Vampire Kiss von Funkenherz (Vermouth x Jodie, (Curaçao x Kir)) ================================================================================ Kapitel 9: ----------- Nachdem sie Mondnebels Hauptquartier erreicht und den Wagen auf dem Hof abgestellt hatten, konnte die Blondine es kaum erwarten das Büro zu betreten. Nicht nur, weil die vertraute Umgebung ihr noch einmal zusätzlich vor Augen führen würde, dass die Gefahr gebannt war, ihre Teamkameraden hatten gesagt, das auch Andre sich aktuell im Büro aufhalten würde. Die letzten beiden Wochen über hatte die junge Frau die Zeit im Vampiranwesen ertragen, um Camel zu schützen, nun wollte sie sich davon überzeugen, dass ihr Kollege wirklich wohlauf war. Während Akai die Gefangene in Richtung der sich im Untergeschoss befindenden Zellen brachte, hatten Black und Jodie den Weg ins Büro eingeschlagen. In der Tat fiel ihr erneut ein riesiger Stein vom Herzen, als sie sich nun wieder in Mondnebels Hauptquartier befand. Die vertraute Umgebung, der allgegenwärtige Geruch nach Kaffee und das stetige Summen des Gefrierschranks, welcher ganz in der Ecke des geräumigen Zimmers stand. Nie hätte Jodie gedacht, einmal so heilfroh zu sein das Großraumbüro zu betreten. Ein paar Mitglieder Mondnebels waren aktuell anwesend. Die Begrüßung viel herzlich aus und wieder stiegen Erleichterung und Freude darüber, diesem Alptraum endlich entkommen zu sein, in ihr auf. Als sich schließlich Andre den Weg zu ihr bahnte und die anderen Kollegen ein Stück zur Seite rückten, atmete die Blondine auf. Der andere Jäger war wohlauf. Die Verletzungen, die er sich in dem Kampf vor zwei Wochen zugezogen hatte, schienen inzwischen verheilt zu sein. Sie versicherten sich gegenseitig, dass sie unverletzt waren und alles den Umständen entsprechend in Ordnung war. Andre war es furchtbar unangenehm, dass er seiner Kameradin den Aufenthalt im Vampiranwesen überhaupt erst eingebrockt hatte, doch Jodie war in erster Linie froh, dass sie den Horror beide unbeschadet überstanden hatten. Später am Abend ihre eigene Wohnung zu betreten, fühlte sich fast schon unwirklich an. Zwischenzeitlich hatte Jodie nicht geglaubt, diesen Ort noch einmal wiederzusehen. Erst einmal ließ sie sich aufs Sofa fallen und genoss es wieder daheim zu sein. Nachdem sie ein Weilchen einfach nur dagelegen und nichts getan hatte, stand sie wieder auf, goss ihre Pflanzen und stieg schließlich unter die Dusche. Anschließend in die eigenen Klamotten schlüpfen zu können, in diesem Fall ein gemütlicher Pyjama, war ebenfalls eine Wohltat. Nach und nach erst begann sie zu realisieren, dass sie wieder Zuhause und noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen war. In der Nacht schlief die junge Frau schlecht bis gar nicht. Ständig drehten ihre Gedanken sich um ihre Zeit im Anwesen und was alles hätte passieren können. Auch fragte sie sich, wie es nun weitergehen würde. Als sie am nächsten Tag aufstand, war sie entsprechend müde und erledigt, dennoch war es ein tolles Gefühl, die eigene Kaffeemaschine zu betätigen und sich mit einer Schale Müsli an den Küchentisch zu setzen. Während ihrer Zeit im Vampiranwesen war sie auf das Wohlwollen dieser Monster angewiesen gewesen, wenn es darum ging etwas zu essen zu bekommen. Nicht, dass sie schlecht versorgt worden wäre, oder hätte hungern müssen, dennoch hatten ihr Getränke und Lebensmittel nie zur freien Verfügung gestanden. Immer hatte sie entweder fragen müssen, oder aber hoffen, dass Chris und ihre Bodyguards von selbst daran dachten, dass ein Mensch anders zu versorgen war als Vampire. Aber das war nun vorbei. Endlich! Ihr Müsli schmeckte so gut wie schon lange nicht mehr und auch ihr Kaffee kam ihr heute außerordentlich gut vor. Nach dem Frühstück und bekleidet mit ihrer eigenen Winterkleidung, welche sich bequemer trug als die Klamotten dieses Sternchens, welche allesamt ein klein wenig zu eng waren, verließ sie ihre Wohnung schließlich und brach auf in Richtung Mondnebels Hauptquartier. Nicht, dass sie heute hätte arbeiten müssen. Black hatte Andre und ihr angeboten sich in den nächsten Tagen Urlaub zu nehmen. Beinahe schon hatte er sie in diese Richtung gedrängt, doch Jodie hatte abgelehnt. Allein Zuhause würde ihr im Moment nur die Decke auf den Kopf fallen. Sie wollte wieder arbeiten und sich ablenken. Sie wollte ihre Normalität und ihren Alltag zurück. Allein der Weg durch die Stadt und dabei selbst bestimmen zu können, wo sie entlanglief, tat ihr gut. Als sie schließlich das Gebäude, in dem Mondnebel stationiert war, erreicht hatte, war es ein gutes Gefühl durch die Tür zu treten, wie an jedem anderen Arbeitstag. "Guten Morgen!", rief sie munter, auch wenn aktuell nur drei andere Personen anwesend waren. Der normale Arbeitstag der Vampirjäger begann für gewöhnlich erst zu späterer Stunde, doch heute hatte sie es nicht länger in ihrer Wohnung ausgehalten. "Guten Morgen, Jodie.", begrüßte ihr Vorgesetzter sie. "Und du bist dir wirklich sicher, dass du dir nicht ein paar Tage frei nehmen möchtest?" "Natürlich bin ich das, sonst wäre ich jetzt kaum hier, oder?", entgegnete sie und warf ihm ein Lächeln zu. "Tja, mir geht es ähnlich. Ich habe es Zuhause auch nicht länger ausgehalten.", mischte Andre sich ein und gesellte sich zu den beiden. "Und? Wie sieht der heutige Plan aus?", erkundigte die Blondine sich motiviert. Wie sehr sie ihren Alltag zurück wollte! "Für euch zwei wird der Tag eher ruhig.", erklärte James sofort. "Nach der Gefangenschaft durch diese Monster, kommt ihr um ein paar Gesundheitschecks nicht herum.", mischte die dritte anwesende Person sich ein. Dr. Clark, der Arzt der Gruppe. Der betagte Mann nahm nicht selbst an der Vampirjagt teil, er kümmerte sich viel mehr um verletzte Mitglieder Mondnebels, oder betreute die Kameraden, die etwas Belastendes erlebt hatten. "Der Doc. wird euren Gesundheitszustand checken.", ergriff Black erneut das Wort. "Anschließend werden wir zu Viert über eure Erlebnisse der letzten beiden Wochen sprechen. Nicht nur, weil euch das vermutlich gut tun wird, sondern auch um Mondnebel auf den neusten Stand zu bringen, was Erkenntnisse und Informationen betrifft. Es kann gut sein, dass Akai sich später auch noch zu uns gesellen wird." Während Camel seine Zustimmung murrte, blickte Jodie ihren Vorgesetzten fragend an. "Was ist jetzt eigentlich mit Chris?", wollte sie wissen. "Sie ist sicher in einer unserer Zellen untergebracht.", erklärte James ihr. "Akai wird mit einem unserer Kollegen heute mit der Befragung beginnen. Wir hoffen natürlich auf neue Informationen. Wenn diese Frau wirklich die stellvertretende Anführerin der amerikanischen Vampirgesellschaft ist, dann sollte sie über eine Menge Wissen verfügen, welches uns in Zukunft die Arbeit erleichtern wird." //Wenn sie denn mit uns zusammenarbeitet...