Juli 1970 von Erzsebet (Pathologie eines Philologen) ================================================================================ Kapitel 22: Der rebellische Engel --------------------------------- Der noch leere Vortragssaal lag im ersten Stock des Kongresszentrums. Die große Fensterfront bot einen Ausblick auf einen Teil des Schloßparks, die Türme von St.Michael und den grünen Erzengel auf dem Engelsturm vor dem dramatisch bunt bewölkten Himmel. Und vor den zum Teil tintenschwarzen Wolken segelten einige strahlend weiße Möwen. Gerade, als Michael sich einen Platz mit idealer Sichtachse zum Engelsturm ausgesucht hatte, kam Hiller mit einer Mappe unter dem Arm und einem Pappbecher heißen Kaffees herein. Er begrüßte Michael, fragte, wo er denn während der Vormittags-Rubrik gewesen sei und wie interessant der Vortrag 'Polytheismus versus Monotheismus' gewesen wäre. "Und dann breitete Paduani noch den Konflikt zwischen mündlich überlieferten Traditionen und kanonisiertem Schrifttum aus. Das hätte dich sicher interessiert, Mike. In deiner Brust wohnen doch auch zwei Seelen." Damit bezog Hiller sich möglicherweise auf die ganz verschiedenen theologischen Konzepte, mit denen Michael seine ebenso verschiedenen erdachten Welten ausgestattet hatte. Allerdings hatte er sich trotzdem nie jenseits der rein intellektuellen, gewissermaßen meta-religiösen Ebene mit Fragen des Glaubens beschäftigt. Die Ausübung des Kultus war für Michael nur eine von vielen Äußerungen traditioneller Kultur und stand damit auf gleicher Stufe wie Tischsitten oder Konventionen der Bekleidung. Er nahm alles hin, sah sich jedoch nicht verpflichtet, selbst irgendetwas zu 'glauben'. Michael machte den Mund auf um Hiller zu widersprechen, aber er schloß ihn wieder. Ein Streitgespräch über Glaube war nichts, was man übers Knie brechen konnte und in wenigen Minuten würde der Vortrag von Jules de la Tour über Krafischer beginnen. Danach ging es nahtlos weiter mit 'Elementargeister, Naturgewalten, Schatten und Dämonen in den Gedichten des Münchner Kreises' von Magdalena Rieser und zum Abschluß gab es Hillers 'Der Artus-Mythos in der Romantik - die keltischen Wurzeln und die christliche Verbrämung'. Irgendwann würde sich während der verbleibenden anderthalb Tage des Kongresses noch die Gelegenheit zur Diskussion über potentiell brisante Themen bieten. Kurz nach Hiller waren die beiden anderen Vortragenden hereingekommen und auch das Auditorium füllte sich. Zwei Hilfskräfte des Kongresszentrums erklärten de la Tour, wie das Tonbandgerät zu bedienen sei und wenig später begann der von Tonbeispielen begleitete Vortrag über den 'Engel mit dem Schwert'. Michael mußte anerkennen, daß Hiller recht gehabt hatte. Der 'himmlische Gesang' - der Oratoriumsauftakt in St.Michael - das Lob des Ewigen durch seine Engel und die Aussendung des Erzengels Michael, Merburg zum Christentum zu führen, waren wirklich sehr beeindruckend. Allerdings bewegte Michael die Musik des polnischen Komponisten mehr, als der Text Krafischers zu dieser Auftragsarbeit der Merburger Stadtväter. Er hatte wirklich etwas von Spärenklängen, dieser a capella-Gesang des Engelschores. Michael schloß die Augen und stellte sich die Aufführung vor, das Innere der Michaelis-Kirche, die Sänger in bodenlangen, weißen Gewändern, anstelle von Armen leuchtende, weiße Schwanenflügel, wie anbetende Arme erhoben. Und der Solist war Ginger, nur daß seine Haare, wie die der anderen Engel, nun schulterlang waren. Und plötzlich merkte Michael, daß er die Hand in die Hosentasche gesteckt hatte und mit dem - mit seinem - Ring spielte. Obwohl er ihn nun schon eine Weile so nah am Körper trug fühlte er sich kalt