Pet von Maginisha ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Dunkler Stoff spannte über massiven Muskeln. Breite Schultern, kurzgeschorener Nacken, stabiler Torso. Rohe Kraft in einen Anzug gedrängt. Wo das Jackett auseinanderklaffte, wurde ein weißes Tanktop sichtbar. Darunter gebräunte Haut und angedeutete Schatten. Ausläufer eines Tattoos, das sich von den Schultern aus über den gesamten Rücken spannte. Ein Tiger mit ausgefahrenen Krallen, bereit zum Sprung. Ebenso bereit wie Makoto. Seine Augen huschten von Shisu zu den drei Männern ihm gegenüber und wieder zurück. Beim ersten Anzeichen von Ärger würde er zuschlagen. Das war seine Aufgabe. „Also …“ begann Shisu, seine näselnde Stimme wie das Kratzen eines falsch gehaltenen Kreidestücks auf einer Schiefertafel. „Mir wurde zugetragen, ihr hättet da etwas, das uns gehört.“   Der vorderste der drei, der Anführer, wenn Makoto es richtig einschätzte, räusperte sich.   „Habt ihr das Geld?“   Für einen Moment dehnte sich die Stille zwischen den zwei ungleichen Gruppen bis in die Unendlichkeit. Wasser tropfte von den Rohren irgendwo oberhalb des Hinterhofs. Dämpfe einer nahen Garküche waberten als traniger Nebel durch die Luft. Es stank nach Fett, vergammeltem Fisch und Katzenpisse. Ratten quietschten zwischen den überquellenden Müllkübeln. Makoto konnte das Schaben ihrer kleinen Krallen hören. Das Nagen ihrer scharfen Zähne. Die Gier in ihren Augen auf sich fühlen. Für sie waren er und die anderen hier nicht mehr als ein paar saftige Leckerbissen, die sich noch nicht dazu entschlossen hatten zu sterben. Vielleicht würden sie nicht warten, bis es soweit war.   „Natürlich.“   Shisu schnippte mit den Fingern. Das Zeichen für Makoto, den Koffer zu bringen, den er in Händen hielt. Darin befand sich Geld. Bündelweise bunt bedruckte Scheine. Genug um Makoto den Rest seines Lebens einen angenehmen Ruhestand zu ermöglichen, und doch nicht mehr als ein Staubkorn am Fuß des Vermögens von Sasori Kodama. Wäre das, wegen dem sie hier waren, nicht so wichtig gewesen, hätte der Mann vermutlich nicht einmal mit der Wimper gezuckt, um den Betrag zu entbehren. Doch das, was sie wollten, war wichtig, und Makoto würde alles Notwendige tun, um sicherzustellen, dass sein Boss erhielt, was ihm zustand.   „Aufmachen.“   Der Anführer der Dreiergruppe hatte anscheinend seine Eier wiedergefunden. Makoto rührte sich nicht. Er starrte den schlaksigen Bozo nur an und reagierte erst, als Shisu ihm ein Zeichen gab. Mit einem Zucken im Mundwinkel trat er zurück und senkte den Koffer. Der Bozo sah irritiert aus. Shisu lächelte. „Nicht so schnell“, säuselte er und erinnerte Makoto daran, warum er selbst so oft den Drang verspürte, dem schmierigen Lackaffen den Hals umzudrehen. Aber Shisu stand über ihm und niemand, der sich nicht am nächsten Morgen auf dem Grund des Flusses wiederfinden wollte, missachtete diese Ordnung. Sasori Kodama war, was das betraf, außerordentlich gewissenhaft, und die Folterknechte und Henker, die er beschäftigte, engagiert und grausam. Deswegen hielt Makoto die Füße still und tat, was immer Shisu ihm auftrug. Immer schon, seit genau fünf Jahren. Wie ein Uhrwerk.   „Wir wollen zuerst sehen, ob ihr auch habt, weswegen wir gekommen sind.“   Shisu hatte leise gesprochen und freundlich, trotzdem breitete sich Unruhe unter den drei Möchtegerngaunern aus. Makoto konnte sehen, dass sie alle ausgemergelt waren. Ihre dünnen Körper gezeichnet von Armut und Alkohol. Die freie Brust unter den lässig getragenen Mänteln und Westen zeigte ihre Rippen, alle von ihnen hatten Tattoos. Einzelne Schriftzeichen, Kanji, Blumen, Blätter, Fächer. Einige kunstvoll, andere sahen aus wie selbstgemacht. Bei dem einen konnte Makoto eine lang gezogene Narbe quer über dem Bauch erkennen. Sie war wulstig und rot. Vermutlich hatte er kein Geld für einen Arzt gehabt und sich von einem der vielen Quacksalber zusammenflicken lassen. Er hatte Glück, dass er noch lebte.   „Yoshi. Geh.“   Der Anführer ruckte mit dem Kopf und einer der anderen zwei entfernte sich. Er verschwand hinter einer Tür, der Makoto zuvor keine Beachtung geschenkt hatte, und kam kurz darauf mit einem Sack zurück. Unsanft ließ er seine Fracht zu Boden plumpsen. Das Gebilde fiel in sich zusammen und bildete eine Form, die Makoto vage als menschlich identifizierte. Konnte es sein …?   „Aufmachen“, kommandierte Shisu. Der Bozo gehorchte, das Band, das den Sack hielt, wurde gelöst und …   „Was zum Teufel?“   Das, was ihnen vor die Füße kullerte, war klein, dreckig und stank zum Himmel. Geronnenes Blut aus einer Platzwunde am Hinterkopf verklebte Büschel silberblonder Strähnen, die ehemals makellose Haut war mit dunklen Flecken und zornigen Striemen übersät. Eine Wolke aus Schweiß- und Uringeruch stieg Makoto in die Nase. Süßlich, stechend, abstoßend. Hinter sich konnte er die Ratten quieken hören. „Was ist das?“, fragte Shisu aufgebracht. Es war offensichtlich, dass er das hier nicht erwartet hatte. Seine ganze jämmerliche Gestalt zitterte vor Zorn. „Ich hatte gesagt, ich brauche ihn lebend.“ Der Anführer der Dreiergruppe hob verächtlich die Oberlippe. „Er lebt.“   Mit dem Fuß trat er gegen die Gestalt, die daraufhin ein Wimmern von sich gab. Hoch und schmerzerfüllt prallte es von den Wänden wieder und verlor sich in der kühlen Nachtluft. Zu schwach. Zu hilflos. Kein Echo.   „Ja, gerade noch so“, schnappte Shisu. Sein Unterkiefer bebte, wie alles an ihm. Selbst der alberne Spitzbart zitterte. Er erinnerte Makoto an die Ratten.   Shisu gab sich einen Ruck. Er richtete sich auf, strich den hellen Sommeranzug glatt und nahm Haltung an.   „Damit wäre das wohl geklärt“, sagte er kühl. „Mako, wenn du so freundlich wärst?“   Makoto zögerte nicht. Mit der freien Hand griff er nach seiner Waffe, richtete sie auf die Bozos und drückte ab. Dreimal krachte ein Schuss, dreimal traf er. Drei Körper fielen leblos zu Boden, jeder von ihnen mit einem Loch in der Stirn. Makoto steckte die Waffe wieder ein. Er wusste, er würde sie nicht mehr brauchen.   Shisu hatte derweil sein Handy gezückt und machte Fotos von dem Ding am Boden. Es regte sich nicht. Als er fertig war, schnippte er erneut mit dem Finger.   „Na los, pack ihn ein und dann nichts wie weg. Ich hasse es hier.“   Makoto widersprach nicht. Die Slums waren kein Ort, an dem man sich gerne aufhielt, auch wenn sie einst sein Zuhause gewesen waren. Das Bedürfnis, sich zu waschen und seine Kleidung zu verbrennen, kam und ging wieder. Er hob die Hand mit dem Koffer. „Nimmst du das Geld?“   Shisu sah ihn an, als hätte Makoto verlangt, dass er seine Schuhsohlen ableckte. „Du wirst ja wohl beides schaffen“, stichelte er, bevor er sich auf dem Absatz herumdrehte und aus der Gasse stürmte. Makoto blieb zurück mit dem Geld und dem stinkenden Bündel am Boden. Und drei Leichen. Eine Ratte steckte witternd ihre Schnauze hinter einer Mülltonne hervor. Für sie war der Tisch jetzt reich gedeckt. „Bedient euch ruhig“, brummte Makoto, bevor er sich bückte, den jämmerlichen Überrest eines Menschen aufhob und ihn sich wie einen Sack über die Schulter warf. Wenn das hier vorbei war, würde er dringend ein Bad benötigen. Und einen Drink.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)