//, fügte Jodie in Gedanken hinzu, jedoch behielt sie diese Bedenken vorerst für sich. In der Tat folgte ein ausführlicher Gesundheitscheck. Dr. Clark überprüfte nicht nur, ob die beiden befreiten Jäger auch wirklich unverletzt waren, als er erfuhr, dass die Daywalkerin die Blondine zwei Mal gebissen hatte, ordnete der Arzt ein großes Blutbild sowie eine Zahnuntersuchung an. Jodie ließ den Gesundheitscheck über sich ergehen und beklagte sich auch nicht darüber, dass Clark ihren Zähnen besondere Aufmerksamkeit schenkte. Auch wenn sie selbst inzwischen wusste, dass ein einfacher Vampirbiss nicht zur Wandlung führte und von den Bisswunden inzwischen nichts mehr zu sehen war, so war ihr dennoch klar, dass ihre Kameraden erst einmal glauben und verstehen mussten, dass diesbezüglich wirklich keine Gefahr bestand. //Sie haben Angst davor, was die Bisse eventuell ausgelöst haben könnten//, realisierte sie. Auch wenn sie selbst wusste, dass diese Sorge unbegründet war, sie konnte ihre Kameraden verstehen. Vor zwei Wochen hatte sie immerhin selbst noch befürchtet zum Vampir zu werden, nachdem die Schauspielerin sie gebissen hatte. Nach den Untersuchungen am Vormittag und nachdem feststand, dass mit Andre und ihr wirklich alles in Ordnung war, begannen die beiden Mitglieder Mondnebels Black und dem Doktor zu berichten, was sie in den letzten zwei Wochen erlebt hatten. Wie James es bereits angekündigt hatte, gesellte sich kurze Zeit später auch Akai zu der Gruppe und lauschte den Erzählungen aufmerksam, aber mit finsterer Miene. Camel konnte nicht wirklich viel Neues berichten. Er schilderte den Kampf, in den sie auf dem Fabrikgelände verwickelt worden waren und welcher letztlich zu ihrer Entführung geführt hatte. Auch beschrieb er die Erlebnisse in der Bar am ersten Tag. Danach hatte man ihn mit verbundenen Augen aus dem Haus gebracht. Nach einer längeren Fahrt hatte man ihn schließlich in ein Gebäude gebracht und ihm erst in dem Zimmer, in dem er gefangen gehalten worden war, die Augenbinde wieder abgenommen. Man hatte sich um seine Verletzungen gekümmert und einmal am Tag war eine Wache vorbeigekommen, die ihn mit Essen und Getränken versorgt hatte. Dadurch, dass das Zimmer kein Fenster hatte, war es ihm unmöglich gewesen, wirklich mehr über seinen Standort in Erfahrung zu bringen. Erst, als Mondnebel ihn befreit hatte, hatte er gesehen, dass er in einem verlassenen Gebäude in der Nähe des Hafengeländes untergebracht gewesen war. Jodie hingegen berichtete von den Eindrücken, die sie im Anwesen gewonnen hatte. Sie schilderte ihren Alltag und die Tatsache, dass Chris sie täglich mit zur Arbeit genommen hatte. Warum die Schauspielerin dieses Risiko überhaupt eingegangen war, erschloss sich ihr jedoch nicht. Die junge Frau versuchte ihr Team mit allen Informationen zu versorgen, die sie über die im Anwesen lebenden Vampire hatte in Erfahrung bringen können. Auch die Tatsache, dass die hier heimischen Vampire derweil Besuch von einer japanischen Gruppe hatten, ließ sie nicht aus. Leider kannte sie weiterhin Sinn und Zweck dieses Besuches nicht, doch was sie wusste war, dass die Stimmung in der Bar augenblicklich kippte, sobald die Japaner den Raum betraten. Auch von Rena, dem gefangenen Mitglied Sternenstaubs, berichtete sie den Anderen. Jodie hatte die Hoffnung, dass es ihnen gelang, die Brünette ebenfalls zu befreien. In den letzten Wochen hatten die beiden Frauen sich angefreundet. Ihre japanische Kameradin tat ihr so leid. Sie musste in den vergangenen sechs Monaten durch die Hölle gegangen sein und hatte auch weiterhin nicht all zu viel zu lachen. Rena hatte nie mit ihr darüber gesprochen, was eigentlich los war, doch wie sehr sie unter der ganzen Situation litt, war nicht zu übersehen gewesen. Wenn Mondnebel es geschafft hatte, Camel und sie selbst zu befreien, dann würde es ihnen hoffentlich auch noch gelingen die Jüngere in Sicherheit zu bringen. Lediglich eine Tatsache war problematisch. Jodie hatte keine Ahnung, wo genau das Anwesen sich überhaupt befand. Wann immer sie das Haus verlassen hatte, hatte sie in der Tiefgarage im Auto Platz nehmen müssen und sich die Augen verbinden. Im Blindflug war es schließlich durch die Stadt gegangen, wobei die Fahrzeiten stets unterschiedlich lang waren. Jodie vermutete, dass Chris absichtlich verschiedene Wege eingeschlagen hatte und Umwege gefahren war, damit die Jägerin nicht anhand der im Fahrzeug zurückgelegten Entfernung abschätzen konnte, wo das Anwesen sich befinden musste. Was das betraf, waren sie leider keinen Schritt weiter. Sie würden dieses Vampirnest erst ausheben und Sternenstaubs Jägerin retten können, wenn sie in Erfahrung gebracht hatten, wo das Anwesen sich befand. Als Jodie das Gebäude am frühen Abend wieder verließ, war sie einerseits froh darüber, ihre Kameraden mit vielen wichtigen Informationen versorgt zu haben, gleichzeitig jedoch war ein gewisser Frust in ihr hochgekocht. Als Akai schließlich zu der Befragung der Daywalkerin aufgebrochen war, hatte sie sich Shu anschließen wollen, doch dieser hatte abgelehnt. Leider hatte auch Black ihr untersagt die Vampirin zu sehen, geschweige denn zu befragen. Die offizielle Begründung lautete, dass ihr ein Widersehen mit ihrer Entführerin nicht gut tun würde und andere Kollegen ohnehin erfahrener waren, was Verhöre betraf, doch Jodie meinte es besser zu wissen. Obwohl sie ihrem Team alles gesagt hatte, was sie wusste, schienen ihre Kameraden ihr im Bezug auf Chris nicht zu 100% zu vertrauen. Nicht, dass sie fürchteten, dass sie mit der anderen Blondine in einem Boot saß, es musste viel mehr die Angst sein, dass Vineyard noch irgendein Ass im Ärmel hatte, mit dem sie Jodie erneut unter Druck setzen und dazu bringen könnte, etwas Dummes zu tun. Dabei war das doch gar nicht der Fall! Die Jägerin hätte nichts lieber getan, als das Verhör selbst zu führen und die Informationen nach und nach selbst aus diesem Biest herauszuholen, doch genau das wollten ihre Kameraden nicht. Man wollte sie nicht in der Nähe der Vampirin sehen. Akai und Black hatten ihr sogar untersagt, den Zellentrakt überhaupt zu betreten! Wütend ballte die junge Frau die Hände zu Fäusten. Ausgerechnet sie hatte doch die größte Motivation die Schauspielerin zu befragen und Informationen zu gewinnen! Sie wollte das selbst tun und doch traute man ihr diese Aufgabe nicht zu. Oder aber man traute ihr nicht, weil man befürchtete, dass die letzten zwei Wochen sie so traumatisiert haben könnten, dass sie sich von der redegewandten Daywalkerin unter Druck setzen ließ. Als wenn sie Chris befreien würde, oder sich zu irgendeiner Dummheit hinreißen lassen würde! Sie wollte sich doch einfach nur an diesen verdammten Tisch setzen und die Befragung selbst durchführen, nicht mehr und nicht weniger! Doch die anderen Mitglieder Mondnebels waren hart geblieben. Man hatte darauf bestanden, dass sie Feierabend machte und sich noch ein wenig Ruhe gönnte, nachdem sie bereits den ganzen Tag auf der Arbeit verbracht hatte. In Gedanken und nicht unbedingt glücklich, lief Jodie durch die Stadt. Einerseits