wie Eis an. Die Musikaufnahme endete und Michael öffnete die Augen, sah hinaus aus dem Fenster auf die sich nähernde Gewitterfront. Der von der Sonne noch angestrahlte grüne Engel leuchtete vor dem dunkel gewordenen Himmel. Er schien hinüberzuwinken zum Freesthingh. De la Tour faßte zum Abschluß seines Vortrages noch einmal seine Darstellung zusammen und stellte eine provokante These in den Raum. Doch Michaels Gedanken schweiften wieder ab, zu dem bronzenen Engel auf dem Engelsturm und zu Ginger in seinem Engelskostüm, zu Ginger ohne Bekleidung, schlafend zwischen seinen schwarzen Laken liegend, schön wie die Personifizierung der Verführung. Hiller moderierte die Diskussion und kündigte dann Riesers Vortrag an. Michael machte nicht die kleinste Anstrengung, dem stark niederbayerisch eingefärbten Englisch der Vortragenden zu folgen. Er fuhr mit dem Mittelfinger in den Ring, drehte ihn mit dem Daumen um die Fingerspitze, immer herum und herum, spürte das kalte Metall, den eisigkalten Stein, hatte noch den Klang des Engelschores im Ohr und dachte an Ginger. Er würde nach Hillers Vortrag zu ihm gehen, notfalls in seiner Wohnung im Hotel auf ihn warten. Soweit er wußte, ging Ginger keiner ernsthaften Beschäftigung nach. Er hatte also allen Grund zu hoffen, den jungen Mann tatsächlich anzutreffen. Jeder Herzschlag ließ ihn erzittern wie Donner - und sein Herz raste vor Begehren. Er konnte fast fühlen, wie Ginger ihn mit seinen Engelsflügeln umfing und der Ring wurde noch kälter - oder er hatte begonnen, zu glühen und verbrannte seine Finger. Michael genoß den Schmerz. "Eine eigenartige Interpretation, nicht wahr?" flüsterte jemand dicht hinter Michael. Michael schrak auf, erkannte Ashmodys Stimme, aber konnte keinen Sinn in dieser Bemerkung erkennen. "Was?" flüsterte er zurück. Ashmody beugte sich noch weiter nach vorne, ihr Kopf war nun nahe neben dem seinen, so dicht, daß ihre langen Locken seine Wange berührten. "Riesers Deutung der Elementargeister und Dämonen", antwortete sie fast unhörbar leise, doch der Hauch ihres Atems streifte sein Ohr, fegte das Bild des geflügelten Ginger davon. Nun umfingen ihn bronzefarbene Flügel, und eine dunkelhäutige Hand ruhte einen Moment auf seiner Schulter. Der Ring an seinem Finger pochte schmerzhaft und Michael zog die Hand aus der Hosentasche, ließ den Ring darin zurück. De la Tour moderierte die Diskussion im Anschluß an Riesers Vortrag und überließ Hiller dann das Rednerpult, und Michael war sich mit beunruhigender Intensität Ashmodys Gegenwart in seinem Rücken bewußt. Es war, als würde ein Feuer hinter ihm brennen, ihn wärmen aber auch mit Zerstörung bedrohen. Wann war nur endlich Hiller damit fertig, über die Dame vom See und den Heiligen Gral zu reden? Er schaute über die Schulter, sein Blick traf für einen Moment den Ashmodys, und das war wie Balsam für seine gepeinigten Sinne. Es war ihr wortloses Versprechen, alle seine Wünsche zu erfüllen, ihm seine Ruhe wiederzugeben. Und als er hinausschaute, sah er, daß nun draußen die Ruhe dahin war. Heftige Windböen beugten die Bäume des Schloßparks, fegten durch die Büsche und ein Blitz erhellte für einen Moment den schwarz gewordenen Himmel. Wenig später knallte der dazugehörige Donner. Die Möwen waren verschwunden. Hiller machte eine Bemerkung und die Zuhörer lachten. Michael war der Scherz jedoch entgangen, er starrte nur hinaus zum hellgrünen Engel, der anscheinend begann, sein Schwert zu heben, und plötzlich öffnete der Himmel seine Schleusen, der Regen brach los. Wieder fühlte Michael den Ring zwischen seinen Fingern, körperwarmes Metall und etwas kühlerer Stein - ein ganz normaler Ring wie es schien. "Ich wünschte, die