte Strahlklasse. „Dieses Problem ist tatsächlich nicht so einfach zu lösen. Zumindest nicht von uns. Nicht direkt.“ Orpherus war der Erste, der sich zu dieser Sache äußerte, die anderen jungen Männer, ausgenommen Ludwig, nickten zustimmend mit ernster Miene. „Selbst wenn man wüsste mit wem sie verheiratet werden soll, würde es nichts bringen.“ „Außer, der Bräutigam in Spe hätte ebenso kein Interesse an der Hochzeit.“ „Selbst dann ist es schwer, Ed, denn die Ehe wurde von den Vätern geschlossen und ob sich der Vater vom Bräutigam umstimmen lässt. Du weißt, dass es politisch brisant ist, wenn eine Hochzeit bekannt gegeben ist und dann plötzlich aufgelöst wird. Die jeweilige Familie steht in der öffentlichen Wahrnehmung der gehobenen Gesellschaft nicht mehr gut da. Sie wird unglaubwürdig.“ „Stimmt, daran hatte ich nicht gedacht. Zu blöd, dass sie schon öffentlich ist.“ „Ist sie nicht. Außer ihr posaunt es noch mehr hinaus.“ Überrascht wandten sich alle im Raum zu Ludwig um, welcher sich dazu entschieden hatte wieder an der Unterhaltung teilzunehmen. Den Blick von seinem Buch hebend, sah er kühl in die Runde. „Wie meinst du das?“, fragte Naoji. „So, wie ich es sage. Von der Eheschließung wissen bisher nur die zukünftigen Eheleute und deren engsten Familienkreise. Und ihr. Der großen Öffentlichkeit sollte es bekannt gegeben werden, bisher ist dies aber auf Grund der Brautverfassung noch nicht geschehen.“ „Woher weißt du das, Lui?“ Eduard beugte sich interessiert auf dem Tisch nach vorne, ehe es ihm wie Schuppen von den Augen fiel und er sich an die Stirn fasste. „Der Bräutigam gehört zu deinem Familienkreis, natürlich!“ „Ein naher Verwandter von dir?“ „Ein Cousin, wenn auch nicht auf direkten Grad, aber noch dicht genug, um in die Pläne eingeweiht zu sein“, beantwortete Ludwig bereitwillig Naojis Frage. „Das heißt du könntest da Einfluss nehmen und Camus‘s Schwester helfen“, schlussfolgerte Eduard. „Ich werde mich nicht in Dinge einmischen, die mich nichts angehen. Diese Sache ist eine zwischen Camus‘s Vater und dem Vater meines Cousins.“ „Ach, Lui, komm schon. Du würdest Camus damit sicherlich helfen. Es würde ihn besser gehen. Er hat doch auch immer schon viel für dich getan.“ „Meine Antwort bleibt die Gleiche, Eduard. Kümmert euch um den Garten und helft ihm damit, denn ein zorniger Schulleiter wird für sein Gemüt schlechter sein. Was seine Schwester angeht, sie wird ihren Ehemann schon mögen lernen.“ Erneut klappte Ludwig sein Buch geräuschvoll zu und erhob sich dann von seinem Stuhl. Für ihn war die Diskussion beendet, wenn gleich der braunhaarige Markgraf noch nicht so leicht aufgab. Er verfolgte ihn bis zur Tür, welche er dann von dem Herzog vor der Nase zugeschlagen bekam. „Dieser egoistische, sture Typ“, wetterte Eduard vor sich hin und gestikulierte mit den Händen wütend gegen die geschlossene Tür. „Du kennst ihn doch, lass gut sein. Wir sollten uns wirklich erst mal um den Garten kümmern. Ich werde mich mal in meinen Kreisen diskret versuchen umzuhören, wer der Bräutigam von Camus‘s Schwester wird. Vielleicht habe ich damit Erfolg.“ „Na gut, wie du meinst, Orphe.