konnte sie ihre Kameraden ja verstehen, andererseits war die Gesamtsituation einfach nur frustrierend. Doch es half alles nichts. Man hatte sie dazu verdonnert, für heute Feierabend zu machen, weshalb sie sich nun auf dem Heimweg befand. Zwar war es inzwischen bereits dunkel, da die kalte Jahreszeit die immer kürzer werdenden Tage nun einmal mit sich brachte, doch immerhin regnete es heute nicht. Ihr Atem bildete durch die Kälte kleine, weiße Wölkchen, wie Jodie feststellte, als sie unter einer Straßenlaterne hindurch ging. Dadurch, dass Mondnebels Hauptquartier sich nicht direkt im Zentrum New Yorks befand, blieben ihr die Hektik, die Automassen und die vielen bunten Leuchtreklamen erspart. Aktuell nahm Jodie Kurs auf ein Wohnviertel. Das Viertel, in dem sie lebte. So kühl es auch war, sie hatte sich heute ganz bewusst dafür entschieden zu Fuß zu gehen. Zwar brauchte sie von ihrer Wohnung bis zum Büro fast eine Dreiviertelstunde, doch der Spaziergang auf dem Hin- und Rückweg halfen ihr den Kopf frei zu bekommen und etwas abzuschalten. Noch eine Viertelstunde und sie hätte die Straße erreicht, in der sie lebte. Als Jodie an einer kleinen Grünfläche vorbeilief, neben der links und rechts einige Bänke aufgestellt worden waren, bemerkte sie eine Person, welche an einem Baum lehnte. Durch die Dunkelheit war der Fremde im ersten Augenblick nur schemenhaft auszumachen. Nicht mehr als ein Schatten. Kaum, dass sie die Person aus dem Augenwinkel registriert hatte und den Blick in ihre Richtung wandte, war der oder die Unbekannte mit einem schnellen Satz verschwunden. Jodie sog scharf die Luft ein. Diese Bewegung! Sie hatte noch nicht einmal geblinzelt und dennoch hatte sie die Person aus den Augen verloren. Die Gestalt hatte sich so schnell bewegt, wie es einem normalen Menschen nicht möglich war. Diese Erkenntnis und die Tatsache, dass sie den Vampiren entkommen war und Mondnebel eins der einflussreichsten Mitglieder dieser Monster geschnappt hatte, ließen der jungen Frau das Blut in den Adern gefrieren. Sie drehte sich wieder nach vorn und hätte beinahe einen erschrockenen Schrei ausgestoßen, als sie realisierte, dass der eben verschwundene Unbekannte in nicht einmal zehn Zentimetern Entfernung genau vor ihr stand. Beinahe wäre sie mit ihm zusammengestoßen! Reflexartig taumelte sie einen Schritt zurück, doch da hatte der Fremde sie schon am Handgelenk gepackt und hielt sie fest. Jodie spürte, wie Horror und Adrenalin durch ihren Körper jagten wie Stromstöße. New Yorks Vampire dürften mehr als verstimmt sein, weil Mondnebel ihre Vize-Anführerin gefangen hatte und sie selbst war aktuell ganz allein unterwegs und zu allem Übel auch noch unbewaffnet! Die junge Frau blinzelte ihrem Gegenüber entgegen, wobei sie den Blick ein Stück weit heben musste, da der Vampir größer war als sie selbst. Verwirrt stellte sie fest, dass sie sein Gesicht kannte. Blaue Augen, hellblonde Haare und ein etwas dunklerer Teint. "...Bourbon, du...?", brachte sie stockend heraus. Angesprochener hielt sie zwar weiterhin fest, lockerte den Griff um ihr Handgelenk jedoch. Ihr Gegenüber hob die freie Hand in einer fast schon beschwichtigenden Geste. "Keine Angst, ich bin nicht hier um dir etwas zu tun, ich will nur mit dir reden.", ergriff er das Wort. Der Blick der jungen Frau wurde skeptischer. Sie traute dem Frieden nicht. "Natürlich willst du das.", antwortete sie voller Ironie. "Genau so ist es.", beteuerte Rei noch einmal mit aufgesetzter Unschuldsmiene. "Lass mich raten: du willst angeblich nur mit mir reden, aber von meinen Antworten wird abhängen, ob und in welchem Zustand du mich gehen lässt." Rei lockerte den Griff um ihr Handgelenk noch ein wenig mehr und ließ schließlich ganz los. Die Jägerin festzuhalten war nicht nötig. Sie wussten beide, dass ein Mensch einem Vampir unmöglich davonlaufen konnte. Mit einem Nicken deutete der Blonde auf eine der nahegelegenen Bänke. "Setzen wir uns doch.", forderte er Jodie auf. "Und nein, deine Antworten werden den Verlauf des Gesprächs nicht beeinflussen. Heute bin ich wirklich nur hier um zu reden." Die junge Frau horchte auf. Heute war der Bodyguard also nur hier um mit ihr zu reden? Das bedeutete gleichzeitig jedoch auch, dass ihre nächste Begegnung weniger friedlich ausfallen würde. "Also bist du hier um mir zu drohen.", stellte Jodie fest. "Erhoffst du dir dadurch, dass ich dafür sorge, dass Mondnebel deine Freundin gehen lässt?" Wenn er das wirklich hoffte, würde er feststellen müssen, dass er bei ihr auf Granit biss. Die Blondine war eine Vampirjägerin durch und durch. Niemals würde sie die Vize-Anführerin der New Yorker Vampirgesellschaft einfach so gehen lassen, um vorübergehend ihre eigene Haut zu retten! Viel zu wertvoll waren die Informationen, die Mondnebel hoffentlich früher oder später aus der Schauspielerin herausquetschen würde. Außerdem besaß diese Frau vielleicht nicht die Körperkraft anderer Vampire, dennoch war die Daywalkerin brandgefährlich und ein skrupelloses Monster, wie die anderen Vampire auch. Niemals würde sie es daher auch nur in Erwägung ziehen, die Ältere zu befreien. Bourbon warf Jodie einen beinahe mitleidigen Blick zu. "Ich möchte in erster Linie, dass du verstehst, was hier eigentlich gespielt wird. Das wolltest du doch sowieso schon die ganze Zeit über herausfinden." Der Blick der Jägerin blieb unverändert skeptisch und wenig freundlich. "Plötzlich willst du mich, ein Mitglied Mondnebels, mit Informationen versorgen?", hakte sie nach. "Natürlich aus reiner Nächstenliebe, wie ich annehme.", fügte sie ironisch hinzu. Kurz überlegte sie, doch schließlich ging Jodie auf die Bank zu, auf die Rei eben noch gedeutet hatte. Welche Wahl blieb ihr auch? Sie war unbewaffnet und dem Vampir körperlich deutlich unterlegen. Abhängen könnte sie ihn auch nicht, folglich konnte sie auch gleich hierbleiben und ihn anhören. Sie war überzeugt davon, dass der Blonde ihr Geschichten auftischen würde, um sie dazu zu bringen Chris gehen zu lassen, doch diesen Gefallen würde sie ihm ganz sicher nicht tun. Niemals. Doch vielleicht gewann sie durch den Bodyguard dennoch einige Informationen, die der Wahrheit entsprachen und Mondnebel weiterhelfen könnten. Als sie schließlich auf der Bank Platz nahm, fragte sie sich, was ihre Kameraden wohl davon halten würden, dass sie mit diesem Vampir sprach. "Schön, ich höre dir zu. Erzähl mir, was du mir erzählen wolltest, aber glaub nicht, dass ich mich von deinen Worten beeinflussen lassen würde." Auch Rei setzte sich auf die Bank und wählte dabei eine Entfernung, mit der er ihre Privatsphäre respektierte, gleichzeitig für Außenstehende jedoch auch nicht wie ein Fremder wirkte. Sollte irgendein Passant an ihnen vorbeilaufen, er würde sie vermutlich für Bekannte oder Freunde halten. "Nun, wo fange ich am besten an...?", überlegte der Bodyguard. Jodie zog abwartend eine Augenbraue hoch. "Solltest du das nicht eigentlich wissen? Aber wenn du dich