Zeit stünde still", sagte er leise, während er beobachtete, wie der Engel auf dem Engelsturm das Schwert in die Scheide gleiten ließ und probeweise die Flügel bewegte. "So geht das nicht", belehrte Ashmody ihn, hatte sich wieder nach vorne gebeugt, sah Michael von der Seite an. "Der Ring muß dazu am Finger sitzen. Dann bist du in der Lage, die Zeit zu manipulieren." Michael nahm Ashmody beim Wort, steckte den Ringfinger in den Goldreif, schob ihn mit dem Daumen nach oben - alles, ohne die Hand aus der Hosentasche zu nehmen. Und der Engel hielt mit seinen Aufbruchsbestrebungen inne, erstarrte wieder fast zu seiner vorherigen Haltung. Und als Michael sich - weil plötzlich außer dem pladdernden Regen auch die Stimme Hillers verstummt war - in Richtung Rednerpult drehte, um zu sehen was passiert war, bemerkte er, daß außer Hiller auch das Publikum erstarrt war, einige mit dem Stift über dem Notizblock, andere den Vortragenden ansehend oder den Platznachbarn. Ashmody aber stand auf und setzte sich auf den freien Platz neben Michael. "Nun steht die Zeit still, Michael." Michael durchfuhr es heiß und kalt unter Ashmodys stechendem Blick. Er zog seine nun beringte Rechte aus der Hosentasche, senkte verlegen den Blick und sah, daß der grüne Stein wie von innen heraus leuchtete. "Die Macht eines Engels ist darin eingeschlossen", sagte Ashmody und deutete mit einem Finger in Richtung des Ringes, hielt jedoch auffälligen Abstand von dem grünen Stein. Und Michael bemerkte zum ersten Mal, daß sie an ihrer Rechten einen ähnlichen Siegelring trug, mit einem tiefroten Stein. Ein Greif war in diesen Stein eingeschnitten. Michael streckte neugierig die Hand aus, um nach Ashmodys großer Hand zu greifen, sich ihren Ring genauer anzusehen, aber sie zog ihre Hand aus seiner Reichweite. "Nutze die Macht deines Ringes, Michael." Sie stand auf, breitete die Arme aus und befiederten sich mit bronzefarbenen Flügeln. Das knielange, orangene Seidenkleid, das ihren Körper umflatterte, verblaßte. "Folge mir", sagte Ashmody und die Stimme war wie Gesang, brachte Michaels Inneres zum Schwingen, weckte Erinnerungen an diesen Körper wie aus glühendem Metall und er spürte, wie das Feuer in seinen Adern erwachte. Ashmody sprang durch die geschlossene Fensterfront ohne das Glas zu zerstören und flog durch die in der Luft schwebenden Regentropfen in Richtung Michaelis-Kirche. Michael breitete seine Schwingen aus und folgte Ashmody. Etwas außer Atem schloß er noch vor dem Engelsturm auf, und sie ließen sich auf dem toten Drachen zu Füßen des Erzengels nieder, Michael links, Ashmody rechts von der Bronzefigur. Die während des Fluges aufgefangenen Regentropfen perlten von Ashmodys Schwingen, als sie nach einem leichten Zittern um den Körper zusammengelegt wurden. Michael dagegen breitete seine Schwingen aus, um auf dem Schwanz des Drachen nicht den Halt zu verlieren. Der Engelsturm war erschreckend hoch. Doch nach wenigen Augenblicken bemerkte Michael, daß er sich anscheinend auf seinen Gleichgewichtssinn blind verlassen konnte und er betrachtete den überlebensgroßen Bronzeengel aus der Nähe. Er hatte das Schwert in die Scheide gesteckt, hatte beide Hände in die Hüften gestemmt, sah hinunter auf den Drachen zu seinen Füßen, mit einem nachdenklich-ernsten Ausdruck in seinem jungen Gesicht. "Er ist eine Art Insekt", sang Michael Ashmody zu, als ihm plötzlich bewußt wurde, daß der gerüstete Bronzeengel sechs Gliedmaßen hatte. Ashmody tänzelte bis auf die äußerste Spitze des Drachenschädels und lachte Michael an. "Er ist eine Skulpur, ein Ding", war die gesungene Antwort. "Er hat sich bewegt, weil ich es wollte." Ashmody hüpfte leichtfüßig um den