“ Erika und Naoji hatten sich die nächsten Tage intensiv mit der Bepflanzung des Gartens beschäftigt, fast jeden Tag hatten sie die Köpfe zusammen gesteckt und waren dann auf eine simple Lösung gekommen. Diese hatten sie ausgerechnet Marlene zu verdanken. Nachdem Erika ihr die Dahlie übergeben hatte, zeigte sich, dass diese genauso viel Ahnung von Blumenbedeutung hatte, wie Camus, denn sie blickte etwas betrübt drein. Kurz darauf lächelte sie aber leicht und bedankte sich für die Ehrlichkeit von Erika. Die nächsten Tage ging Marlene ihr aus dem Weg, was verständlich war und der Kraus nur recht war, um selbst etwas durch atmen zu können. Mittlerweile näherte sich Marlene ihr wieder etwas an, auf einer freundschaftlichen Basis. Erika hatte Naoji davon erzählt und gemeint, dass sie dankbar sei, dass Camus ihr dabei geholfen hatte. Im Anschluss hatten beide über Dankbarkeit gesprochen und wie wenig sie zum Ausdruck gebracht wurde. Genau in diesem Moment kam ihr der Gedanke die Dahlie als Hauptblume für den Garten zu wählen. Naoji, Eduard und Orpherus fanden die Idee ebenso gut und einige Zeit später hatte Naoji mit ihr die passenden Sträucher und Bäume gefunden, um den Garten zu vervollständigen. Am Dienstag fanden sich dann alle in dem Bereich ein wo der Garten entstehen sollte. Camus selbst war bisher noch nicht zurück gekehrt. Trotzdem war Erika überwältigt über die Menge an Schülern, welche Eduards und Orpherus‘s Aufruf gefolgt waren. Sie alle waren voller Tatendrang und lauschten aufmerksam, als Naoji und Erika an einer großen Tafel die geplante Gestaltung des Gartens erläuterten. Jeder wollte helfen und Camus damit eine Freude machen, so wunderte es keinen mehr, dass sie alle bis in die Nacht schufteten und am nächsten Morgen wieder sehr früh zurückkehrten. Den Dreck vom Vorabend noch unter den Nägeln, Müdigkeit unter den Augen, aber immer noch mit Feuereifer bei der Sache. Erschöpft, aber zufrieden, blickten dann alle am Donnerstagnachmittag auf ihr vollbrachtes Werk. Es war erstaunlich, wie sie es nur in zweieinhalb Tagen alles umgesetzt hatten. Die Strahlanwärter und auch Erika bedankten sich gerade ausgiebig bei allen Helfern, als sie plötzlich eine überraschte Stimme hinter sich hörten. „Was ist hier passiert? Der ganze Garten...“ Die Brünette drehte sich um und strahlte über das ganze Gesicht, als sie Camus entdeckte in Begleitung von Ludwig. „Hallo Camus, wie schön, dass du wieder zurück bist.“ „Hallo. Was ist denn hier passiert?“, fragte der Grauhaarige immer noch überrascht von dem Anblick, der sich ihm bot. Die anwesenden Schüler lächelten ihn an, wenn gleich sich auf den Gesichtern einiger etwas Unsicherheit breit machte. Schließlich hatten sie einfach so ein Projekt von ihm übernommen und beendet, ohne, dass er groß etwas hätte entscheiden können. „Wir wollten dir ein-“, begann Erika, bremste sich dann aber ab, als sie merkte, dass gewisse Informationen doch nicht für das große Publikum gedacht waren, „etwas Arbeit abnehmen und eine Freude machen. Gefällt es dir…?“ Camus blickte über die Sträucher und jungen Bäume hin zu den von ihn geplanten Sitzbänken, welche an der exakten Stelle stabil standen. Hinüber zu den Rasenflächen, welche frisch gemäht und von Moos befreit worden waren. Sie wirkten dadurch noch etwas kahl, aber es würde nicht lange dauern, bis sie wieder üppig und saftig grün sein würden. An einigen Stellen war noch nichts an Rasen zu sehen, da dort erst neuer gesät werden musste. Doch auch dies war bereits getan und die Flächen reichlich mit Wasser versorgt. Umgeben wurde alles von einem Meer aus Dahlien in verschiedenen Farben, wobei ihm auffiel, dass verschiedene Gelbtöne deutlich dominierten. „Es sieht wunderschön aus. Dahlien als Blumen sind eine gute Wahl gewesen und die Kombination mit diesen Sträuchern… perfekt. Wie seid ihr darauf gekommen? Wie habt ihr das alles fertig bekommen? Ich war doch nur ein paar Tage weg.