scheinbar nicht entscheiden kannst, wie wäre es mit einer Antwort auf die Frage, warum ihr elenden Vampire Zivilisten fangt und sie in eurem Anwesen gefangen haltet wie Vieh, bis sie schließlich in der Bar enden. Das ist einfach nur widerlich." Einen Moment lang musterte Bourbon sie schweigend. Überraschend wirkte er weder amüsiert über ihre Worte, noch irgendwie überheblich. "Damit hast du wohl Recht.", stimmte der Blonde ihr zu. "Die Zivilisten zu fangen und in die Bar zu bringen, ist ein Befehl von ganz oben und die Hierarchie innerhalb der Vampirgesellschaft ist äußerst streng, wie du während deiner Zeit bei uns vielleicht mitbekommen hast." Also wollte der Boss, den sie nie zu sehen bekommen hatte, dass all diese unglücklichen Seelen auf die Getränkekarte gesetzt wurden? Nicht, dass das irgendeinen Unterschied machte. "Selbst wenn es ein Befehl von eurem Anführer ist, Chris wirkte nicht so, als hätte sie Gewissensbisse dabei diese Anweisung umzusetzen und du und die Anderen ebenfalls nicht.", stellte Jodie fest. "Willst du mir jetzt vielleicht erzählen, dass euch das Mitleid mit den Jahren verloren gegangen ist, weil ihr inzwischen ganz vergessen habt, wie es ist Mensch zu sein?" "Was das betrifft, täuschst du dich. Wie es ist menschlich zu sein, haben wir keinesfalls vergessen." Fragend blickte die Jägerin ihren Gesprächspartner an. "Wie alt seid ihr bitte, wenn du das sagst?" Vampire zu schätzen war immerhin ein Ding der Unmöglichkeit. "Wir sind beide 29.", lautete die schlichte Antwort. Weiterhin wirkte der Blick der Blondine skeptisch. "Du meinst, ihr seht aus wie Ende zwanzig, aber wie alt seid ihr wirklich?" "Das ist unser wahres Alter.", verbesserte Rei amüsiert. "Wir waren die längste Zeit unseres Lebens menschlich." Einen Moment schwieg er, während Jodie die kurze Pause brauchte um zu verarbeiten, dass diese beiden Vampire wohl doch noch nicht steinalt waren. Schon oft hatte sie sich gefragt, wie alt die Daywalkerin wohl wirklich sein mochte, doch das diese nur ein einziges Jahr älter war als sie selbst, kam überraschend. "Vielleicht sollte ich einfach mit dem Anfang von all dem hier starten.", entschied Rei derweil. Jodie blickte ihn an. Es klang so, als würde das Gespräch sich eine Weile hinziehen. Sollte sie ihn unterbrechen? Nein, das würde wohl keinen großen Sinn machen. Es war immerhin nicht so, als dass sie diesem Vampir wirklich entkommen könnte, wenn er sich in den Kopf gesetzt hatte sie zuzutexten. "Ich habe Chris vor etwas mehr als viereinhalb Jahren kennengelernt.", begann der Blonde seine Geschichte. "Das sie damals schon eine international berühmte Schauspielerin war, weißt du vermutlich. Ich selbst war damals noch Polizist." Überrascht blickte Jodie ihren Gesprächspartner an. "Polizist?", hakte sie ungläubig nach. "Ausgerechnet?" "Schwer vorstellbar, was?", scherzte Rei augenscheinlich, jedoch klang seine Stimme dabei bitter. Ohne weitere Rechtfertigungen, wie ein ehemaliger Polizist so abrutschen konnte, redete er weiter. "Mein damaliger Chef hatte mich ihr als vorübergehenden Personenschutz zugeteilt, da sie von einer unbekannten Person bedroht wurde. Jeder hat vermutet, dass es sich um irgendeinen Fan handeln würde, einen kranken Stalker. Das wäre immerhin naheliegend gewesen. Zumindest bin ich Chris damals zum ersten Mal begegnet." Kurz hielt der Blonde erneut inne und schien sich zu erinnern, dann fuhr er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen fort: "Sie war über den bereitgestellten Personenschutz nur mäßig erfreut, um es mal so zu sagen und hat es der Polizei nicht unbedingt leicht gemacht. Einerseits war sie damals schon ein launisches Sternchen durch und durch, andererseits war sie gleichzeitig auch so anders als die anderen Schauspieler, mit denen sie sich meistens umgeben hat. Charismatisch und unglaublich dickköpfig. Sie passte wunderbar in die glitzernde Luxuswelt der Stars, aber das war für sie eher zweitrangig. Wenn etwas oder jemand ihr Interesse geweckt hat, hat sie ihre Starallüren ganz einfach bei Seite geschoben und sich so verhalten, wie jeder Bürger aus normalem Hause auch." Während Jodie ihm zuhörte, fiel ihr auf, dass Rei die Daywalkerin wirklich mochte. Man hörte und sah es ihm an, denn wenn er sich an die damalige Zeit zurückerinnerte, leuchteten seine Augen. Gerade hätte man ihn leicht für einen ganz gewöhnlichen jungen Mann halten können, der von der Frau sprach, die er mochte. Doch auch wenn diese Zuneigung scheinbar echt war, wusste Jodie dennoch, dass ihr Gegenüber alles andere als ein normaler Zivilist war. Auch wenn er gerade vielleicht so wirkte, hatte sie bereits seine skrupellose Seite kennengelernt, sonst würde er die Vampirfamilie wohl kaum so selbstverständlich unterstützen. "Und was ist dann passiert?", hakte sie der Höflichkeit halber nach, konnte jedoch nicht leugnen, dass es sie in der Tat ein klein wenig interessierte, wie die Geschichte wohl weiterging. "Nun, sie war anfangs nicht all zu begeistert von dem Personenschutz, wie ich schon sagte. Aber nach und nach hat sie sich mit ihrem neuen Bodyguard arrangiert." Er klang amüsiert. "Wir kamen überraschend gut miteinander aus. Als es ruhig um den Stalker wurde und ich sie nicht länger schützen musste, blieb der Kontakt weiterhin bestehen. Es war Chris egal, dass ich eigentlich nicht in die Welt der Reichen und Berühmten, in der sie lebt, passte. Ich würde fast sagen, dass wir zu dieser Zeit bereits befreundet waren." An dieser Stelle der Geschichte hatte Jodie eigentlich nicht damit gerechnet, doch plötzlich verfinsterte sich Reis Mimik, was sie dazu brachte ihn fragend und abwartend zugleich anzusehen. "Aber dann ist es passiert. Von einem Tag auf den anderen war sie plötzlich wie vom Erdboden verschluckt, beantwortete keine Nachrichten und meldete sich bei niemandem mehr. Es war unklar, ob etwas passiert war, oder ob sie ganz einfach untertauchen wollte. Jede Suche ist im Sande verlaufen, bis sie ungefähr einen Monat später ganz von selbst wieder aufgetaucht ist. Aber als sie wieder zurück war, war sie anders." "Anders? In wie fern? Was meinst du damit?", hakte Jodie nach. Für sie klang seine Beschreibung eher danach, als hätte dieses verzogene Sternchen einfach nur für eine Weile abtauchen wollen, so wie einige Promis es von Zeit zu Zeit taten. "Kühl und abweisend. Sie hat mir nur gesagt, dass sie den Kontakt abbrechend wird. Sie wäre nicht länger die, die ich zu kennen glaubte und es wäre das Beste so." Der Blonde gab einen undefinierbaren Laut von sich. "Natürlich habe ich das so nicht einfach stehen lassen. Ich meine, welcher Polizist würde sich damit zufrieden geben, wenn eine Freundin plötzlich solche sonderbaren Dinge äußert und sich vollkommen anders verhält? Und das nachdem sie vor einigen Wochen noch von irgendeinem seltsamen Kerl bedroht wurde, der uns nie ins Netz gegangen ist." Zumindest in diesem Punkt musste Jodie ihm zustimmen. Sie würde sich wohl auch