Bronzeengel herum, stellte sich vor Michael, umfing ihn mit dunklen Schwingen, war so nahe, daß das Licht von Michaels Flügeln Ashmodys Gesicht erhellte. "Erinnerst du dich nun endlich?" Michael wich ein wenig von Ashmody zurück. "Woran soll ich mich erinnern?" fragte er, benutzte bewußt die Sprache der Menschen. Die Gegenwart Ashmodys war so furchterregend vertraut, und der Singsang der Stimme rief ihm andere Gesänge in Erinnerung. "Du warst vor Seinem Angesicht", sagte Ashmody und die Worte der Menschensprache klangen unbeholfen aus dem Mund des geflügelten Wesens. Es folgte eine singende Wiederholung und die weckte Erinnerungen in Michael, die ihn bewegten, sich an Ashmody zu schmiegen, um wieder ein wenig jener vertrauten Nähe zu spüren, die er so lange vermissen mußte. Ashmody küßte ihn, rieb den Körper begehrlich an seinem, wandte sich dann plötzlich von ihm ab, stieg auf und lockte ihn, wieder zu folgen. Und er folgte Ashmody, durch die wie Nebel in der Luft hängenden Regentropfen, im Flug über die Stadt, hin zum Leuchtturm. Dort wurden sie eins, bis Michael vor Erschöpfung an Ashmodys Brust einschlief, umfangen von dunklen Schwingen. * "Aufwachen", sagte jemand leise und stupste ihn an die Schulter. Michael schrak auf und sah in Hillers Gesicht. "War mein Vortrag so langweilig, Mike?" fragte er grinsend. "Oder bist du erst bei Jourdans Diskussionsbeitrag eingeschlafen? In dem Falle wärst du entschuldigt." Hiller stützte sich mit einer Hand auf die Rückenlehne eines Stuhles der nächsten Reihe, sah kopfschüttelnd auf Michael hinunter, dann grinste er wieder. Michael war von seinem merkwürdigen Traum etwas desorientiert, sah hinaus aus dem Fenster. Der Himmel war mäßig bewölkt, aber die Sonne schien. Von einem Umwetter oder auch nur von Regen war nichts zu merken. Und der Engel auf dem Engelsturm stand da wie immer, mit nach unten gerichtetem blanken Schwert, herausfordernd nach Süd-Osten blickend, hin zum Freesthingh. Hiller mußte sich auf Titus Jourdan bezogen haben, der dafür berüchtigt war, ohne Punkt und Komma reden zu können und so der Schecken aller Vortragenden war, wenn er in einer Diskussion das Wort ergriff und unerwünschte Koreferate hielt. Bis auf einen Angestellten des Kongresszentrums, der das Tonbandgerät demontierte, waren Hiller und Michael allein. Für heute waren die Vorträge beendet. "Tut mir leid, ich habe zum Teil wohl auch deinen Vortrag verschlafen. Aber wenn es dich tröstet, er hat mir zu süßen Träumen verholfen." Hillers Grinsen wurde womöglich noch breiter. "Na, dann laß uns gehen und 'ne Kleinigkeit essen." Hiller ging zwischen den Stühlen hindurch zur ersten Reihe, wo seine Mappe lag und folgte dann Michael, der schon zum Ausgang des Vortragssaales ging. Erst auf dem Weg durch den Schloßpark merkte Michael, daß er einen kleinen schweren Gegenstand in der rechten Hosentasche hatte und als er in die Tasche griff, fühlte er den Ring. Den Diebstahl dieses Kleinods hatte er offenbar nicht geträumt. Der Versuchung, ihn über den Ringfinger zu streifen, widerstand er mühsam. "Ich finde ja, daß Riesers Argumentation ein bißchen hergeholt wirkte", begann Hiller nach einigen Minuten schweigenden Gehens. "Ich kann nicht recht nachvollziehen, wieso alle Mitglieder des Münchner Kreises aufrechte Christen gewesen sein sollen, trotz ihrer pantheistischen Werke und Kulthandlungen." Da war Hiller also wieder beim Thema Glauben gelandet. "Ist das nicht eigentlich dasselbe? Ob man nun die Naturgeister als einem Höchsten untergeordnet ansieht oder als von ihm geschaffen ist doch..." Michael unterbrach sich, als ihm plötzlich der Gedanke kam, daß es doch nicht dasselbe war, abhängiges Geschöpf