“ „Nun, ja, ganz unbeteiligt warst du daran nicht. Du hast mich auf die Idee gebracht durch dein Wissen über Blumen und Naoji hat dann die passenden Sträucher und Bäume recherchiert. Orpherus und Eduard haben sich dann, um die helfenden Hände gekümmert.“ „Stimmt genau, und jeder war sofort dabei. Überzeugen mussten wir niemanden“, mischte sich grinsend Eduard ein. „Wir hätten auch schon einen Namensvorschlag für den Garten“, sagte Erika etwas kleinlaut. „Erzähl“, forderte Camus sie auf. „Florens gratiam.“ „Der Name passt hervorragend. Vielen Dank an euch alle. Ihr habt mir damit wirklich sehr geholfen und es sehr gut gemacht“, widmete sich der Pfalzgraf nun an die anderen Helfer. Zufriedene Gesichter sahen ihm entgegen und kurz darauf brach leichter Jubel aus. Sie feierten sich und waren so mit sich beschäftigt, dass Erika in Ruhe mit Camus reden konnte ohne neugierige Ohren. „Wir geht es dir?“, fragte sie. „Sehr viel besser, jetzt wo mir auch die letzte Sorge genommen ist.“ „Wie meinst du das? Ist Zuhause wieder alles in Ordnung?“, fragte Eduard, welcher mit Naoji und Orpherus zu den beiden und Ludwig heran trat. Verwundert blickte Camus sie an und Erika blickte beschämt zu Boden. „Tut mir leid, wir haben Erika etwas zu sehr ausgefragt, sie konnte nicht anders als uns von der Situation deiner Schwester zu erzählen“, erklärte Orpherus ihren Wissensstand. „Verstehe. Nun, ja, es ist wieder alles in Ordnung. Die Familie des Verlobten hat die Verlobung aufgelöst. Die Gründe waren allerdings… etwas wirr.“ „Wahrscheinlich haben sie eine bessere Partie gefunden“, warf Ludwig ein und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ist ja ganz gleich. Hauptsache dir und deiner Schwester geht es wieder gut und der Garten ist fertig. Ich finde, dass sollte gefeiert werden. Ab zum Eiscafé“, schlug Eduard so laut vor, dass die helfenden Schüler hinter ihm zumindest den letzten Teil mitbekamen und sich dem Plan jubelnd anschlossen. „Hoppla… wir sollten uns wohl beeilen, bevor wir ewig warten auf unsere Bestellung. Kommt ihr?“ „Ich nicht. Ich habe für so etwas keine Zeit“, winkte Ludwig kühl ab und bedachte Naoji mit einem vielsagenden Blick. „Ich fürchte, ich muss dieses Mal auch passen, tut mit leid. Ich habe noch einige Sachen aufzuholen, die die Tage liegen geblieben sind“, entgegnete ihnen auch Naoji. Eduard zuckte nur mit den Schultern und meinte, dass sie nicht wüssten, was sie verpassen würden, ging jedoch nicht weiter darauf ein. „Vielen Dank für das Abholen vom Bahnhof, Lui“, sagte Camus noch, eher er von Erika mit gezogen wurde. Ludwig nickte ihm nur zu und drehte der abziehenden Meute den Rücken zu. Die Geräuschkulisse von Stimmengewirr verstummte schließlich und Naoji und er gingen schweigsam zurück zum Schloss. „Ich weiß nicht, wie du es gemacht hast, aber es war nett von dir.“ „Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst.“ „Du weißt, genau wovon ich spreche. Die Verlobung zwischen deinem Cousin und Camus‘s Schwester wird sich nicht von selbst gelöst haben so plötzlich.“ „Wie oft noch, ich mische mich nicht in anderer Leute Angelegenheiten ein.“ Von Naojis Seite aus war ein leises Lachen zu vernehmen. „Verstehe. Danke, auch von Camus“, sagte dieser nur noch und ging dann weiter schweigend neben dem Herzog her. Ludwig genoss die Ruhe und widmete sich seinen Gedanken. `Ich habe lediglich meinem Cousin gesagt, dass Camus‘s Schwester ihn genauso hasst, wie er sie. Alles andere hat er entschieden.´ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)