kaum einfach so zur Seite schieben lassen, wenn ein Bekannter von ihr sich plötzlich so seltsam verhalten würde. Rei zog eine Grimasse. "Also habe ich auf eigene Faust Nachforschungen angestellt und mich dabei unwissentlich mit der New Yorker Vampirgesellschaft angelegt. Diese Ermittlungen hätte ich beinahe mit dem Leben bezahlt. Den Kampf gegen einen Vampir kann ein normaler Mensch nur verlieren. Ich wäre ganz sicher am Blutverlust und an meinen Verletzungen gestorben, aber dann ist sie plötzlich aufgetaucht. Ich weiß nicht genau, wo Chris an diesem Abend so plötzlich hergekommen ist, aber sie hat mir letztlich das Leben gerettet, indem sie mich gewandelt hat. Das war vor ungefähr 4 Jahren." "Vor vier Jahren?", wiederholte die Jägerin überrascht. "Das ist für einen Vampir praktisch nur ein Wimpernschlag." Diese Information kam wirklich unerwartet, genau so wie die Geschichte, die Rei ihr soeben erzählt hatte. Einen Moment lang dachte sie darüber nach, dann schüttelte Jodie den Kopf. "Schön und gut, aber das erklärt nicht, warum ihr bei diesen grausamen Taten mitmacht. Die Tatsache, dass erst seit so kurzer Zeit Vampirblut durch eure Adern fließt, macht es nur noch schlimmer, wenn du mich fragst." "Das mag wohl sein und als früherer Polizist gefällt es mir nicht, diese Menschenleben zu opfern, doch es ist ein notwendiges Opfer. Vielleicht verstehst du es, wenn ich dir erkläre, warum Chris dich in den letzten Wochen tatsächlich behalten hat." "Bezeichne Menschenleben niemals als notwendiges Opfer!", widersprach Jodie heftig. "Es gibt nichts, das es rechtfertigen würde, den Tod von Zivilisten in Kauf zu nehmen." Verstimmt funkelte sie den Blonden an. "... Aber den Grund für meinen unfreiwilligen Aufenthalt in eurem Anwesen, würde ich in der Tat gerne erfahren." In den letzten Wochen hatten sie bereits arge Zweifel beschlichen, dass die Daywalkerin sie tatsächlich nur als Dienstmädchen und private Blutbank festgehalten hatte, zudem sie sich nach Tag 1 nie wieder für ihr Blut interessiert hatte. Den wahren Grund für diese Entführung war Chris ihr schuldig geblieben. "Es mag dich jetzt vielleicht etwas überraschen, aber dich im Anwesen festzuhalten diente dem Zweck, mehr über Mondnebel herauszufinden. Alle, Curaçao und ich selbst mit einbegriffen, haben Chris davon abgeraten, aber sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, mehr über euch Jäger herauszufinden, da sie euch um Hilfe bitten wollte, wenn das denn das richtige Wort dafür ist." Jodie verschluckte sich fast und starrte Bourbon nun wirklich ungläubig an. Für den Moment hatte sie ganz vergessen, dass sie diesem Gespräch eigentlich nur zugestimmt hatte, weil sie den Blonden sowieso nicht hätte abhängen können. Nun jedoch hatte er ganz eindeutig ihre Aufmerksamkeit. "Bitte was?!", wiederholte sie etwas lauter als beabsichtigt und fuhr schließlich in angemessenerer Lautstärke fort: "Sie hat mich bedroht, erpresst und festgehalten, weil sie Mondnebel um HILFE bitten wollte? Außerdem... ein Vampir der sich Hilfe von einer Gruppe Vampirjägern erhofft? Ich weiß nicht, was an der ganzen Geschichte nun am absurdesten ist." Beinahe hätte sie vor Fassungslosigkeit gelacht. Verständnislos starrte die junge Frau ihren Gesprächspartner an. Rei schien diese Reaktion nicht zu überraschen, viel mehr sah er so aus, als habe er schon damit gerechnet. "Ich weiß, dass es verrückt klingt. Vielleicht ist um Hilfe bitten auch der falsche Begriff.", begann er zu erklären. "Lass es mich so sagen: Chris ist, was das betrifft, absolute Opportunistin. Ihr Jäger könntet ihr dabei helfen, ein äußerst unliebsames Problem aus dem Weg zu schaffen." Skeptisch blickte Jodie den Bodyguard an. "Ach ja?", hakte sie alles andere als überzeugt nach. "Ich verstehe immer noch nicht, was genau du damit meinst. Wobei erhofft dein verzogenes Sternchen sich ausgerechnet Hilfe von Mondnebel, ihrem eigentlichen Feind?" Auch wenn Rei die Schauspielerin mochte, bei dem von Jodie gewählten Spitznamen, konnte er ein amüsiertes Schmunzeln nicht unterdrücken, ehe seine Mimik wieder ernster wurde. Auf die Frage der Jägerin schien er nur gewartet zu haben. "Wie du vielleicht mitbekommen hast, haben wir derzeit recht unliebsamen Besuch aus Japan.", begann der Blonde zu erklären. "Für Chris steht gerade einiges auf dem Spiel. Geht die Sache nach ihren Vorstellungen aus, gewinnt sie sozusagen den großen Jackpot, geht es schlecht für sie aus, verliert sie alles was ihr lieb und teuer ist." "Mondnebel soll also Gin und seine Leute für sie ausschalten?", mutmaßte Jodie. "Es mag schon sein, dass diese Vampire so etwas wie unsere gemeinsamen Feinde sind, aber warum sollten wir deshalb mit einer anderen Vampirfamilie zusammenarbeiten? Ihr seid immerhin keinen Deut besser." In ihrem Blick spiegelten sich Abscheu und Verachtung, wenn sie allein schon an die Bar im Erdgeschoss des Anwesens dachte. "Und könntest du dich vielleicht zur Abwechslung auch mal etwas klarer ausdrücken? Was genau steht für sie auf dem Spiel? Was hat euer Haus für ein Problem mit den Japanern?" Nicht, dass das einen Unterschied machen würde. Es kümmerte sie nicht, welche Probleme die Vampire untereinander hatten. Dennoch wollte sie die Sache geklärt wissen, immerhin kam es nicht oft vor, dass ein Vampir sich Unterstützung von Vampirjägern erhoffte, auch wenn die ganze Geschichte noch keinerlei Sinn für Jodie ergab. "In dieser Angelegenheit würde Chris über Leichen gehen.", begann Bourbon. Jodie unterbrach ihn. "Wie unglaublich reizend.", kam es ironisch von ihr. Der Blonde beachtete ihren Einwand nicht. "Was deine Vermutung angeht, muss ich dich verbessern. Es geht nicht darum unsere Besucher auszuschalten, keinesfalls. Einen Krieg anzuzetteln würde nicht nur zu einer politischen Katastrophe zwischen den Häusern führen." Das war nicht das erste Mal, dass einer der Vampire von den politischen Verbindungen der einzelnen Vampirhäuser sprach, fiel der jungen Frau auf. "Und es mag sein, dass wir im Moment nicht viel besser sind als unsere japanischen Gäste, aber genau das soll sich ändern. Chris will die Zusammenarbeit mit Mondnebel, da dieser Schritt einerseits die Möglichkeit bietet, ihre eigenen Probleme aus dem Weg zu schaffen, andererseits aber auch dazu beitragen wird, die Konflikte zwischen Mensch und Vampir in Zukunft unblutiger zu lösen." Jodie konnte nicht leugnen, dass sie bei Reis Andeutung aufhorchte, auch wenn sie dem Frieden keineswegs traute. Mit einem Blick forderte sie ihn zum Weitersprechen auf. "Nicht nur für Chris wäre dieser Deal ein Gewinn, sondern auch für Mondnebel und die amerikanische Bevölkerung. Ihr Ziel ist es, die alten Gewohnheiten unserer Gesellschaft umzukrempeln und zu modernisieren. Warum zu unnötiger Gewalt greifen und Tag für Tag töten, wenn es auch anders geht." "Anders?", hakte Jodie nach. "Ist das dein Ernst? Willst du mir gerade wirklich weismachen, dass eine skrupellose Person wie Chris sich für