des Gottes oder unabhängiges Wesen zu sein, das sich - vielleicht nur zeitweilig - dem Willen eines anderen unterwarf. Die Engel wurden im Gebet angerufen, aber stets gab es die Mahnung, sie nicht anzubeten. Anbetung stand nur dem Ewigen zu. Man fürchtete wohl, sie durch die Anbetung als Götter anzuerkennen und so den erklärten monotheistischen Charakter der Religion zu erschüttern. Michael blickte auf seine Schuhe und den trockenen Sandweg, auf den sie traten. De la Tour hatte in einem Exkurs dargestellt, daß nach der gängigen Ansicht ein Engel, der seinen eigenen Willen durchsetzte, ein Dämon war. War er das aber wirklich, wenn er doch nur den Willen des Höchsten vollstreckte? "Warum so still, Mike? Sonst bist du doch immer gut für einen Streit über Religion." Michael sah auf. "Vielleicht sind es ja auch zwei grundverschiedene Konzepte, die im Kampf miteinander liegen... aber wie kann der Mensch überhaupt sichere Erkenntnis über Gegenstände jenseits seines Erfahrungshorizontes gewinnen, wenn doch immer das Bekannte unsere Wahrnehmung bestimmt? Wie kann er Gewißheit über die göttliche Sphäre erlangen? Wir sind doch immer gefangen in unserer Vorstellung... unserer Phantasie, unserem 'Glauben'. Gibt es einen Gott, gibt es viele? Hat der Mensch sich vielleicht alles ausgedacht oder hat er existente Kräfte nur mit Namen versehen, in für ihn vorstellbare Konzepte geordnet?" Im rotbraunen Sand des Weges steckten auch einige Steinchen. "Du glaubst also, daß tatsächliche Erkenntnis für den Menschen nicht möglich ist?" fragte Hiller nun. Michael lächelte über diese Fangfrage, sah kurz zu Hiller auf. "Ich glaube nicht, ich zweifle", antwortete er dann. "Und was ist mit Visionen und Offenbarungen - wie mit der Engelserscheinung hier in Merburg?" "Einbildung", behauptete Michael schnell, "zumindest aber Interpretation anhand des Bekannten oder als möglich Vorstellbaren." Großvater Dumeloille hatte behauptet, Ha'adon hätte ihm das Leben durch Michael Drake den Älteren gerettet, doch war dieser Herr der Ewige, Zeus oder Taranis, oder vielleicht eine ganze Schar von Göttern? Und wie sollte ein Mensch darüber Erkenntnis erlangen? Und nach einigen weiteren Metern begann Michael wieder: "Und selbst wenn es die Götter gibt und die Visionen echt waren, wer sagt denn, daß die Götter nicht lügen, wenn sie sich uns vorstellen?" Auch Athena hatte nur behauptet, sie sei die Göttin und es gäbe den Göttervater Zeus, doch halt, das hatte er sich nur ausgedacht! Zunehmend schienen ihm Phantasie und Wirklichkeit schwer auseinanderzuhalten... irgendwie hatte er die Bindung an die Realität, die er früher als so selbstverständlich angesehen hatte, verloren. Es hatte damit begonnen, daß er sich ernsthaft wünschte, die Phantasie möge für ihn real sein. Nun war die Realität für ihn phantastisch geworden. War das objektiv so oder wurde er nur einfach irre? Jetzt meinte Michael, selbst das Unheil zu ahnen, von dem Cassandra gesprochen hatte. "Wieso bist du so finsterer Stimmung? Schau dich um: das Wetter ist fast perfekt, im Hotelrestaurant gibt es hervorragendes Essen, heute abend gibt es ein wunderbares Konzert in St.Michael, und morgen gibt es nach dem Mysterienspiel die Rubrik Heilige und Sünder mit einem Vortrag über Sinnlichkeit und Begierde. Also für mich reicht das, um mich in die beste Stimmung zu versetzen." Hiller schlug Michael - wohl in der Absicht, ihn aufzumuntern - auf die Schulter. Michael stöhnte leise über den unerwarteten Schmerz, denn Hiller hatte eine strapazierte Muskelregion erwischt. Auch wenn er von dem Flug nur geträumt hatte, war der Muskelkater überaus real. * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)