das Gute einsetzen will? Das ist lächerlich!" Sie lachte auf. "Skrupellos ist sie in gewisser Weise vielleicht wirklich.", gab der Bodyguard zu. "Aber ihr Plan für die Zukunft Amerikas beendet nicht nur das Blutvergießen für euch Menschen nahezu, er verbessert auch die Lebensqualität für uns Vampire und macht es uns leichter. Es handelt sich um eine Win-Win-Situation." Also ging es der Schauspielerin in erster Linie darum möglichst viele Vorteile für sich selbst herauszuschlagen? Der positive Nebeneffekt für die Menschheit, von dem die Rede war, schien nicht mehr als ein Zufall zu sein. Jodie musste zugeben, dass das schon wieder viel mehr nach der anderen Blondine klang. "Sagtest du nicht vorhin selbst noch, dass die Hierarchie innerhalb eurer Familie sehr streng ist und die Befehle, beispielsweise bezüglich eurer verdammten Bar, von eurem Boss höchst persönlich kommen?", erinnerte die Jägerin ihren Gesprächspartner. "Wie also will sie etwas daran ändern?" "Chris hat vielleicht nicht nur Befürworter innerhalb unseres Hauses, aber im Großen und Ganzen findet sie überaus viel Zuspruch. Die große Mehrheit unserer Leute hört ihr zu und akzeptiert sie als stellvertretende Anführerin. Du hast sicherlich selbst schon in der ein oder anderen Situation mitbekommen, wie redegewandt und charismatisch sie sein kann, wenn sie etwas durchsetzen will." "Das mag vielleicht sein, aber gibt es da nicht trotzdem immer noch euren Boss?", erinnerte Jodie. "Sie ist sein absoluter Liebling. Seit Rums Tod ist Chris die Einzige, die den Boss überhaupt sehen darf.", erklärte Bourbon ihr. Gedanklich machte die Jägerin sich diesbezüglich eine Notiz im Kopf, handelte es sich hierbei immerhin um eine wichtige Information. "Alles schön und gut, aber trotz allem drückst du dich die ganze Zeit über so kryptisch aus, dass ich nicht verstehe, wie euer ach so toller Plan eigentlich aussieht." Jodie verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich denke viel mehr, dass du dir gerade etwas aus den Fingern saugst, um mich zu beeinflussen, in der Hoffnung, dass ich dir dabei helfe, deine Freundin zu befreien." Das würde in ihren Augen sehr viel mehr zu der derzeitigen, absurden Situation, als auch zu dem Blonden selbst passen. Mit seiner Art fiel es Bourbon leicht, anderen den freundlichen und entspannten Typen von nebenan vorzugaukeln, doch Jodie wusste, dass sich unter dieser Fassade etwas Falsches und Gefährliches verbarg. Das er plötzlich so redselig war und sie scheinbar mit Informationen versorgte, die ihr Interesse wecken sollten, passte da wunderbar in das Bild, welches sie sich von dem Vampir gemacht hatte. "Ich kann verstehen, dass du misstrauisch bist. Warum also fragst du Chris nicht einfach selbst? Es wäre das Beste, wenn sie dir von hier an erklärt, was genau sie plant und warum sie eine Zusammenarbeit mit Mondnebel anstrebt." Jodie schwieg einige Augenblicke lang, blickte ihr Gegenüber skeptisch an und dachte über seine Worte nach. "Das könnte ich, aber wenn sie weiterhin so mit mir redet, wie in den letzten zwei Wochen, bezweifle ich stark, aus ihren Antworten wirklich klüger zu werden, als durch deine kryptischen Andeutungen." Überrascht bemerkte die junge Frau, wie Reis Mimik sich merklich aufhellte. "Was?", murrte sie. "Ich kann mich nicht erinnern, zugestimmt zu haben, eine Zusammenarbeit in Betracht zu ziehen." "Das vielleicht nicht, aber aus deiner Antwort schließe ich, dass Chris noch lebt. Ihr haltet sie nur fest." Die Jägerin zog eine Augenbraue hoch. "Ach, darum ging es dir die ganze Zeit? Du wolltest lediglich herausfinden, ob Mondnebel deine Daywalker-Freundin gefangen oder getötet hat?" Der Vampir warf Jodie ein schiefes Schmunzeln zu und schüttelte den Kopf. "Ich habe dir die Geschichte nicht bloß aufgetischt um herauszufinden, was ihr mit Chris gemacht habt. Aber es beruhigt mich trotzdem ungemein zu wissen, dass sie lebt." Die Blondine warf dem Bodyguard einen Seitenblick zu. "Trotz allem ändert das nichts an der Gesamtsituation. Mondnebel und mit Vampiren zusammenzuarbeiten? Das ist absurd." "Und trotz allem wirst du darüber nachdenken.", stellte Bourbon unbeeindruckt fest. "Ach ja? Was macht dich da so sicher?" Er warf der Jägerin ein selbstbewusstes Lächeln zu. "Weil du nicht anders kannst. Du bist ein absoluter Gutmensch. Menschenleben bedeuten dir alles. Die Aussicht darauf, zukünftig viele sinnlose Tode verhindern zu können, kannst du nicht mehr so leicht ausblenden. Im Gegenteil, du wirst diesen Gedanken kaum von dir schieben können.", sagte er ihr auf den Kopf zu. "Na da glaubt ja jemand mich gut zu kennen.", lautete die ironische Antwort. Trotz allem konnte Jodie nicht leugnen, sich über Bourbons Aussage zu ärgern. Nicht, weil sie provokant war, sondern weil sie den Nagel tatsächlich auf den Kopf traf. Wie sollte sie nicht versuchen wollen, möglichst viele Menschenleben zu schützen? Aber eine Zusammenarbeit mit Vampiren? Wie könnte sie mit solchen Monstern zusammenarbeiten? Das hier waren nicht mehr als schöne Worte! Vermutlich wollte Bourbon ihr lediglich einen Floh ins Ohr setzen, um sie dazu zu bringen, die Daywalkerin zu befreien, da er selbst schlecht in Mondnebels Hauptquartier eindringen konnte. Doch das kam nicht in Frage. Sie hielt das Thema, welches er angeschnitten hatte, viel mehr für eine Falle. Die junge Frau bemerkte, wie Rei begann etwas in sein Smartphone einzutippen. Ironischerweise hatten sie das gleiche Modell, wie sie feststellte. Doch dann stutzte die Blondine. Die Handyhülle mit den Kirschblüten darauf... sie hatten nicht einfach nur zufällig das gleiche Handy, das war IHR Smartphone. "Hey!", brauste sie auf. "Das ist mein Smartphone! Ich seh ja wohl nicht recht!" Gerade, als sie ihm das Smartphone schwungvoll abnehmen wollte, hielt Bourbon es ihr bereits mit einem undefinierbaren Schmunzeln entgegen. "Ich war so frei und habe meine Nummer in deinem Telefonbuch abgespeichert.", erklärte er ihr. Rasch schnappte Jodie sich ihr Handy und überprüfte seine Angabe. In der Tat entdeckte sie einen neuen Kontakt. "Wann hast du dir mein Smartphone überhaupt geschnappt?", wollte sie verstimmt wissen. "Schon vorhin, als wir beinahe zusammengestoßen wären.", lautete die amüsierte Antwort. "Und gesperrt war es auch nicht." Der Blonde erhob sich von der Bank und entfernte sich zwei Schritte. Erst noch funkelte Jodie ihn wütend an, dann wurde ihr Blick eher fragend. "Ich muss jetzt los.", antwortete Rei ihr auf die stumme Frage hin. "Ruf mich an um mir deine Entscheidung mitzuteilen." Die Jägerin stutzte. Er wollte gehen? Einfach so, nachdem er es doch gewesen war, der dieses Gespräch erst gesucht hatte? Auch wenn das wohl bedeutete, dass sie dieses Treffen allem Anschein nach tatsächlich unbeschadet überstehen würde. "Warte!", sprach Jodie ihn hastig an und war überrascht über sich selbst. Doch es gab etwas, das sie wirklich interessierte. In der Tat hielt Rei inne und blickte sie fragend und abwartend zugleich an. "Beantworte mir eine Frage.", forderte sie. "Du sagtest, dass du ehemaliger Polizist bist. Sollten dir Menschenleben da nicht ebenfalls am Herzen liegen? Warum also unterstützt du diese Vampirbrut dann? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mit der Wandlung schlagartig loyal geworden bist." Oder doch? Immerhin waren Vampire alle gleich. Nichts weiter als gewissenlose Monster. Elende Blutsauger, die der Menschheit Leid zufügten. Auch wenn Exemplare wie beispielsweise Bourbon sich erstaunlich zivilisiert verhielten und sich gewählt ausdrückten. Die Antwort des Bodyguards ließ einige Sekunden lang auf sich warten. Schweigend musterte er die Blondine mit ernstem Blick, ehe er schließlich das Wort ergriff. "Ich habe es damals nicht geschafft sie zu beschützen. Aber das wird sich ganz sicher nicht wiederholen. Auch wenn wir jetzt vielleicht keine Menschen mehr sind, bleibe ich an Chris Seite und garantiere ihre Sicherheit. Das durch die Vampirgesellschaft Menschen sterben, gefällt mir auch nicht, doch aktuell handelt es sich um unvermeidbare Opfer. Aber daran wird sich schon bald etwas ändern. Chris hat es binnen kürzester Zeit bis zur Vize-Anführerin Amerikas gebracht und ist gewillt, die alten Sitten auf den Kopf zu stellen. Ich stehe voll und ganz hinter ihr und ihrer Vision." Nun war es an Jodie für einen Augenblick zu schweigen, da sie die Worte des Bodyguards erst einmal auf sich wirken lassen musste. Er war gänzlich überzeugt von dem, was er da sagte. Das er nicht schauspielerte, sah man ihm an, genau so wie es unstrittig war, wie viel diese launische und skrupellose Frau ihm bedeutete. "Du hast also in erster Linie für Chris einen Pakt mit dem Teufel geschlossen?", hakte Jodie noch einmal nach, auch wenn sie die Antwort darauf bereits zu kennen glaubte. "Die Tatsache, dass ihr etwas an der aktuellen Situation ändern wollt, ist eher nebensächlich, habe ich Recht?" Bourbon entfernte sich erneut einige Schritte von ihr, blieb dann aber stehen und blickte die Jägerin über die Schulter hinweg an. "Denk über mich was du willst, es kümmert mich nicht. Aber eine Sache wäre da noch." Plötzlich bekam sein Blick etwas Mahnendes und Verschlagenes. Das Funkeln seiner Augen sorgte dafür, dass Jodie sich sofort alarmiert anspannte. "Mondnebel sollte sie lieber gestern als heute gehen lassen. Nicht nur mir ist daran gelegen, sie in Sicherheit zu wissen. Wenn der Boss von all dem hier erfahren sollte, wird er handeln. Die gesamte New Yorker Vampirgesellschaft gegen sich aufzubringen, kann selbst Mondnebel sich nicht leisten." Einen Augenblick lang schwieg er, während sich ein ironisches Schmunzeln auf seinen Lippen abzeichnete. "Aber wir werden nicht eure einzige Sorge sein. Wenn unsere japanischen Gäste mitbekommen, dass ihr unsere Daywalkerin gefangen haltet, wird auch Gin eingreifen und alle Register ziehen. Dieser Mann ist grausamer, als du dir vorstellen kannst und er wird sich seine Pläne nicht von einigen Vampirjägern zu Nichte machen lassen." Jodie konnte nicht leugnen, dass bei diesen Worten eine Eiseskälte in ihr aufstieg, die sie frösteln ließ. Was Bourbon da gesagt hatte, beunruhigte sie zutiefst. Doch schon mischte sich auch eine gewisse Wut zu ihrer Beunruhigung. "Du drohst Mondnebel?", wollte sie wissen und stand von der Bank auf. "Erst erzählst du mir diese Geschichte und nun zeigst du dein wahres Gesicht, Vampir?" "Fass meine Worte lieber als gutgemeinte Warnung auf.", verbesserte Rei sie. "Ich sage dir nur, dass ihr im Begriff seid etwas loszutreten, dessen Ausmaß ihr euch nicht vorstellen könnt." Gerade öffnete die Jägerin den Mund, um ihm zu antworten, als der Blonde einen Satz machte. Jodie konnte noch beobachten, wie der Vampir mit zwei Sprüngen das nächste Dach erreicht hatte und als Abschiedsgruß die Hand hob, dann war er verschwunden. Zurück blieb die Blondine, mit einem mehr als unguten Gefühl in der Magengegend. Tausende Gedanken rasten durch ihren Kopf. Mit seinen Worten hatte Rei mehr Fragen aufgeworfen, als er beantwortet hatte. Sie glaubte ihm, das die Bedrohung durch die Vampire mehr als real war. Aber was hatte es mit dieser absurden Geschichte auf sich, dass Chris sich eine Zusammenarbeit mit Mondnebel wünschte? Das waren doch sicherlich nicht viel mehr als schöne Worte, um sie einknicken zu lassen. Wie sollte diese ach so tolle Vision von einer gewaltfreieren Zukunft überhaupt aussehen, wenn es so etwas überhaupt gab? Und worum genau ging es bei dieser ganz offensichtlichen Meinungsverschiedenheit der beiden Vampirhäuser? Fragen über Fragen, auf die sie keine Antwort wusste. Einen Moment lang spielte Jodie mit dem Gedanken, zurück zu Mondnebels Hauptquartier zu laufen, um dort auf ihre Kameraden zu warten, welche in einigen Stunden von der nächtlichen Patrouille zurückkehren sollten. Mit Sicherheit würde es helfen die Anderen mit ins Boot zu holen. Andererseits sollte sie vielleicht erst einmal versuchen die Verwirrung in ihrem Kopf ein wenig zu ordnen. Sie musste über dieses Gespräch nachdenken, um all die erhaltenen Informationen überhaupt erst wirklich zu verarbeiten. Wenn sie sich wieder etwas beruhigt hatte, würde sie gleich Morgen das Gespräch mit Black, Akai und den Anderen suchen. Vielleicht würde man sie dann auch endlich in das Verhör mit einbeziehen. Sie hoffte es. Als Jodie loslief und wieder den Weg in Richtung ihres Wohnhauses einschlug, überschlugen ihre Gedanken sich förmlich. Immer wieder ging sie das eben geführte Gespräch noch einmal durch und versuchte sich einen Reim darauf zu machen. Was den restlichen Heimweg betraf, hatte ihr Kopf sozusagen auf Autopilot geschaltet. Viel mehr beschäftigte sie das, was Bourbon ihr eben erzählt hatte. Sie war sich ziemlich sicher, dass ihre Kameraden die neuen Informationen morgen sicherlich mehr als nur interessieren dürften. Die ganze Nacht über beschäftigten sie die Erinnerungen an das Gespräch. Sie, eine Vampirjägerin die nun wieder frei war und ihren Beruf ausüben konnte, hatte gestern wirklich friedlich mit einem Vampir auf einer Bank gesessen und sich unterhalten. Doch das war leider nicht das Absurdeste an der ganzen Geschichte. Das, was der Blonde ihr erzählt hatte, hatte so viel mehr Fragen in ihr aufgeworfen, als das sie Antworten gefunden hätte. Vampire die sich als Friedensbringer verkauften und mit Mondnebel zusammenarbeiten wollten... sie hätte nicht gedacht, sich über so etwas überhaupt einmal den Kopf zu zerbrechen. Wie genau wollte Chris sicherstellen, dass zukünftig weniger Blut vergossen würde? Eine Erklärung darauf war Rei ihr schuldig geblieben. Sie würde die Daywalkerin folglich selbst fragen müssen, Gesetz dem Fall, dass ihr Bodyguard nicht nur eine Geschichte erfunden hatte, um sie zu befreien. Und dann stand noch die Drohung im Raum, die er ihr als Warnung hatte verkaufen wollen. Das die Vampire der Stadt früher oder später handeln würden, war leider gar nicht mal so abwegig. Mondnebel war Amerikas erfolgreichste Vampirjägergruppe, aber hätten sie eine Chance gegen einen Angriff eines ganzen Vampirhauses? Nicht, das Jodie gedachte sich davon einschüchtern zu lassen oder deshalb einzuknicken, doch sie würde heute definitiv ihre Kameraden ins Bild setzen müssen. Sollten die Vampire in naher Zukunft angreifen, um ihre zweite Anführerin zu befreien, so durfte dies Mondnebel nicht unvorbereitet treffen. Das drei ihrer Kameraden vor etwa zwei Wochen den Tod gefunden hatten, war schon schlimm genug. Nach wie vor grübelnd, öffnete die junge Frau um 10:58 Uhr die Tür des Großraumbüros. "Guten Morgen!", grüßte sie, während sie den Blick durch das Büro schweifen ließ. "Morgen ist gut, Vormittag trifft es eher.", begrüßte eine Teamkameradin, deren Schreibtisch recht nah an der Tür stand, sie. "Auch wieder wahr." Jodie schmunzelte schief. "Aber sag mal, es ist heute verdächtig wenig los hier. Wo ist James?" "Er ist gemeinsam mit Camel unterwegs, um neue Munition zu holen.", erklärte ihre Kollegin, die ein paar Jahre jünger war als sie selbst. "Der Rest der Spätschicht ist noch nicht wieder hier. Nur Akai ist gestern gar nicht erst nach Hause gefahren." Ganz automatisch sah Jodie zum Schreibtischs des anderen Jägers. Dieser stand dort gemeinsam mit Aaron und Claire, zwei weiteren Mitgliedern Mondnebels. Die drei waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie Jodie noch gar nicht bemerkt hatten. "Er hat gar nicht erst Feierabend gemacht? Nun, dann hat er vielleicht einige interessante Dinge beim Verhör in Erfahrung gebracht. Ich seh mal nach ihm.", beschloss die Blondine und setzte sich in Bewegung. Ob sich das, was der Bodyguard der Schauspielerin ihr gestern erzählt hatte, ungefähr mit ihren Aussagen deckte? Sie würde es gleich in Erfahrung bringen. "... das war nicht in Ordnung, wirklich.", hörte sie Claire gerade sagen. Die Dunkelhaarige stand mit verschränkten Armen da und sah ihre beiden Kollegen unglücklich und hilflos zugleich an. "Natürlich war es das. Wir haben die Maßnahmen ergriffen, die angemessen waren.", widersprach Aaron ihr. Wie immer blickte der großgewachsene Mann, der früher einmal bei der Navy gedient hatte, streng und griesgrämig drein. Vielleicht verlieh jedoch auch nur die Narbe, die von seiner rechten Augenbraue bis fast zu seinem Kinn verlief, ihm diesen grimmigen Gesichtsausdruck. Jodie konnte sich nicht helfen, doch sie hatte das Gefühl, dass Aaron meist schlecht gelaunt war. Diskutierend liefen ihre beiden Kollegen durch das Großraumbüro in Richtung Kaffeeautomat und grüßten sie im Vorbeigehen. Die Blondine selbst gesellte sich zu Shuichi, Mondnebels Trumpfkarte. "Hey.", begrüßte sie ihn. "Ich habe gehört, dass du gestern gar nicht erst heimgefahren bist. Machst du jetzt schon Doppelschichten?" "Grüß dich." Akai wandte sich ihr zu, indem er sich mit dem Schreibtischstuhl ein Stück weit drehte. Wie immer wirkte er ernst, wobei seine Mimik ganz automatisch ein wenig auftaute, als er sich ihr zuwandte. Wie immer, wenn sie miteinander sprachen. "Aaron und ich haben uns bis in die frühen Morgenstunden die Zähne an dem Verhör ausgebissen.", erklärte der andere Jäger ihr. "Inzwischen ist es so spät, das ich auch gleich hierbleiben kann." "Also wirklich eine Doppelschicht. Aber werd bloß nicht unaufmerksam, wenn du heute Abend auf Patrouille gehst.", ermahnte Jodie ihn. Sie knuffte ihrem Kameraden freundschaftlich gegen den Oberarm und setzte sich auf einen freien Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand. "Und? Was habt ihr herausfinden können?", wollte sie wissen. Noch immer wurmte es sie, dass man ihr untersagt hatte, die Befragung selbst durchzuführen, doch was Chris ihren Kollegen erzählt hatte, interessierte sie wirklich. Gleichzeitig konnte sie es kaum erwarten von den Neuigkeiten zu berichten, die sie selbst gestern in Erfahrung gebracht hatte. Aber was das betraf, sollte sie zumindest noch warten, bis Andre und James wieder zurück waren. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, griff sie nach der Kaffeetasse, die bislang unangetastet auf dem Tisch gestanden hatte und trank einen Schluck. "Hey, mein Kaffee!", beschwerte Shuichi sich halbherzig. Jodie verzog das Gesicht. "Kaffee schwarz und ohne Zucker, was findest du bloß daran?" Sie stellte die Tasse zurück auf den Tisch. "Aber jetzt erzähl schon.", drängte sie. "Da gibt es nicht viel zu erzählen.", murrte Akai ernst und wenig erfreut vor sich hin. "Wir haben in Erfahrung gebracht, dass diese Frau ein noch viel größerer Sturschädel ist, als du es je sein könntest, aber darüber hinaus? Vineyard verweigert jede Antwort und zieht es vor zu schweigen, oder uns Vampirjäger zu verhöhnen." Die Blondine stutzte. Hatte Bourbon ihr gestern nicht noch gesagt, dass Chris angeblich eine Zusammenarbeit mit Mondnebel anstrebte? Wenn in dieser Aussage auch nur ein Fünkchen Wahrheit steckte, warum packte sie dann nicht aus und hüllte sich stattdessen lieber in Schweigen? "Sie hat rein gar nichts aussagen wollen?", hakte Jodie noch einmal nach und seufzte. "Na ganz toll. Führst du das Verhör zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam mit Aaron fort?" Akai kritzelte auf einem Blatt herum und wie schon so oft, registrierte Jodie, dass sie die Sauklaue ihres Kameraden nicht entziffern konnte. "Ja,... natürlich.", antwortete der andere Jäger ihr. "Wenn wir heute Nacht von der Patrouille durch die Stadt zurückkommen, setzen wir das Verhör fort. Vielleicht hilft der Vampirin der Tag in der Zelle, um ihre Situation erst wirklich zu realisieren." "Na hoffentlich ist sie dann gesprächsbereiter." Jodie schob ihre Brille wieder ein Stück weit hoch und strich sich eine verirrte Ponysträhne aus dem Gesicht. Weiterhin wollte auch sie an besagtem Verhör teilnehmen, doch sie rechnete sich größere Chancen aus, wenn sie James Black ganz direkt fragte, sobald dieser wieder zurück war und sie ihren Kameraden von dem Gespräch mit Bourbon erzählt hätte. Während die Blondine Akai dabei beobachtete, wie er einige Notizen auf ein Blatt kritzelte, zog plötzlich etwas anderes ihre Aufmerksamkeit auf sich. Die Knöchel seiner rechten Hand... die Haut darüber war gerötet und teilweise aufgeplatzt. Einige Stellen mussten sogar geblutet haben. Jodie zog die Stirn kraus und schielte unauffällig zu seiner linken Hand. Das gleiche Bild. "Was hast du mit deinen Händen gemacht? Hast du dich mit jemandem geprügelt, Shu?" Angesprochener sah von seinen Notizen auf und winkte ab. "So ein Quatsch. Es ist alles in Ordnung. Das sind nur ein paar Kratzer, von denen bald nichts mehr zu sehen ist.", stellte er kurzangebunden fest. Nur ein paar Kratzer? Jodie war sich ziemlich sicher, dass sie die in Mitleidenschaft gezogenen Handknöchel einzuordnen wusste Und wenn sie sich nicht gänzlich täuschte... der jungen Frau wurde schlagartig regelrecht schlecht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)